Um heute wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern eine Vielzahl von Informationen zur Verfügung stellen. Häufig werden dabei auch viele irrelevante oder veraltete Daten übermittelt, sodass die Mitarbeiter die Suche nach den wichtigen Informationen als ineffektiv empfinden. Gleichzeitig kostet jeder Datentransfer Energie.
Welche ökologischen Auswirkungen haben der Abruf und die Übertragung von unnützen Daten? Wie kann eine benutzerzentrierte Ausrichtung der Informationsbereitstellung Energie einsparen? Inwiefern unterscheidet sich ein „Green Knowledge Managementsystem“ von einem „traditionellen“ Wissensmanagementsystem?
Nathalie Serban stellt ein „grünes“ Informationssystem vor. Hiermit können Unternehmen mehr Transparenz über Ansprechpartner, Zuständigkeiten, Informationen und Projekte im Aufgabenbereich des jeweiligen Mitarbeiters schaffen und somit irrelevante Datentransfers vermeiden. Ihr Buch richtet sich an Manager, Führungskräfte und IT-Beauftragte.
Aus dem Inhalt:
- Wissensmanagement;
- Umwelt;
- CO2;
- Ökologie;
- E-Mail;
- Wettbewerb
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Forschungslücke und Ausrichtung dieser Arbeit
1.3 Zielsetzung der Arbeit
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Grundlagen des Wissensmanagements
2.1 „Wissen“ - die neue Unternehmensressource
2.2 Wissensmanagement
2.3 Wissensmanagementsysteme
3 Grundlagen „Green Information System“
3.1 Nachhaltigkeit als Managementaufgabe
3.2 Nachhaltigkeit durch Informationstechnologie
4 Ineffektive Datentransfers als Herausforderungen für Wissensmanagementsysteme
4.1 Herleitung des Begriffsverständnisses ineffektiver Datentransfers für diese Arbeit
4.2 Aufschlüsselung des IKT-Ressourcenverbrauchs
4.3 Einordung in den WM-Prozess
4.4 Auswirkungen von ineffektiven Datentransfers
4.5 Schlussfolgerung für die Konzeption
5 Konzeption eines „Green Knowledge Management Systems“
5.1 Definition eines „Green Knowledge Management System“
5.2 Einordnung in den Managementansatz
5.3 Ableitung von Anforderungen an das „Green Knowledge Management System“
5.4 Aufbau des „Green Knowledge Management Systems“
5.5 Ergebnis des „Green Knowledge Management Systems“
5.6 Hinweise zum zukünftigen Forschungsbedarf
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abstract
Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung des Wissensmanagements soll zu einem effektiveren Umgang mit dem organisatorischen Wissen beitragen und damit dessen Aufbau forcieren. Durch die technologischen Möglichkeiten wird es zunehmend einfacher, Daten und Informationen in großen Mengen unternehmensweit zu verteilen und zu speichern. Viele Datentransfers entpuppen sich jedoch als ineffektiv, da veralteter oder anderweitig irrelevanter Inhalt verteilt und gespeichert wird. Das zunehmende Informationsaufkommen verstärkt dadurch die Herausforderung relevante Informationen zu selektieren. Da sich Informationen nur in einem bestimmten Kontext zu wertvollem Wissen entwickeln können, fühlen sich Mitarbeiter in der komplexen und schnelllebigen Unternehmenskommunikation oftmals unzureichend informiert. Durch die unterschiedlichen individuellen kognitiven Muster, wird die Relevanz einer Information stets personenspezifisch bewertet. Einem effektiven Wissensmanagementsystem kommt demnach die Aufgabe zu, durch technische Strukturen die Informationen benutzerzentriert bereitzustellen und damit einer „Informationsüberflutung“ vorzubeugen. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, einen Vorschlag zur Vermeidung der ineffektiven Datentransfers durch eine Erweiterung gängiger Informations- und Kommunikationstechnologien im Einsatz von Wissensmanagement hin zu einem benutzerzentrierten Wissensmanagementsystem, aufzuzeigen.
Der Vorschlag wird unter einem besonderen Blickwinkel erarbeitet. Das vermehrte Datenaufkommen durch die digitalen Kommunikationsmittel führt folgerichtig zu einem erhöhten Datenvolumen, welches beim Transfer und bei der Speicherung Ressourcen in Form von Energie benötigt. Diese Arbeit eruiert die ökologischen Auswirkungen der Datentransfers innerhalb des Wissensmanagements und erörtert Potentiale zur Energieeinsparung innerhalb eines benutzerzentrierten Wissensmanagementsystems.
Dazu werden ineffektive Datentransfers innerhalb des Wissensmanagement-Prozesses eingeordnet, sowie eine Referenzarchitektur gängiger Wissensmanagementsysteme zur Erweiterung im bestimmten Kontext von „Green Informationsystems“ herangezogen. Ineffektive Datentransfers sind den Wissensmanagementbausteinen Wissensverteilung und Wissensbewahrung zuzuordnen. Die ökologischen Auswirkungen der Datentransfers werden in diesen Bausteinen dargestellt, um daraufhin Vorschläge zur Vermeidung dessen aufzuzeigen. Die ökologischen Einsparungen durch die Vermeidung der ineffektiven Datentransfers werden anhand des verminderten Datenvolumens festgemacht, wodurch eine Konsolidierung von energieverbrauchenden Speicher-Server erfolgen kann.
Das Potential der Wirtschaftsinformatik wird durch die interdisziplinäre Ausrichtung zur Gestaltung eines Informationssystems für nachhaltigere Prozesse genutzt. Die Intention dieser Arbeit ist es damit einen positiven Beitrag zum Themenfeld „Green IS“ zu leisten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ausrichtung der Arbeit
Abbildung 3: Einordnung von Wissen in Anlehnung an die Wissenstreppe von North
Abbildung 4: Begriffshierarchie
Abbildung 5: Die organisationale Wissensbasis
Abbildung 6: Strategisches versus operatives Wissensmanagement
Abbildung 7: SECI-Modell – Sozialisation, Externalisierung, Kombination, Internalisierung
Abbildung 8: Systemseitige Unterstützung der Wissensumwandlungsprozesse
Abbildung 9: Bausteine des Wissensmanagement
Abbildung 10: Interventionsebenen des betrieblichen Wissensmanagements
Abbildung 11: Komponenten eines betrieblichen Informationssystems
Abbildung 12: Förderung des Wissensmanagements durch Informationssysteme
Abbildung 13: Möglichkeiten der IT-Unterstützung im Probst-Modell
Abbildung 14: Methoden des Wissenstransfers im Überblick
Abbildung 15: Architektur eines WMS nach Ovum
Abbildung 16: Architektur eines zentralen Wissensmanagementsystems
Abbildung 17: Architektur für integrierte Wissensmanagement-Systeme
Abbildung 18: Die drei Zielsphären nachhaltig orientierter Unternehmen
Abbildung 19: Bedeutung der Nachhaltigkeitsaspekte für Unternehmensführer
Abbildung 20: Verbreitungsgrad ökologischer Nachhaltigkeitsindikatoren
Abbildung 21: Größter Nutzen der Adressierung von Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen, Umfrageauswertung
Abbildung 22: Vier-„Sektoren“-Modell
Abbildung 23: Vergleich Green IS und Green IT
Abbildung 24: Überblick über Green-IS Anwendungsfelder
Abbildung 25: CO2e-Emissionen in der IKT-Branche und deren Entwicklung in Deutschland
Abbildung 26: Microsoft „Joulemeter“ zur Messung des Energieverbrauchs von Computer-Komponenten
Abbildung 27: Grenznutzen der Information
Abbildung 28: Energiebedarf der Server und Rechenzentren in Deutschland
Abbildung 29: Organisatorische Effizienz durch Übereinstimmung von Aufgaben, Kultur und Technologie
Abbildung 30: Einordnung der Anforderungen in die Referenzarchitektur nach Riempp
Abbildung 31: WM-Ziel mit kritischen Erfolgsfaktoren, Messgrößen und Führungsgröße für das „Green Knowledge Management System“
Abbildung 32: Umwelt-Ziel mit kritischen Erfolgsfaktoren, Messgrößen und Führungsgröße für das „Green Knowledge Management System“
Abbildung 33: Detail-Architektur der Strategie-Ebene für die Einführung des „Green Knowledge Management Systems“
Abbildung 34:Beispiel eines persönlichen Profils in einem Social-Intranet
Abbildung 35: Strukturrahmen des Wissensportals
Abbildung 36: E-Mail Server und Intranet Server
Abbildung 37: Dezentrale Speicher-Server eines Unternehmens
Abbildung 38: Zentrale Wissensdatenbank in der Cloud
Abbildung 39: Beispielhafter Trend der versendeten E-Mails eines Mitarbeiters
Abbildung 40: Wissensportal und Funktionen
Abbildung 41: Abhängigkeit von "Sensemaking" und "Sustainable Practicing"
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
In vielen Ländern stellt Wissen heute die Ressource dar, die zu mindestens sechzig Prozent für die Gesamtwertschöpfung eines Unternehmens verantwortlich ist[1]. Vor diesen Hintergrund ist in der modernen Gesellschaft die Tendenz erkennbar, diese zur Wissensgesellschaft zu erklären. Zur Sicherung und zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen wird es für die Unternehmen immer wichtiger, die Daten, Informationen und das Wissen im Unternehmen zu organisieren und zu lenken sowie als strategische Ressource zu nutzen. Um das unternehmerische Wissen effizient zu verwerten und weiterentwickeln zu können, bedarf es eines umfassenden Managements, das die individuellen Kompetenz- und Persönlichkeitsprofile der Mitarbeiter, aber auch die Geschäftsprozesse, die Unternehmenskultur sowie den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien berücksichtigt.[2]
Damit der Aufbau organisationalen Wissens erfolgen kann, und die Unternehmen im Rahmen der Wissensgesellschaft wettbewerbsfähig bleiben, ist zur Erstellung innovativer Produkte und Dienstleistungen häufig unmittelbar das Wissen mehrerer Mitarbeiter gefordert. Um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen, ist der Austausch des auf die Erstellung gerichteten Wissens der Mitarbeiter notwendig. In kleinen, ortsnahen Gruppen, findet diese elementare Tätigkeit des Wissensmanagement, der Wissensaustausch, im persönlichen Kontakt durch direkte Kommunikation und durch Arbeit an gemeinsamen Objekten wie Dokumenten oder Zeichnungen statt.[3] In großen, global ausgerichteten Organisationen ist die hierfür notwendige örtliche und zeitliche Nähe jedoch häufig nicht gegeben. Hier kommen traditionelle technische Hilfsmittel wie Telefon und Fax, aber auch zunehmend Informations- und Kommunikationssysteme, wie beispielsweise Groupware-Plattformen[4] zur Überbrückung von räumlichen und zeitlichen Distanzen beim Wissensaustausch zum Einsatz.[5] Der Einsatz von Informationssystemen scheint so neue Möglichkeiten einer umfänglicheren und komfortableren Unterstützung von Wissensmanagement in einem verteilten Umfeld zu bieten, wodurch zahlreiche Daten an mehrere Personen über einen kurzen Kommunikationsweg verteilt werden können. Die Möglichkeiten führen jedoch auch zu neuen Herausforderungen. Durch das vermehrte Informationsaufkommen kommt es zu dem paradoxen Phänomen des „ Wissensmangels “, sodass viele Menschen den Eindruck bekommen, zunehmend schlechter informiert zu sein und eher über weniger als mehr relevantes Wissen zu verfügen.[6] Das Zitat von Naisbitt beschreibt das Kernproblem treffend: „Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen“[7]. Informationen stellen zwar die wesentliche Voraussetzung für Entscheidungen und zweckgerichtetes Handeln dar[8], können aber erst in wertvolles Wissen transformiert werden, wenn sie gezielt im Aufgabenkontext verfügbar gemacht und eingesetzt werden.
In diesem Verständnis werden Informationssysteme in den Unternehmen häufig kontraproduktiv eingesetzt, indem sie die Flut an Informationen nicht bekämpft, sondern entscheidend forcieren. Riempp stellte bei den von ihm untersuchten Unternehmen fest, dass die Sichtung des Informationsaufkommens bei den befragten Mitarbeiter erhebliche Zeiträume beanspruchen, sie diese Informationen aber nur etwa zur Hälfte als relevant einschätzen.[9] Andererseits ist mit der verbleibenden Hälfte der relevanten Informationen der Wissensbedarf der Mitarbeiter bei weitem nicht gedeckt, so dass sie fast einen ganzen Arbeitstag zusätzlich pro Woche für die Informationssuche aufwenden, um ihre Tätigkeit ausüben zu können.[10] Aus diesem Grund wird die Unterstützung des Wissensmanagements durch Informations- und Kommunikationstechnologien von vielen Mitarbeitern als unbefriedigend und offensichtlich ineffektiv empfunden.[11] Die Bemühungen zur Orientierung in der Datenflut, sowie die Suche nach kontextbezogenen Informationen haben zum einen Ausmaße auf psychologischer Ebene, da sich immer mehr Mitarbeiter überfordert fühlen.[12] Andererseits ist ein Ausmaß auf die ökonomischen Kenngrößen im Unternehmen erkennbar, welche durch die langwierige Suche in komplexen Strukturen und den damit verbundenen organisatorischen Aufwand Zeit und Kosten beeinflusst. Jede Informationsverteilung, -suche und -speicherung über Informations- und Kommunikationsmittel ist jedoch auch mit Datentransfer verbunden, welcher Energie erfordert. Denn obwohl Softwareprodukte immaterielle Güter sind, wie z.B. im Rahmen der Wissensverteilung ein E-Mail Programm, kann die Nutzung erhebliche Stoff- und Energieströme auslösen.[13] So liegt beispielsweise die Co2 Bilanz einer durchschnittlich verschickten Email bei ca. vier Gramm.[14] Dadurch kann das Problem der Datenflut auch auf die ökologische Ebene übertragen werden.
Indem das transferierte Datenvolumen durch die Vermeidung einer Verteilung oder Speicherung veralteter oder anderweitig irrelevanter Daten gesenkt wird, ist schlussfolgernd auch mit einer erhöhten Nachhaltigkeit innerhalb der Informationssysteme zu rechnen. Damit diese „ineffektiven“ Datentransfers vermieden werden können und lediglich für den Benutzer relevante Informationen innerhalb des Wissensmanagements bereitgestellt werden, liegt die Herausforderung in der Schaffung einer kontextbezogenen Informationsbereitstellung des Systems. Durch die Schaffung dieser technischen Strukturen soll dem Problem der Informationsflut entgegengewirkt werden, und das System im Sinne eines „Green IS“ fungieren. Das bedeutet, das System soll durch eine benutzerzentrierte Ausrichtung in Konsequenz zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit beitragen.
1.2 Forschungslücke und Ausrichtung dieser Arbeit
Auch wenn die Informations- und Kommunikationstechnologie derzeit nur für einen kleinen Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist (zwei Prozent), wird in diesem Bereich ein rasantes Wachstum erwartet, weshalb dieser Bereich als CO2-Emissionsquelle zunehmend an Bedeutung gewinnt.[15] Seit geraumer Zeit haben Forschung und Praxis sich mit der Problematik des Ressourcenverbrauchs durch die Informationstechnologie (IT) auseinander gesetzt und Anstrengungen unternommen, diesen zu reduzieren. Der Forschungsschwerpunkt liegt insbesondere auf der ökologischen Anpassung bestehender Methoden und Verfahren zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen in Zusammenhang mit der Informationstechnologie.[16] Unter dem Schlagwort „Green IT“ wird versucht, eine möglichst ressourcenschonende Nutzung der IT zu erzielen, wobei hier die IT selbst im Betrachtungswinkel des Umweltschutzes steht.[17]
Diese Arbeit untersucht die ökologische Kenngröße im informationstechnologischen Zusammenhang aus einem anderen Blickwinkel. Statt den Fokus auf eine ressourcenschonende IT Infrastruktur zu legen, wird die IT selbst als „ Enabler “ für erhöhte Nachhaltigkeit betrachtet. Dieser Ansatz, welcher unter dem Schlagwort „Green Information System“ (Green IS) bekannt ist, geht deshalb über das Konzept von Green IT hinaus.
Watson et. al. machen dies in ihrer Aussage deutlich:
„To the commonly used Green IT expression, we thus prefer the more encompassing Green IS one, as it incorporates a greater variety of possible initiatives to support sustainable business processes. Clearly, Green IS is inclusive of Green IT“[18]
Viele Studien aus der Praxis belegen das große Potenzial von IS, „die CO2-Strategie eines Unternehmens aktiv mit zu gestalten und alle Bereiche des Kerngeschäfts mit IT-unterstützten Innovationen zur CO2-Reduktion zu unterstützen“.[19]
Melville merkt kritisch an, dass der Fortschritt in der Erforschung von nachhaltigen Informationssystemen (Green IS) jedoch bislang nicht ausgeprägt genug war und der Informationscharakter, die Möglichkeiten zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit Hilfe von Informationssystemen und der damit verbundene praktische Einsatz zur Verbesserung der zukünftigen ökologischen Situation mehr erforscht und adressiert werden müssen.[20]
Die Green-IS-Forschung ist bisher durch konzeptionelle Arbeiten[21], Fallstudien[22] und empirischen Studien[23] gekennzeichnet. Seidel et al. sind folglich der Auffassung, dass die bestehende Forschung zu Green IS diese Systeme hauptsächlich aus einer „ allgemeinen Nutzen Perspektive “ betrachtet hat.[24] Es fehlen demnach Forschungsansätze von Green IS in konkreten Anwendungsfeldern.
Ein Ansatz allgemein Green-Technologien im Kontext des konkreten Feld Wissensmanagement zu integrieren, stellt die Dissertation von Dörnhofer dar.[25] Dabei ist das Hauptaugenmerk auf der Untersuchung, wie ein klassisches Wissensmanagement zu einem „grünen Wissensmanagement“ weiterentwickelt werden kann. Hierzu wird etwa eine Auswahl bestehender Wissensmanagementmodelle untersucht, um daraus abzuleiten wie die Wissensprozesse mit denen des Umweltmanagements und verschiedener Green Ansätze ineinandergreifen können. Dörnhofer unternimmt den Versuch konkrete Nachhaltigkeitsthemen in einem Wissensmanagementprozess einzubinden und bezieht sich dabei insbesondere auf die organisatorische Ebene, welche durch ihr Konzept angesprochen wird.
In dieser Arbeit liegt der Fokus im Gegensatz dazu auf der IT als Untersuchungsgegenstand zur Förderung von Nachhaltigkeit im Unternehmen. Dabei werden keine speziellen Nachhaltigkeitsthemen in der Konzeption eingebracht, das Konzept eines „grünen“ Wissensmanagementsystems soll viel eher als Selbstläufer agieren, dessen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit erörtert werden sollen.
Ergänzend dazu soll Abbildung 1 die Ausrichtung im Gegensatz zu der bisherigen Forschung der interagierenden Elemente Wissensmanagement, Green-Technologien und Nachhaltigkeit nach Dörnhofer verdeutlichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ausrichtung der Arbeit
(Quelle: Eigene Darstellung)
Gerade für die Wirtschaftsinformatik wurde das Thema Green IS in jüngerer Vergangenheit an mehreren Stellen hervorgehoben.[26] Heute wächst die Erkenntnis, dass Informationssysteme (IS) nicht nur Mitverursacher von Emissionen sind, sondern auch einen Beitrag zur Gestaltung und Implementierung nachhaltiger Prozesse, Dienstleistungen und Produkte leisten können[27] und sich die Wirtschaftsinformatik durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung zur Untersuchung in welchem Umfang sich existierende Ansätze von Informationssystemen für die Gestaltung von Green IS besonders eignet.[28]
Die Besonderheit der vorliegenden Forschungsausrichtung besteht in der Untersuchung wie die technische Struktur eines Informationssystems den selbst auslösenden Ressourcenverbrauch beeinflussen kann. Damit adressiert die Thematik Green IS selbst IS im Forschungsfeld. Im Gegensatz dazu untersuchte beispielsweise Hilpert et al. den Einsatz von Green IS in der Logistik-Branche.[29] Hierbei wurde die Entwicklung eines Green IS Artefakt zur Erfassung und Analyse von Treibhausgasemissionen im Straßengütertransport nachgegangen.
Zusammenfassend kann resümiert werden, dass die Forschung im Bereich Green Information Systems noch eher am Anfang steht und hier „Entwicklungs- und Ausbaubedarf“ besteht.[30] Die vorliegende Arbeit soll das Thema „Green IS“ im konkreten Forschungsfeld „Wissensmanagement“ umfassend beleuchten, um den Versuch einen Schritt zur Schließung der Lücke in der Literatur zu unternehmen.
1.3 Zielsetzung der Arbeit
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ineffektive Datentransfers hinsichtlich ihrer ökologischen Ausmaße im Unternehmen zu identifizieren und in den Gesamtkontext eines betrieblichen Wissensmanagements einzuordnen. In der Folge gilt es ein Konzept für ein IT-gestütztes Wissensmanagement abzuleiten, welches die ineffektiven Datentransfers im Wissensmanagement adressiert und in der Konsequenz zum verminderten Ressourcenverbrauch beitragen soll.
Die zentrale Forschungsfrage lautet demnach:
"Wie ist ein Wissensmanagement-System zu gestalten, um ineffektive Datentransfers zu vermeiden und damit eine Erhöhung von ökologischer Nachhaltigkeit zu erzielen?"
Als Ergebnis wird damit die Konzeption eines „ Green Knowledge Management Systems “, also einer „grünen“ Variante gängiger Informationssysteme im Wissensmanagement, angestrebt. Damit einhergehend stellt sich zur Präzisierung die Frage, durch welche Charakteristika sich ein „Green Knowledge Managementsystem“ von einem „traditionellen“ Wissensmanagementsystem unterscheidet.
Um dieses Ziel zu erreichen, versucht die vorliegende Arbeit zunächst aus der Literatur eine umfassende Aufstellung von bestehenden ineffektiven Datentransfers im Unternehmen zu identifizieren. Darauf aufbauend sollen die ökologischen Auswirkungen der jeweiligen identifizierten Punkte auf Basis aktueller Untersuchungen beispielhaft und kennzahlenbasiert dargestellt werden. Im darauffolgenden Schritt soll schließlich auf der theoretisch fundierten Grundlage ein Konzeptvorschlag für ein Wissensmanagementsystem zur Vermeidung dieser ineffektiven Datentransfers als Lösungsansatz unternommen werden.
Zur Erarbeitung dieses Konzepts und der Definition des „ Green Knowledge Management Systems“ sind im Rahmen dieser Arbeit folgende Teilschritte erforderlich:
1. Teilschritt: Einordnung in den organisatorischen Gesamtkontext
Als strategisches Führungskonzept wirkt das Wissensmanagement auf verschiedene organisatorische Bereiche ein. Zur Strukturierung des „Green Knowledge Management Systems“ muss dieses daher in seinem organisatorischen Gesamtkontext eingeordnet werden. Dabei muss sowohl die Prozess- als auch die IT-Sicht beleuchtet und zusammengeführt werden. Dafür gilt der Versuch, die bestehende Literatur zur Thematik Wissensmanagement und Green IS aufzuarbeiten und in einen gemeinsamen Bezugsrahmen zu stellen.
2. Teilschritt: Auswahl einer Referenzarchitektur
Das Konzept eines „Green Knowledge Management Systems“ soll Vorschläge für bestehende Wissensmanagementsystem-Ansätze liefern. Zur Erweiterung soll ein Bezugsrahmen auf Basis einer in der Literatur etablierten Systemarchitektur herangezogen werden. Dazu ist die Auswahl einer geeigneten Referenzarchitektur nötig, welche die Einflussebenen des Systems adäquat berücksichtigt. Insbesondere die Prozessebene und die Informationssystem-Ebene sollen durch das organisatorische Thema „Wissensmanagement“ und den systemtechnischen Aspekt von Green IS eine Möglichkeit zur Erweiterung hin zu einem „grünen“ Wissensmanagementsystem bieten. Das Ergebnis soll eine spezifische Ausprägung der ausgewählten Bereiche der Referenzarchitektur darstellen.
3. Teilschritt: Herleitung einer Definition von „ineffektiven Datentransfers“ für diese Arbeit
Da ineffektive Datentransfer im Rahmen dieser Arbeit sowohl aus dem Blickwinkel von Wissensmanagement als auch aus einem ökologischen Blickwinkel betrachtet werden muss, ist eine geeignete Definition dieses Terminus notwendig.
4. Teilschritt: Ableitung von Anforderung an das „Green Knowledge Management System“
Damit ein „Green Knowledge Management System“ zur Erweiterung eines gängigen Wissensmanagementsystem beiträgt, sind konkrete Anforderungen zu formulieren. Diese gilt es in Abhängigkeit zu den ineffektiven Datentransfers und dem ökologischen Ausmaß abzuleiten. Die Erkenntnisse daraus sollen zur Beantwortung der Frage, wie ein benutzerzentriertes Wissensmanagementsystem im Sinne eines Green IS zu einem verminderten Ressourcenverbrauch durch die Vermeidung von ineffektiven Datentransfers im Unternehmen beitragen kann, dienen.
Das in der vorliegenden Arbeit diskutierte Konzept eines Wissensmanagementsystems soll als Exempel dienen und Entscheidungsträgern erlauben, neben ökonomischen auch ökologische Entscheidungsaspekte in der Entwicklung von Informationssystemen zu berücksichtigen.
1.4 Aufbau der Arbeit
Basierend auf der aufgezeigten Zielsetzung wird nachfolgend der Aufbau der Arbeit aus ablauforientierter Sicht dargestellt. Die Herangehensweise gliedert sich in insgesamt sechs Kapitel.
Nach dem vorliegenden Kapitel „Einleitung“ (Kapitel 1) folgt die Darstellung des theoretischen Bezugsrahmens der Arbeit. Dabei werden die Grundlagen des Wissensmanagements (Kapitel 2) sowie von „Green Information Systems“ (Kapitel 3) erörtert.
Im Mittelpunkt von Kapitel 4 steht die Analyse von ineffektiven Datentransfers in Bezug zum Wissensmanagement in Unternehmen. Dabei sollen die ineffektiven Datentransfers den ausgewählten Wissensmanagement-Bausteine zugeordnet werden.
In Kapitel 5 wird die Konzeption des „Green Knowledge Management Systems“ zur Vermeidung der in Kapitel 4 identifizierten Datentransfers erarbeitet. Dabei werden Vorschläge für eine benutzerzentrierte Bereitstellung von Informationen aufgezeigt, welche in Konsequenz den Datentransfer verringern und dadurch zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen sollen. Das Ende dieses Kapitels umfasst den Ergebnisteil der Konzeption sowie einen Hinweis für zukünftigen Forschungsarbeiten. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung in Kapitel 6.
Ein konzeptioneller theoretischer Bezugsrahmen soll das Verständnis von wesentlichen Begriffen und Konzepten aus dem Bereich des Wissensmanagements sowie Green IS ermöglichen und bildet das Fundament für die anschließende Analyse. Die Themen werden unter Verwendung verschiedener theoretischer Modelle aus der gängigen Literatur aufgearbeitet.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es notwendig, in diesem theoretischen Abschnitt den Blick auf zwei grundlegende und für die Fragestellung wesentliche Aspekte zu richten. Zum einem werden in diesem Teil die Grundlagen und Konzeptualisierung eines Wissensmanagementsystems dargestellt, zum anderen wird der Untersuchungsgegenstand im Kontext eines ökologischen Informationssystems spezifiziert.
Um Anhaltspunkte für die Konzeption eines betrieblichen Wissensmanagementsystems zur Erhöhung ökologischer Nachhaltigkeit entwickeln zu können, soll zunächst die Rolle der Ressource Wissen und ihre Charakteristika präzisiert werden. Im nächsten Abschnitt der Arbeit wird ein Überblick über die Komponenten des Wissensmanagements sowie ihre Bedeutung für betriebliche Zielfunktionen gegeben. Dem folgt eine Auseinandersetzung mit drei verschiedenen Modellen des Wissensmanagements. Dies geschieht mit Hilfe einer umfangreichen Literatur- und Webrecherche. Im darauffolgenden Abschnitt wird zum einen das Ziel verfolgt, einen Einblick in die softwaretechnischen Möglichkeiten zur Unterstützung des Wissensmanagements zu geben, zum anderen die Bedeutung der Etablierung von Wissensmanagementsystemen verdeutlicht, welche einen effektiven Umgang mit dem Wissen im Unternehmen ermöglichen und auch kontinuierlich sichern können.
Im Weiteren wird sich die Arbeit ausführlich mit der Analyse von ineffektiven Datentransfers in Organisationen unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkung auf die ökologische Dimension befassen. Diese Auseinandersetzung ist als eine Grundlage und ein Bezugsrahmen für die weitere Analyse des Konstruktes eines Wissensmanagementsystems zur Vermeidung dieser Ineffizienten zu betrachten. Am Ende der Analyse werden die Ergebnisse unter Rückgriff auf den zuvor ausgearbeiteten theoretischen Bezugsrahmen präsentiert.
Im Folgenden soll einleitend die theoretische Grundlage zum Thema „Wissensmanagement“ erschlossen werden.
2 Grundlagen des Wissensmanagements
Die Begriffsentstehung der Wissensgesellschaft ist stark von den wissenschaftlichen Diskussionen und Studien der 1960er Jahre über die wirtschaftlich relevante Rolle von Wissen beeinflusst.[31] In der Zeitwende von der Industrie- zu einer Wissensgesellschaft, hat sich der Schwerpunkt von den klassischen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital hin zum „neuen“ vierten Produktionsfaktor „Wissen“ verlagert, welchem eine wettbewerbsentscheidende Rolle zugesprochen wird.[32] Als Reaktion auf die Veränderungen in der Wirtschaft und die ökonomische Bedeutung von Wissen als intellektuelles Kapital moderner Organisationen, verweist der Begriff des Wissensmanagements auf einen veränderten Umgang mit Wissen.[33]
Dieses Kapitel soll einen Überblick über die verschiedenen Definitionsansätze der Begriffe zum Thema Wissensmanagement geben, welche in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen. Vor der Frage nach Motivation und Inhalt von Wissensmanagement ist zu klären, was unter „Wissen“ zu verstehen ist. Zunächst wird daher das Verständnis von Wissen für diese Arbeit definiert. Nach einer begrifflichen Abgrenzung zu Daten und Informationen, welche für das tiefergehende Verständnis von Wissensmanagement eine entscheidende Rolle spielt, werden bedeutende Wissensarten umschrieben. Im Anschluss wird der Begriff „Wissensmanagement“ erläutert, um dann wesentliche theoretische Modelle sowie Forschungsansätze zum Wissensmanagement darzustellen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit der Darstellung von softwaretechnischen Lösungen zur Unterstützung des Wissensmanagements, den Wissensmanagementsystemen.
2.1 „Wissen“ - die neue Unternehmensressource
„If I give you a dollar and you give me a dollar, then we have one dollar each. But if I give you an idea and you give me an idea, we have two ideas each. That’s the growth of intellectual capital.”[34]
Das Wissen der Menschheit verdoppelt sich alle fünf Jahre, wobei die Hälfte davon in etwa drei Jahren wieder veraltet, schätzen Experten.[35] Nur auf Grundlage von Wissen ist die Entstehung von Innovationen möglich und die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens entscheidet letztlich über seine Wettbewerbsfähigkeit.[36] Dies akzentuiert, wie wichtig ein systematischer Umgang mit der „Ressource“ Wissen für den Erfolg von Unternehmen geworden ist.
Das Ziel dieses Abschnitts ist es, zu erörtern was unter Wissen verstanden wird. Handelt es sich bei Wissen um das eines Einzelnen, einer Gruppe oder des gesamten Unternehmens? In welchem Kontext wird Wissen definiert und welche Formen von Wissen werden in Bezug zum Wissensmanagement differenziert? Um den Umfang bzw. die Gesamtheit des Wissens mit seinen inhärenten Besonderheiten und Eigenschaften im Vergleich zu den anderen Produktionsfaktoren zu erkennen, erscheint eine differenzierte Betrachtung erforderlich.
Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten verschiedene Wissenschaftsdisziplinen wie die Psychologie, die Philosophie oder die Sozialwissenschaften mit dem Thema Wissen auseinander gesetzt haben, ist eine einheitlich akzeptierte Definition des Begriffs „Wissen“ nicht gelungen.[37] Dies kann durch die unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven und Erkenntnisinteressen begründet werden.
In diesem Abschnitt wird daher zunächst der Begriff „Wissen“ sinnvoll eingegrenzt, um so zu der für die vorliegende Arbeit relevanten Spezifizierung des Verständnisses von „Wissen“ zu gelangen. Da die Begriffe Daten, Information und Wissen häufig wenig trennscharf oder sogar äquivalent verwendet werden[38], erfolgt anschließend die notwendige Abgrenzung dieser Begriffe. Darauffolgend werden verschiedene, ausgesuchte Wissensformen und Perspektiven auf den Wissensbegriff dargestellt und erläutert. Insbesondere die Überlegungen zur Dichotomie von implizitem und explizitem Wissen, sowie die Abgrenzung von Daten und Informationen scheinen notwendig, um die Komplexität und Schwierigkeiten im Umgang mit Wissen zu erfassen.
2.1.1 Begriffserläuterung Wissen
Der Begriff Wissen entstammt dem althochdeutschen Wort „Wischan“, was so viel wie „gesehen haben“ bedeutet.[39] Im Unterschied zu Glauben, Vermutung oder Meinung liegt Wissen meist eine rational begründete Kenntnis zugrunde und ist demzufolge überprüfbar, lässt sich gliedern und Kategorien zuordnen.[40] Sprachursprünglich bedeutet „Kenntnis“ „das Wissen von etwas; das Bekanntsein mit bestimmten Fakten“ und wird nach dem Duden als Synonym für Fach- und Sachwissen dargestellt.[41] Die Bezeichnung „Fakt“ ist gleichzusetzen mit „Tatsache“[42] und bedeutet „ein wirklich gegebener Umstand“. „Mit etwas vertraut sein; etwas in seinen charakteristischen Eigenschaften kennengelernt und im Bewusstsein haben; über jemanden, etwas, sich, Bescheid wissen; mit jemanden, etwas Erfahrung haben, was und wie etwas ist“ wird unter dem Begriff „Kennen“ subsumiert.[43] Demnach lässt sich zusammenfassen, dass der Begriff „Wissen“ im allgemeinen Sprachgebrauch die Kenntnis über bestimmte Tatsachen, welche im Bewusstsein verankert sind, wiederspiegelt.
2.1.2 Vom „Zeichen“ zu „Wissen“
Im Gegensatz zum Begriff „Wissen“ herrscht in der Wissensmanagement Literatur Konsens darüber, dass die Begriffe Daten – Informationen – Wissen in einer hierarchischen Struktur zueinander stehen.[44] Das bedeutet, die Begriffe stellen jeweils den Rohstoff für die nachgelagerte Stufe dar. Diesen Zusammenhang beschreibt North anhand seiner Wissenstreppe (vgl. Abbildung Fehler! Unbekanntes Schalterargument.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung Fehler! Unbekanntes Schalterargument.: Einordnung von Wissen in Anlehnung an die Wissenstreppe von North
(Quelle: North (1999), S. 39)
Beginnend mit Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Sonderzeichen) auf der untersten Stufe der Begriffshierarchie, werden diese durch eine Ordnungsregel (einen Code oder eine Syntax) zu Daten. Beispiele für Daten sind beliebige Zeichen bzw. Zeichen-, Reiz- oder Signalfolgen, die in einem sinnvollen Zusammenhang zueinanderstehen. Zwar sind Daten für alle Organisationen notwendig, trotzdem bedeutet eine höhere Anzahl an Daten nicht unbedingt bessere Daten.[45] Zum einen kann eine zu umfangeiche Datenmenge die Identifikation und sinnvolle Nutzung der relevanten Daten erschweren, zum anderen kommen Daten als solche keine inhärente Bedeutung zu.[46] Maßgeblich sind Daten aus dem Grund, da sie „das entscheidende Rohmaterial zur Schaffung von Informationen“[47] darstellen. Erst wenn Daten in einem bestimmten Bedeutungskontext interpretierbar sind, werden sie zu Informationen. Können diese Informationen nicht mit anderen aktuellen oder in der Vergangenheit gespeicherten Informationen vernetzt werden, sind sie jedoch für den Betrachter bedeutungslos. Das darauf aufbauende Wissen entsteht demnach erst, wenn Informationen mit anderen Informationen vernetzt und im Bewusstsein verarbeitet werden.[48] Probst et al. definieren Wissen als „die Gesamtheit der Kenntnisse, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen.“.[49] Auch hier wird deutlich, dass es sich bei Wissen nicht um einzelne, alleinstehende Informationen handelt, sondern erst durch die Vernetzung der persönlich erlangten Informationen, Wissen entstehen kann. Ein Beispiel in Abbildung 3 soll die ersten vier Stufen der Wissenstreppe verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Begriffshierarchie
(Quelle: Bodendorf, F. (2013))
Insbesondere in unterschiedlichen kulturellen Kontexten kann die Interpretation von Information sehr unterschiedlich ausfallen.[50] Ein Kopfnicken wird beispielsweise nicht in jedem Land als Zustimmung interpretiert, sondern kann auch ein Zeichen von Ablehnung symbolisieren. Dies macht nochmals deutlich, dass Wissen von individueller Erfahrungen geprägt ist.[51] Das Subjekt und sein kultureller Kontext bestimmen also in erheblichen Maße, welche Form des Wissens aus einer Information entstehen kann. Neben dem spezifischen Kontext ist auch die Bindung des Wissens an Personen von zentraler Bedeutung. Wissen entsteht innerhalb von Interaktion und ist mit dem Entstehungskontext verbunden. Es wird von Interessen beeinflusst und ist daher nicht neutral.[52] Dies stellt auch die wesentlichste Unterscheidung zu den vorgelagerten Stufen dar, denn während Zeichen, Daten und Informationen unabhängig von Personen existieren können, so sind Wissen und die weiteren Stufen der Wissenstreppe personenabhängige Ressourcen. Weingarten betont diese Annahme mit der Feststellung, dass in einem unabhängig von Personen existierenden Text die Information steckt.[53] Das Wissen befindet sich in den Köpfen von Personen[54], weshalb es zudem deutlich schwerer zu vermitteln und zu verarbeiten ist als die Übermittlung von Daten und Informationen. North führt an, dass Information der „Rohstoff“ aus welchem Wissen entsteht, bildet und das Medium darstellt, über welches Wissen transportiert wird.[55] Dadurch wird deutlich, dass nur Information als vom Individuum gelöstes Wissen zum Gegenstand von Kommunikation zwischen verschiedenen Wissensträgern werden kann. Bei der Kommunikation wird die reduzierte Form des Wissens als Information von einer anderen Person erfasst und wieder in Wissen transformiert. Dieses Wissen ist nicht identisch, da der Erfahrungskontext der Personen immer unterschiedlich ist. Während also beispielsweise Bücher und Festplatten Daten- bzw. Informationsträger darstellen, kann demnach lediglich der Mensch Wissensträger sein.
Erst auf der nachgelagerten Stufe der Wissenstreppe wird der Wert des Wissens durch den Übergang von Wissen (Wissen WAS) in ein Können (Wissen WIE) für ein Unternehmen sichtbar.[56] Erfolgt ein motivationaler Bezug wird aus dem Können ein aktives Handeln. Dabei ist das Handeln einer Person von dem individuellen Wollen, den Motiven, Zielen und Wertvorstellungen geprägt.[57] Das bedeutet, nur wenn ein Mitarbeiter gewillt ist etwas zu tun, wird konkretes Handeln bewirkt. Wissen wird dann für Unternehmen zur wertvollen Ressource, wenn es in Handlungen transformiert wird. Wissen, welches nicht in Handeln umgewandelt wird, ist organisational nicht relevant.[58] Dies ist mit der zuvor geschilderten Personengebundenheit von Wissen zu begründen.
Wird das Wissen mit einer auf Erfahrung begründenden Urteils- und Entscheidungsfähigkeit verknüpft, reift dieses Wissen zu einer persönlichen Kompetenz.[59] Kompetenz stellt das Ergebnis langwieriger, kontinuierlicher Auseinandersetzung mit einem bestimmten Gegenstandbereich dar und kann sich entwickeln, wenn Personen häufig neue Situationen mit erlangten Erfahrungen verknüpfen. Sichtbares Handeln in Kompetenz zu transformieren, ist bereits in den meisten Organisationen als Handlungsbedarf erkannt. Einem dafür gegebenenfalls eingeführten Kompetenzmanagement kommt dann die Aufgabe zu, Kompetenz durch Befähigung der Kompetenzträger zur Umsetzung des Wissens in Handlungen zu entwickeln.[60]
Einzigartige Mitarbeiterkompetenzen symbolisieren schließlich die Vollendung der Wissenstreppe, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. North spricht in diesem Kontext auch von den Kernkompetenzen einer Organisation, die einzigartig, schwer zu imitieren oder transferieren sind und in Synergie mit den anderen Kompetenzen der Organisation ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt darstellen.[61]
Durch die von North entwickelte Wissenstreppe wird der Weg, den Wissen aus einem Individuum heraus durch eine Organisation bis hin zu einer Wettbewerbsfähigkeit nehmen kann, ersichtlich. Anhand der Unterschiede in den Begrifflichkeiten wird deutlich, dass reine Datenbanken, welche lediglich Informationen speichern können, nicht ausreichend sind, um Wissen bzw. Kompetenz in einem Unternehmen zu erhöhen. Während Daten und Informationen vielfach mit IT-Lösungen zu verwalten sind, befindet sich das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter.[62] Wissensorientierte Unternehmensführung bedeutet somit, alle Stufen der Wissenstreppe zu gestalten, um ein „stolpern“ beim Begehen der Treppe zu verhindern.[63]
2.1.3 Eigenschaften von Wissen
In dem vorangegangenen Teilkapitel zum Verständnis von Wissen im Allgemeinen wurden bereits einige grundlegende Eigenschaften von Wissen genannt. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Wissen um ein immaterielles Gut handelt, welches stets an eine Person gebunden ist, folgt eine Reihe weiterer Eigenschaften. So ist Wissen prinzipiell unbegrenzt kopierfähig, was Wissen zu einem paradoxen Gut macht:[64] Wissen kann nicht "verbraucht" werden. Wissen ist der Rohstoff der durch Teilung nicht weniger wird.
Wais fasst weitere ausgewählte Eigenschaften des Wissensbegriffs aus verschiedenen Veröffentlichungen zusammen:[65]
- Wissen ist durch Subjektivität gekennzeichnet. Unter dem subjektivem Charakter wird verstanden, dass Personen aus verschiedenen Milieus oder mit unterschiedlicher Ausbildung, Weiterbildung oder anderen Abschlüssen dieselbe Aussage unterschiedlich auffassen.
- Wissen ist übertragbar. Wissen entsteht nicht nur aus der Schaffung von etwas Neuem. Ebenso kann bereits bekanntes Wissen von einem Themenbereich auf einen anderen übertragen werden und repräsentiert somit neues Wissen. Damit ein solcher Wissenstransfer stattfinden kann, muss ein Austausch stattfinden.
- Wissen ist nicht allgemein gültig, sondern vergänglich. Gültigkeit und Relevanz von Wissen unterliegen einem immer schnelleren Verfall. Dies ist insbesondere der Fall, je fachspezifischer das Wissen wird.
- Wissen hat einen dynamischen Charakter. Das Wissen eines Menschen wird durch Eindrücke und Erfahrungen ständig verändert, erweitert und vergessen. Auch das Wissen einer Organisation kann nicht als statisch betrachtet werden, da es immer in dynamischen Prozessen und Abläufen verwickelt ist und sich die Organisationen selbst in einem sich ständig verändernden Umfeld befinden.
- Wissen ist schwer zu messen und zu bewerten. Auch wenn Wissen als immaterielles Gut für die Wertschöpfung eines Unternehmens immer wichtiger wird, stellt sich die Schaffung einer Wissensbilanz aufgrund der Subjektivität und der fehlenden Vergleichbarkeit als schwierig dar.
2.1.4 Formen von Wissen
Zu den verschiedenen, teils diametral gegenüberstehenden Definitionsansätzen zum Wissensbegriff existiert in der Literatur eine Vielzahl von Systematisierungs- und Kategorisierungsansätzen für den Wissensbegriff. Die grundlegenden Wissensarten im Rahmen der Diskussion um Wissensmanagement werden anhand des Explikationsgrades und der personellen Bindung differenziert und im Folgenden skizziert.
2.1.4.1 Unterscheidung nach dem Explikationsgrad
Bezüglich des Explikationsgrades wird zwischen implizitem Wissen und explizitem Wissen unterschieden.[66] Die Relation der beiden Wissensarten wird oftmals plakativ mit der Gestalt eines Eisbergs beschrieben: Der sichtbare und weitaus kleinere Teil bildet das explizite Wissen ab, während der größere Teil, welcher nicht ohne weiteres wiedergegeben werden kann, unter der Wasseroberfläche liegt und das implizite Wissen darstellt.[67]
Impliziertes Wissen ist Wissen, welches nicht artikuliert und schwer weitergegeben werden kann. Polanyis grundlegende Einsicht ist, dass „wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen“.[68] Als Beispiel nennt er, dass Menschen ein bekanntes Gesicht unter Tausend erkennen können, es ihnen jedoch nicht möglich ist zu beschreiben, wie sie es erkennen konnten.[69] Solches Wissen ist personengebunden und wird deshalb auch als „ embodied knowledge “ bezeichnet, weil es durch den Wissensträger "verkörpert" wird, welcher es durch Handlungen sowie Erfahrungen erworben hat.[70] Polanyi beschränkt sich beim impliziten Wissen nicht auf theoretische Kenntnisse, sondern schließt praktische Kenntnisse mit ein. Ein Beispiel ist das Fahrradfahren: Der Fahrer weiß, indem er Fahrrad fährt. Dies lässt sich daran überprüfen, ob er vom Fahrrad fällt oder eben nicht.[71] Er könnte dieses Wissen jedoch nicht artikulieren, wenn er es einem Schüler beibringen müsste. Neben den praktischen Fertigkeiten, worunter z.B. auch gewissen Handgriffe, Vorgehensweisen oder handwerkliches Geschick fallen, werden zum impliziten Wissen auch Gefühle, Überzeugungen, Wertesysteme oder Ideale gezählt.[72] Da diese Wissensform schwer zu formulieren und nach dem hier vorgestellten Begriffsverständnis in Form von Informationen (siehe Kapitel Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.) weiterzugeben ist, wird in der Literatur auch von „ tacit knowledge“, also wortlosem oder stillschweigendem Wissen, gesprochen.[73]
Demgegenüber steht explizites Wissen, welches beschreibbares, formalisierbares Wissen darstellt. Es kann außerhalb der Köpfe von Personen niedergelegt werden (z.B. in Form von Dokumenten oder Datenbanken) und ist somit "außerhalb" des Wissensträger verfügbar. Es wird deshalb auch „ disembodied knowledge “[74] genannt. Explizites Wissen kann u. a. mit Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie aufgenommen, übertragen und gespeichert werden.[75] Beispiele dafür sind Prozessbeschreibungen, Patente, Organigramme, und Qualitätsdokumente. Trotz der allgemeinen Anerkennung der oben beschrieben Subjektgebundenheit von Wissen in der relevanten Literatur, wird im gleichen Zusammenhang der Begriff des expliziten Wissens als vom Menschen unabhängig gespeicherten oder dokumentierten Wissen verwendet, auch wenn dies gegen die geforderte Subjektgebundenheit verstößt.[76] Die hieraus resultierende Unstimmigkeit wird von Aulinger, Pfriem und Fischer in einer radikalkonstruktivistischen Perspektive thematisiert und in folgender These formuliert: „Der Begriff des 'expliziten' Wissens ist ein Widerspruch in sich selbst. Wissen [...] gibt es nur in Köpfen (und Bäuchen).“[77]
Aus diesem Grund sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei explizitem Wissen nach dem hier verwendeten Begriffsverständnis viel mehr um explizierbares Wissen handelt, das allenfalls in Form von Informationen übertragen werden kann.
Dittmar führt an, dass nach diesem Begriffsverständnis eine detailliertere Unterscheidung von explizitem und implizitem Wissen eher durch die Untersuchung von potenzieller Möglichkeit der Explizierung erfolgen soll, also ob das Wissen grundsätzlich in Form von Informationen formalisierbar und dokumentierbar ist.[78] Aus diesem Grund wird im Folgenden der gedanklich eindeutige Begriff des explizierbaren Wissens anstelle des expliziten Wissens verwendet.
2.1.4.2 Unterscheidung nach der personellen Bindung
Die zweite Klassifizierung von Wissen bezieht sich auf die personelle Bindung. Demnach wird zwischen individuellem [79] und kollektiven Wissen unterschieden. Individuelles Wissen ist auf einzelne Organisationsmitglieder beschränkt, wohingegen kollektives Wissen mit dem Begriff des organisationalen Wissens gleichgesetzt werden kann.[80]
Individuelles Wissen kann basierend auf Erfahrungen implizit, aber auch explizit vorliegen z.B. wenn ein Rechner in einem Unternehmen durch ein individuelles Passwort geschützt ist.[81] Dieses Wissen steht lediglich den einzelnen Personen zur Verfügung. Im Gegensatz dazu wird kollektives Wissen als „Wert für das Unternehmen, der unabhängig vom aktuellen Mitarbeiterbestand ist“[82], verstanden. Nach Probst et. al. ist das kollektive Wissen dabei „mehr als die Summe des Wissens einer Anzahl an Individuen“ .[83] Bea nennt als Grund dafür die Synergieeffekte, welche sich aus dem Netzwerk der Beziehungen innerhalb einer Organisation erzielen lassen.[84] Auch kollektives Wissen kann implizit und explizit vorliegen.[85] Zum Beispiel zählt unter den Begriff kollektives Wissen wenn Mitarbeiter gleichermaßen auf Informationen und Dokumente innerhalb der Organisation zurückgreifen.
Es können jedoch darunter auch allgemein anerkannte Verhaltensregeln, Standards oder auch die Unternehmenskultur fallen[86], da sie im Bewusstsein der Mitarbeiter vorhanden sind. Die Gesamtheit des Wissens in einem Unternehmen wird als Organisationale Wissensbasis bezeichnet.
Das organisationale Wissen muss nach Duncan/Weiss drei Kriterien genügen:[87]
- Unter der Kommunizierbarkei t wird die Möglichkeit verstanden, dass das Wissen von anderen Organisationsmitgliedern verstanden werden kann.
- Konsensualität (Validität) bedeutet, dass das organisationale Wissen von den anderen Mitgliedern der Organisation als gültig und nützlich anerkannt werden muss.
- Integriertheit meint, dass sich das Wissen mit anderen „Handlungs-Ergebnis-Beziehungen“ verknüpfen lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Die organisationale Wissensbasis
(Vgl. Völker, R.; Sauer, S.; Simon, M. (2007), S. 63)
Wie der obigen Abbildung 4 zu entnehmen ist, stellt die organisationale Wissensbasis die Gegenüberstellung von individuellem und organisationalem (kollektivem) Wissen dar. Man erkennt, dass sich sowohl das individuelle als auch das kollektive Wissen aus impliziten und expliziten Bestandteilen zusammensetzen.
Damit ein Unternehmen nicht von dem Wissen einer Einzelperson abhängt, besteht die Herausforderung den Anteil kollektiven Wissens stetig auszubauen. Erst durch die Umwandlung von individuellem Wissen in kollektives Wissen wird neues, für das gesamte Unternehmen verwendbare Wissen erzeugt, welches von besonderer Bedeutung für das langfristige Überleben einer Organisation ist.[88]
Instrumente und Maßnahmen müssen daher zum einen individuelles Wissen dokumentierbar und artikulierbar machen und darüber hinaus Möglichkeiten schaffen private Wissenszugänge durch kollektive Zugänge zu ersetzen.
Nonaka und Takeuchi haben die Überführung des impliziten in explizites Wissen als Grundproblem des Wissensmanagements formuliert. Zwar werden heute große Mengen an Wissen täglich in umfangreichen zumeist elektronischen Speichern gesammelt, ein wesentlicher Teil des Wissens ist jedoch in den Köpfen der Mitarbeiter verborgen, weshalb die Explikation von implizitem Wissen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Erst das Wissen, welches in expliziter Form vorliegt, ist dann nämlich für die gesamte Unternehmung verfügbar und somit über einzelne Personen oder Personengruppen hinaus nutzbar. Die grundlegende Frage im Kontext von Kommunikationsprozessen ist, ob und inwieweit die Bindung von Wissen an den Einzelnen zumindest teils überwunden werden kann, um einen Transfer auf andere Individuen zu erreichen und damit den Wissensaustausch im Unternehmen zu ermöglichen. Im Laufe des Kapitels werden hierzu die vier Grundmuster der organisationalen Wissenserzeugung und -transformation von Nonaka und Takeuchi näher erläutert.
2.2 Wissensmanagement
„Man kann Wissen nicht managen, so wie man Patriotismus, Liebe oder seine Kinder nicht managen kann. Aber man kann ein Umfeld schaffen, in dem Wissen gedeiht“[89]
Der Begriff Wissensmanagement wurde in den letzten Jahren, aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Wissens, welches in den hoch technisierten Gesellschaften zum erfolgsversprechenden Produktionsfaktor avancierte, immer populärer. Mit Hilfe des Wissensmanagements soll das organisationale Wissen (siehe Kapitel 2.1.4.2) systematisiert, kumuliert und gesteuert werden, um dadurch wissensbasierte Produkte und Dienstleitungen zu erstellen.
Um eine breite Basis für die Entwicklung eines Konzepts für ein benutzerzentriertes Wissensmanagementsystem zu legen, wird im Rahmen dieses Abschnitts das in dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Wissensmanagement präsentiert, die wesentlichen Aufgaben von Wissensmanagement erläutert sowie den Nutzen eines Wissensmanagements erarbeitet. Des Weiteren werden drei zentrale Modelle, welche eine starke Resonanz in der Literatur gefunden haben, im Weiteren detailliert beleuchtet. Obwohl Wissensmanagement eine relativ junge Forschungsdisziplin ist, gibt es mittlerweile eine Fülle von Konzepten und Ansätzen zu diesem Thema. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beschränkt sich die Darstellung auf diese für die weitere Untersuchung relevanten Konzepte.
2.2.1 Begriffserläuterung Wissensmanagement
Die Terminologie Wissensmanagement wurde aus dem Englischen „Knowledge Management (KM)“ übernommen. Das Thema wird von unterschiedliche Forschungsdisziplinen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Erkenntniszielen beleuchtet. Dementsprechend heterogen sind die zahlreichen Auslegungen. Analog zu dem Wissensbegriff existiert bis dato keine allgemein anerkannte Definition zum Begriff des Wissensmanagements.[90] Aufgrund dessen wird zunächst der Begriff „Management“ für diese Arbeit definiert, um im Anschluss das Verständnis vom Wissensmanagement herbeizuleiten.
Grundsätzlich sind beim anglo-amerikanischen Begriff „Management“ nach Staehle zwei Sichtweisen zu unterscheiden: der institutionelle und funktionale Ansatz.[91]
Beim institutionellen Ansatz wird das Management als Institution verstanden und beschreibt die Gruppe von Personen in einer Organisation, welche mit Weisungsbefugnissen ausgestattet ist, und somit alle Organisationsmitglieder, die eine Vorgesetztenfunktion wahrnehmen und allgemein auch als Führungskräfte bezeichnet werden.
Beim funktionalen Ansatz ist Management als eine Ansammlung von Funktionen zu verstehen, die unabhängig von einem bestimmten Personenkreis Handlungen beschreiben, die zur Lenkung des leistungsrelevanten Arbeitsvollzugs als notwendig erachtet werden.[92]
Diese Arbeit orientiert sich im weiteren Verlauf an dem funktionalen Managementansatz, wie ihn Staehle als Planung, Organisation, Steuerung und Kontrolle beschreibt.[93] Dieser Logik folgend könnte man Wissensmanagement zunächst als Führungssystem einer Organisation verstehen, welches Wissen und Wissenssysteme steuert.
Im weiteren Sinne soll in der vorliegenden Arbeit Wissensmanagement entsprechend nach Reinmann-Rothmeier et al. (2001) wie folgt verstanden werden:
„Wissensmanagement bezeichnet den bewussten und systematischen Umgang mit der Ressource Wissen und den zielgerichteten Einsatz von Wissen in der Organisation“ (S. 18).
Im engeren Sinne umfasst dieser „systematische Umgang“ das „[…] Identifizieren, Sammeln, Aufbereiten, Verteilen, Erweitern und Bewerten von Wissen […]“.[94] Diese Begriffsbildung verdeutlicht, dass der Umgang mit Wissen nicht zufällig, sondern geplant, organisiert und kontrolliert werden sollte, analog dem Management-Verständnis nach Staehle.
Die Definition von Wissensmanagement nach Herrmann et al. bezieht explizit die technische Unterstützung mit ein, weshalb diese im engeren Sinne innerhalb dieser Arbeit gelten soll[95]:
„Unter Wissensmanagement wird die Gesamtheit aller Planungen, Maßnahmen und technischen Unterstützungsmöglichkeiten, mithilfe derer das Wissen und die Erfahrung einzelner Beschäftigten gesammelt, miteinander verbunden und weiterentwickelt werden sollen, verstanden.“
2.2.2 Motive für Wissensmanagement
Nachdem der Begriff „Wissensmanagement“ für diese Arbeit definiert wurde, stellt sich die Frage, welche Gründe für Unternehmen vorliegen, sich um ein passendes Management der Ressource „Wissen“ zu kümmern.
Die wichtigste argumentative Grundlage für die Hinwendung zu Wissensmanagement ist die Feststellung einer stark wachsenden Wissensintensität der Leistungen, die Unternehmen am Markt anbieten und absetzen.[96] Im post-industriellen Zeitalter wurde Wissen zu einem Produkt und zu einem bedeutenden Kapitalfaktor in Unternehmen. Bereits 1991 schreibt Reich:
„Core corporations no longer focus on products as such; their business strategies increasingly center upon specialised knowledge “[97].
So bieten viele Unternehmen heutzutage speziell auf die individuellen Kundenbedürfnisse zugeschnittene Lösungen an, statt einfacher, standardisierter Produkte. Diese individuell ausgerichteten Lösungen erfordern Wissen über Kundenprozesse und eigene Produkte. Auch ist eine zunehmende geografische Verteilung von wissensintensiven Prozessen im Unternehmen erkennbar.[98] Global ausgerichtete Unternehmen arbeiten in allen Regionen der Erde mit ihren Kunden an spezifisch zugeschnittenen Produkten. Die Entwicklung und Nutzung des organisationalen Wissens sollte daher standortübergreifend erfolgen. Ein weiterer Grund für das Wissensmanagement stellt die hohe Dynamik der Humanressource dar. So können Personalressourcen in kurzer Zeit abgebaut werden oder Mitarbeiter wechseln aufgrund der guten Marktlage ihren Arbeitsplatz. Drucker weist darauf hin, dass die Produktionsmittel, die traditionelle Grundlage des Kapitalismus, heute im Besitz der Arbeiter sind, weil sie sie geistig beherrschen und Bedienungsgewalt über sie haben.[99] Damit wird Wissen zur neuen Form des Eigentums. Durch Konzepte und Methoden des Wissensmanagement wird von heutigen Unternehmen der Versuch unternommen auf diese Entwicklung zu reagieren und den Besitz des neuen Produktionsmittels zu sichern und damit einer schleichenden Enteignung entgegenzuwirken. Damit soll das Wissen auch beim Ausscheiden von Experten erhalten bleiben und neue Mitarbeiter schneller und effizienter eingearbeitet werden.[100]
2.2.3 Aufgaben des Wissensmanagement
Im Folgenden werden anhand einer idealtypischen Dichotomie die grundsätzlichen Aufgaben des strategischen und des operativen Wissensmanagements beschrieben, welche zugleich für eine in Kapitel 2.1.2 angesprochene allumfassend wissensorientierte Unternehmensführung notwendig sind.
Entsprechend der Trennung nach Effektivität und Effizienz differenzieren einige Autoren in Abhängigkeit des Ausmaß von Entscheidungen und Maßnahmen zwischen einem strategischen und einem operativen Wissensmanagement.[101] Einige Klassifizierungsmerkmale zur Unterscheidung der beiden Aufgabenbereiche sind der folgenden Abbildung 5 zu entnehmen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Strategisches versus operatives Wissensmanagement
(Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 126)
[...]
[1] Vgl. Ilgen, A. (2013), S. 1
[2] Dieser ganzheitliche, integrative Wissensmanagementansatz wird in Kapitel 0 beschrieben.
[3] Vgl. Riempp, G. (2012), S. 2
[4] Groupware bezeichnet dabei ein „computer-basiertes System, das eine Gruppe von Personen in ihrem Aufgabengebiet oder Ziel unterstützt und eine Schnittstelle für eine geteilte Arbeitsumgebung bietet“ übersetzt nach C. A. Ellis, S. J. Gibbs, G.L. Rein (1991)
[5] Vgl. Riempp, G. (2012), S. 2
[6] Reinmann, G.; Mandl, H. (1997)
[7] Naisbitt, John, Trend- und Zukunftsforscher
[8] Tauber, A. (2013)
[9] Vgl. Riempp, G. (2012), S. 18
[10] Vgl. Riempp, G. (2012), S. 18
[11] Vgl. Riempp, G. (2012), S. 47
[12] Vgl. Hackmann, J. (2014)
[13] Vgl. Hilty, L.; Lohmann, W.; Dr. Siegfried Behrendt et al. (2013), S. 11
[14] Vgl. Watson.ch (2015)
[15] Vgl. Kiese, P. E. M. (2017), S. 5
[16] Vgl. Reiter, M. (2017), S. 380
[17] Vgl. Erek, K.; Löser, F.; Zarnekow, R. (2013), S. 1101
[18] Watson; Boudreau; Chen (2010), S. 24
[19] Zitiert nach Mette, P. (2012), S. 1
[20] Vgl. Melville, N. (2010), S. 15
[21] Z.B. Watson; Boudreau; Chen (2010); Butler, T. (2011); Pernici, B.; Aiello, M.; Vom Brocke, J. et al. (2012)
[22] Z.B. Seidel, S.; Recker, J. C.; Pimmer, C. et al. (2010)
[23] Z.B. Wunderlich, P.; Kranz, J.; Totzek, D. et al. (2013)
[24] Vom Brocke, J.; Loos, P.; Seidel, S. et al. (2013), S. 296
[25] Dornhöfer, M.-J. (2017)
[26] Z.B. Loos, P.; Nebel, W.; Marx Gómez, J. et al. (2011); Pernici, B.; Aiello, M.; Vom Brocke, J.; Donnellan, B. et al. (2012)
[27] Melville, N. (2010)
[28] Vgl. Vom Brocke, J.; Loos, P.; Seidel, S. et al. (2013)
[29] Vgl. Hilpert, H.; Kranz, J.; Schumann, M. (2013)
[30] Vgl. Ortwerth, K.; Teuteberg, F. (2012), S. 10
[31] Vgl. Müller-Prothmann, T. (2011)
[32] Vgl. Ilgen, A. (2013), S. 1
[33] Vgl. Borys, E. E. (2010), S. XII
[34] Von Pierer, Heinrich
[35] Vgl. Mertins, K.; Seidel, H. (2009), S. 1
[36] Vgl. Mertins, K.; Seidel, H. (2009), S. 1
[37] Vgl. Roumois, U. H. (2010), S. 36
[38] Vgl. Thom, N.; Badet, J. P. (2005), S. 80
[39] Vgl. Broßmann, M.; Mödinger, W. (2011), S. 9
[40] Vgl. Broßmann, M.; Mödinger, W. (2011), S.9
[41] Vgl. Duden (2018), S. 562
[42] Vgl. Duden (2018), S. 374
[43] Vgl. Duden (2018), S. 561f.
[44] Vgl. Roumois, U. H. (2010), S. 43
[45] Vgl. Davenport, T. H.; Prusak, L. (1998), S. 28
[46] Vgl. Davenport, T. H.; Prusak, L. (1998), S. 28
[47] Vgl. Davenport, T. H.; Prusak, L. (1998), S. 28
[48] Vgl. Al-Laham, A. (2016), S. 25
[49] Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. (2013), S. 23
[50] Vgl. North, K. (2016), S. 37
[51] ebd., S.37
[52] Vgl. Mescheder, B.; Sallach, C. (2012), S. 10
[53] Vgl. Weingarten, R. (1990), S. 9
[54] Was Wissen zu einem immateriellen Gut auszeichnet.
[55] Vgl. North, K. (2016), S. 16
[56] Vgl. North, K. (2016), S. 38
[57] Vgl. North, K.; Reinhardt, K.; Sieber-Suter, B. (2018), S. 40
[58] Vgl. North, K. (2016), S.34
[59] Vgl. Mescheder, B.; Sallach, C. (2012), S.11
[60] Vgl. Kilian, D.; Krismer, R.; Loreck, S. et al. (2013), S. 17
[61] Vgl. North, K. (2016), S.38f.
[62] Vgl. Kohl, H.; Mertins, K.; Seidel, H. (2016), S. 11
[63] Vgl. North, K. (2016), S. 39
[64] Community of Knowledge (2016)
[65] Vgl. Wais, A. (2006), S. 13
[66] Diese epistemologisch basierte Unterscheidung geht auf Michael Polanyi zurück. Vgl. Polanyi, M. (1985), S. 14ff.
[67] Vgl. Wais, A. (2006), S. 18
[68] Vgl. Polanyi, M. (1985), S. 14
[69] Vgl. Polanyi, M. (1985), S. 16
[70] Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 109
[71] Vgl. Kusterer, S. (2008), S. 18
[72] Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 109
[73] Vgl. North, K. (2016), S. 46
[74] Vgl. North, K. (2016), S.46
[75] Vgl. Ebd.
[76] Rehäuser und Krcmar konstatieren, dass das explizite Wissen außerhalb der Köpfe einzelner Personen abgelegt ist und daher "einfach mittels elektronischer Datenverarbeitung verarbeitet, übertragen und gespeichert werden“. Vgl. Rehäuser, J.; Krcmar, H. (1996), S. 7
[77] Vgl. Aulinger, A.; Pfriem, R.; Fischer, D. (2001), S. 77f.
[78] Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 110
[79] Oder auch „privates Wissen“ z.B. Rehäuser, J.; Krcmar, H. (1996), S. 7
[80] Vgl. Müller, B.; Kasper, P.D.H. (2009), S. 31
[81] Vgl. Müller-Steinfahrt, U. (2006), S. 170
[82] Vgl. Ilgen, A. (2013), S. 27
[83] Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. (2013), S. 22
[84] Vgl. Bea, F. X. (2000), S. 363
[85] Vgl. Ilgen, A. (2013), S. 27
[86] Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 111
[87] Vgl. Wiegand, M. (2013), S. 28
[88] Vgl. Probst, G.; Raub, S.; Romhardt, K. (2013), S. 22
[89] Laurence Prusak (1999) in Merx
[90] Vgl. Döring, H. (2016), S. 143
[91] Vgl. Staehle, W. H.; Conrad, P. (1999), S. 71
[92] Vgl. Becker, T. (2012), S. 29
[93] Vgl. Staehle, W. H.; Conrad, P. (1999), S. 71
[94] Vgl. Alex, B.; Becker, D.; Stratmann, J. (2002), S. 50
[95] Herrmann, T.; Hoffmann, M.; Loser, K. (2001), S. 15
[96] Vgl. Krcmar, H. (2015), S. 18
[97] Zitiert nach Krcmar, H. (2015), S. 18
[98] Vgl. Krcmar, H. (2015), S. 18
[99] Vgl. Drucker, P. (2013)
[100] Rüstmann, M. (1999)
[101] Vgl. Dittmar, C. (2013), S. 125
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- Nathalie Serban (Author), 2020, Mit grünen Informationssystemen ineffektive Datentransfers vermeiden. Ein Ansatz zur Nachhaltigkeit in Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499277
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