Welche Prozesse liegen der Schaffung von Lexik von Jugendsprachen zugrunde? Was für Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den kamerunischen und den deutschen Rap-Musiken hinsichtlich der lexikalischen Besonderheit? Diese und weitere Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden.
Unter „lexikalischer“ bzw. „sprachlicher Kreativität“ wird diese Schaffungs- oder Erfindungsfähigkeit, durch die die Lexik einer Sprache innoviert wird. Sie erscheint als die logische Folge eines internen Bedürfnisses der Sprecher, soziale Entwicklungen zu übersetzen und zu befolgen. Taleb-Ibrahimi macht auch die Präzision, dass sich diese Kreativität schnell im Vergleich zu der Kreation von neuen Wörtern durch kompetente Institutionen vollzieht. Er fügt weiter hinzu, dass diese Kreativität mit jeder Sprache unzertrennlich verbunden ist. Denn in jeder sprachlichen Handlung liegt Kreativität vor. Sie charakterisiert sich dadurch, dass sie sehr oft sprachliche Regeln, Konventionen überwindet bzw. verändert.
Dadurch zeigen die Sprechenden ihre Beherrschung bzw. Aneignung des Sprachsystems und dessen Funktionieren. Wenn man diese Kreativität genau betrachtet, dann kommt die Art und Weise ins Klare, wie diese realisiert wird. In der vorliegenden Arbeit wird sie genau untersucht anhand folgender linguistischer Phänomene: Entlehnung; Bedeutungsverstärkung und –wandel; Wortbildung und Lautwörter, die alle den gemeinsamen Punkt haben, dass sie für die Jugendlichen zur lexikalischen Kreativität und zu Neologismen konkurrieren.
Die Entwicklungen der Medien spielen dabei auch eine große Rolle, denn sie werden von diesen jungen Leuten entscheidend beeinflusst. In fast allen Medienbereichen wie Musik, Film, Roman usw. ist die Anwesenheit der Jugend festzustellen. Man spricht von einer „E-Generation“. Sie drücken tatsächlich ihre Erfahrungen, Frustrationen, Wünsche und ihre Stellungnahmen in diesen Medienbereichen insbesondere in der Musik aus. Die Art und Weise, wie sie ihre Wörter als sprachliche Zeichen für das Erreichen ihrer kommunikativen Ziele bilden, weist eine besonders merkwürdige schöpferische Tätigkeit auf, der sich die vorliegende Arbeit widmet.
INHALTSVERZEICHNIS
WIDMUNG
VORWORT
RÉSUMÉ
ABSTRACT
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSLISTE
INHALTSVERZEICHNIS
KAPITEL 0: EINLEITENDES
0.1 Zum Thema und Untersuchungsobjekt
0.2 Problem und Fragestellung
0.3 Forschungsvorannahmen
0.4 Stand der Forschung und Erkenntnissinteresse
0.5 Forschungsziele
0.6 Theoretischer Rahmen und Methodologie
0.7 Aufbau der Arbeit
THEORETISCHER TEIL
KAPITEL 1 : BEGRIFFLICHE ANNÄHERUNG
1.1 Was ist Sprache: zu einem Definitionsversuch
1.2 Sprachen als historische Gegenstände
1.2.1 Regionale Varietäten
1.2.2 Soziale Varietäten
1.3 Was ist Jugendsprache?
1.3.1 Jugendsprache: Ein Definitionsversuch
1.3.2 Merkmale der Jugendsprache
1.3.3 Funktionen von Jugendsprachen
1.3.3.1 Zu dem Funktionsbegriff
1.3.3.2 Die Funktionen von Jugendsprachen
1.4 Jugendsprache oder Jugendsprache n ? Die Fehlannahme einer homogenen Jugendsprache
1.5 Fazit
KAPITEL 2: JUGENDSPRACHE : THEORIE UND EINGLIEDERUNG IN SOZIOLINGUISTISCHES FORSCHUNGSFELD
2.1 Die Kontaktlinguistik (KL)
2.1.1 Was ist KL?
2.1.2 Was ist Sprachkontakt?
2.1.3 Manifestationen von Sprachenkontakten
2.1.3.1 Code-Switching (CS)
2.1.3.2 Die Entlehnung: Definitionsversuch und Abgrenzung
2.1.4 Zwischenbilanz: Jugendsprache als ein Sprachkontaktphänomen
2.2 Jugendsprachforschung: zwei Modelle
2.2.1 Das Pioniermodell von Helmut Henne
2.2.2 Das mehrdimensional-hierarchisches Klassifikationsmodell von Neuland
2.3 Jugendsprache und Medien
2.3.1 Jugendsprache: ein Medienphänomen
2.3.2 Musikszene Hip Hop: Historie und sprachliche Besonderheiten
2.3.2.1 Allgemeine Darstellung der Hip Hop-Kultur
2.3.2.2 Sprachstile der Rap-Musik
2.4 Fazit
PRAKTISCHER TEIL
KAPITEL 3: METHODOLOGISCHE VORGEHENSWEISE DER ARBEIT
3.1 Jugendsprachen: Situation in Deutschland und Kamerun
3.1.1 Die Situation in Kamerun
3.1.2 Die Situation in Deutschland
3.2 Darstellung des Korpus
3.2.1 Korpus für kamerunische Jugendsprache
3.2.2 Korpus für deutsche Jugendsprache
3.3 Wie wird die lexikologische Analyse durchgeführt?
3.4 Womit wird die lexikalische Kreativität analysiert?
3.4.1 Entlehnung
3.4.1.1 Lehnmotive
3.4.1.2 Typologie
3.4.1.2.1 Inneres Lehngut
3.4.1.2.2 Äußeres Lehngut
3.4.2 Verstärkung von Bedeutungen oder Übertreibung
3.4.3 Bedeutungsveränderung oder –wandel
3.4.4 Wortbildung (WB)
3.4.5. Lautwörter
3.5 Fazit
KAPITEL 4: LEXIKALISCHE KREATIVITÄT IN DEN DEUTSCHEN UND KAMERUNISCHEN JUGENDSPRACHEN UND DIDAKTISCHE IMPLIKATIONEN
4.1 Darstellung der lexikalischen Kreativität
4.1.1 Beschreibung der Entlehnung bzw. des Lehngutes
4.1.1.1 In kamerunischen Songtexten
4.1.1.2 In deutschen Rap-Texten
4.1.1.3 Entlehnung vs. CS in Texten
4.1.1.4 Kontrastive Zusammenfassungen
4.1.2 Anmerkungen zu der Bedeutungsverstärkung
4.1.2.1 Bedeutungsverstärkung in kamerunischen Rap-Texten
4.1.2.2 Bedeutungsverstärkung in deutschen Rap-Texten
4.1.2.3. Vergleichende Zusammenfassung
4.1.3. Untersuchung zu dem Bedeutungswandel
4.1.3.1. Bedeutungsveränderung in kamerunischen Texten
4.1.3.2. Bedeutungswandel in deutschen Texten
4.1.3.3. Vergleichende Zusammenfassung
4.1.4. Wortbildung
4.1.4.1 Zusammensetzungen
4.1.4.2 Derivation
4.1.4.3 Kürzung
4.1.4.4 Konversion
4.1.5. Lautwörter
4.1.6 Zu der Spontaneität
4.2 Interpretation
4.3 Didaktische und pädagogische Implikationen
4.3.1 Jugendsprache im Unterricht für eine gute Atmosphäre
4.3.2 Jugendsprache im Unterricht zur Förderung der Interaktion
4.3.3 Jugendsprache als eigenständiges Unterrichtsthema (Landeskundevermittlung)
4.3.4 Jugendsprache im kamerunischen DaF-Unterricht und Mehrsprachigkeit
4.3.5 Jugendsprache bei der Konzipierung von DaF-Lehrwerken
ABSCHLIESSENDES
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
VORWORT
Die vorliegende Arbeit wurde zur Erlangung des DIPES II an der École Normale Supérieure de Yaoundé angefertigt. Sie setzt sich mit der lexikalischen Kreativität in den kamerunischen und deutschen Jugendsprachen auseinander. Mein Interesse für den Einfluss von sozialen Gegebenheiten auf die Sprache gilt als entscheidender Impuls für die Auswahl und Formulierung dieses Themas. Ebenfalls gilt als Anstoß die Auseinandersetzung mit einem Kapitel des Buchs von Werner Veith (Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch (2002) ) mit dem Titel „soziolinguale Ausgrenzung“ im Jahre 2014 im Rahmen der Lehrveranstaltung „Soziolinguistik“ an der Universität Yaoundé 1. Bei der jetzigen Arbeit lenke ich Aufmerksamkeit auf die linguistischen Aspekte: Entlehnung, Lautwörter, Wortbildung, Bedeutungsveränderung und -wandel, mit denen ich die lexikalische Kreativität untersuche.
Bei der Anfertigung der vorliegenden Arbeit bin ich mit methodologischen Problemen konfrontiert worden, vor allem bei der Auswahl der Analysenmethode und bei der Durchführung der Analyse. Ein afrikanisches Sprichwort sagt, eine Hand allein schnürt kein Bündel. Aus diesem Grund möchte ich mich an dieser Stelle bei denen bedanken, die mir bei der Anfertigung der Arbeit geholfen haben.
Zuallererst möchte ich meinem Betreuer, Herrn Dr. Georges MASSOCK, für alle Ratschläge, hilfreichen methodischen und Fachkenntnisse bei der Anfertigung dieser Arbeit danken.
Außerdem bin ich folgenden Dozenten zum Dank verpflichtet: Herrn Dr. Magloire KENGNE FOKOUA, Herrn Dr. Bernard LEMOFOUET für das Korrekturlesen und ihre zahlreichen Ratschläge.
Einen besonderen Dank spreche auch Valerie TAFRÉ, Jean Marie BAKAIWÉ, Guilin FEUGANG, Vanessa NZOGOUN, Appolinaire TONYE aus, für das Korrekturlesen und ihre kritischen Bemerkungen.
Danken möchte ich ebenfalls Herrn und Frau TESSO, meinen Geschwistern Stéphanie, Romuald, Marius und Léa für ihre finanzielle und moralische Unterstützung.
An alle Personen, deren Namen hier nicht erscheinen, die mir aber auf irgendeine Weise großen Beistand geleistet haben, richte ich meine Dankbarkeit.
Jaunde, im Mai 2017 Aristide Cédric KANA MESSENI
RÉSUMÉ
Le présent travail portant sur la créativité lexicale ou langagière dans les parlers jeunes allemands et camerounais part de l’idée selon laquelle les jeunes ont recours à des procédés linguistiques particuliers pour créer de nouveaux mots. Considérant ces parlers jeunes comme un phénomène de contacts de langues et de variation linguistique, il est donc question dans ce travail d’analyser d’un point de vue lexicologique et descriptif ces différents procédés que sont l’emprunt, le changement sémantique, la formation des mots, l’amplification sémantique et les onomatopées. Ces cinq procédés ont été étudiés de manière comparative dans huit textes de Rap allemand et camerounais.
Le premier chapitre se consacre à définir le concept de parler jeune, à donner ses caractéristiques et à le délimiter par rapport aux autres concepts voisins. De fait, il est perçu comme un sociolecte, donc une variété de langue du point de vue d’Heinrich Löffler. Du deuxième chapitre, il ressort que les parlers jeunes résultent des contacts des langues au niveau de l’individu plurilingue ou dans une société multilingue. De ce chapitre, il est aussi à retenir l’historique des études théoriques ou empiriques sur le Camfranglais ou le parler-jeune allemand, lesquels sont vulgarisés et répandus à travers les media et surtout par la scène Hip Hop. Le troisième chapitre quant à lui traite du cadre méthodologique de l’analyse et définit les principales catégories d’analyse. Le quatrième est consacré à l’analyse proprement dite de la créativité lexicale dans les textes de Rap choisis.
À travers une approche lexicologique descriptive plus qualitative que quantitative, il a pu être constaté que les jeunes des deux aires linguistiques concernées recourent à tous ces procédés dans le but d’élargir ou de trouver de nouveaux signifiants et signifiés pour leur lexique spécifique. L’emprunt à l’Anglais ou bien à la culture urbaine américaine semble être plus important dans les deux milieux. Néanmoins, des différences intrinsèques à chaque procédé sont à noter dans les différents textes analysés, ce qui peut s’expliquer par le milieu socio-culturel des jeunes, leur socialisation ou leurs habitudes linguistiques. En outre, cette créativité lexicale s’exemplifie à travers la grande spontanéité dont font preuve ces jeunes, car de nombreux lexèmes utilisés sont créés de manière spontanée et hasardeuse.
Mots-clés: créativité lexicale, parler jeune, contact de langues, variation linguistique, sociolecte, media, [approche] comparative.
ABSTRACT
The present research work about lexical creativity in youth languages of Cameroon and Germany is based on the idea that youths have resort to some linguistic techniques to create new words for their slangs. Taking into consideration that youth languages emerge from contacts between languages and are a phenomenon of linguistic variation, this work aims at analyzing linguistic phenomena such as lexical borrowing, semantic change, semantic amplification, word formation, and onomatopoeia from a descriptive and lexicological perspective. These procedures have been analyzed comparatively within eight texts of Cameroonian and German Rap.
The first chapter deals with the definition of the concept of youth language, its characteristics and the delimitation to other neighboring concepts. Here, youth language is being defined as a sociolect that is a language variety from the perspective of Heinrich Löffler. In the second chapter, youth languages are perceived as resulting from the contacts between languages at the level of multilingual individual or society. This part also deals with the history of scientific theoretical or empirical researches on Camfranglais or on German youth languages, the latest being vulgarized and widespread through media and mostly through the Hip Hop scene. The third chapter deals with the presentation of the analysis methodology and defines the main categories of the work. The fourth concerns the analysis of lexical creativity in selected texts of Rap.
Through a more qualitative than quantitative lexicological-descriptive approach, it has been noticed that the youths of both linguistic areas have recourse to all of the studied linguistic procedures, with the aim of extending or finding new Signifiers and Signified for their specific lexicon. Lexical borrowing from the English language or from the American urban culture is more important in the concerned milieus. Nevertheless, each procedure presents internal differences when contrasting with the other language. This can be explained with the differences in socio-cultural milieus, in the socialization of these youths likewise in their linguistic uses. Beyond this, lexical creativity can be exemplified with the phenomenon of spontaneity that the youths of the two countries express, because many lexemes have been created spontaneously and by chance.
Keywords: lexical creativity, youth languages, language contacts, linguistic variation, sociolect, media, comparative [approach]
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Einteilung der Soziolekte (Löffler 2005, 115).
Abbildung 2: Variationsspektrum Jugendsprache (Neuland 2008, 69)
Abbildung 3: Modell der Jugendsprache nach Helmut Henne (1986, 215)
Abbildung 4: Innere Mehrsprachigkeit des Deutschen und Sprachvielfalt der deutschen Standardsprache nach Helmut Henne (1986, 220)
Abbildung 5: Klassifikationsmodell Jugendsprachen nach Eva Neuland (2008, 61)
Abbildung 6: Lexikalische Entlehnungsart (Yang 1990, 16)
Abbildung 7: Theoretisches Modell der vorliegenden Arbeit
ABKÜRZUNGSLISTE
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
KAPITEL 0: EINLEITENDES
0.1 Zum Thema und Untersuchungsobjekt
Die Jugendsprache bezeichnet einen „Jargon einer bestimmten Sondergruppe“ (Schlobinski et. al. 1993, 9). So gesagt, ist sie eine Sondersprache einer bestimmten sozialen Gruppe. Sie kennzeichnet sich in dieser Hinsicht durch lexikalische, syntaktische, stilistische oder interaktive Besonderheiten, die sie von anderen Sprachformen oder von der standardisierten Sprache distinguieren. Heinrich Löffler betrachtet sie als eine soziolektale Varietät der Normalsprache neben den Mediolekten (Variation nach dem Medium geschrieben/gesprochen), Situolekten (Variation nach der Situation), Funktiolekten (Variation nach der Funktion: Alltags-, Wissenschafts-, Instruktions-, oder Zeitungssprache), Dialekten (areale Variation) und Sexolekten (geschlechtsspezifische Sprach(gebrauchs)formen) (vgl. Löffler 2005, 79ff). Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Jugendsprachen ist seit Jahrzehnten eine hervorragende Forschungsrichtung geworden. Arbeiten von Helmut Henne, Eva Neuland, Peter Schlobinski und Jannis Androutsopoulos betrachten das Phänomen aus unterschiedlichen Perspektiven. Multiple Texte wie die Masterarbeit von Kirsten Deising behaupten bezüglich der Syntax, dass „im Gegensatz zur Sprache der Erwachsenen Jugendliche kurze, knappe Sätze [bevorzugen], denen Artikel und auch Präposition fehlen können“ (2010, 51). Im Bereich der Lexik bzw. der Morphologie stellt man auch einige Merkmale fest, die die Besonderheit bzw. die Eigenschaften der Jugendsprache ausmachen. Mit dieser Lexik will sich diese Arbeit auseinandersetzen, denn sie weist eine besondere Kreativität auf. Das Thema wird deshalb wie folgt formuliert: „ Lexikalische Kreativität in den Jugendsprachen. Eine Analyse aus soziolinguistischer und lexikologischer Sichten anhand deutscher und kamerunischer Rap-Texte “.
Unter „lexikalischer“ bzw. „sprachlicher Kreativität“ wird diese Schaffungs- oder Erfindungsfähigkeit, durch die die Lexik einer Sprache innoviert wird. Sie erscheint als die logische Folge eines internen Bedürfnisses der Sprecher, soziale Entwicklungen zu übersetzen und zu befolgen (vgl. Taleb-Ibrahimi 1998, 231). Taleb-Ibrahimi macht auch die Präzision, dass sich diese Kreativität schnell im Vergleich zu der Kreation von neuen Wörtern durch kompetente Institutionen vollzieht. Er schreibt Folgendes:
Ce mouvement [Kreation durch Sprecher] est bien plus rapide dans son travail de création que toute instance, que toute institution. Les académies sont, donc, toujours en retard d’un mot sinon de plus et se retrouvent, de ce fait, dans leurs réponses, en deçà de ce que demande la société et de ce qu’elle propose. (Taleb-Ibrahimi, ebd.).
Diese Kreativität ist mit jeder Sprache unzertrennlich verbunden. Denn in jeder sprachlichen Handlung liegt Kreativität vor. Sie charakterisiert sich dadurch, dass sie sehr oft sprachliche Regeln, Konventionen überwindet bzw. verändert. Dadurch zeigen die Sprechenden ihre Beherrschung bzw. Aneignung des Sprachsystems und dessen Funktionieren (vgl. ebd., 232). Wenn man diese Kreativität genau betrachtet, dann kommt die Art und Weise ins Klare, wie diese realisiert wird. In der vorliegenden Arbeit wird sie genau untersucht anhand folgender linguistischer Phänomene: Entlehnung; Bedeutungsverstärkung und –wandel; Wortbildung und Lautwörter, die alle den gemeinsamen Punkt haben, dass sie für die Jugendlichen zur lexikalischen Kreativität und zu Neologismen konkurrieren.
0.2 Problem und Fragestellung
Die Jugendlichen verhalten sich seit vielen Jahrzehnten unterschiedlich zu der ganzen Gesellschaft. So wollen sie sich von anderen ganz klar unterscheiden. Ihre Verhaltensweisen entsprechen ihrem Alltag in Schulen, auf Straßen, und vor allem ihren Bestrebungen. Die Entwicklungen der Medien spielen dabei auch eine große Rolle, denn sie werden von diesen jungen Leuten entscheidend beeinflusst. In fast allen Medienbereichen wie Musik, Film, Roman usw. ist die Anwesenheit der Jugend festzustellen. Man spricht von einer „E-Generation“. Sie drücken tatsächlich ihre Erfahrungen, Frustrationen, Wünsche und ihre Stellungnahmen in diesen Medienbereichen insbesondere in der Musik aus. Die Art und Weise, wie sie ihre Wörter als sprachliche Zeichen für das Erreichen ihrer kommunikativen Ziele bilden, weist eine besonders merkwürdige schöpferische Tätigkeit auf, der sich die vorliegende Arbeit widmet. Daher lassen sich folgende Fragen stellen:
- Inwiefern weist die Lexik bzw. weisen die lexikalischen Einheiten der Jugendsprache(n) einen besonders kreativen Prozess auf? Anders gesagt, welche Prozesse liegen der Schaffung von Lexik von Jugendsprachen zugrunde?
- Was für ein Verhältnis gibt es zwischen diesen Jugendsprachen und den anderen (Standard)Sprachen?
- Wie adaptieren sich diese Prozesse in den jeweiligen Zielsprachen: Französisch für die kamerunische Jugendsprache und das Deutsche für deutsche Jugendsprache?
- Was für Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten gibt es zwischen den kamerunischen und den deutschen Rap-Musiken hinsichtlich der lexikalischen Besonderheit?
0.3 Forschungsvorannahmen
Aus den oben gestellten Fragen können folgende vorläufige Antworten abgeleitet werden:
- Die Jugendlichen, also die deutschen und kamerunischen Hip Hop- Musiker, erzeugen neue Wörter für ihre Sprach(gebrauchs)formen, indem sie u.a. sie aus dem Englischen und anderen Sprachen entlehnen oder indem sie sich einiger Prozesse wie Sinnwiedergabe oder Übertreibung bedienen.
- Die Jugendlichen rekurrieren mehrheitlich auf andere Sprachen vor allem auf das Englische und entlehnen daraus Wörter für ihre Wortschatzerweiterung.
- Die neuen Formen müssen sich den phonetischen, orthographischen, morphologischen, syntaktischen und semantischen Merkmalen der Replikasprache anpassen.
- Die jugendlichen Sprachformen der beiden Sprachgebiete weisen sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten auf, denn je nach dem Alltag oder wegen der unterschiedlichen Bestrebungen oder sprachlichen Gewohnheiten gibt es Aspekte des Phänomens, die in einer anderen Kultur bzw. in einem Sprachraum vorkommen.
0.4 Stand der Forschung und Erkenntnissinteresse
Es gibt zurzeit eine sehr reiche Literatur über die Jugendsprache sowohl in Deutschland als auch in Kamerun. Aber Forschungen zum Verhältnis zwischen Jugendsprache und Musik oder zu der Lexik der Jugendsprache sind aber nicht genug.
Im Jahre 2007 hat sich Markus Chun im Rahmen seiner Dissertation für die deutsche Jugendsprache interessiert, indem er das Verhältnis von Jugendsprachen und (modernen) Medien im Allgemeinen (Literatur, Film, Musik) untersuchte. Was die Musik angeht, macht er eine sprachwissenschaftliche Analyse von einigen aktuellen Musikstücken, und zwar Hip Hop-Musiken. Chun untersucht nur die jugendsprachlichen Sprechweisen, denn ihm zufolge sind diese Musikgenres der Medienbereich, der „das Freizeitverhalten der Jugendlichen am stärksten und nachhaltigsten beeinflusst“ (2007, 254). Für ihn ist „Jugendkultur“ eine „Medienkultur“, denn Jugend und Medien gehen immer Hand in Hand (vgl. ebd.). Er analysiert in Songtexten von einigen Hip Hop Musikern die Besonderheiten der Lexik; er versucht ausgehend von der Geschichte und der alltäglichen Betrachtung der Hip Hop Kultur, zu zeigen, ob diese Lexik etwa eine Beschimpfungs- oder eine Widerstandsfunktion erfüllt. Nicht zuletzt erklärt er, dass viele Wörter Entlehnungsresultate sind, aber der Sinn wird bei der Einsetzung in eigene Sprach(gebrauchs)formen verstärkt oder verändert.
Kirsten Deising legt in seiner Masterarbeit betitelt „ ‚Einfach fett! Zicken-beef Deluxe.‘ Die Mediengeneration – Jugendsprache am Beispiel des deutschen Hip Hop und deutscher Jugendzeitschriften “ (2010) besondere Aufmerksamkeit auf auditive und Printmedien, die seiner Meinung nach die gesamte „standardisierte“ deutsche Jugendsprache beeinflussen und verbreiten. Seitens der auditiven Medien analysiert er Hip Hop Musikstücke und seitens der Jugendzeitschriften nimmt er einige Texte aus den Jugendzeitschriften „BRAVO“, „Bravo Girl!“ und „Mädchen“ als Korpus. Deising analysiert zuerst die gesamten Merkmale, die er in Songtexten und in Jugendzeitschriften hervorgehoben hat, im Bereich der Lexik, der Morphologie und der Syntax. Seiner Analyse gemäß charakterisiert sich die Jugendsprache durch die Wortbildungsproduktivität, die verschiedene Funktionen in ihrer Anwendung erfüllt. Sie charakterisiert sich auch durch zahlreiche Bedeutungsveränderungen des Standards. Wortadjektive haben einen wichtigen Platz, denn „mit ihnen können die Jugendlichen ihre Gefühlslagen offenbar angemessen ausdrücken“ (DFG-Jugendsprache in Längsschnitt; zit. nach Deising 2010, 36). Außerdem erweitert sich die Jugendsprache durch Benutzung von Intensivpartikeln, durch englische Entlehnungen, Verstärkung von Bedeutungen. Es gibt in diesem Bereich phonetisch-syntaktische Vereinfachungen (Apokope, Ellipse u.a.) und die Bricolage1 . Am Ende der Arbeit und ausgehend von all diesen Ausführungen kommt Deising zum Schluss, dass die Jugendsprache als „Ausdruck des gesamtdeutschen Sprachverfalls“ gilt (2010, 95ff).
1997 untersucht Leena Hokka im Rahmen ihrer Magisterarbeit die lexikalischen Besonderheiten der Jugendsprache in Kirsten Boies Roman „Ich ganz cool“. Die Verfasserin gruppiert zusammenfassenderweise die unterschiedlichen Merkmale der Lexik der Jugendsprache in sechs (06) Kategorien, und zwar Anglizismen, die Übertreibung, Lautwörter, Wortbildung, Bedeutungswandel und Niedrige Stilebene (1997, 7). Die Autorin erklärt diese Kategorien, wenn sie schreibt:
Weil die Jugendliche in der Normalsprache für ihre Sonderwelt passende Wörter nicht finden, entlehnen sie neue vorwiegend aus dem Englischen, imitierten Lautwörter der Comic-Sprache, bilden neue Begriffe mit Hilfe der deutschen Wortbildungsmittel und finden neue, eigenartige Bedeutungen für normalsprachliche Lexeme. Stilistisch bevorzugen sie übertreibende, metaphorische und derb- vulgäre Ausdrücke (1997, 7).
Diese bilden die Analysekategorien, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Es wird im Roman alle diese Merkmale der Jugendsprache bzw. der Jugendkultur hervorgehoben, damit es gezeigt wird, ob die Figuren im Roman kreativ sind oder eher sprachlich primitiv.
Außerdem haben Peter Schlobinski, Gaby Kohl und Irmgard Ludewigt 1993 in ihrem Buch Jugendsprache. Fiktion und Wirklichkeit die jugendlichen Sprechstile mit engerer Aufmerksamkeit auf die lexikalischen Einheiten durch die teilnehmende Beobachtung und das ethnomethodologische Verfahren untersucht. Sie machten einige Untersuchungen bei 2 Gruppen von Jugendlichen (Jugendlichen einer katholischen Gruppe und Schüler(innen) einer Gesamtschule). Sie gehen von dem Gedanken aus, dass in Bezug auf den situativen Rahmen, das Herkunftsmilieu und die kulturellen Ressourcen Jugendliche unterschiedliche Sprechstile aufweisen. Sie haben festgestellt, dass bei der Durchführung des „Fürbittens“ in der ersten Gruppe das „Bricolage-Prinzip“ ins Spiel komme; d.h. eine Art „spielerische Bastelei mit verschiedenen Sprechstilen“ (1993, 112). Daneben besteht es in der Sprache Jugendlicher zahlreiche Symbole, d.h. „Sie [Jugendliche] vollbringen nicht nur meisterliche Leistungen im Umgang mit sprachlichen Stilen und Mustern, sondern auch im Spiel mit Bildern und Symbolen.“ Die Autoren befassten sich auch mit den Bedeutungen von Partikeln in jugendlichen Ausdrucksweisen; nämlich der Partikel „ey“ und versuchten da ihre unterschiedlichen Funktionen zu herstellen, und zwar:
- die Markierung der Struktur des Diskurses
- die Markierung der Adressierungen
- die Funktion von attention getter und
- die Verstärkung (vgl. ebd., 135).
Am Ende versuchten die Autoren den Einfluss der Medien auf die Jugendsprache und auf die Jugendlichen klarzumachen. Sie gehen von einigen Thesen und Positionen aus, dass Medien daran schuld sind, dass Kinder mit diesen „schmutzige[n] Wörter[n]“ von Fernsehprogrammen, Filmen, Comics geprägt sind (1993, 148). Sie gebrauchten empirische Herangehensweisen, um kritisch zu zeigen, wie Medien die Sprache der Jugendlichen prägen. Diese Arbeit steht aber in einer anderen Richtung, wo gezeigt werden soll, wie Medien besonders die Hip-Hop Musiken die Jugendsprache bezüglich der Lexik prägen.
Eva Neuland, die als eine der berühmtesten Jugendsprachforscher(innen) in Deutschland gilt, sieht in ihrem Buch Jugendsprache. Eine Einführung (2008) die Jugendsprache als ein Medienphänomen, d.h. ein Phänomen, das durch Print- und AV-Medien gebildet, verbreitet und vermarktet wird (vgl. Neuland 2008, 42). Sie behauptet, „Jugendliche nehmen in spielerischer, oft kritisch-ironisierender Weise auf ihre Medienerfahrungen Bezug“ und entnehmen sehr oft Anspielungen aus Medien (Filmen, Musiken, Fernsehen u.a.) und integrieren kreativ diese Wörter in eigenem Sprachgebrauch“ (vgl. ebd., 41). Medien sowie Jugendliche und ihr Sprachgebrauch gehören der sogenannten „Generation E“.
Auf der kamerunischen Ebene gibt es schon unterschiedliche Untersuchungen bzw. Analysen, die sich mit der kamerunischen Jugendsprache „Camfranglais“ und ins Besondere mit der Lexik auseinandersetzen. Diese Jugendsprache ist seit circa 2 Jahrzehnten untersucht worden.
Unter anderen gibt es der Dschanger Soziolinguist Jean Benoit Tsofack, der sich 2006 Frage über den Platz des „CFA“(Camfranglais) gegenüber dem Standardfranzösischen stellt, deshalb betitelt er den Aufsatz: Le Camfranglais ou la norme du Français en péril au Cameroun? In diesem Aufsatz genau versucht der Autor zu zeigen, wie sich das Camfranglais in der kamerunischen plurilingualen Landschaft ansässig macht. Auch zeigt er, wie das „CFA“ das Überleben des normativen Standardfranzösischen in Kamerun gefährdet. All dies wird gezeigt, durch multiple lexikalische Einheiten und Strukturen, die zunehmend die französischen in populären und alltäglichen Ausdrückweisen ersetzt haben. Trotz der Bedeutung des Französischen als offizieller Sprache und als Verkehrssprache in allen Regionen, versucht der Autor zu skizzieren, welche Sprachpolitik adoptiert werden soll, um eine schnelle Insertion des Camfranglais in die sprachliche Lage zu begünstigen und daher den Prozess seiner Standardisierung zu beschleunigen (vgl. Tsofack 2006, 32).
Carole de Féral hat in ihrem Aufsatz (2006) betitelt Décrire un «parler jeune»: le cas du Camfranglais (Cameroun) die Jugendsprache Kameruns meist lexikalisch beschrieben, indem sie die Entlehnungen aus kamerunischen Nationalsprachen und europäischen Sprachen in Betracht zieht. Außerdem betrachtet sie auch die Originalität der lexikalischen Kreativität. Diese Originalität lässt sich durch einige semantischen Prozesse erklären (Extension, Derivation, Metapher, Metonymie…) und durch einige formale Prozesse wie Derivation; „troncation“ u.a. (vgl. De Féral 2006, 251)
Andere Soziolinguisten haben eine besondere merkwürdige Feststellung gemacht: die sind Augustin Ebongue und Paul Fonkoua, die in Douala und Yaoundé bemerkt haben, dass sie nicht im Stande waren, einer Diskussion auf Camfranglais zwischen einigen Schülern zu folgen. Der Grund dafür ist vielleicht, dass es auch unterschiedliche Sprachstufen in Camfranglais gibt: die Lexik bzw. der Wortschatz sieht fast total unterschiedlich aus, außer einigen Wörtern aus dem Pidgin und aus den Nationalsprachen. Von dieser Feststellung aus betiteln die Autoren ihren Aufsatz wie folgt: Le Camfranglais ou les Camfranglais? Es existiert ja je nach Bildungsniveau drei unterschiedliche Varietäten des Camfranglais:
- „Le camfranglais simplifié des lettrés ou des jeunes intellectuels“: (im universitären Milieu)
- „Le camfranglais des moyens scolarisés“ (ou „intermédiaire“): (in Sekundarschulen)
- „Le camfranglais des peu scolarisés“ (ou variété „pure“ ou „authentique“): (im Alltag und von sogenannten „Nanga boko“ gebraucht) (Ebongue & Fonkoua 2010, 260ff).
Das Hauptkriterium für diese Differenzierung ist die lexikalische Besonderheit, die jedem Ausstauch zugrunde liegt. Am Ende des Aufsatzes erwähnen die Autoren die Repräsentationen der Jugendlichen gegenüber dem Camfranglais. Daraus kann man feststellen, dass die Hauptfunktion dieser Sprach(gebrauchs)formen daran liegt, Sprache so zu verwenden, dass die Anderen nicht verstehen können und dadurch sprachlich sowie sozial ausgegrenzt werden. Beleg dafür ist: Camfranglais ist «un langage codé», ‘voilé’ […] pour que les adultes comprennent pas» (2010, 260).
Besonders interessant ist der neueste Aufsatz von Valentin Feussi (2017). In diesem Artikel betitelt „Quel(le)s frontières/seuils pour reconnaître le francanglais dans le paysage langagier au Cameroun?“ versucht Valentin Feussi zu zeigen, wie es heute schwer ist, die Jugendsprachen in Kamerun von anderen Sprachen zu unterscheiden. Er stützt sich dabei auf einen Text von Maalhox Le Vibeur (ça sort comme ça sort) und einen von Locko (Ndutu). Grund dafür ist, dass man nicht mehr genau weiß, wann oder wo es wirklich behauptet werden kann, dass es Französisch, Pidgin, oder Camfranglais ist. Er versucht an dieser Stelle, Kriterien zu elaborieren, mit denen man leichter Camfranglais identifizieren kann.
All diese Untersuchungen sowohl auf der deutschen als auch auf der kamerunischen Ebene befassen sich auf irgendeine Weise mit der Lexik der deutschen Jugendsprache und des Camfranglais. Was aber in all diesen Forschungen fehlt, ist eine genauere Untersuchung der lexikalischen Besonderheit und Kreativität der Jugendsprache; darunter werden alle Prozesse verstanden, durch die sich der Wortschatz der Jugendsprache erweitern lässt. Auch wird hier die Prägung der Medien bzw. der Hip Hop Musik in Betracht gezogen, denn es gibt kaum genauere Untersuchungen zu der Jugendsprache in der Musik in Kamerun und in Deutschland und vor allem in einer vergleichenden Weise. Denn durch den Vergleich werden zwei Kulturen kollationiert und der Einfluss von unterschiedlichen kulturbedingten Sozialisationsphasen auf den jugendtypischen Wortschatz hervorgehoben.
0.5 Forschungsziele
Diese Arbeit zielt darauf ab zu zeigen, mithilfe von welchen Prozessen die Jugendlichen die Lexik ihrer gruppenspezifischen Sprachgebrauchsformen bilden. Ein Akzent wird auch auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den kamerunischen und deutschen Sprachgebieten gelenkt. Eigentlich wird ins Auge gefasst, wie die Entlehnung, die Wortbildung, die Bedeutungsverstärkung und –veränderung, und die Lautwörter zusammen konkurrieren, um neue Wörter bzw. neue Lexeme für den jugendtypischen Sprachgebrauch Kameruns und Deutschlands zu schaffen.
0.6 Theoretischer Rahmen und Methodologie
Die theoretische Basis, die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt, beinhaltet grundlegend soziolinguistische Auffassungen von Sprache(n). Diese Arbeit hat drei bedeutende soziolinguistische Richtungen:
Erstens stütze ich mich auf theoretische Befunde der Sprachkontaktlinguistik, die klare und determinierte Annahmen in Bezug auf die Kontakte zwischen Sprachen hervorgehoben haben. Diese Theorie der Sprachkontakte wurde ab den 1950er Jahren durch berühmte Sprachforscher aufgefasst, und zwar durch Uriel Weinreich Languages in Contact: Findings and Problems (1953); Einar Haugen in The Norwegian Language in America: A Study of Bilingual Behaviour und William Mackeys Aufsatz „Towards a Redefinition of Bilingualism“ (1953). Besonders relevant hier ist die Vorannahme, dass bei allem Kontakt von Sprachen, eine Art Beeinflussung von einigen durch andere zum Vorschein kommt.
Zweitens baut sich die vorliegende Arbeit auf der These, dass die Jugendsprache eine Sondersprache ist. Präziser ist sie in Anlehnung an Heinrich Löffler (2005) ein Soziolekt bzw. eine soziale Varietät der Sprache. Sie ist laut dieser Auffassung eine Gruppensprache, eine Stadtsprache und eine transitorische Sprache. In diesem Sinne lässt sich diese Arbeit im Rahmen der Varietätenlinguistik (VL) und der Historiolinguistik (HL) einschreiben.
Drittens lässt sich diese Arbeit in Bereich der Jugendsprachforschung einordnen. Dabei werden die Konzeptionen von Helmut Henne (1981, 1986) und Eva Neuland (2008) genau betrachtet. Ich fasse meine Arbeit als eine kontrastive Arbeit auf, dies ermöglicht die Arbeit in den Bereich der kontrastiven Jugendsprachforschung einzugliedern, die Neuland (2008, 35) hervorgehoben hat, denn es geht hier um dieselben Phänomene in zwei unterschiedlichen Jugendsprachen von zwei unterschiedlichen Ländern zu analysieren und zu kollationieren.
Innerhalb der Sprachwissenschaft charakterisiert sich die vorliegende Arbeit durch ihre interne Interdisziplinarität. Im Grunde wird diese Arbeit angefertigt, indem man auf unterschiedliche Kategorien rekurriert. Diese Kategorien stammen aus der Semantik (Bedeutungswandel, Übertreibung); aus der Morphologie (Wortbildung); aus der SKF (Entlehnung) und aus der Semiotik (Lautwörter). All diese Kategorien lassen sich aber im Bereich der Lexikologie finden. Diese Kategorien wurden schon mal von Henne 1986 eingeführt. Was die Entlehnung angeht, beruht man sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf der Theorie von Wenliang Yang (1990) über Anglizismen bzw. Entlehnung und vor allem auf der Typologie von Entlehnung, die er ans Licht gebracht hat.
Was die Methodologie angeht, wird diese lexikalische Kreativität durch eine lexikologische Analyse erforscht. Dabei geht es darum, Wörter bzw. Lexeme hervorzuheben und zu analysieren, die den oben erwähnten Kategorien entsprechen. Es wird quantitativ und vor allem qualitativ verfahren. Dieser Gegenstand der lexikalischen Kreativität wird mithilfe von 08 (acht) Texten von deutschem und kamerunischem Rap geprüft, wobei 04 Texte von den jeweiligen Ländern kommen. Damit das Ziel der Gegenüberstellung bzw. Kontrastierung von Resultaten der beiden Kontexte erreicht wird, wird das Vergleichen im Kern der Analyse stehen.
0.7 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit lässt sich in zwei Hauptteile strukturieren, und zwar in einem theoretischen und in einem praktischen Teil. Jeder Teil gliedert sich in zwei Kapitel.
In dem theoretischen Teil handelt es sich darum, die Hauptkonzepte zu klären und abzugrenzen. Außerdem wird der Gegenstand Jugendsprache in das soziolinguistische Forschungsfeld eingegliedert, dabei wird die Relevanz der VL und der SKF betonnt. Damit das Untersuchungsphänomen genau erfasst wird, wird auf zwei Modelle der Jugendsprache sowie auf den Zusammenhang zwischen Jugendsprache(n) und den Medien(-bereichen) eingegangen.
Der praktische Teil befasst sich hauptsächlich mit der sprachwissenschaftlichen Analyse der lexikalischen Kreativität in den ausgewählten Songtexten. Das erste Kapitel befasst sich mit der Arbeitsmethodologie, wobei der Korpus und die Analysenkategorien dargestellt werden. Das zweite Kapitel befasst sich mit der eigentlichen kontrastiv-lexikologischen Analyse. Nicht zuletzt werden die Interpretation und die didaktischen bzw. pädagogischen Implikationen für die DaF-Unterrichtspraxis klargemacht.
THEORETISCHER TEIL
KAPITEL 1 : BEGRIFFLICHE ANNÄHERUNG
Die Relevanz dieses Kapitels besteht darin, dass es eine klare Erfassung einiger Begriffe gewährleistet, die zur Erfassung des Untersuchungsgegenstandes eingesetzt werden. Eine vorherige Abstimmung über diese Basisbegriffe sollte die Grundlage für die Eindeutigkeit der späteren Untersuchung schaffen.
1.1 Was ist Sprache: zu einem Definitionsversuch
In der Sprachwissenschaft (Wissenschaft der Sprache), auch Linguistik genannt, unterscheidet man verschiedene Vorstellungen von dem, was Sprache sei oder ist. Diese sind sprachwissenschaftliche Theorien. Eine geeignete Definition der Sprache hängt dann von der Auffassung und Orientierung ab, die man im Rahmen einer Arbeit genommen hat. Die Frage nach dem Wesen der Sprache und weiter nach ihrer Funktion ist so alt wie die Menschheit und das 19. Jahrhundert weist die ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Sprache auf. Eine Übersicht über die linguistischen Theorien oder eine Beschäftigung mit diesen Theorien treibt uns an zu behaupten, es gibt eine diachronische2 und eine synchronische Definition der Sprache.
Die synchrone Bestimmungsweise der Sprache stammt von dem Genfer Sprachwissenschaftler Ferdinand Mongin de Saussure3, der eine Neuorientierung in die Sprachwissenschaft durch seinen Cours de linguistique générale, 1916 posthum erschienen, gebracht hat. Es handelt sich um die synchrone Sprachbetrachtung. Nach dieser Auffassung ist Sprache „Langue“4 ein Objekt, dessen Betrachtung keine historische Orientierung braucht. Diesbezüglich schreibt Manfred Geier:
wenn man eine Sprache als ein komplex differenziertes Gebilde untersucht, dann betrachtet man sie als einen bestehenden Zustand. Man versucht, die gegenseitigen Beziehungen und Verschiedenheiten zu entdecken, die zwischen den Gliedern bestehen, die gleichzeitig in der Sprache vorliegen, anwesend (syntagmatisch) oder abwesend (assoziativ)5 (Geier 1998, 45).
Diese Aussage beinhaltet nicht nur die Definition der Synchronie, sondern auch die Definition der Sprache im Sinne von de Saussure, die von fast allen Schulen der Systemlinguistik angenommen wurde: die Prager Schule, die Glossematik oder Kopenhagener Schule, die amerikanischen Schulen... Alle stimmen der Auffassung zu, dass Sprache, „langue“, ein System von sprachlichen Zeichen ist, die in sich zueinander in Beziehung sind. Sie ist jede Einzelsprache wie Deutsch, Englisch und Gegenstand der Sprachwissenschaft (vgl. Massock 2014, 87).
Neben diesen statischen und dynamischen Definitionen der Sprache gibt es noch eine andere, die sich als eine handlungsorientierte bzw. als eine kommunikationsbezogene Bestimmung betrachten lässt. Diese entsteht im Rahmen der pragmatischen Wende in den 1970er Jahren. Dabei wurde die Sprache – wie schon in den 1920er und in den 1930er Jahren bei den Prager Funktionalisten – als ein Mittel, das der Kommunikation in der Gesellschaft dient, aufgefasst. Solch eine Definition steht zwischen einer diachronischen und einer synchronischen Betrachtungsweise der Sprache. Was besonders interessant hier ist, ist, dass die pragmatische Auffassung der Sprache über die Saussure’sche und die Chomsky’sche Sprachbetrachtung hinausgeht und welche die vom Individuum geprägte Seite der menschlichen Rede („langage“) miteinbezieht. In diesem Sinne behaupten Angelika Linke, Paul Portmann und Markus Nussbaumer, „dass die Pragmatik sich für Dinge interessiert, die in den Entwürfen von de Saussure und Chomsky den Bereich der parole, der Performanz zugewiesen worden waren“ (2001, 171).
Mit der parole lassen sich unterschiedliche Sprechformen unterscheiden, „deren sprachliche Merkmale in der Hauptsache von Redekonstellationstypen oder sozio-pragmatischen Bedingungen wie Individuum, Gruppe, Gesellschaft, Situation, Funktion geprägt sind“ (Heinrich Löffler 2005, 79). Von da aus kann behauptet werden, dass es keine homogene Sprachgemeinschaft gibt; die Heterogenität der Sprachgemeinschaft lässt sich im Sinne von Varietäten der Sprache verstehen. Eine Sprache ist immer eine Summe von Varietäten, deshalb schreibt Norbert Dittmar, Sprache ist
eine Menge von ‘Varietäten’, (=verschiedene Sprachgebrauchssysteme) […], deren Eigenschaften in einem mehrdimensionalen Raum – beispielsweise als Schnittpunkte historischer, regionaler, sozialer und situativer Koordinaten – festgelegt ist. Die Beschreibung eines Varietätenraums ist wesentlich an die Beobachtung sprachlichen Verhaltens und sprachlicher Regelhaftigkeit gebunden (1997, 175).
Die in dieser Behauptung erwähnten außersprachlichen Faktoren üben da einen großen Einfluss auf die Standardsprache und umgekehrt und können nicht nur synchronisch beschrieben und erforscht werden. Jede historische Sprache oder auch Einzelsprache weist auf diese Situation auf und kann nur besser im Bereich des Sprachwandels untersucht werden (vgl. Geier 1998, 166).
1.2 Sprachen als historische Gegenstände
Wie schon oben erwähnt, wurde Sprache bei Indogermanisten diachronisch untersucht. Diese diachronische Auffassung der Sprache versteht die Sprache als ein sich geschichtlich entwickelndes Objekt, das ausschließlich im Rahmen einer Sprachgeschichte bestimmt werden kann (vgl. Paul 1980). Die diachronische Auffassung der Sprache erfolgt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rahmen der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft, bei den Junggrammatikern und später bei den Prager Funktionalisten (vgl. Bartschat 1996). Da wurde die Sprache als ein sich geschichtlich entwickelndes Objekt verstanden. In diesem Sinne behauptet Hermann Paul in Prinzipien der Sprachgeschichte (erst erschienen 1880): „es ist eingewendet, dass es noch eine andere wissenschaftliche Betrachtung der Sprache gäbe, als die geschichtliche“ (1920, 20). Jede Sprache ist bestimmten historischen Wandlungen unterworfen. Es ist die Rede von der Diachronie, die Manfred Geier (1998) als die „Dynamik“ der Sprache versteht; er spricht von „den Unterschieden der Sprache im Lauf der Zeit“ (1998, 46); d.h. grob gesehen, „alles, was mit den Entwicklungsvorgängen zusammenhängt“ (Paul 1920, 96).
Diese Auffassung lässt sich in Bereich der HL einschreiben. Die soziolinguistischen Sprachvariationsphänomene wie Dialekte und Soziolekte sind in der Geschichte eingebunden; und eine gute Analyse dieser Phänomene setzt voraus, dass man diese geschichtliche Dynamik mitberücksichtigt. In diesem Sinne behauptet Manfred Geier unter Beziehung der Aktualität einer historischen Orientierung der Sprachforschung: „Sprachgeschichte hat sich nicht nur einst vollzogen, etwa in den Übergängen vom Indogermanischen zum Neuhochdeutschen, sondern sie vollzieht sich auch hier und heute“ (Geier 1998, 166). Soziolinguistische Varietäten machen dabei keine Ausnahme, denn Sprachen variieren je nach dem Ort oder der Region, der Gesellschaft oder Gruppe, der Situation und Intention, dem Medium u.a.: die Jugendsprache entsteht durch diese Variation. Man spricht an dieser Stelle von regionalen, sozialen, funktionalen, medialen Varietäten u.a.
1.2.1 Regionale Varietäten
Sprachen variieren zunächst mal je nach der Region, d.h. je nach dem geographischen Raum, in dem sich Sprecher befinden. Man spricht auch von der diatopischen Variation der Sprache. Regionale Varietäten sind Harald Baßler und Helmut Spiekermann zufolge „die Varianten des Deutschen, die sich durch eine lokale bzw. regionale Begrenztheit in Bezug auf ihren Gebrauch auszeichnen. Diese Varietäten lassen sich mit den beiden Polen „Dialekte“ und „Standard“ als ein sprachliches Kontinuum auffassen“ (2001, 2). Regionale Varietäten sind ja Sprachformen, die nur in einem begrenzten geographischen Raum gesprochen werden. Ein Beispiel dafür sind Dialekte. Angelika Linke u.a. schreiben diesbezüglich, dass Dialekte Sprachformen bezeichnen, „die eine relativ geringe regionale Ausdehnung besitzen und im Extremfall als Ortsmundarten beschreibbar sind“ (2001, 305). Und sie enthalten die Merkmale des Sprachgebrauchs bzw. der Sprachformen, die man in einer geographischen Gegend finden kann und die den Raum von anderen unterscheiden. Diese Varietäten nennt man auch areale Varietäten im Sinne von Löffler (2005, 128). Da ist es die Rede von einer „Arreallinguistik“, die sich mit dem Phänomen der sprachlichen Variation einer Region bzw. eines geographischen Raumes beschäftigt. Das ist die alte Dialektologie. Man kommt dann zu der Erkenntnis in den 1970er Jahren, dass die Dialekte auch soziolektal6 determiniert waren: dabei entsteht die Sozio-Dialektologie. Löffler geht weiter in derselben Richtung, wenn er den Zusammenhang zwischen Dialekt und Sprachalter oder Geschlecht untersucht. Dabei zeigt er, dass die Sozio-Dialektologie Geschlecht, Alter u.a. den Dialekt auch differenzieren können (vgl. Löffler 2005, 133f). Die Betrachtung dieses Einflusses von außersprachlichen Faktoren auf den Dialekt treibt den Linguisten dazu an, sich zu fragen, ob die Jugendsprache als Dialekt betrachtet werden kann. Man kann sich auch fragen, ob es einen Nationaldialekt gibt, wenn es vorkommt, dass eine Sprachvarietät weit über die Raumgrenzen hinausgeht: sind wirklich Staatgrenzen als Sprachgrenzen zu verstehen?
Dialekt als regionale Sprachvarietät lässt sich immer in Unterscheidung zu Standardsprache und Umgangssprache definieren. Standardsprache kennzeichnet sich hauptsächlich durch ihre Überregionalität, ihren hohen Kodifiziertheitsgrad, ihren öffentlichen, offiziellen und institutionellen Kommunikationsrahmen. Die Umgangssprache wird funktional und sozial als Alltagssprache verstanden und in diesem Sinne weist einen hohen Grad der Emotionalität auf, was nicht der Fall mit der Standard- bzw. Hochsprache ist. Dieser emotionale Charakter und die Offenheit der Dialekte bzw. Umgangssprache verleihen den letzteren die soziolinguistische Kennzeichnung „Sprache der Nähe“ im Gegensatz zu der „Sprache der Distanz“ (vgl. Linke et. al. ebd., 305).
1.2.2 Soziale Varietäten
Der Sprachwandel vollzieht sich auch in der Gesellschaft durch Sprechergruppen oder auch Verwendungsanlässe. Es geht in diesem Teil um gruppenspezifische Varietäten einer Sprache (die deutsche, englische oder auch die französische). Diese gruppalen Sprechweisen nennt man Soziolekt. Norbert Dittmar definiert diese sozialen Varietäten als die sprachlichen Konventionen von Gruppen, die häufig der massiven Bewertung anderer gesellschaftlicher Gruppierungen unterliegen (z.B. sozioökonomisch und ideologisch unterdrückte Klassen) und zum Konfliktstoff zwischen ihnen führen können. (1973, 137)
Der Begriff Soziolekt entsteht in den 1960er Jahren, wo man mehr von „social dialects“ sprach. Sprachliche Variation war nur sprachgeographisch untersucht. Durch das große Interesse der Soziolinguistik an sozialen Faktoren kommt man ja zu dem Terminus „Soziolekt“ und es war noch in der europäischen Soziolinguistik schwierig, das Konzept des Soziolekts von Dialekt zu unterscheiden (vgl. Durrell 2004, 201f).
Steinig (1976, 14) schrieb: „ein Soziolekt repräsentiert das Sprachverhalten einer gesellschaftlich abgrenzbaren Gruppe von Individuen“ (zit. nach Löffler 2005, 114) und kann nicht existieren, wenn es keine Gruppe von Menschen gibt. Es gibt in dieser Richtung keinen Soziolekt, sondern Soziolekte, denn es bestehen auch unterschiedliche Gruppen, die tatsächlich unterschiedliche Herkunft, Ziele, Erziehungsmodelle usw. aufweisen. Löffler stützt sich auf solch eine Auffassung, um eine dreiteilige Einteilung von Soziolekten durchzuführen, und zwar: einen Soziolekt mit soziolektalen Merkmalen für Prestige und Stigma, einen Soziolekt mit Merkmalen des beruflichen Milieus und endlich die „eigentlichen Soziolekte“, also nichtberufsbedingten Gruppensprachen (vgl. Löffler 2005, 114ff). Die folgende Abbildung ermöglicht eine summarische bzw. grafisch-zusammenfassende Darstellung der Komplexität des Soziolektbegriffs:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Einteilung der Soziolekte (Löffler 2005, 115).
Diese Abbildung fasst die Komplexität des Soziolekts zusammen und zeigt alle Kennzeichnungen und andere Sprachgebrauchsformen, die als Soziolekte aufgefasst werden können. Besonders interessant hier sind die Merkmale des dritten Teils („Eigentliche Soziolekte“), die dem Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gehören. Es geht hier eigentlich um Sondersprachen, die nicht von einem Beruf abhängen. Sondersprachen versteht man hier im Sinne von Klaus Siewert. Für ihn sei eine Sondersprache eine Sprachform, die außerhalb des Kreises der schon anerkannten Sprachvarietäten wie Umgangssprache, Dialekt, Standardsprache oder Hochsprache existieren (Siewert 2003, 14f. zit. nach Čirkić 2006, 11). Der Grund dafür ist, dass diese Sondersprachen bestimmte Funktionen erfüllen, die von der Norm abweichen. Damit eine Sprachvariante als eine Sondersprache betrachtet wird, muss sie bestimmte Kriterien erfüllen, die von Dieter Möhn folgenderweise dargestellt werden:
Sprache ist ein hervorragendes Mittel der internen Gruppenfestigung und externen Gruppenprofilierung. Eine solche vorrangig isolative Funktion unter zahlreichen anderen hat zur Definition einer Sprachvariante ´Sondersprache` innerhalb der Gesamtsprache Deutsch geführt. Diese Variante, die in vielen unterschiedlichen Erscheinungsformen (=Sondersprachen) repräsentiert ist, dient der Nichtmitglieder ausschließenden Kommunikation von Gruppen, die in Opposition zu anderen Gruppen oder zur Gesamtgesellschaft stehen; sie ist charakterisiert durch eine besondere Auswahl, Frequenz und Verwendung sprachlicher Mittel, die sich auf kontrastive sprachliche Vermeidungsregeln zurückführen lassen. Sondersprachen werden vor allem gesprochen, seltener geschrieben; sie sind, entsprechend der Gruppenexistenz, zunächst regional begrenzt, können aber mit der Mobilität und Expansion einer Gruppe überregional werden (1985, 2009)
Diese Funktionen leisten großen Beistand, wenn es sich darum handelt, eine Sondersprache wie die Jugendsprache zu definieren. Dasselbe gilt für Sondersprachen wie Rotwelsch7, Argot8, altersspezifische (Gerontolekte), geschlechtsspezifische Sprachverhalten (Genderlekte/Sexolekte), die transitorische, temporare und habituelle soziale Sprechweisen bzw. Sprachformen sind.
1.3 Was ist Jugendsprache?
1.3.1 Jugendsprache: Ein Definitionsversuch
Die Jugendsprache kann man nicht genau definieren, wenn es nur noch keine Eindeutigkeit mit dem Konzept der Jugend besteht. Was man unter Jugend versteht, ist noch eine sehr umstrittene Frage in der Soziologie und in den Sozialwissenschaften im Allgemeinen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu behauptete bezüglich die Komplexität des Jugendbegriffs: „la jeunesse n’est qu’un mot“. Es gebe ihm nach keine Jugend, sondern unterschiedliche Jugenden, die sich durch die unterschiedlichen Hintergründe, Erfahrungen, Bedürfnisse von Jugendlichen erklären (vgl. Bourdieu 1980). Diese Schwierigkeit bei der Definition von Jugend findet man auch, wenn man sich mit der Definition von Jugendsprache befasst. Trotz dieses umstrittenen Charakters der Jugendphase wird i.d.R. die Periode von 12/13 Jahren Lebensalter bis 25 Jahren als Jugendphase betrachten, selbst wenn das Phänomen, das hier zu untersuchen ist, findet man auch bei denjenigen, die als „Erwachsene“ betrachtet werden (vgl. Kohrt & Kucharczik 1998, 28). Die Gründe dafür sind, dass der Eintritt in die Jugend eine biologische Reife und der Eintritt in das Erwachsensein eine soziale Reife impliziert, aber nicht alle Personen erreichen mit diesem Alter diese soziale Reife. So kann man mit Manfred Kohrt und Kersten Kucharczik schlussfolgern, „Jugendlicher ist also, wer die biologische Reife erlangt hat, aber noch nicht die soziale Reife“(ebd.).
[...]
1 Die ist ein syntaktisches Stilmittel, mit dem „Gegenstände in einen neuen Kontext“ gestellt werden, der nicht der Norm entspricht (2010, 53)
2 Auf diese historische Auffassung wird im nächsten Abschnitt eingegangen
3 *26. November 1857 in Genf; † 22. Februar 1913 im Schloss Vufflens-sur-Morges
4 Er unterscheidet zwischen „langue“ und „parole“ und setzte sich nur mit „langue“ auseinander, die für ihn das einzige und eigenständige Objekt der Linguistik sei. Die „parole“ ist vom Individuum geprägt und bezeichnet den tatsächlichen Gebrauch der Sprache
5 Hervorgehoben von dem Autor
6 Es gab auch eine Binnendifferenzierung von Dialekten innerhalb eines Raums je nach der Gruppe, den Verwendungsanlässen….
7 Rotwelsch oder Gaunersprache bedeutet etymologisch eine unverständliche, betrügerische Sprache (vgl. Čirkić 2006, 15).
8 Veith gibt die Definition von Bußmann (1990, 96) wieder, die das Argot als jede Form „von Sondersprache (>Geheimsprache<) einer sozial abgegrenzten (häufig als asozial abgestempelten) Gruppe [betrachtet], die vor allem durch ihren spezifischen Wortschatz von der Standardsprache abweicht“ (Veith 2002, 79). Das heißt, diejenigen, die Argot sprechen, gehören tatsächlich einer Gruppe von Personen an, die in der Gesellschaft am meistens ausgeschlossen sind. Sie sind z.B. Prostituierten, Banditen, Taschendiebe, Bettler und Gauner.
- Quote paper
- Cédric Kana Messeni (Author), 2017, Lexikalische Kreativität in den Jugendsprachen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/499172
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