Infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hat das Bewusstsein der ManagerInnen für unternehmerisch ethisches Handeln einen neuen Aufschwung erlebt. Die Öffentlichkeit hinterfragt zunehmend die moralischen Auswirkungen der unternehmerischen Aktivitäten. Auf diese Entwicklung wird durch diverse Konzepte – wie „Corporate Social Responsibility“ oder „Good Corporate Citizenship“ – reagiert, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederzugewinnen.
Über die Frage, was auf allgemeiner Ebene als moralisch gutes Handeln angesehen werden kann, herrscht grundsätzlich Übereinstimmung. Schwieriger wird es jedoch, wenn es um die konkrete unternehmerische Umsetzung der festgelegten Werte und Standards geht. Das Ziel der Arbeit ist die Herausarbeitung von Maßnahmen, wie MitarbeiterInnen und Führungskräfte dazu angeregt werden können, im Sinne der Individual- und Tugendethik in Übereinstimmung mit den unternehmerischen Wertvorstellungen zu handeln.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Zitierhinweis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen
1.3 Methodische Vorgehensweise
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Moral, Ethos und Ethik
2.2 Normen und Werte
2.3 Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und Individualethik
3 Wertemanagementsystem nach Wieland
3.1 Kodifizieren
3.2 Implementieren
3.3 Systematisieren
3.4 Organisieren
3.5 Vorteile von Wertemanagementsystemen
4 Umsetzung und Maßnahmen
4.1 Operationalisierung der Unternehmensgrundwerte
4.1.1 Vorgangsweise
4.1.2 Detaillierungsgrad
4.2 Kommunikation
4.3 Personalpolitische Maßnahmen
4.3.1 Personalauswahl
4.3.2 Anreizsysteme
4.3.3 Coaching
4.3.4 Personalfreisetzung
4.4 Organisationale Maßnahmen
4.4.1 „Ethics-Offices“
4.4.1.1 Aufgaben
4.4.1.2 „Ethics-Officer“
4.4.1.3 „Ethics-Committee“
4.4.2 Aufbauorganisatorische Eingliederung
4.5 Evaluierung der Verhaltensregeln
4.6 Grenzen von Verhaltensregeln
5 Individual- und Tugendethik
5.1 Nikomachische Ethik von Aristoteles
5.1.1 Strebensethik
5.1.2 Einteilung der Tugenden
5.1.3 Beispiele ethischer Tugenden
5.2 Anwendung der aristotelischen Tugendethik
5.2.1 Lehre der rechten Mitte
5.2.2 Entwicklung von tugendhaften MitarbeiterInnen und Führungskräften
5.3 Grenzen der Individual- und Tugendethik
6 Fazit
6.1 Zusammenfassung
6.2 Beantwortung der Forschungsfrage
6.3 Persönliche Stellungnahme
Literatur- und Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wertemanagementsystem nach Wieland
Abbildung 2: Wert-Adressaten-Matrix
Abbildung 3: Die tugendhafte Prämienausschüttung
Zitierhinweis
Die „Nikomachische Ethik“ von Aristoteles wird nach der Bekker-Zählung zitiert.
Bsp.: NE 1019a
- NE = Nikomachische Ethik
- 1019a = Bekker-Zählung
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Infolge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hat das Bewusstsein der ManagerInnen für unternehmerisch ethisches Handeln einen neuen Aufschwung erlebt. Die Öffentlichkeit hinterfragt zunehmend die moralischen Auswirkungen der unternehmerischen Aktivitäten. Auf diese Entwicklung wird durch diverse Konzepte – wie „Corporate Social Responsibility“ oder „Good Corporate Citizenship“ – reagiert, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederzugewinnen. Diese Konzepte entstehen meist als freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen und basieren auf verschiedenen Standards und Regelwerken, wie beispielsweise der „ISO 26.000 – Guidance on Social Responsibility“ oder der „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“. (vgl. Aßländer 2011, S. 1 f.)
Über die Frage, was auf allgemeiner Ebene als moralisch gutes Handeln angesehen werden kann, herrscht grundsätzlich Übereinstimmung. Schwieriger wird es jedoch, wenn es um die konkrete unternehmerische Umsetzung der festgelegten Werte und Standards geht. Zur Lösung dieses Implementierungsproblems entwickelte sich das Ethik- und Wertemanagement. Vor allem Josef Wieland war diesbezüglich einer der Vorreiter im deutschen Sprachraum. (vgl. Wieland 2011, S. 245) Es können prinzipiell drei Schritte des Wertemanagements unterschieden werden: Zunächst die unternehmensinterne Bewusstseinsbildung für die derzeitigen Werte, Normen, Prinzipien und Standards. Anschließend die fortlaufende Reflexion und Entscheidung, welche Werte den unternehmerischen Handlungen zugrunde liegen sollen. Dies lässt sich beispielsweise durch die Entwicklung von Leitbildern verwirklichen. Der letzte Schritt betrifft die konkrete Realisierung und Umsetzung der neuen Werthaltungen. Als größte Herausforderung gilt das Durchbrechen der bisher gewohnten Verhaltensmuster und Wertvorstellungen. (vgl. Noll 2002, S. 140 f.)
Ausgangspunkt der Arbeit ist dieser letzte Schritt des Wertemanagementsystems: Die „Umwandlung“ von abstrakten Leitbildern in konkrete Handlungen der Beteiligten. Dazu ist es zunächst notwendig, dass diese kodifizierten Grundwerte in konkrete Leitlinien und Verfahren – wie beispielsweise Verhaltensstandards oder Richtlinien bezüglich der Annahme von Geschenken – umgesetzt werden. (vgl. Wieland 2011, S. 248 f.) Das Ableiten von konkreten Maßnahmen wird als Grundvoraussetzung für ein gelungenes Wertemanagement angesehen und soll daher auch den Schwerpunkt der Bachelorarbeit darstellen.
Erfolgversprechend sind diese Leitlinien und Verhaltensregeln aber nur dann, wenn diese auch zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung der MitarbeiterInnen und Führungskräfte führen. Es bedarf zunächst der regelmäßigen Übung, damit diese auch zur dauerhaften Routine werden. Mit der konkreten Einübung der Werte beschäftigt sich die Individual- und Tugendethik. (vgl. Wieland 2011, S. 249) Mit den „individuellen Handlungsmotive[n]“ beschäftigt sich die Individualethik (vgl. Kunze 2008, S. 139). Im Rahmen der Tugendethik wird davon ausgegangen, dass es notwendig sei, gewisse Tugenden zu entwickeln. Im beruflichen Kontext bedeuten Tugenden, sich in Entscheidungssituationen für die vernünftigen Handlungsmöglichkeiten zu entscheiden. (vgl. Kunze 2008, S. 143) Anhand der aristotelischen Tugendethik sollen weitere Maßnahmen herausgearbeitet werden, welche die Implementierung der Unternehmensgrundwerte durch die MitarbeiterInnen und Führungskräfte unterstützen können.
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen
Das Hauptziel der Arbeit bildet die Herausarbeitung von Maßnahmen, wie MitarbeiterInnen und Führungskräfte dazu angeregt werden können, im Sinne der Individual- und Tugendethik in Übereinstimmung mit den unternehmerischen Wertvorstellungen zu handeln.
Dies erfordert die folgenden Teilziele: Anfangs ist eine genaue begriffliche Abgrenzung der für diese Arbeit relevanten Begriffe erforderlich. Dazu zählen die Begriffe Moral, Ethik, Werte und Normen sowie Wirtschafts-, Unternehmens- und Individualethik. Um die logische Struktur des Implementierungsprozesses ganzheitlich verstehen zu können, ist es notwendig, dass zunächst eine kurze und systematische Einführung in ein Wertemanagementsystem gegeben wird. Dabei soll auf das in der Literatur hoch angesehene Wertemanagementsystem von Josef Wieland näher eingegangen werden. Der Schwerpunkt soll die Darstellung der Vorgangsweise bei der konkreten Ableitung von Verhaltensregeln aus den Wertekatalogen von Unternehmen sein. Dabei sollen verschiedenste Maßnahmen diskutiert werden, welche es Unternehmen ermöglichen können, dass die Unternehmenswerte bestmöglich in den Alltag implementiert werden. Als Ergänzung soll auf die Individual- und Tugendethik näher eingegangen. Dabei sollen weitere Maßnahmen diskutiert werden, welche als gute Alternative zu den institutionellen Maßnahmen angesehen werden können.
Im Schlussteil sollen aus den diskutierten Maßnahmen die besten bzw. wirkungsvollsten Maßnahmen abgeleitet werden, welche als Handlungsempfehlungen für Führungskräfte dienen können.
Aus diesen Haupt- und Teilzielen ergibt sich nun die folgende zentrale Forschungsfrage: Durch welche Maßnahmen wird im Rahmen eines Wertmanagementsystems erreicht, dass die MitarbeiterInnen und Führungskräfte im Sinne der Individual- und Tugendethik übereinstimmend mit den unternehmerischen Wertvorstellungen handeln?
1.3 Methodische Vorgehensweise
Die zentrale Forschungsfrage wird anhand einer literaturbasierten Forschungsarbeit beantwortet. Für die Begriffsdefinitionen wird sowohl auf klassische Einführungsliteratur zu den Themen Moral, Ethik, Werte, Wirtschaftsethik und Unternehmensethik verwiesen als auch auf Literatur aus dem wirtschaftsphilosophischen Bereich. Zur Veranschaulichung und Darstellung eines Wertemanagementsystems wurde als Primärliteratur der Sammelband „Handbuch Wertemanagement“ von Josef Wieland herangezogen, welcher gegebenenfalls durch Sekundärliteratur ergänzt wird. Für den Hauptteil wird neben dem Bezug auf einschlägige deutschsprachige Fachmanagementliteratur auch auf Fachartikel aus Journals aus dem angloamerikanischen Raum verwiesen, um auch etwaige kulturelle Unterschiede bei den vorgeschlagenen Maßnahmen zu berücksichtigen, um den neuesten Forschungsstand zu recherchieren und praktische Beispiele von Maßnahmen und Verhaltensrichtlinien zu erhalten.
Im Rahmen der Individual- und Tugendethik wird als Primärliteratur die Nikomachische Ethik von Aristoteles herangezogen und durch einschlägige Managementliteratur und philosophische Literatur ergänzt.
1.4 Aufbau der Arbeit
Der Aufbau der Forschungsarbeit charakterisiert sich dadurch, dass der Leser schrittweise vom Allgemeinen (Grundbegriffe, Wertemanagementsystem) zum Besonderen (Institutionen, Individuen) geführt wird:
Die Arbeit beginnt mit einer genauen begrifflichen Abgrenzung der für diese Arbeit relevanten Begriffe – wie Moral, Ethik, Werte und Normen sowie Wirtschafts- Unternehmens- und Individualethik (Kap. 2). Im Anschluss soll anhand des Wertemanagementsystems von Josef Wieland die Systematik eines unternehmerischen Implementierungsprozesses veranschaulicht werde (Kap. 3). Dieses Wertemanagementsystem stellt auch das Grundgerüst der Arbeit dar, auf dem die weiteren Kapitel aufbauen: Zunächst wird es auf der Ebene der Institutionen untersucht. Dabei werden unter anderem die Operationalisierung von Leitbildern durch Verhaltensregeln dargestellt sowie die verschiedensten Implementierungsmaßnahmen diskutiert (Kap. 4). Danach folgt die Ebene der Individuen (Kap. 5). Dabei werden aus Sicht der Individual- und Tugendethik weitere Maßnahmen für die Implementierung von Unternehmenswerten herausgearbeitet. Am Ende der Arbeit werden die verschiedenen Ebenen zusammengeführt, daraus die besten Maßnahmen bzw. Forschungsergebnisse dargestellt und durch eigene Stellungnahmen ergänzt (Kap. 6).
2 Begriffsdefinitionen
2.1 Moral, Ethos und Ethik
Heutzutage werden die Begriffe „ethisch“ und „moralisch“ oft synonym verwendet, obwohl sie streng genommen sehr unterschiedliche Bedeutungen aufweisen: Eine bestimmte Moral meint die in einer Gesellschaft tatsächlich anerkannten Normen und Werte. Der Einzelne wird somit dann als moralisch handelnd angesehen, wenn er sich gemäß diesen gesellschaftlichen moralischen Überzeugungen verhält. (vgl. Knoepffler 2010, S. 17-19) Im Gegensatz zur Ethik spielen im Rahmen der Moral auch Traditionen sowie religiöse und kulturelle Wertvorstellungen eine große Rolle (vgl. Sprenger 2015, S. 31).
Ethos bezeichnet ganz allgemein „die Haltung eines Menschen, seine Lebensgewohnheiten [und] den sittlichen Charakter“ (Honecker 1993 a, S. 250). Dies wird als die „innere Moral“ eines Menschen bezeichnet, die die „geltende Moral bewertet [...] oder sie auch abändert und ergänzt“ (Göbel 2010, S. 13). Häufig werden mit (Berufs-)Ethos die moralischen Normen und Wertvorstellungen innerhalb einer Berufsgruppe bezeichnet, die auch oft mit Sanktionen verbundenen sind (vgl. Knoepffler 2010, S. 18).
In der Ethik geht es um die wissenschaftliche Untersuchung bestimmter Moralen sowie die Reflexion und Begründung ethischer Positionen, Begriffe und Theorien (vgl. Knoepffler 2010, S. 18 f.). Ziel ist es, gute und überzeugende Gründe zu liefern, wie wir handeln sollen. Ethische Theorien sind dabei abstrahiert von den kulturellen und religiösen Wertvorstellungen einer bestimmten Gruppe von Menschen zu betrachten. (vgl. Sprenger 2015, S. 31) Somit ist es möglich, dass sich jemand zwar ethisch – also in Übereinstimmung mit einer gut begründeten ethischen Theorie – verhält, aber dabei nicht moralisch – also in Übereinstimmung mit den jeweiligen Werten und Normen einer sozialen Gemeinschaft – handelt und umgekehrt (vgl. Schumann 2011, S. 8).
Grundsätzlich ist Ethik eine Disziplin innerhalb der praktischen Philosophie und wird in die Bereiche deskriptive Ethik, normative Ethik und Metaethik unterteilt. Die einzelwissenschaftliche Untersuchung moralischer Überzeugungen leistet die deskriptive Ethik. Beispielsweise untersucht die Soziologie, welche moralischen Überzeugungen in einer Gemeinschaft vorkommen – abhängig von Geschlecht, Schicht oder Religion. Der Kernbereich der praktischen Philosophie ist die normative Ethik. Diese befasst sich mit der Begründung der ethischen Prinzipien, auf denen moralische Überzeugungen beruhen. (vgl. Fenner 2010, S. 2 f.; Schumann 2011, S. 9) Die Metaethik als Wissenschaftstheorie setzt sich unter anderem mit der Frage auseinander, ob normative Prinzipien überhaupt wahrheitsfähig sein können. Hierbei gibt es zwei gegensätzliche Positionen: Der Kognitivismus vertritt die These, dass normative Prinzipien grundsätzlich wahrheitsfähig und universell gültig sein können. Dies wird von Vertretern des Non-Kognitivismus bestritten, die davon ausgehen, dass moralische Urteile immer vom sozialen Kontext abhängig seien und somit nicht universell gültig sein können. (vgl. Schumann 2011, S. 10)
2.2 Normen und Werte
Normen können ganz allgemein als regulative Kennzeichnungen definiert werden, die sich in „gesellschaftlich-politscher (Verfassungen, soziale und ökonomische Organisationsstrukturen), technischer (vgl. DIN = Deutsche Industrienorm), ästhetischer (Kunststile), wissenschaftlicher (Forschungsmethoden) [und] religiöser (Riten und Glaubensbekenntnisse) Art“ wiederfinden (Korff 1993, S. 762). Im Wirtschaftskontext richten sich Normen an das Verhalten von Menschen und können einerseits in formeller Weise als Gesetze, Verordnungen oder Satzungen festgelegt werden oder andererseits in informeller Weise als moralische Verhaltensaufforderungen in Erscheinung treten. Normen legen somit fest, was man tun soll, und drücken bestimmte Werthaltungen aus. (vgl. Küpper 2006, S. 52 f.) Beispielsweise handelt es sich bei Unternehmenskodizes „um Dokumente, die in schriftlicher Form Handlungsgrundsätze (Normen) zum Ausdruck bringen, die über moralische Relevanz verfügen und für das Unternehmen verbindlich sein sollen“ (Talaulicar 2007, S. 328). In der Literatur werden einige Begriffe – wie beispielsweise Richtlinien, Verhaltensregeln, Verhaltensstandards – in gleicher Weise verwendet bzw. definiert. Deshalb sind auch in dieser Arbeit die Begriffe (Verhaltens-)Normen, -Regeln, -Standards und -Richtlinien als synonym zu verstehen.
Der Wertbegriff drückt allgemein aus, was in einer Kultur, für einzelne Menschen oder in einer Institution als wertvoll und wünschenswert angesehen wird (vgl. Honecker 1993 b, S. 1256 f.). Werte dienen dabei als „übergeordnete Orientierungen“ und können zu individuellen Verhaltensweisen motivieren oder das Verhalten zwischen Personen steuern (Eigenstetter 2011, S. 219). Cowan und Todorovic entwarfen eine psychologische Theorie, die zwischen drei Arten von Werten unterscheidet: sichtbare, versteckte und verborgene Werte. Sichtbare Werte („surface values“) sind nach außen hin sichtbar und leicht zu verändern. Dazu gehören moralische Verhaltensregeln, die in staatlichen oder religiösen Vorschriften sowie in unternehmerischen Leitbildern und Ethikkodizes niedergeschrieben werden. Versteckte Werte („hidden values“) sind schwieriger zu erkennen und schwerer zu verändern. Sie drücken sich meist in langanhaltenden Traditionen, Einstellungen und Überzeugungen (z. B. Axiome) aus. Verborgene Werte („deep values“) sind nahezu vollständig unsichtbar und beziehen sich auf unser generelles Weltverständnis (z. B. instinktiv, gemeinschaftsorientiert, individualistisch oder bewahrend) und auf unsere Art zu denken (z. B. hinterfragend, sinnsuchend oder erforschend). (vgl. Cowan/Todorovic 2000, S. 4-11)
2.3 Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und Individualethik
In der Literatur werden neben den Begriffen Wirtschaftsethik, Unternehmensethik und Individualethik auch die drei Bereiche Mikro-, Meso- und Makroebene unterschieden (vgl. Fenner 2010, S. 349 f.; Noll 2002, S. 35 f.; Göbel 2010, S. 87; Aßländer 2011, S. 4). Der Begriff Wirtschaftsethik wird jedoch meist nur als Oberbegriff für alle drei Bereiche angesehen. Die Makroebene wird durch die „wirtschaftliche[n] Rahmenordnung“ charakterisiert. (Göbel 2010, S. 88) Diese Rahmenordnung wird durch staatliche Institutionen geschaffen und bildet den äußeren Rahmen des wirtschaftlichen Handelns. Beispielsweise versucht die staatliche Rahmenordnung durch Gesetze die erwünschten Handlungsweisen – z. B. durch Steuervorteilen – zu belohnen und unerwünschte Handlungen – z. B. durch strafrechtliche Sanktionen – als unattraktiver erscheinen zu lassen. (vgl. Göbel 2010, S. 94-99)
Die Mesoebene bezieht sich auf die „institutionalisierten Wirtschaftsakteure“ (Kunze 2008, S. 90) und schließt damit auch den Begriff Unternehmensethik ein (vgl. Göbel 2010, S. 100). Der grundsätzliche Gegenstandsbereich der Unternehmensethik bezieht sich auf die unternehmerischen „moralische[n] Fragestellungen des wirtschaftlichen Handelns“ (Noll 2002, S. 105). Der wesentlichste Unterschied zwischen Wirtschaftsethik und Unternehmensethik bezieht sich auf die Art der Umsetzung: Wirtschaftsethik wird durch Rechtsnormen – also durch äußeren Zwang – verwirklicht, während Unternehmensethik auf freiwilliger Selbstverpflichtung basiert. Diese freiwilligen Selbstverpflichtungen schlagen sich beispielsweise in „[...] Verhaltenskodizes, Führungsgrundsätzen oder auch Verbandsrichtlinien “ nieder (Steinmann/Löhr 1992, S. 246 f.).
Die Mikroebene bezieht sich auf „die Individuen in ihrer Rolle als Wirtschaftsakteure“, welche in die Gruppen Konsumenten, Produzenten und Investoren eingeteilt werden können. Während sich die Makro- und Mesoebene auf Institutionen – wie Unternehmen oder Staaten – bezieht, bezieht sich die Mikroebene auf die Individuen. Diesbezüglich wird auch oft zwischen Institutionenethik und Individualethik als begriffliches Gegensatzpaar unterschieden. (Göbel 2010, S. 32-35, S. 88) In der Mikroebene sind als Teildisziplinen die Mitarbeiter-, Führungs- und Konsumentenethik angesiedelt (vgl. Fenner 2010, S. 410 f.).
3 Wertemanagementsystem nach Wieland
Wieland definiert Wert(e) als den „Maßstab für Entscheidungen und Handeln [sic!]“ (2004, S. 13). MitarbeiterInnen sollen dementsprechend auf Basis von Werten gute Entscheidungen treffen. Dies soll durch eine konkrete Wertevermittlung geschehen. Es ist zudem empirisch erwiesen, dass ein Unternehmen umso erfolgreicher ist, je besser die Übereinstimmung zwischen den Wertvorstellungen der MitarbeiterInnen und Unternehmenswerten gelingt. (vgl. Sheehan/Isaac 2014, S. 25 f.) Wertemanagementsysteme können diesbezüglich als „Instrumente der Unternehmensethik“ betrachtet werden und stellen ganzheitliche Konzepte dar, welche das Ziel haben, eine wertorientierte Unternehmensführung zu ermöglichen. Diese andauernde Wertorientierung soll den langfristigen Erfolg eines Unternehmens sichern. Somit kann Wertemanagement als ein strategisches Führungsinstrument mit ethischen Maßstäben angesehen werden, welches sämtliche Ebenen des Unternehmens – also „Führung, Steuerung und Kontrolle“ – umfasst. (Kunze 2008, S. 153, 160 f., S. 168) Charakteristisch für Wertemanagement ist auch, dass es sich nicht um einzelne und isoliert gesetzte Maßnahmen handelt, sondern um einen „permanenter Entwicklungsprozess“ (Wieland 2004, S. 39).
Das Wertemanagementsystem nach Wieland ist weitverbreitet in der Literatur (vgl. Noll 2002, 183-198; Kunze 2008, S. 168; Clausen 2009, S. 158; Aßländer 2011) und stellt ein hochangesehenes wissenschaftliches Modell dar. Die Stärke des Konzepts liegt in der Einbindung der Individualethik in eine ganzheitliche Unternehmensethik:
„Es ist dieses Zusammenwirken von Charakter und Professionalität, von Person und Struktur, von moralischen Überzeugungen und moralsensitiven Leitlinien, Verfahren und Instrumenten, das das Wesen des Wertemanagements ausmacht und dessen Effizienz und Effektivität bestimmt.“ (Wieland 2011, S. 251)
Wieland gliedert sein Wertemanagementsystem in vier Stufen: Kodifizieren, Implementieren, Systematisieren und Organisieren. Diese werden in den folgenden Unterkapiteln dargestellt und in Abbildung 1 zusammengefasst:
3.1 Kodifizieren
Die erste Stufe bildet die Grundlage des Wertemanagements und beinhaltet vor allem die Definition von jenen Unternehmensgrundwerten, welche das Unternehmen nach außen hin vertreten will. Diese basieren meist auf strategischen Überlegungen und Entscheidungen, können aber auch unter Einbindung der MitarbeiterInnen ausgewählt werden. (vgl. Wieland 2004, S. 23 f.) Danach werden diese Grundwerte und Prinzipien in Leitbildern, „Mission-Statements“ oder „Codes-of-Ethics“ dokumentiert und kommuniziert. Diese sind mittlerweile Standard im Wirtschaftsleben und stellen „eine Art Visitenkarte des Unternehmens dar“ (Wieland 2011, S. 248).
3.2 Implementieren
Eine Schlüsselrolle spielt die zweite Stufe: die Implementierung. Da Leitbilder eher allgemein gehalten werden, ist im Einzelfall für MitarbeiterInnen oder Führungskräfte oft nicht klar, welches Verhalten in der jeweiligen Situation erforderlich wäre. Somit ist es notwendig, dass diese abstrakten Leitbilder in konkrete Leitlinien und Verhaltensstandards transformiert werden, wie „Code-of-Conducts“, Monitoring-Systeme, Personalauswahlverfahren oder Lieferantenscreenings. Zusätzlich erleichtern diese standardisierten Leitfäden die auf der Individual- und Tugendethik basierende nachhaltige Einübung der Unternehmenswerte, damit diese nach einer gewissen Zeit zu Routinen werden können. (vgl. Wieland 2004, S. 25, 2011, S. 248 f.)
3.3 Systematisieren
Durch begleitende Kommunikations- und Kontrollmaßnahmen soll sichergestellt werden, dass diese Leitlinien auch nachhaltig eingeübt und ausgeführt werden. Dazu dienen beispielsweise Intranetauftritte, Hinweisgebersysteme oder standardisierte Personalauswahlverfahren. (vgl. Wieland 2004, S. 24, 2011, S. 249)
3.4 Organisieren
Es ist notwendig, dass das Wertemanagement auch auf organisationaler Ebene angesiedelt ist, damit die intendierten Selbstverpflichtungen des Unternehmens hin zu einer wertbasierten Unternehmensführung vollständig verbindlich gemacht werden (vgl. Kunze 2008, S. 167). Dies lässt sich beispielsweis durch Ethics- und Compliance-Offices verwirklichen (vgl. Wieland 2004, S. 26, 2011, S. 250).
Abbildung 1: Wertemanagementsystem nach Wieland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: vgl. Wieland 2011, S. 248 f.
3.5 Vorteile von Wertemanagementsystemen
Wieland weist auf die Vorteile von Wertemanagementsystemen hin: Diese stärken die unternehmerische Integrität, schützen vor Geldstrafen und Image-Verlusten, fördern die Leistungsorientierung von Führungskräften und MitarbeiterInnen, wirken präventiv in Bezug auf ungesetzliche und unfaire Geschäftspraktiken, erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und sichern nachhaltig den Unternehmenserfolg (vgl. 2004, S. 31). Weitere positive Effekte ergeben sich durch die Verbesserung des Betriebsklimas, die Erhöhung der Attraktivität des Unternehmens, Effizienz – und Effektivitätsgewinne sowie Verbesserungen des Risikomanagements, der Unternehmenssteuerung und -kontrolle (vgl. Kunze 2008, S. 166).
Faktum ist jedenfalls, dass auf (Unternehmens-)Werten basierende Normen und Verhaltensrichtlinien erfolgversprechender sind als nicht auf Werten basierende Regelungen (vgl. Sheehan/Isaac 2014, S. 25 f.). Nach Wieland haben Werte vor allem drei Funktionen: Handlungsorientierung, Identitätsstiftung und „Framing“ (vgl. Wieland 2011, S. 245). „Framing“ ist ein Begriff aus der Psychologie und wird auch als „Einrahmungseffekt“ bezeichnet. Dieser beschreibt den Effekt, wenn unterschiedliche Formulierungen – z. B. positiv oder negativ konnotierte Werte bzw. Verhaltensregeln – einer objektiv identen Information unterschiedliche Emotionen hervorrufen und unterschiedlich auf die Überzeugungen und Präferenzen der Empfänger wirken. (vgl. Kahnemann 2014, S. 27, 115)
In den weiteren Kapiteln werden nun – aufbauend auf Stufe 1 (Kodifizieren) – verschiedenste Maßnahmen der Stufen 2 bis 4 (Implementieren, Systematisieren und Organisieren) diskutiert, welche im Rahmen eines Wertemanagementsystems in Anlehnung an Wieland umgesetzt werden können.
[...]
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