Einleitung
„Der FTSE-Index der Londoner Börse ist am Montagabend wenige Minuten
vor Handelsschluss um über 200 Punkte eingebrochen, weil ein einzelner Broker eines grossen Investmenthauses einen Fehler gemacht hatte. Wie berichtet, verkaufte er versehentliche Aktien im Wert von bis zu einer halben Milliarde Pfund (1,5 Mrd. DM). Da die Börse kurz danach schloss, konnte er den Fehler nicht mehr rückgängig machen.
Am Dienstagmorgen begann der FTSE-Index 127,6 Punkte höher bei
5818 Punkten, so dass der Broker seinen Kunden grossen Schaden zugefügt
haben dürfte. Nach Angaben der Börse wird der Aktienverkauf nicht
rückgängig gemacht.“(1)
Solche und viele andere Beispiele wie der Zusammenbruch der britischen
Traditionsbank Barings, dessen Händler Nick Leeson Verluste in Höhe
von weit über einer Mrd. USD durch unautorisierte Geschäfte verursacht
hat, zeigen was für Auswirkungen schlagend werdende operationelle
Risiken haben können. Trotz teilweise existenzbedrohenden Gefahren für
das Unternehmen war das Operationelle Risiko lange Zeit ein Risikofaktor welcher wenig Beachtung fand.
Derartige Schadensfälle, die insbesondere auf operationelle Schwächen
der Banken zurückzuführen waren, rückten die Bedeutung dieser Risiken
wieder vermehrt ins Bewusstsein des Managements und der zuständigen
Aufsichtsbehörden. Ende der 90er Jahre begann man sich verstärkt mit
dem Management operationeller Risiken zu beschäftigen. Das Management
und die Überwachung operationeller Risiken hat daher in den letzten
Jahren für Banken eine zunehmend grössere Bedeutung erhalten. So
hat sich in den meisten Unternehmen die Idee durchgesetzt, eine Abteilung für operationelle Risiken zu schaffen und ihr eigene Managementstrukturen zu geben. Gestiegen ist der Stellenwert der operationellen Risiken auch aufgrund betriebswirtschaftlichem Druck, so werden heute bei der Bonitätsvergabe durch die grossen Raitingagenturen auch operationelle Risiken der Bank berücksichtigt, was sich wiederum direkt auf die Höhe der Refinanzierungskosten überträgt.
[...]
______
(1) Handelsblatt Dienstag 15.Mai 2001
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
A. GRUNDLAGEN OPERATIONELLER RISIKOMESSUNG
I. Definition und systematische Abgrenzung
II. Konzept des Value at Risk
III. Messung operationeller Risiken
B. BEWERTUNG OPERATIONELLER RISIKEN
I. Bottom Up und Top Down, zwei alternative Ansätze
II. Bottom Up Ansätze zur Bestimmung eines OpVaR
III. Top Down Ansätze zur Bestimmung eines OpVaR
C. KRITISCHE WÜRDIGUNG
I. Stärken und Schwächen des Bottom Up Ansatzes
II. Stärken und Schwächen des Top Down Ansatzes
III. Grenzen der Bestimmung eines OpVaR
FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Einleitung
„Der FTSE-Index der Londoner Börse ist am Montagabend wenige Mi- nuten vor Handelsschluss um über 200 Punkte eingebrochen, weil ein einzelner Broker eines grossen Investmenthauses einen Fehler gemacht hatte. Wie berichtet, verkaufte er versehentliche Aktien im Wert von bis zu einer halben Milliarde Pfund (1,5 Mrd. DM). Da die Börse kurz da- nach schloss, konnte er den Fehler nicht mehr rückgängig machen.
Am Dienstagmorgen begann der FTSE-Index 127,6 Punkte höher bei 5818 Punkten, so dass der Broker seinen Kunden grossen Schaden zugefügt haben dürfte. Nach Angaben der Börse wird der Aktienverkauf nicht rückgängig gemacht.“1
Solche und viele andere Beispiele wie der Zusammenbruch der britischen Traditionsbank Barings, dessen Händler Nick Leeson Verluste in Höhe von weit über einer Mrd. USD durch unautorisierte Geschäfte verursacht hat, zeigen was für Auswirkungen schlagend werdende operationelle Risiken haben können. Trotz teilweise existenzbedrohenden Gefahren für das Unternehmen war das Operationelle Risiko lange Zeit ein Risikofak- tor welcher wenig Beachtung fand.
Derartige Schadensfälle, die insbesondere auf operationelle Schwächen der Banken zurückzuführen waren, rückten die Bedeutung dieser Risiken wieder vermehrt ins Bewusstsein des Managements und der zuständigen Aufsichtsbehörden. Ende der 90er Jahre begann man sich verstärkt mit dem Management operationeller Risiken zu beschäftigen. Das Manage- ment und die Überwachung operationeller Risiken hat daher in den letz- ten Jahren für Banken eine zunehmend grössere Bedeutung erhalten. So hat sich in den meisten Unternehmen die Idee durchgesetzt, eine Abtei- lung für operationelle Risiken zu schaffen und ihr eigene Management- strukturen zu geben. Gestiegen ist der Stellenwert der operationellen Ri- siken auch aufgrund betriebswirtschaftlichem Druck, so werden heute bei der Bonitätsvergabe durch die grossen Raitingagenturen auch operatio- nelle Risiken der Bank berücksichtigt, was sich wiederum direkt auf die Höhe der Refinanzierungskosten überträgt. Aber auch durch die Initiative
des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, welcher sich in einem Be- richt vom September 1998 diesem Thema gewidmet hat (Basel II). Der Ausschuss sieht vor, auch operationelle Risiken in die Berechnung der Eigenmittelhinterlegung einfliessen zu lassen.
Ziel dieser Arbeit ist es nun, erstens einen allgemeinen Einblick in die Materie der operationellen Risiken bei Banken zu geben. Als zentraler Punkt der Arbeit beschäftigte ich mich mit den Möglichkeiten der Be- stimmung eines Operational Value at Risk (OpVaR) analog zum Value at Risk Konzept bei Markt- und Kreditrisiken. Zur Bestimmung des OpVaR gehe ich einmal von der Bottom Up Vorgehensweise aus und das andere Mal wird versucht mittels Top Down Ansatz einen OpVaR zu berechnen. Die beiden Vorgehensweisen werden anschliessend einer kritischen Würdigung unterzogen, wobei auf die jeweiligen Vor- und Nachteile eingegangen wird. Abschliessend sollen die Grenzen des OpVaR aufge- zeigt werden. Mit dem Fazit und einem kurzen Ausblick schliesse ich die Arbeit ab.
A. Grundlagen operationeller Risikomessung
I. Definition und systematische Abgrenzung
Risiko wird allgemein als die Ungewissheit über eine zukünftige Entwicklung definiert. Es widerspiegelt die Gefahr eines negativen Abweichens vom gewünschten bzw. geplanten Ergebnis.
Wichtige Voraussetzung für die Handhabung von Problemen und somit auch für die Risikobewältigung im speziellen ist deren Erkennung. Innerhalb der Risikoerkennung ist dann für das weitere Vorgehen eine klare Abgrenzung der einzelnen Risikokategorien voneinander nötig. Es gibt verschiedene Varianten die Risiken zu gliedern und in Risikokategorien aufzuteilen. Abbildung 1 stellt die gängige Systematisierung nach dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Systematisierung der Risiken. Quelle: Eigene Darstellung
Unter Marktrisiken wird allgemein die Gefahr einer negativen Entwick- lung eines Marktes für die Bank verstanden. Hierzu zählen das Aktien- kursrisiko, das Zinsänderungsrisiko, das Währungsrisiko und das Roh- stoffpreisrisiko.
Kreditrisiken beschreiben den Umstand, dass die Gegenpartei nicht zah- lungsfähig oder zahlungswillig ist, um den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Dazu zählen auch Bonitätsverschlechterungen des Schuldners, da dadurch mögliche Kreditverluste forciert werden. Der Definition und damit dem Verständnis, „Was sind operationelle Ri- siken und was sind keine?“, kommt eine grosse Bedeutung zu. Denn nur mit einer einheitlichen, verständlichen Definition und Abgrenzung ist eine wesentliche Ausgangslage geschaffen um die Mitarbeiter in das Ma- nagement der operationellen Risiken einzubinden. Zur Identifikation operationeller Risiken stehen diverse Methoden zur Verfügung. Die Behandlung dieser Identifikationsmethoden ist nicht Teil dieser Arbeit. Für eine ausführliche Abhandlung der Risikoidentifikationsmethoden möchte ich an dieser Stelle auf Piaz 2002 S. 75-99 verweisen. Im Weiteren steht die Definition operationeller Risiken im Mittelpunkt.
Operationelle Risiken können in direkter oder indirekter Weise definiert werden. Bei der indirekten Definition, entspricht das operationelle Risiko allen Risiken, die nicht den Markt- oder Kreditrisiken zugeordnet werden können. Diese negative Definition verliert aufgrund ihrer verallgemei- nernden und unpräzisen Art zusehends an Bedeutung zugunsten der di- rekten Definition.
Es gibt jedoch noch keine allgemein akzeptierte direkte Standarddefinition, doch hat sich ein Konsens hinsichtlich der Begriffselemente im Sinne einer Kerndefinition entwickelt.
„Operationelle Risiken sind das Risiko eines direkten oder indirekten Verlustes aus Mängel oder Versagen interner Prozesse, Personen und Systeme oder auf Grund externer Vorfälle.“2
Diese Definition berücksichtigt das rechtliche Risiko, klammert jedoch das Strategische- wie auch das Reputationsrisiko aus.
In einer Befragung von 55 Unternehmen im Rahmen der Britisch Bankers’Association-Studie3aus dem Jahre 1999 wurde festgestellt, dass mit der Definition von operationellen Risiken unterschiedlich umgegangen wird. Bei rund der Hälfte der Unternehmen wurden positive, also direkte Definitionen, vorgefunden. Eine Minderheit von 15 % ging noch von der indirekten negativen Definition aus. Was erstaunlich ist, dass zu dieser Zeit mehr als 30 % der befragten Unternehmen gar keine formelle Definition für operationelle Risiken vorwiesen.
Weiter lassen sich die operationellen Risiken in interne und externe Risi- ken unterteilen. Die internen operationellen Risiken liegen im Einflussbe- reich der Bank selber, während sich letztere ausserhalb des direkten Ein- flussbereiches der Bank befinden. Eine Systematisierung kann nach dem Verursacherprinzip folgendermassen vorgenommen werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Operationelle Risiken. Quelle: Schierenbeck 2003, S. 482
Es kann sinnvoll sein beim Management operationeller Risiken eine auf die Bank und die Unternehmenskultur abgestimmte Definition vorzu- nehmen. Wichtig ist jedoch, dass sie einheitlich ist und so die Möglich- keit gibt Daten untereinander zu vergleichen, es sollte eine Sprache der Risikopolitik entstehen.
II. Konzept des Value at Risk
Die Entwicklung des Value at Risk (VaR) geht auf den Wunsch eines Vorstandes des amerikanischen Investmenthauses J.P. Morgan zurück. Sein Ziel war es, an jedem Abend eines Handelstages eine einzige Kennzahl zu erhalten, aus der hervorgeht, wie hoch mit einer Wahrscheinlichkeit von beispielsweise 99 % der maximal mögliche Verlust aller Engagements sei.
Der VaR kann als Risikomass für eine Einzelposition oder ein Portfolio verwendet werden und erlaubt Aussagen darüber, welche Verlustgrenze mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in einem vorgegebenen Zeitin- tervall nicht überschritten wird. Diese vorgegebene Wahrscheinlichkeit bezeichnet man als Konfidenzniveau. Ein Konfidenzniveau von 99 % bedeutet also, dass der Verlust nur mit einer Wahrscheinlichkeit von ma- ximal 1 % grösser ist als der VaR.
Grundidee des VaR ist also die Verknüpfung des potentiellen Verlustes mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage. Es wird davon ausgegangen, dass der unerwartete Verlust nicht eine komplett unvorhersehbare Grösse ist. Abbildung 3 zeigt den Sachverhalt des VaR unter Annahme von Nor- malverteilung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Gauss’sche Normalverteilung.
Quelle: Schierenbeck SS 2003, S. 38
Geht man von einem Z-Wert von drei aus, d.h. dreimal die Standardab- weichung, so ergibt sich ein VaR von 15 und ein Konfidenzniveau von 99.87 %. Für die Ermittlung des VaR stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Diese können in drei Klassen unterteilt werden4:
1. analytische Methoden
2. Vollbewertungsverfahren
3. Maximum-Verfahren
Die analytischen Methoden stützen sich auf die Annahme der Normalver- teilung ab. Erwartungswert (EW) und Standardabweichung (STD) wer- den aus den historischen Daten berechnet. Um Asymmetrie zu vermeiden und da stetige Renditen eher eine symmetrische Verteilung um den Mit- telwert bilden, wird mit stetigen Renditen gerechnet. Für eine Abhand- lung des analytischen Grundmodells vgl. Schierenbeck 2003 S. 73-83.
Beim Vollbewertungsverfahren wird auf historische Marktwerte zurückgegriffen. Hierfür ist ein ausreichend grosser Bestand an Daten erforderlich. Diese Verfahren können mit Hilfe der historischen Simulation oder der Monte-Carlo Simulation simuliert werden.
Maximum-Verfahren quantifizieren das Risiko als den Verlust eines „worst-case“-Szenarios. In diesem Verfahren soll ein Optimierungsproblem im Bereich der Extremwerte gelöst werden.
[...]
1Handelsblatt Dienstag 15.Mai 2001
2Geiger/Piaz 2001, S. 792
3BBA/PWC 1999, S. 7-8
4Werner 2002, S.147
- Quote paper
- Lukas Haas (Author), 2003, Möglichkeiten und Grenzen der Bestimmung eines Operational Value at Risk bei Banken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49618
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