Die Schule ist in den letzten Jahren in Bewegung gekommen und wird tatsächlich immer weiterentwickelt. Damit hat sich auch das Bild der Gesellschaft verändert und stellt höhere Forderungen an die Schule. Immer mehr neue Bereiche wie die Integration behinderter Kinder, die ethnische Vielfalt und viele neu erprobte Methoden kommen zur Sprache. Der Begriff einer „guten Schule“ wird zum Gesprächsstoff mehrerer Theoretiker. Doch was zeichnet guten Unterricht aus? Misst sich die Qualität der Schule wirklich daran, wie viele besonders leistungsstarke und gute Schüler vorhanden sind? Dies ist sicher zu verneinen, denn die Frage nach gutem Unterricht wird im Zusammenhang mit einer Professionalisierung der Lehr- und Lernkultur gesehen und lässt sich im Genaueren dadurch ausdrücken, dass 1.) ein fundiertes Wissen über kognitive und affektive Voraussetzungen von gelungenen Lernprozessen vorhanden ist,
2.) fachliches Wissen sich mit didaktischen Methoden verknüpfen lässt, wobei aktives Lernen ermöglicht werden soll und
3.) tragfähige Grundlagen an alle Kinder vermittelt werden sollen. Hier sind pädagogisches Einfühlungsvermögen, methodische Fantasie, Geduld, starke Nerven und Durchhaltevermögen gefragt.
Diese Kriterien können sicher von einigen Schulen erfüllt werden, weshalb sie als besonders qualitativ dargestellt werden können. Guter Unterricht meint aber auch, dass vorherrschende Strukturen in der Klasse und innerhalb der Schule in einer dynamischen Balance stehen. Beispielweise werden ein guter Unterricht und der dazugehörige Lehrerkreis den Bildungsauftrag sehr ernst nehmen, sich damit beschäftigen und gemeinsam mit Eltern eine Balance zwischen gesellschaftlichen und individuellen Anforderungen schaffen. Weiters stellt der gute Unterricht hohe Ansprüche an jeden einzelnen Schüler, deshalb werden ein pünktlicher Beginn des Unterrichts, ein geringes Ausmaß an Unterrichtsunterbrechungen, ein effektives Arbeiten während der Unterrichtszeit und die Betonung kooperativer Sozialformen (vgl. WIECHMANN 1998, S. 10) sehr wertgeschätzt. Darüber hinaus kennzeichnet sich der Qualitätsanspruch an Lehrer und Schüler durch überlegtes außerschulisches Unterrichtsgeschehen wie das Gestalten der Pausen, der Freizeit, gemeinsamer Veranstaltungen und das Planen von Lehrausgängen, Klassenfahrten und Schullandwochen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung: Was zeichnet guten Unterricht aus?
2 Individualisieren
2.1 Voraussetzungen zum Individualisieren
2.1.1 Kindbeobachtung
2.1.2 Lernprozessanalyse
2.2 Methodenauswahl
3 Elemente des Sprachunterrichts
3.1 Lesen
3.1.1 Grundleistungen, um Lesen zu lernen
3.1.2 Entwicklungsstufen des Lesenlernens
3.1.3 Berücksichtigung unverzichtbarer Elemente im Erstleseunterricht
3.2 Schreiben
3.2.1 Grundleistungen, um Schreiben zu lernen
3.2.2 Entwicklungsstufen des Schreibenlernens
3.3 Methoden zum Schriftspracherwerb
4 Reformpädagogische Konzepte als Anlass zur Öffnung des Unterrichts und zum Individualisieren
4.1 Montessori-Pädagogik
4.1.1 Grundgedanken und typische Merkmale
4.1.2 Erwerb der Schriftsprache in der Montessori-Pädagogik
4.2 Freinet-Pädagogik
4.2.1 Grundgedanken der Freinet-Pädagogik
4.2.2 Unterrichtselemente
4.2.3 Sprachunterricht in der Freinet-Pädagogik
4.3 Dalton-Plan
4.3.1 Daltonprinzipien
4.3.2 Unterrichtsgestaltung und Organisation
4.4 Jenaplan
4.4.1 Charakteristik des Jenaplans
4.4.2 Ablauf eines Vormittags in einer österreichischen Jenaplan-Klasse
5 Umsetzung im Sprachunterricht
5.1 Individuelles Lesen- und Schreibenlernen
5.1.1 Beschreibung der Methode
5.1.2 Erarbeitung eines neuen Lernwortes
5.1.3 Arbeit am Buchstaben
5.1.4 Buchstabenbaum
5.2 Freies Schreiben nach Juna
5.2.1 Möglichkeiten des freien Schreibens
5.2.2 Das Wiener Lernprozessmodell des Schreibens und Lesens
6 Arbeit am subjektiv-didaktischen Konzept des Lehrerinnenseins
7 Zusammenarbeit von Lehrern, Schülern und Eltern
8 Schlusswort
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis1
Anhang
Vorwort
Durch die intensive Arbeit mit Kindern während meiner Blockpraxiswochen und die Erfahrungen, die ich dabei sammeln konnte, wurde mir deutlich vor Augen geführt, dass alle Kinder einer Klasse ganz verschiedene Lernvoraussetzungen, Bedürfnisse, Neigungen und Interessen haben. Leider musste ich oft feststellen, dass mir im Zuge des Unterrichts, im Genaueren meine ich den Frontalunterricht, mehrere Kinder des Öfteren „durchrutschten“, mit den Gedanken nicht bei der Sache waren, nicht zuhörten und somit auch nicht aktiv am Unterrichtsgeschehen teilnahmen. Sofort zweifelte ich an meiner Art der Unterrichtsgestaltung. Doch speziell in meiner letzten Blockpraxisklasse war ich bereits davon überzeugt, dass nur die Methode der Grund für die bei den Kindern aufkommende Langeweile gewesen sein muss. Für mich selbst stellte sich die Frage nach den Möglichkeiten, wie jedes Kind anzusprechen sei und wie auf jedes ganz individuell einzugehen sei. Natürlich konnte ich in verschiedenen Klassen hospitieren und unterrichten, wie in Montessori-Klassen, in Jenaplan-Klassen, in herkömmlichen Klassen mit Frontalunterricht und in Klassen, in denen das „Individuelle Lesen- und Schreibenlernen“ als Konzept eingesetzt wurde, und ich konnte dort Erfahrungen sammeln. In diesem riesigen Spektrum sollte ich nun als Studentin meinen eigenen Weg finden! Diese Gedanken brachten mich auf die Idee, dieses Thema als Titel und Schwerpunkt meiner Diplomarbeit aufzugreifen und darüber zu schreiben, welche Möglichkeiten und Wege es gibt, jedes Individuum speziell zu behandeln und zu fördern, um ein zielgerichtetes Lernen zu ermöglichen. Diese Tatsache, dass jedes Kind ein Individuum ist und verschiedene Ausgangslagen mit in die Schule bringt, sowie mehrere Einsichten aus der Praxis ermöglichten es, mir selbst ein Bild von „meiner Schule“ zu machen. Diese Arbeit soll nun prinzipiell erläutern, welche pädagogischen Konzepte in Richtung „offener Unterricht“ gehen und somit Individualisierung zulassen und wie wirksam diese sein können.
Im Zuge meiner Vorbereitungen für diese Diplomarbeit organisierte ich mir Hospitationen bei Frau Ingrid Teufel, bei der ich mich auf diesem Wege recht herzlich bedanke. Ebenfalls möchte ich mich bei Frau Mag. Marianne Wilhelm und Frau Eva Filice, die meine Betreuerinnen für diese Arbeit waren, für die wirklich brauchbaren Denkanstöße, Gedanken und Vorschläge für meine Arbeit und die Unterstützung bedanken.
1 Einleitung
Die Schule ist in den letzten Jahren in Bewegung gekommen und wird tatsächlich immer weiterentwickelt. Damit hat sich auch das Bild der Gesellschaft verändert und stellt höhere Forderungen an die Schule. Immer mehr neue Bereiche wie die Integration behinderter Kinder, die ethnische Vielfalt und viele neu erprobte Methoden kommen zur Sprache. Der Begriff einer „guten Schule“ wird zum Gesprächsstoff mehrerer Theoretiker. Doch was zeichnet guten Unterricht aus? Misst sich die Qualität der Schule wirklich daran, wie viele besonders leistungsstarke und gute Schüler vorhanden sind? Dies ist sicher zu verneinen, denn die Frage nach gutem Unterricht wird im Zusammenhang mit einer Professionalisierung der Lehr- und Lernkultur gesehen und lässt sich im Genaueren dadurch ausdrücken, dass
1.) ein fundiertes Wissen über kognitive und affektive Voraussetzungen von gelungenen Lernprozessen vorhanden ist,
2.) fachliches Wissen sich mit didaktischen Methoden verknüpfen lässt, wobei aktives Lernen ermöglicht werden soll und
3.) tragfähige Grundlagen an alle Kinder vermittelt werden sollen. Hier sind pädagogisches Einfühlungsvermögen, methodische Fantasie, Geduld, starke Nerven und Durchhaltevermögen gefragt (vgl. Sliwka 2000, S. 20 und Christiani 1994, S. 6f)
Diese Kriterien können sicher von einigen Schulen erfüllt werden, weshalb sie als besonders qualitativ dargestellt werden können. Guter Unterricht meint aber auch, dass vorherrschende Strukturen in der Klasse und innerhalb der Schule in einer dynamischen Balance stehen. Beispielweise werden ein guter Unterricht und der dazugehörige Lehrerkreis den Bildungsauftrag sehr ernst nehmen, sich damit beschäftigen und gemeinsam mit Eltern eine Balance zwischen gesellschaftlichen und individuellen Anforderungen schaffen. Weiters stellt der gute Unterricht hohe Ansprüche an jeden einzelnen Schüler, deshalb werden ein pünktlicher Beginn des Unterrichts, ein geringes Ausmaß an Unterrichtsunterbrechungen, ein effektives Arbeiten während der Unterrichtszeit und die Betonung kooperativer Sozialformen (vgl. Wiechmann 1998, S. 10) sehr wertgeschätzt. Darüber hinaus kennzeichnet sich der Qualitätsanspruch an Lehrer[1] und Schüler durch überlegtes außerschulisches Unterrichtsgeschehen wie das Gestalten der Pausen, der Freizeit, gemeinsamer Veranstaltungen und das Planen von Lehrausgängen, Klassenfahrten und Schullandwochen.
Guter Unterricht zeichnet sich durch offene Verhältnisse zur Lernumgebung aus. Die Einbeziehung der Eltern, die Umwelt der Schüler und die Ansprüche von Instituten usw. werden hier im Besonderen angesprochen. Die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte alleine können guten Unterricht ausdrücken, wobei folgende Faktoren auch für den Erfolg in der Schule förderlich sind.
- „sachliche Klarheit und Vorhersagbarkeit des Unterrichtgeschehens und Lehrerverhaltens;
- Spaß und Spannung im Unterricht und die Erfahrung, dass sich Anstrengung lohnt;
- Fairness, Toleranz, individuelle Unterstützung, Ermutigung und Wertschätzung seitens der Lehrer/innen;
- eigenständige Aktivität und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Schüler/innen und Durchschaubarkeit der Leistungsbeurteilung;
- gute Vorbereitung und angemessene Forderungen im Zusammenhang mit Leistungsprüfungen und Hausaufgaben.“ (Novotny 1994, S. 6)
Was eine gute Schule und ein guter Unterricht sind, misst sich letztendlich daran, ob sie jedem einzelnen Kind - dem leistungsstarken und dem leistungsschwachen - die ihm zustehende bestmögliche Förderung gewährleisten (vgl. Christiani 1994, S.7).
Diese Erkenntnis lässt nun zu, das Individuum in den Mittelpunkt eines Unterrichts zu stellen und zu behaupten, individualisierter Unterricht könne sehr wohl guter Unterricht sein. Der Begriff Individualisierung wird im 2. Kapitel ausführlich behandelt und stellt einen wesentlichen Hauptteil der Arbeit dar. Individualisierter Unterricht geht auf jedes Kind im Konkreten ein und lässt zu, dass dieses aufgrund seiner Voraussetzungen, Erfahrungen und seines Lerntempos arbeiten kann.
Individualisierter Unterricht weist viele Merkmale des guten Unterrichts auf und wird oft als eine zukünftige Unterrichtsmethode gesehen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen individualisierten Unterricht am Beispiel des Sprachunterrichts deutlich zu machen. Vor allem der Sprachunterricht hat in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht, es hat sich im Bereich der Methodik vieles verändert. Wie man vielleicht jetzt schon vermuten kann, wird der Individualisierungsbegriff im Sprachunterricht in vielen Bereichen auftreten und daraus ergeben sich extrem viele gestalterische Möglichkeiten. Die vorliegende Arbeit bezieht sich in erster Linie auf die Grundschule und umfasst dabei viele Aspekte der Schriftproduktion. Im 3. Kapitel wird deshalb der Sprachunterricht besonders hervorgehoben. Dies ist ein wichtiger Teil, um zu verstehen, was Sprachunterricht überhaupt definiert. Das Lesen und Schreiben als Teilbereiche des Sprachunterrichts stellen einen Hauptteil der Arbeit dar, denn gerade sie beschreiben einen wesentlichen Aspekt der schriftlichen Kommunikation. Da gerade die Bereiche für Kinder am Schulbeginn von immenser Bedeutung sind und einen wesentlichen Motivationsfaktor darstellen, entspringt die Lust, das Lesen und Schreiben zu lernen, ganz von selbst bei den Kindern. Es handelt sich also um einen Wunsch des Menschen, der grundsätzlich bei allen latent vorhanden ist. Nun liegt es einzig und allein beim Lehrer diese Selbstmotivation zu fördern und als treibende Kraft nach dem Motto „Wissen ist Macht“ auch auf andere Stoffgebiete zu übertragen. Methoden, wie dies durchgeführt werden kann, wird in den Kapiteln 4 und 5 ausführlich diskutiert. Vor allem reformpädagogische Konzepte, die zum einen sehr am Individuum interessiert sind, behandeln zum anderen den Sprachunterricht. Vorweg wird das Konzept selbst beschrieben, welche Grundgedanken dieses verfolgt und wie im Genaueren individualisiert werden kann. Der Begriff „vom Kinde aus“, der zwar von Maria Montessori stammt und auch vorrangig für diese Richtung zutrifft, kann in allen Konzepten als Schlagwort geltend gemacht werden. Der „offene Unterricht“ und die „Freiarbeit“ lassen dem Schüler genügend Freiraum, sich selbst zu entfalten und sich im Unterricht einzubringen. Andere Methoden, wie das „Individuelle Lesen- und Schreibenlernen“ und das „Freie Schreiben“ bieten dem Kind genug Möglichkeiten, die Teilbereiche Lesen und Schreiben im eigenen Lerntempo gleichzeitig zu erarbeiten. Die verschiedensten Modelle und Methoden werden in einem grundlegenden Überblick ausführlich diskutiert. Die Frage, wie ein individueller Sprachunterricht abläuft, sollte nach diesem Kapitel beantwortet sein.
Hauptziel der Arbeit ist es, aus der Fülle dieser Modelle und Leitideen ein Resümee zu ziehen. Die Grundlage dafür sollte das zuvor erlangte Wissen sein, um nun ein didaktisches Konzept aufbauen zu können. Das Kapitel 6 „Arbeit am subjektiv- didaktischen Konzept des Lehrerinnenseins“ soll für mich selbst eine Schlussfolgerung der Konzepte darstellen. In diesem Kapitel wird versucht, Ergebnisse und Eindrücke niederzuschreiben, die individualisierten Unterricht zulassen, und außerdem werden persönliche Vorstellungen, wie dieser Unterricht aussehen kann, ausgedrückt.
Folgende Resultate des dargelegten Konzepts können als Vorbereitung für das 7. Kapitel gesehen werden, welches die Zusammenarbeit von Lehrern, Eltern und Schülern behandelt. Denn meistens werden am ersten Elternabend Methoden, Ziele und Aufgaben beschrieben, welche im pädagogischen Konzept ausgedrückt werden. Die Zusammenarbeit mit den Eltern gilt als wichtiger Bestandteil der Schule. In diesem Teil werden mögliche Grenzen, aber auch Schwierigkeiten aufgezeigt, doch steht die Bedeutung der Kooperation im Vordergrund.
2 Individualisieren
Um in diesem Kapitel auf die Individualisierung im Unterricht eingehen zu können, muss vorerst einmal der Begriff bestimmt bzw. eine dem Thema dieser Arbeit genügende Definition vorweg geschickt werden.
Was bedeutet der Begriff „Individualisieren“? Der Begriff leitet sich von „Individuum“ ab, welches wieder laut Duden im Bezug auf den Menschen, diesen in seiner Einmaligkeit, meint. D.h. der Mensch in der Gesellschaft (anderer) ist ein Individuum und ist absolut einmalig in seiner persönlichen Gesamtheit. Demzufolge kann auch nicht eine Methodik des Unterrichts alle Schüler gleichermaßen ansprechen und daraus der gleiche Lernerfolg bei jedem erzielt werden. Das bedeutet nicht, „dass alle Schüler einer Klasse zur gleichen Zeit auf gleichen Wegen die gleichen Leistungen erbringen können“ (Meyer-Willner 1979, S. 23). Es muss das Ziel des Lehrers sein, möglichst viele verschiedene Lehr-/ Lernstrategien zu entwickeln, um die Schüler individuell beim Lernen ansprechen zu können. Als Resultat dieser Prozedur müssen alle Schüler die gesetzten Vorgaben erreichen, die Methode, die Materialien, die Zeiteinteilung und andere Lernhilfen können jedoch vom Lehrbeauftragten frei gewählt werden.
„Individualisieren kann bezeichnet werden als das Bestreben, den Unterricht an die internen Bedingungen eines Schülers oder einer Lerngruppe anzupassen. Dies kann durch die Variierung der Lernziele, der Lehr-/Lernverfahren, der Lernmaterialien, der Lernhilfen, der Lernzeit erreicht und durch schulorganisatorische Maßnahmen unterstützt werden“ (Meyer-Willner 1979, S. 24).
Durch die Individualisierung sollen die Schüler auf direktem Weg einen Grundbestand an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlangen. Darüber hinaus soll ein kritisches und selbstverantwortliches Handeln möglich gemacht werden. Dies kann sowohl für den Lehrer als auch für den Schüler gelten. Die Individualisierung kann jedoch auch zum wichtigen Instrument für den Schüler werden, um dessen Selbstentwicklung zu ermöglichen. Dies geschieht dadurch, dass ein vielfältiges Angebot an Inhalten, Zielen und Methoden geboten wird, innerhalb welcher sich der Schüler bis zu einem gewissen Grad frei bewegen kann. Individualisierung richtig eingesetzt, hilft beim Schüler Lerndefizite abzubauen, Interessen und Begabungen zu entwickeln und Selbstständigkeit aufzubauen. Auf diese Weise kann der Schüler entsprechend seiner Voraussetzungen optimal gefördert werden. Individualisierung stellt hohe Anforderungen an das methodische und pädagogische Können des Lehrers und bedingt eine intensive Vorbereitung des Unterrichts (vgl. Olechowski/Wolf 1990, S. 108).
Individualisierung verlangt vom Lehrer, dass er die Verschiedenartigkeit der kindlichen Persönlichkeit und ihrer Bedingtheit ernstnimmt und ihrer zu entsprechen versucht.
Es gilt beim individualisierten Unterricht möglichst viele verschiedene Lehr- und Lernstrategien, den Bedürfnissen der Schüler angepasst, zu entwickeln. Klar festzustellen ist jedoch, dass der individualisierte Unterricht nicht ausschließlich vom Lehrer ausgerichtet wird. Natürlich muss er das „Steuer in der Hand haben“, aber auch von der anderen Seite muss ein Wille und eine Motivation für diese Unterrichtsform gegeben sein. D.h. Individualisierung bedeutet auch die Schüler zu aktivieren, Lernziele von sich aus zu erreichen. Der Lehrer darf hierbei nicht lediglich der Darbieter und Präsentator für diverse Lehrstoffe und Bildungsinhalte sein, sondern er muss ein in eine bestimmte Richtung organisierter Motivator sein, um Lehrziele zu erreichen. Selbst sollte der Lehrer etwas in den Hintergrund treten und oft auch als Organisator für selbstständiges Arbeiten der Schüler auftreten. Im Optimalfall, bzw. beim richtigen Umsetzen dieser Unterrichtsform, haben die Kinder einen viel größeren Freiraum zum selbstständigen Arbeiten, Beobachten, Experimentieren, Forschen, Üben und Vertiefen, sodass der daraus resultierende Lernerfolg ungleich höher sein kann als bei herkömmlichen Methoden.
Ergänzend zu dem oben erwähnten Sachverhalt, dass individualisierter Unterricht nicht ausschließlich vom Lehrer umgesetzt werden kann, ist zu sagen, dass ein sehr enges Vertrauensverhältnis zwischen Schülern, Lehrern und Eltern für den Erfolg des Unterrichts maßgeblich ist. Unter Vertrauensverhältnis ist Offenheit, Achtung und Hilfsbereitschaft, sowie gegenseitiges Verständnis zwischen Lehrern, Eltern und Schülern gemeint. Die Kinder sollen dem Lehrer mit einer positiven Einstellung gegenübertreten und ihn als Helfer und Unterstützer sehen. Auch die Schüler untereinander sollten eine Vertrauensbasis aufbauen und sich nicht nur als Konkurrenten betrachten. All dies sind Faktoren, um die Individualisierung als erfolgreichen Lehrtypus umzusetzen.
Voraussetzung für Individualisierung ist eine anregende Lernumwelt, eine flexible Sitzordnung, besondere Lernzonen und vielfältiges Lernmaterial (vgl. Olechowski/Wolf 1990, S. 119f).
Ein individualisierter Unterricht ist jedoch nicht möglich, ohne gleichzeitig auch einen differenzierten Unterricht zu betreiben. Differenzierung im Bezug auf den Unterricht heißt, Inhalte und Methoden zu entwickeln, verschieden zu gestalten, um den Schüler optimal anzusprechen.
Individualisieren heißt, besondere Formen eines differenten Unterrichts erfolgreich einsetzen. Differenzierung im Unterricht bedeutet, Maßnahmen zu entwickeln, um die Lerngruppenorganisation zu verändern (vgl. Buchberger/Satzke 1980, S. 76ff), im Unterschied zum Individualisieren, bei dem von der Beobachtung der Individuallage ausgegangen wird und Verfahrensweisen und Prinzipien für die Erziehungs- und Unterrichtsprozesse davon abhängig gemacht werden.
Innerhalb einer Schulklasse ist es jedoch nicht möglich, ausschließlich nur den Einzelnen zu beobachten, sondern man muss den einzelnen Schüler innerhalb des Klassenverbundes sehen. D. h. Individualisieren ist ohne der Betrachtung der diversen Gruppen und sozialen Strukturen der Klasse nicht möglich. Demzufolge sind dies zwei Begriffe, welche in der Unterrichtswelt kaum zu trennen sind. Unter der Kombination der beiden Begriffe Individualisierung und Differenzierung ist das Bestreben zu verstehen, den Unterricht hinsichtlich der Lernziele und Verfahren, der Materialien und Hilfen sowie der Zeit der Schüler und dem Fach anzupassen (vgl. Olechowski/Wolf 1990, S109). Aus dem zuvor genannten Sachverhalten ist nun ersichtlich, dass Individualisierung und Differenzierung oftmals eine gewisse Umgruppierung bzw. Strukturierung der Schüler erfordern. So kann sichergestellt werden, dass neue Lerngruppen, Abteilungen, Kleingruppen, Paare usw. für bestimmte Erfordernisse gebildet werden, um definitiv Ziele schneller oder effizienter zu erreichen. Alleine diese Strukturierung der Schüler bewirkt jedoch noch keinen differenzierten Unterricht. Vielmehr ist es im Anschluss an solche Veränderungen auch wichtig, dass entsprechend vielseitige und variantenreiche Unterrichtsangebote zur Verfügung gestellt werden (vgl. Meyer-Willner 1979, S. 29). „Unter individualisiertem Unterricht versteht man einen differenzierten Unterricht unter Bedachtnahme auf schülerspezifische Unterschiede“ (Olechowski/Wolf 1990, S. 129). Bei dieser Unterrichtsform ist es wichtig, dem Schüler eigenständiges Lernen zu ermöglichen, den Schüler individuell zu betreuen und all dies unter Berücksichtigung des Lerntempos des Schülers. „Dem Schüler muss ermöglicht werden, sich mit dem Stoff einer Sache, einem Thema aktiv handelnd auseinanderzusetzen, damit er selbstständige Lernerfahrungen machen kann“ (Olechowski/Wolf 1990, S. 109). Woraus resultieren nun die Gründe für individuellen Unterricht? Dies lässt sich durch die Tatsache begründen, dass kein Kind wie das andere ist. Eine differenzierte Behandlung der Kinder ist anzustreben und kann durch das Einbringen von Leistungstabellen übersichtlich gemacht werden. So lässt sich vermeiden, dass einerseits überdurchschnittlich begabte Kinder kaum gefördert werden und andererseits unterdurchschnittlich begabte Kinder überfordert werden. Dem Kind muss ein Grundwissen vermittelt werden unter Berücksichtigung der kindspezifischen Besonderheiten, Kenntnisse und eventuell vorhandenen Wissenslücken. Genauso heißt differenzierter Unterricht, Kinder mit besonderen Defiziten in der Klassengemeinschaft zu integrieren.
Der Grundsatz lautet durch differenzierte Lernangebote Über- und Unterforderung zu vermeiden. Kinder zu fördern, heißt immer diese zu fordern, jedoch immer an das Leistungsvermögen des Kindes angepasst. Will man diese Lehrart umsetzen, müssen auch Gesichtspunkte der Erziehung eingeschlossen werden.
Durch konkretes, handelndes Tun kann der Lehrer sicherstellen, dass der Lerneffekt am höchsten ist, da im Unterricht 10% des Lehrstoffes aus dem gelesenen Wort, 20% aus Gehörtem, 30% aus Gesehenem, 50% aus Gehörtem und gleichzeitig Gesehenem, 60% aus Gesagtem und Erklärtem, aber 90% aus Selbstgemachtem wahrgenommen werden. Aus diesem Grund sollte man die Kinder sachgerecht alleine oder mit anderen zusammen arbeiten lassen. Zusätzlich soll das Kind in gewissen Grenzen und in Eigenverantwortung das eigene Lernen steuern können (vgl. Olechowski/Wolf 1990, S. 110).
Woraus entstehen nun die Unterschiede der Schüler? Die folgende Aufstellung soll die wichtigsten Faktoren anführen, um die Gründe hierfür besser verstehen zu können.
Die Unterschiede unter den Schülern ergeben sich durch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zusammenfassend ist zu bemerken, dass jedes Kind aufgrund der Tatsache, dass Unterschiede bestehen, andere Individuallagen aufweist. Da im Unterricht immer für alle Kinder ähnliche Ziele erreicht werden sollen, ist es notwendig, auf die individuellen Ausgangslagen Rücksicht zu nehmen, sie zu beachten und auch auszunützen.
Um gezielte Individualisierung im Unterricht einzubringen, sollten der Lehrer alle möglichen Voraussetzungen kennen. Im nächsten Kapitel „Voraussetzungen zum Individualisieren“ werden konkret die Punkte Kinderbeobachtung, Lernprozessanalyse und Kompetenzen der Schüler, die für ein offenes Lernen vonnöten sind, diskutiert.
2.1 Voraussetzungen zum Individualisieren
Mit dem Individualisierungsbegriff wird die größtmögliche Entfaltung aller Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes verstanden. Um nun wirklich einen individualisierten Unterricht abhalten zu können, müssen mehrere Voraussetzungen geltend gemacht werden. Vor allem im sozialen Bereich spielen verschiedene Grundhaltungen eine wesentliche Rolle, die individualisierten Unterricht begleiten:
- „bedingungslose Annahme der Kinder
- Vorbereiten emotionaler Wärme
- konsequente Anwendung der Positivbewertung
- Verteilen von Lob und Ermutigung
- Organisieren sofortiger Erfolgsrückmeldung
- Aufstellen erreichbarer Lernziele“ (Rathenow/Vöge 1982, S. 95).
Die sozialen Haltungen der Schüler nehmen Bezug auf mehr Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Arbeitsdisziplin und Anstrengungsbereitschaft. Diese Faktoren sind Grundlagen für eine gute Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Schülern, aber auch zwischen dem Lehrern und den Schülern. So sollte auch eine Vertrauensbasis geschaffen werden, die offene und ehrliche Gespräche zulassen. Vom Lehrer wird ein „neues“ Selbstverständnis erwartet, das zum Beispiel auf die konstante Schüleraktivität eingeht (vgl. Olechowski/Wolf 1990, S. 160). Im Rahmen des Unterricht sollten diese Faktoren als Ziele des Individualisieren gesehen werden (vgl. Buchberger/Satzke 1980, S. 94ff):
- Jede Unterrichtssequenz bzw. -einheit soll vielfältig und abwechslungsreich gestaltet sein.
- Variation des Lernangebotes: Dieses soll immer besondere Lernanreize bieten, aber auch Schwierigkeiten beinhalten. Vor allem der Umfang, das qualitative Niveau und die Themen können differenziert werden.
- Variation der Lernziele: Lernzielbereiche sollen immer abwechselnd eingesetzt werden, denn nur dann können die Kinder in allem Erfahrungen sammeln:
- „kognitive[2] Dimension: wissensbereichernde und erkenntnisbildende Ziele
- pragmatische Dimension: auf Handeln und Gestalten gerichtete Ziele
- emotionale Dimension: gemüts- und gesinnungsbildende Ziele
- soziale Dimension: auf Partnerschaft und Kooperation gerichtete Ziele
- ethnische Dimension: auf Weltverwirklichkeiten gerichtete Ziele“ (Buchberger/Satzke 1980, S. 95).
- Variation des Medienangebotes: Allen Kinder sollen speziell entwickelte Arbeitsblätter, gezielte Übungen, besondere Lernmaterialien, Lernspiele, selbstkontrollierende Arbeitsblätter und diverse andere Arbeitsmittel zur Verfügung stehen.
- Organisation und Gruppierungsformen: Vor allem sollte vorher überlegt sein, wie individualisierter Unterricht organisiert ist. Erfolgt die Leistungskontrolle und der Überblick auf Klassenlisten? Wie wird der Klassenraum gestaltet? Welche Sitzordnung wird gewählt? Wie teilt man den Vormittag ein? Wo stellt man Regale, Tisch usw. auf?
- Variation der Unterrichtsmethoden: Um im Unterricht mehrere Methoden anwenden zu können, ist die Grundlage dafür, sich mit diesen zu beschäftigen. Jede Methode wird für jeden einzelnen Lehrer positive und negative Aspekte beinhalten. Stellt man sein eigenes Konzept zusammen, erhält man eine Variation, eine Mischung. Unterschiedliche Methoden haben ihren Sinn darin, dass sie erklären,
- wie Lehrer und Schüler Zugänge zu schwierigen Problemfeldern des Unterrichts finden können,
- wie komplizierte Stoffe so zerlegt und aufbereitet werden können, dass fruchtbare Begegnungen mit ihnen möglich werden und
- wie die Schüler zum selbstständigen und eigenverantwortlichen Lernen geführt werden können (vgl. Buchberger/Satzke 1980, S. 96).
Individueller Unterricht verlangt weiters nach vielfältigen Unterrichtsgestaltungen wie zum Beispiel das Arbeiten in verschiedenen Räumen, die Einteilung des Zeitrahmens und den Einsatz verschiedener Arbeits- und Sozialstrukturen.
„Nicht ein festes Artikulationsschema, dessen Phasen bestimmte Methoden zugeordnet werden, stellt den Planungsrahmen für Unterricht, sondern die pädagogische und inhaltliche Zielsetzung und der Anspruch vielfältiger Erfahrungs- und Handlungsmöglichkeiten für die Kinder sind Kriterien für die Wahl der Unterrichtsmethode“ (Gervé 1998, S. 10). Die wichtigste Voraussetzung für einen individualisierten Unterricht stellt wahrscheinlich, wie es Maria Montessori zu sagen pflegt, die „vorbereitete Umgebung“ dar. Jeder Klassenraum muss so gestaltet sein, dass er wahrlich zum Schreiben und Lesen (natürlich auch in anderen Fächern zum Arbeiten) einlädt. Der Lehrer hat viele Möglichkeiten wie zum Beispiel das Bereitstellen von Schreibgeräten, Papier, Stiften, Stempelkissen, Stempeln; die Ausstattung der Klasse mit einem Computer oder einer Schreibmaschine; das Anbieten von Lernspielen, Büchern, Heften; die Einrichtung einer Leseecke usw. Somit kann die Basis geschaffen werden, die individualisierten Unterricht zulassen. Jedoch ist für diese Form des Unterrichts unerlässlich, jedes Kind zu beobachten. Nur so kann man feststellen, auf welcher Entwicklungsstufe sich das Kind befindet und welche weiteren Lernschritte möglich sind.
2.1.1 Kindbeobachtung
Die Kindbeobachtung ist eine wichtige Voraussetzung, um individualisieren zu können. Die Beobachtung ist im Allgemeinen eine alltägliche Tätigkeit vieler Menschen und sollte auch für Lehrer von Bedeutung sein. Es gibt einem die Möglichkeit, über die sinnliche Wahrnehmung die soziale Wirklichkeit zu erkennen und zu bewerten. Außerdem lassen sich im Anschluss, Folgerungen über das Verhalten und das Handeln schließen (vgl. Eberwein 1998, S. 194).
Die bisherigen Beobachtungsformen gaben Anlass zur Kritik, welche vor allem auf die Informationsarmut der Beobachtungsinstrumente, den eingeengten Blickwinkel, die Vernachlässigung der Inhaltsdimension von Unterricht, Aspekte der Individualität und der subjektiven Situationsdefinitionen lenken. Zu den Beobachtungsinstrumenten zählen beim Menschen die Sinnesorgane, welche eher eingeschränkte Helfer sind, und der Beobachter selbst (vgl. Eberwein 1998, S. 194). Der Beobachter spielt eine wichtige Rolle, denn dieser muss versuchen, sehr objektiv zu bleiben und die Beobachtung selbstkritisch durchzuführen. Es ist auch gleichzeitig zu erwähnen, dass das Blickfeld eingeschränkt ist, denn es ist dem Lehrer schließlich nur möglich, ein Kind oder eine Kleingruppe zu beobachten. Deshalb bezeichnet man den menschlichen Wahrnehmungsvorgang als selektiv, denn es lassen sich meist Ausschnitte der in der Umgebung ablaufenden Vorgänge beobachten. Der Beobachter wird von verschiedenen Vorerfahrungen, Vorannahmen, Hypothesen, Erwartungen und Alltagstheorien beeinflusst. Dadurch ist eine totale, vom Individuum unabhängige Beobachtung der Wirklichkeit nicht möglich (vgl. Eberwein 1998, S. 195). Somit ist jede Beobachtung in irgendeiner Weise subjektiv, man nimmt über den Sehsinn wahr und rekonstruiert die Wirklichkeit mit der Sprache. Jeder Beobachter spricht über Erkenntnisse, Wahrnehmung und Beobachtung, das heißt, er benutzt die Metasprache. Zunächst lassen sich folgende Vorgehensweisen der Beobachtung unterscheiden: Verhaltensbeobachtungen, Fallanalysen, Gespräche und offene Interviews.
Die Verhaltensbeobachtung ist als die wichtigste Grundlage des Verstehens zu sehen. Sie gibt den besten Anlass dafür, Zugang zum Schüler und seinem individuellen Bedingungsfeld zu finden. Und schließlich lässt diese Form zu, über die Beobachtung des Kindes und somit der Wahrnehmung der äußeren Seite des Handelns, die Innenseite verstehen zu können.
Doch lässt sich aufgrund der individuellen Voraussetzungen jedes Kindes feststellen, dass jedes anderes lernt, andere Stärken und Schwächen aufweist. So hat der Lehrer mit Folgerungen, Verallgemeinerungen von Einzelbeobachtungen und der Ableitung von Charaktereigenschaften oder Persönlichkeitsmerkmalen vorsichtig zu sein (vgl. Eberwein 1998, S. 201). „Ist-Sätze“ sollten eher vermieden werden, denn dadurch lassen sich Fehl- oder Vorurteile als Endurteile feststellen. Daher sollten positive Seiten der Schüler wie Fähigkeiten, Stärken, Interessen und Bedürfnisse betont werden.
Die Beobachtung selbst ist oft nicht fehlerfrei, denn der Beobachter nimmt nur gewisse Aspekte eines Vorgangs auf und interpretiert im Anschluss diese Wahrnehmung (vgl. Eberwein 1998, S. 202).
Beobachten mehrere Lehrer oder Erzieher über einen längeren Zeitraum, kann die komplette Wahrnehmung objektiver werden. „Keine Einzelbeobachtung ist für sich allein genommen hinreichende Grundlage für Beurteilungen. Erst ein sorgfältiges Gegeneinanderhalten der Einzelbefunde, ein Vergleich und Abwägen ihrer Gewichtigkeit, ein Prüfen vor allem der einander widersprechenden Aussagen, ein Tasten und Suchen nach dem roten Faden, der sich durch alle Einzelaussagen hindurchzieht, geben eine ... ausreichende Basis für verwertbare ... Aussagen über eine Persönlichkeit ab“ (Eberwein 1998, S. 201f, zit.n. Thomae 1976, S. 55)
Bei jeder Beobachtung sollen Ergebnisse schriftlich festgehalten werden. Diese Aufzeichnung können Hilfen für Fördermaßnahmen darstellen. Wichtig sind jedoch Erkenntnisse über einen längeren Zeitraum. Gelegenheiten dazu werden sicher im offenen Unterricht und in der Freiarbeit geboten. Dabei spielt die mündliche Teilnahme des Kindes und die Aktivität eine wichtige Rolle. Folgende Fragen können als Beispiel für die Beobachtung gestellt werden: Wie verhält sich das Kind in der Freiarbeit? Mit wem und wie kommuniziert es? Wie kann das Kind Problemfälle mit anderen Kindern lösen? Wie setzt sich dieses durch? Findet das Kind Anschluss zu anderen Kindern? usw.
Über die Beobachtung kann man Lernprozesse, sozial-emotionale Verhaltensabläufe kennen lernen, das Kind besser verstehen, sich in die Lage versetzen und einen Perspektivenwechsel vornehmen. In verschiedenen Spielen lassen sich individuelle Lernvoraussetzungen, psychosoziale Entwicklungen, eine differenzierte Wahrnehmung und motorische Fähigkeiten feststellen. Abschließend bietet die Beobachtung die Möglichkeit, sich den Lebensumständen, der Weltsicht, der Lern- und Aneignungsweisen des Kindes anzunähern und eine Grundlage, auf jedes Individuum einzugehen, zu schaffen (vgl. Eberwein 1998, S. 205f).
2.1.2 Lernprozessanalysen
Lernprozessanalysen werden zum Erfassen der Ausgangslage unter Berücksichtigung der Vorkenntnisse durchgeführt, geben Aufschluss über die Ursachen von Lerngeschwindigkeiten und erheben den Lernstand des Kindes.
„Die individuelle Lernprozessanalyse ist die systematische Erfassung des Lernstandes eines Kindes innerhalb eines bestimmten Lernprozesses“ (Juna/Kral 1995a, S. 27).
Die Elemente der individuellen Lernprozessanalyse können folgendermaßen eingeteilt werden:
1. Beobachtung
2. Feststellung
3. Hypothese und Fragestellung
4. Verhaltensprobe
5. Teilerkenntnis
Vor dem Beginn jeder Arbeit bzw. Förderung erfolgt eine erste Beobachtung, meistens handelt es sich um eine grobe Einschätzung. Während des Lernprozesses ist eine weitere stete Beobachtung bei der Arbeit, bei funktionellen Übungen und beim Spiel erforderlich (vgl. Juna/Sretenovic 1993, S. 42).
Bei Einzeluntersuchungen wird beispielweise erkannt
- ob ein Kind schon lesen kann,
- welche Buchstaben bzw. Wörter es schon beherrscht,
- welche häufig vorkommenden Wörter das Kind ganzheitlich erkennt.
Ist nun der Lernstand des Kindes erhoben, werden verschiedene Maßnahmen getroffen, die das weitere Lernen des Kindes bestimmen (vg. Rathenow/Vöge 1982, S. 39ff).
So werden individuelle Lernprozessanalysen in der Praxis durchgeführt: (Dies ist ein Schema zur Überprüfung der individuellen Rechtschreibleistung eines Kindes am Beginn der 2. Schulstufe.)
0. Gespräch mit der Klassenlehrerin
- Welche Schreib- Lesemethode wird eingesetzt?
- Lernwortschatz der Kinder
1. Ansage oder Freischreibprobe
2. Arbeit mit dem Kind
- Warming-up Gespräch
- Ansagen der falsch geschriebenen Wörter
- Analyse der Schreibänderungen
- Feststellung der Hypothesen, die das Kind zu den Fehlschreibungen hat
- Überprüfung der Lernstrategie des Kindes (vgl. Juna/Kral 1995 a, S. 38).
„Die Lernprozessanalyse nimmt also eine Mittelstellung zwischen einem streng strukturierten Test und der intuitiven, nicht reflektierten Einschätzung eines Kindes durch die Lehrerin während des Unterrichts ein“ (Juna/Kral 1995 a, S. 34). Deshalb wird trotzdem jeder Schritt genau überlegt, hinterfragt und schriftlich festgehalten.
Für diese Arbeit wurde eine Lernprozessanalyse erstellt, die im Anhang zu finden ist.
2.2 Methodenkompetenz
Im individualisierten Unterricht ist es nun notwendig, verschiedene Regeln einzuhalten. Deshalb werden im Folgenden die Kompetenzen aufgezählt, die man gemeinsam mit den Schülern erarbeitet. Offenes Lernen muss sozusagen erst aufgebaut werden, es sind viele Elemente enthalten, die teilweise eng mit anderen in Verbindung stehen. Bei der Einführung des offenen Lernens, sei es gleich ab der 1. Klasse oder zu einem späteren Zeitpunkt, können nicht alle Phasen auf einmal vorweggenommen werden, es erfolgt ein schrittweises Herangehen. Jede Phase nimmt eine Zeitspanne von zwei bis vier Wochen in Anspruch (vgl. Badegruber 1999, S. 20)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Puzzleteile des offenen Lernens
Um nun alle Phasen erwähnen und abdecken zu können, wird ein kurzer Überblick gegeben. Es werden nicht alle Puzzleteile beschrieben, da viele aus bereits erwähnten Teilen resultieren. Die Schritte können von jedem Lehrer in einer anderen Reihenfolge in Angriff genommen werden und viele können in manchen Klassen schon vorausgesetzt werden.
- Die Lautstärke regeln: Individualisiertes Lernen heißt nicht, dass immer alleine gearbeitet wird. Gruppenarbeiten geben daher auch Anlass zur Individualisierung und beruhen darauf, dass anregende Gespräche geführt werden. Die Sprache ist daher ein wichtiges Lehr- und Lernmittel (vgl. Badegruber 1999, S. 22) und hat eine wichtige Funktion, nämlich die Mitteilung. Es wird nicht nur in Gruppen, sondern paarweise, mit dem Lehrer, unter den Schülern, mit Freunden usw. kommuniziert. Damit das Lernen einer Gruppen neben den Gesprächen einer anderen Gruppe möglich ist, müssen mehrere Regeln aufgestellt werden, damit jeder seinem Ziel nachkommen kann. Die Lautstärke in der Klasse muss so geregelt sein, dass effektives Lernen ermöglicht ist. Dieser Schritt erfolgt in Form einiger Spiele, die mit den Kindern gemeinsam durchgeführt werden. Eines davon ist die Geräuschkulisse: Zwei Gruppen haben nun die Aufgabe, sich Situationen des Gesprächs auszudenken, bei denen viele Menschen versammelt sind, wie zum Beispiel im Autobus, am Marktplatz, auf einer Party usw. Jede Gruppe stellt eine Situation dar, diese soll von den anderen erraten werden. Es wird im Anschluss darüber gesprochen, welche Situation eher angenehm, welche nicht sehr angenehm war. Mehrere Spiele können dann Anlass dafür sein, die Lautstärke in der Klasse zu regeln.: Erklärungen sollen dabei so abgegeben werden, dass nur derjenige sie hören soll, der angesprochen ist; Zurufe quer durch die Klasse sollen beim offenen Lernen vermieden werden; in einem Gesprächskreis sollen jedoch alle Kinder hören, was gesagt wurde.
- Gesprächskreis: Im Gesprächskreis stehen sich alle Kinder offen gegenüber, sie können sich anschauen und deshalb besser miteinander kommunizieren. Die Bedeutung dieses Kreises liegt darin, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln und das Miteinander erleben zu können. Im Morgenkreis können zum Beispiel Themen aufgegriffen werden, bei denen Kinder die Möglichkeit haben, ihre Gefühle auszudrücken, zu erzählen, Wünsche zu vermitteln, zu fragen, lernen und diskutieren (vgl. Badegruber 1999, S. 26). Im Diskussionskreis können Konflikte besprochen und gemeinsam gelöst werden. Dabei soll jedes Kind lernen, Diskussionsleiter zu sein, um so auch einmal Lösungen ohne den Lehrer zu finden. Im Planungskreis werden die Vorhaben einzelner Schüler festgelegt. Es besteht auch die Möglichkeit, mit den Kindern gemeinsam die Planung für die kommende Woche oder den kommenden Tag aufzustellen. Wochenpläne werden gemeinsam mit den Kindern erarbeitet.
- Der Spielkreis: Verschiedene Unterhaltungs-, Konzentrations-, Interaktions- und Rollenspiele werden durchgeführt. Ein Interaktionsspiel ist zum Beispiel die Luftballonblume, die im Kreis zu einer bestimmten Person weitergegeben werden soll. Dieser Luftballon ist jedoch nicht zugeknüpft, es muss daher besonders darauf Wert gelegt werden, dass diese Luftballonblume nicht verwelkt. Viele Kinder konzentrieren sich ganz besonders darauf und entsteht eine angespannte Ruhe.
- Die Arbeit mit schriftlichen Anweisungen: Viele Kinder müssen lernen, schriftliche Anweisungen lesen und verstehen zu können, denn diese Technik brauchen sie schließlich nicht nur in der Schule, sondern auch im Alltag. Deshalb ist es von äußerster Wichtigkeit, den Umgang mit Literatur ohne der Hilfe anderer Personen zu beherrschen. So erlangt der Schüler die nötige Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, die im offenen Lernen benötigt wird. Zuerst können diese schriftlichen Arbeitsanweisungen in Form von Arbeitsplänen geschehen, die mehr oder weniger die Lernziele aufstellen, die für das Lösen der Aufgabe wichtig sind. Nach und nach sollen die Kinder fähig sein, selbst Ziele zu finden und daher brauchen sie selten Anweisungen von Lehrern. Sie suchen aus, welches Material sie für die Aufgabe verwenden wollen, stellen sich den Lerninhalten und bearbeiten diese selbstständig.
- Die einfache freie Aufgabenreihung: Jedes Mensch reiht sich seine Aufgaben so, wie es ihm am angenehmsten sind. Der eine macht zuerst die schwierigen Arbeiten und löst dann die leichten. Ein anderer beginnt mit der lustigen Arbeit, aus der er dann Kraft für anspruchsvolle Aufgaben schöpft usw. Auch in der Schule kann nach diesem Prinzip gearbeitet werden. Der Lehrer gibt verschiedene Aufgaben vor, die von den Kindern gelöst werden sollen, bestimmt jedoch nicht die Reihenfolge. Am Ende des Tages oder der Woche sollen die Aufgaben gelöst sein. Welche Reihenfolge man einschlägt, bleibt dem Kind überlassen. Die Aufgaben sollen jedoch so formuliert sein, dass sich das Kind etwas darunter vorstellen kann und die Entscheidung für die Reihenfolge erleichtert wird.
- Die fächerübergreifende freie Aufgabenreihung: Nach und nach wird die Aufgabenstellung auch auf mehrere Fächer übertragen. So bekommt jedes Kind Arbeitsaufträge, die über den ganzen Tag verteilt sind. Die Entscheidungsfreiheit über den Inhalt wird immer weiter gesteckt, das Kind kann sich die Aufgaben so einteilen, wie es dieses möchte.
- Die innere Differenzierung: Der Lehrer bietet in diesem Fall mehrere Arbeitsblätter an, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Das ist den Kindern bekannt und sie suchen sich ein Arbeitsblatt aus. Es erfolgt eine Förderung der Fähigkeit zur Selbsteinschätzung (vgl. Badegruber 1999, S. 34). Den Kindern ist auf alle Fälle zu vermitteln, dass es keine Schande ist, auf leichtere Aufgaben zurückzugreifen. Vielleicht ergeht es dem einen oder anderen Kind so, dass es bei einer zu schwierigen Aufgabe überfordert ist und so auf ein leichteres Gebiet umsteigt.
- Die freie Platzwahl: Verschiedene Aufgaben können nur an bestimmten Plätzen erledigt werden. So ist es notwendig, seinen Platz zu wechseln. Beim Lesen verkriecht man sich in die Leseecke, in der Pölster aufgelegt sind. Möchte man mit dem Computer oder der Schreibmaschine arbeiten, so setzt man sich zum Tisch. Arbeitet man in Gruppen können sich die Kinder auf dem Teppich zusammenzusetzen. Benötigt man viel Platz für sein Material, so sucht sich das Kind ebenfalls einen Platz. Anfangs sind die Kinder noch nicht gewöhnt, ihre Plätze regelmäßig zu wechseln, deshalb können sie in Form von Spielen darauf aufmerksam gemacht werden (Platzwechselspiele).
- Freies Lesen: Da das freie Lesen in dieser Arbeit noch in mehreren Formen angesprochen wird, wird nun nur ein kurzer Überblick gegeben. Schüler, die schon lesen können, finden schnell einen Zugang zu den Büchern. Sie können sich Wissen aneignen, mit Lesespielen und -programmen selbstständig umgehen und können das Erlernte dokumentieren. In der Schule stellt es eine Erleichterung dar, wenn die Kinder Texte selbstständig bearbeiten können und gerne Bücher, Lexika und Geschichten zum Nachforschen, Erarbeiten und Einprägen verwenden (vgl. Badegruber 1999, S. 40). Für Kinder, die jedoch noch nicht lesen können, müssen mehrere Zugänge gefunden werden: Wer seine Pflichtarbeiten erfüllt hat, kann sich ein Buch nehmen! Wer mit allen Aufgaben fertig ist, kann in der Leseecke schmökern! Freies Lesen in einem Leseheft. Jedes Kind stellt sein Lieblingsbuch vor, dass es zuhause gelesen hat. Wer mit dem Sachunterrichtsblatt fertig ist, sucht in der Leseecke nach Büchern, die zum Thema passen! Diese Freiräume dehnen sich immer weiter aus und führen schließlich zum freien Lesen.
- Materialien und Lernspiele in der offenen Lernphase: Allmählich kann in Lernphasen auch Material eingesetzt werden, dass ohne der Anleitung durch den Lehrer erfolgt. Dieses kann auch in Partnerarbeit erarbeitet werden. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dieses wieder an den dafür vorgesehenen Platz zurückzustellen, damit alle Kinder es verwenden können. Das Arbeiten mit Material und Lernspielen kann auch in der freien Aufgabenstellung beinhaltet sein. Verschiedene Lernspiele wie zum Beispiel Memories, Dominos, Puzzles, Stöpselspiele, Quartett, Brett- und Würfelspiele dienen zur Übung und Festigung von bereits Gelerntem. Eine Einführung der Lernspiele kann im Stationenbetrieb erfolgen, außerdem sollten die meisten Spiele eine Selbstkontrolle beinhalten. Auch der Lehrer kann sich bei den Spielen beteiligen, das stärkt vor allem die Lehrer-Schüler-Beziehung und fördert den Kontakt zu den Kindern.
- Die gelenkte Partnerarbeit: Heutzutage sind die Begriffe „Teamfähigkeit“ und „Kooperationsbereitschaft“ sehr gefragt und auch in der Schule gefordert. Die gelenkte Partnerarbeit wird speziell zur Förderung dieser Themen aufgegriffen. Vorweg müssen die Kinder lernen, sich etwas gemeinsam einzuteilen, sich etwas abzumachen, Kompromisse schließen zu können, nachgeben zu können und dem anderen weiterhelfen zu wollen. (vgl. Badegruber 1999, S. 56). Da kann es sicher anfangs zu Schwierigkeiten kommen, doch liegt es beim Lehrer, dem Kind diese Schwierigkeit abzunehmen und einzuteilen, was mit wem und wo gemacht werden soll. Verschiedene Interaktionsspiele fördern diese Zusammenarbeit mit einem Partner und können vielfältig eingesetzt werden (Blind führen, Spiegelübung usw.).
- Die freie Partnerarbeit: Prinzipiell kann die freie Partnerarbeit vom Lehrer nicht angeordnet werden, sondern nur beobachtet werden. Im offenen Unterricht gibt es Phasen, in denen Partnerarbeit gewünscht wird und deshalb sind die Kinder aufzufordern, sich einen Partner zu suchen. Zwingen kann man jedoch kein Kind, der Lehrer kann nur Gelegenheiten organisieren, die freie Partnerarbeiten zulassen.
- Die gelenkte Gruppenarbeit: Bei dieser Form der Zusammenarbeit steuert der Lehrer die Gruppenzusammensetzung und schreibt Inhalt, Art der Tätigkeit, Material, Gruppengröße, Bildung der Gruppe, Arbeitsplatz, Dauer, Arbeitspensum und Kontrollmöglichkeiten vor. Die gelenkte Gruppenarbeit hat mehrere Motive, unter anderem kann der Lehrer das Demokratieverständnis der Kinder stärken und so den Kontakt der Kinder zueinander fördern.
- Die offene Gruppenarbeit: Nun wird sich herausstellen, inwieweit Kinder teamfähig sind. Denn in offenen Lernphasen bestimmen nun die Kinder, ob sie alleine arbeiten wollen oder doch lieber in Gruppen zu einem Ergebnis kommen. Diese Form hat folgende Vorteile: Viele Schüler bereiten sich das Material für die Arbeit selbstständig vor. Da jede Gruppe selbst gewählt wurde, kommt es kaum zu Konflikten. Der Lehrer steht als Helfer beiseite und hat nicht den Zwang, Kontrolle auszuüben. Jede Gruppe und auch der Lehrer freut sich über Ergebnisse. Der Lehrer hat Gelegenheit, zu beobachten und zu helfen, wo Hilfe benötigt wird.
- Die Wochenplanarbeit: In vielen Fällen wird der Wochenplan vom Lehrer erstellt. Dieser schreibt alle Arbeitsbereiche und Aufgaben in eine Liste, welche den Wochenplan darstellt. Oft fällt es schwer, alle Aufgaben zu erfüllen und so ist man nicht konform mit der Jahresplanung. Deshalb haben viele Lehrer entschlossen, die Planung gemeinsam mit den Schülern zu machen. Dies hat zum Ziel, selbst daran interessiert zu sein und dann das Geplante zu erreichen. Traut man sich selbst als Lehrer schon viel zu, kann man soweit gehen, den Kindern Einblicke in die Stundentafel, den Lehrplan und den Vorbereitungen zu geben. Das könnte als Basis dafür gesehen werden, die Planung noch anregender zu gestalten.
Zusammenfassend ist zu erwähnen, dass es noch viele Wege gibt, das offene Lernen und den individualisierten Unterricht einzuführen. Vieles kann man von den Kindern schon voraussetzen, einiges muss noch gelernt werden. Welche Schritte man in welcher Reihenfolge durchmacht, bleibt dem Lehrer überlassen. Wichtig ist, die Kompetenzen, die zum offenen Lernen notwendig sind, schrittweise zu erarbeiten, regelmäßig zu reflektieren und überdenken. Erst dann ist man seinem Ziel, einen Schritt näher.
3 Elemente des Sprachunterrichts
Die Anforderungen der heutigen Gesellschaft werden immer höher gestellt. Dabei sind Faktoren des Lesens und Schreibens von äußerster Wichtigkeit, denn jede Kommunikation, sei sie mündlich oder schriftlich, jede Informationsbeschaffung im Beruf und in der Freizeit wird auf den Erwerb dieser Fähigkeiten zurückgeführt. „Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die sprachliche Verständigung, für den Erwerb von Wissen und Informationen, für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu“ (Rathenow/Vöge 1982, S. 105). In den Vordergrund der Berufswelt stellt man dabei die Sinnentnahme und das Verständnis eines Textes, in weiterer Folge ist das Verfassen eines Textes, sei es ein Protokoll, ein Geschäftsbericht oder ein einfacher Brief, gefragt. All diese Fähigkeiten müssen gelernt werden und gelten somit als Lernbereiche des Deutschunterrichts der Volksschule. Dabei sieht der Lehrplan der Volksschule folgende Teilbereiche vor:
- Sprechen
- Lesen
- Schreiben (nur Grundstufe I)
- Verfassen von Texten
- Rechtschreiben
- Sprachbetrachtung (Lehrplan der Volksschule 2000, S. 230).
Für diese Arbeit zutreffend sind das Lesen, Schreiben und in weiterer Folge das Verfassen von Texten, wobei im Anschluss angeführte Bildungs- und Lehraufgaben definiert wurden.
Lesen: „ Der Leseunterricht auf der Grundstufe I hat die Aufgabe, den Schülern die grundlegende Lesefertigkeit zu vermitteln und damit die Begegnung und Auseinandersetzung mit Texten zu ermöglichen. Zunehmend erfahren die Schüler das Lesen als einen bedeutenden Zugang zu unserer Kultur, insbesondere als ein wesentliches Mittel zur Informationsgewinnung und zur Unterhaltung. Im Leseunterricht auf der Grundstufe II sollen die Schüler erfahren, dass sie durch Lesen und durch Auseinandersetzung mit dem Gelesenen über ihre realen Lebenserfahrungen hinaus das Verständnis für sich selbst und für andere vertiefen sowie sich und andere informieren und unterhalten können. Die vielfältige Begegnung und Auseinandersetzung mit Texten verschiedenster Art dient der Anbahnung der Lesemündigkeit. In diesem Zusammenhang ist auch die Lesefertigkeit der Schüler zu erweitern und zu festigen“.
Schreiben: „Aufgabe des Schreibunterrichts ist es, die Schüler zum Gebrauch grundlegender, konventioneller grafischer Zeichensysteme anzuleiten. Dabei sollen sie erfahren, dass Schreiben eine Form der Kommunikation und Dokumentation ist. Im Besonderen soll der Schreibunterricht zur sicheren Beherrschung unseres Schriftsystems führen“.
Verfassen von Texten: „Im Teilbereich Verfassen von Texten sollen sich die Schüller auf der Grundlage ihrer Mitteilungsbereitschaft und der erworbenen Fähigkeiten im Sprechen, Schreiben und Rechtschreiben zunehmend selbstständig schriftlich äußern, und zwar sowohl ichbezogen, z.B. über Erlebnisse, Beobachtungen, als auch partnerbezogen, z.B. Wünsche, Fragen, auf der Grundstufe II auch sachbezogen“ (Lehrplan der Volksschule 2000, S. 231).
Lesen, Schreiben und Verfassen von Texten werden als Aufgaben des Lernens in der Volksschule gesehen und benötigen dementsprechend verschiedene Grundleistungen, die in den folgenden Unterkapiteln näher beschrieben werden.
Alle Kinder, die zum Schulbeginn in die Klasse kommen, weisen unterschiedliche Vorkenntnisse und Erfahrungen der Schriftsprache auf. Diese Entwicklungsunterschiede im Denken über Schriftsprache können bei ca. drei Jahren liegen. Zum Beispiel können 2% der Kinder schon vor Beginn der Schule lesen (vgl. Mai 1994, S. 32). Aus diesen Tatsachen, den Bedürfnissen, Interessen und unterschiedlichen Lernfortschritten resultiert, dass jedes Kind seinen individuellen Lernprozess durchmacht. Deshalb muss gewährleistet werden, dass der Unterricht sich an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, dem individuellen Lernverhalten und dem Lerntempo orientiert (vgl. Rathenow/Vöge 1982, S. 106). „Der Deutschunterricht hat die Aufgabe, die Schüler – unter Berücksichtigung der individuellen Lernvoraussetzungen – in ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zu zwischenmenschlicher Verständigung im mündlichen und schriftlichen Bereich durch Lernen mit und über Sprache zu fördern“ (Lehrplan der Volksschule 2000, S. 230).
Johanna Juna, Marion Bergk und vor allem die Reformpädagogen Maria Montessori, Céléstin Freinet, Helen Parkhurst und Peter Petersen haben Methoden entwickelt, die speziell auf das Erstlesen und –schreiben sowie das Verfassen von Texten ausgerichtet sind, die einen individualisierten Unterricht zulassen und fordern. In späteren Kapiteln werden diese Konzepte ausführlich behandelt. Im Vorfeld sollte ein fundiertes Wissen über die Begriffe Lesen, Schreiben, Verfassen von Texten, die Entwicklungsstufen und Grundleistungen erworben werden.
„Am Lesen und Schreiben ist für das Kind nur Weniges gänzlich neu – selbst wenn es noch keinen Buchstaben kennt. Die meisten Elemente des Schriftsprachgebrauchs hat es in der Regel bereits gelernt: Sprechbewegungen, Hörgewohnheiten, Wortbedeutungen, Satzmuster, Textstrukturen (z.B. Märchen, Werbespots, Reime), das Austauschen von Mitteilungen, das Setzen und Deuten von Zeichen (z.B. lächeln, aufstampfen, drohen), das Kritzeln und Kringelmalen“ (Bergk 1996, S. 18). Nun gilt es, diese bereits erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzuentwickeln und auszubauen.
3.1 Lesen
Begriffsdefinitionen
- Das Lesen ist eine Produktion von Sprachlauten und eine Zuordnung von Lauten zu geschriebenen Buchstaben (vgl. Gümbel 1993, S. 45).
- Lesen kann man bezeichnen als eine Sinnerfassung und Sinnentnahme. Dabei gilt der Sinn als das Treibende im Lesegeschehen (vgl. Gümbel 1993, S. 46).
- „Lesen ist der rezeptive Aspekt der schriftlichen Kommunikation ... Der Leser bewegt nicht bloß seine Augen über die geschriebene Sprache ... Lesen ist ein informationsverarbeitender Prozess. Lesen ist ein selektiver Prozess. Lesen ist ein psycholinguistisch-kognitives Probierverhalten. Es schließt ein Zusammenspiel von Sprache und Denken ein“ (Gümbel 1993, S. 46, zit.n. Goodman 1976, S. 139; 1977, S. 296).
- „Lesen ist eine Suche nach Informationen, die von der Leseerwartung des Lesers gesteuert wird. Die visuellen Elemente des Textes werden denkend mit dem zuvor Aufgenommenen und dem anschließend Erwarteten in Beziehung gesetzt. Beim Lesen eilen die Gedanken voraus und werden im Verlauf des Lesens vom Text bestätigt oder widerlegt. Insofern kann das Lesen auch als ein hypothesentestender Prozess verstanden werden“ (Mai 1994, S. 33).
- Lesen ist eine Fähigkeit, die erworben werden kann. Aus konventionellen optischen Zeichen entnimmt der Leser Informationen (Juna/Sretenovic 1993, S. 125).
Folgende Grobziele leiten sich daraus:
- Beginn des Leselehrgangs über analytisch-synthetische Leseübungen
- Training der Lesegeläufigkeit
- gestaltendes Lesen und Arbeit an Texten
Das Hauptziel des Lesens ist die Heranführung an eine durchschnittliche Leseleistung (vgl. Rathenow/Vöge 1982, S. 87).
Bedeutung und Funktionen des Lesens
Das Lesen hat mehrere Bedeutungen und Funktionen, die im Grundsatzerlass zur Leseerziehung ausführlich aufgelistet sind:
1. Informationsbeschaffung: Das Lesen eröffnet neue Wege, sich mit der Auswahl und Verarbeitung von Informationen und Inhalten zu beschäftigen. Zunehmend fördert es das Umgehen mit Informations- und Kommunikationsmedien und bietet das Suchen und Finden von Lösungsansätzen verschiedener Aufgabenstellungen.
2. Ich-Erfahrung: Das Lesen trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei, denn es bietet Freiräume, wendet vom Alltagsleben etwas ab, vermittelt Freude und Abenteuer und kann eine Kritik-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit aufbauen. Deshalb verstärkt es das Selbstbewusstsein und bietet die Möglichkeit, seine eigene Identität zu entwickeln.
3. Kommunikationsfähigkeit: Sprache bietet immer die Kommunikation zweier oder mehrerer Menschen. Beim Lesen kommuniziert man über zeitliche und räumliche Distanzen hinweg. Geschult wird die Fähigkeit, vernetzt zu denken, sich auszudrücken und zu handeln.
4. Kreativ-konstruktive Tätigkeit: Durch das Lesen wird nicht nur die Lesefähigkeit selbst erhöht, Kreativität und Fantasie werden auch geschult. Liest man ein Buch, so gestaltet man den Sinn des Textes auf seine eigene Art und bildet sich sein Bild davon (vgl. Falschlehner 1999, S. 10).
[...]
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit, steht im Folgenden statt der Schreibweise LehrerIn/SchülerIn die männliche Form stellvertretend für beide Geschlechter.
[2] Kognitiv meint erkenntnismäßig, das Denken und die bewusste Erkenntnis betreffend.
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