In der Erzählung "Enttäuschung" von 1896 setzt sich Thomas Mann mit der Sprachskepsis und Sprachkritik auseinander, einem der großen Themen des Fin de siècle. Die Erzählung handelt von einem sonderbaren Unbekannten, der dem Ich-Erzähler von seiner Enttäuschung über die Realität, angesichts ihrer abweichenden Beschreibung durch "große Worte", berichtet. Der Text birgt Analogien zu Nietzsches Sprachreflexion. In meiner Hausarbeit versuche ich, die beiden oben beschriebenen Typen aus Nietzsches Abhandlung in Thomas Manns Erzählung zu verorten und darüber hinaus einen weiteren literarischen Typ, den Dilettanten, ins Spiel zu bringen.
Dass Worte lügen, ist nicht erst seit Nietzsche ein Thema in Philosophie und Literatur. Dabei gibt es ganz grundlegend zwei Tendenzen in der Sprachreflexion auszumachen: Platon und in neuerer Zeit Edmund Husserl beispielsweise gehen davon aus, dass die Dinge, die durch Worte ausgedrückt werden, wirklich bereits existieren. Eine viel skeptischere Position nimmt Wilhelm von Humboldt ein, der sich fragt, ob die Welt sich überhaupt erst durch unsere Sprache konstituiert.
Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe und Jean Paul, sie alle stecken in der Zwickmühle. Von Beruf Wortkünstler, befinden sie sich doch in ständiger Skepsis gegenüber eben diesem unzuverlässigen Wort.
In der Moderne erfährt diese Diskussion, angetrieben durch die neuen Herausforderungen einer immer perspektivenreicheren aber auch immer überreizteren verfallenden Welt, erneut Aufwind durch
Friedrich Nietzsche, Fritz Mauthner, Ludwig Wittgenstein und rezeptiv Hugo von Hofmannsthal. Berühmt und stellvertretend ist Hofmannsthals fiktiver Brief eines Lord Chandos an Francis Bacon, der die Krise der Poesie und der Dichter beschreibt
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Nietzsches Sprachkritik und seine zwei Menschentypen
- 3. Die Erzählung Enttäuschung von Thomas Mann
- 4. Reminiszenzen an Nietzsche
- 4.1 Der Erzähler, der intuitive Mensch
- 4.2 Die Figur des Unbekannten, der vernünftige Mensch
- 4.3 Der Dilettantismus des Unbekannten
- 4.4 Der Erzähler...ein Lügner?
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Analyse der Erzählung „Enttäuschung“ von Thomas Mann im Hinblick auf Nietzsches Sprachkritik. Sie untersucht, wie die beiden von Nietzsche beschriebenen Menschentypen – der vernünftige und der intuitive Mensch – in Manns Erzählung dargestellt werden. Zusätzlich wird der literarische Typ des Dilettanten in den Kontext der Sprachskepsis gestellt.
- Nietzsches Sprachkritik und die Unterscheidung zwischen dem vernünftigen und dem intuitiven Menschen
- Die Darstellung dieser Menschentypen in Thomas Manns „Enttäuschung“
- Die Rolle des Dilettanten im Kontext der Sprachkritik
- Die Analyse des Verhältnisses zwischen Sprache und Wirklichkeit in der Erzählung
- Die Erforschung von Analogien zwischen Nietzsches Sprachphilosophie und Manns literarischem Werk
Zusammenfassung der Kapitel
- 1. Einführung: Diese Einleitung stellt die Thematik der Hausarbeit vor, die die Auseinandersetzung mit Nietzsches Sprachkritik in Thomas Manns „Enttäuschung“ zum Gegenstand hat. Sie setzt die Diskussion über das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit in einen historischen Kontext und führt den Leser in die grundlegenden Fragestellungen ein.
- 2. Nietzsches Sprachkritik und seine zwei Menschentypen: Dieses Kapitel befasst sich mit Friedrich Nietzsches Sprachkritik, insbesondere mit seinem Aufsatz „Über Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne“. Es analysiert Nietzsches Unterscheidung zwischen dem vernünftigen und dem intuitiven Menschen, die beide mit der Problematik der Lügenhaftigkeit des Wortes konfrontiert sind.
- 3. Die Erzählung Enttäuschung von Thomas Mann: Dieses Kapitel stellt die Erzählung „Enttäuschung“ von Thomas Mann vor. Es skizziert den Inhalt der Erzählung und die zentrale Rolle der Sprachskepsis, die in ihr eine bedeutende Rolle spielt.
- 4. Reminiszenzen an Nietzsche: In diesem Kapitel werden die beiden von Nietzsche beschriebenen Menschentypen (der vernünftige und der intuitive Mensch) in den Kontext der Erzählung „Enttäuschung“ gestellt. Es werden Parallelen zwischen der Figur des Unbekannten und dem vernünftigen Typ sowie zwischen dem Erzähler und dem intuitiven Typ gezogen. Weiterhin wird die Figur des Dilettanten als ein weiterer literarischer Typ im Kontext der Sprachkritik behandelt.
Schlüsselwörter
Nietzsche, Sprachkritik, Sprachskepsis, Thomas Mann, Enttäuschung, Vernunft, Intuition, Dilettantismus, Sprache, Wirklichkeit, Wahrheit, Lüge, Metapher, Erzählung, Figur, Analyse, Literatur, Philosophie.
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- Johanna Schultze (Author), 2018, Die Zuverlässigkeit der Worte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/495111