Niklas Luhmann, einer der wichtigsten deutschen Sozialtheoretiker des 20. Jahrhunderts, kritisierte an bisherigen soziologischen Ansätzen, dass sie nur Ausschnitte der Welt im Blickpunkt hätten, somit also nicht umfassend genug einsetzbar wären. [Kneer/Nassehi, S. 5.] In seinem wichtigsten Werk von 1984 "Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie" versucht er solch einen universal geltenden Ansatz zu finden. Seine Theorie der sozialen Systeme hat den Anspruch, "...jeden möglichen sozialen Kontakt, d.h. den gesamten Gegenstandsbereich der Soziologie mit Hilfe des Begriffsinstrumentariums der Theorie sozialer Systeme beschreibbar zu machen." [Kneer/Nassehi, S. 7.]
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den für die Kommunikationswissenschaft relevanten Aspekten der Luhmannschen Systemtheorie, zum einen mit dem ihr zugrunde liegenden Kommunikationsbegriff, der eine zentrale Rolle in der Systemtheorie einnimmt und sich von dem verbreiteten Kommunikationsverständnis als Verständigungsprozess zwischen Individuen bzw. als Übermittlungsprozess einer Botschaft, wie bei Roland Burkart formuliert, unterscheidet. Des Weiteren wird auf die Rolle der Massenmedien in der Gesellschaft eingegangen, so wie Luhmann sie in seinem 1996 veröffentlichten Werk "Die Realität der Massenmedien" benennt. Darüber hinaus gibt die Hausarbeit einen Einblick in die Grundbegriffe der Systemtheorie, so wie Luhmann sie formuliert hat. Dies dient vor allem dazu, die zentrale Bedeutung des Begriffs Kommunikation für Luhmann innerhalb der Theorie deutlich zu machen und die Funktionsweise und Bedeutung des Funktionssystems Massenmedien innerhalb der Systemtheorie einordnen zu können. Eine vollständige Darstellung kann in dieser Hausarbeit aber nicht gegeben werden. Die Hausarbeit stellt sich also folgende Fragen: Was bedeutet Kommunikation für Niklas Luhmann und wie funktioniert sie? Welche Funktionsweise hat das System der Massenmedien und welche Aufgaben erfüllt es?
Luhmanns Systemtheorie stützt sich auf frühere systemtheoretische Ansätze und Begrifflichkeiten, die er weiterentwickelt und ausdifferenziert hat, erwähnt seien da insbesondere Ludwig van Bertalanffy und Talcott Parsons. Da die Grundlagen für Luhmanns Theorie für diese Arbeit aber nicht von Bedeutung sind, wird auf sie nicht weiter eingegangen. Die verwendete Literatur ist im Literaturverzeichnis aufgeführt. Besonders wichtig für die Recherche war der Einführungsband zu Luhmann von Georg Kneer und Armin Nassehi.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Einführendes in die Systemtheorie
3. Luhmanns Kommunikationsbegriff
4. Das soziale Funktionssystem Massenmedien
4.1. Nähere Bestimmung des Begriffs „Massenmedien“ und Besonderheiten des Systems
4.2. Funktionen
5. Bezug auf die Kommunikationswissenschaften und Schluss
6. Literatur
1. Einleitung
Niklas Luhmann, einer der wichtigsten deutschen Sozialtheoretiker des 20. Jahrhunderts, kritisierte an bisherigen soziologischen Ansätzen, dass sie nur Ausschnitte der Welt im Blickpunkt hätten, somit also nicht umfassend genug einsetzbar wären.[1] In seinem wichtigsten Werk von 1984 „Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie“ versucht er solch einen universal geltenden Ansatz zu finden. Seine Theorie der sozialen Systeme hat den Anspruch, „...jeden möglichen sozialen Kontakt, d.h. den gesamten Gegenstandsbereich der Soziologie mit Hilfe des Begriffsinstrumentariums der Theorie sozialer Systeme beschreibbar zu machen.“[2]
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit den für die Kommunikationswissenschaft relevanten Aspekten der Luhmannschen Systemtheorie, zum einen mit dem ihr zugrunde liegenden Kommunikationsbegriff, der eine zentrale Rolle in der Systemtheorie einnimmt und sich von dem verbreiteten Kommunikationsverständnis als Verständigungsprozess zwischen Individuen bzw. als Übermittlungsprozess einer Botschaft, wie bei Roland Burkart formuliert, unterscheidet. Desweiteren wird auf die Rolle der Massenmedien in der Gesellschaft eingegangen, so wie Luhmann sie in seinem 1996 veröffentlichten Werk „Die Realität der Massenmedien“ benennt. Darüber hinaus gibt die Hausarbeit einen Einblick in die Grundbegriffe der Systemtheorie, so wie Luhmann sie formuliert hat. Dies dient vor allem dazu, die zentrale Bedeutung des Begriffs Kommunikation für Luhmann innerhalb der Theorie deutlich zu machen und die Funktionsweise und Bedeutung des Funktionssystems Massenmedien innerhalb der Systemtheorie einordnen zu können. Eine vollständige Darstellung kann in dieser Hausarbeit aber nicht gegeben werden.
Die Hausarbeit stellt sich also folgende Fragen: Was bedeutet Kommunikation für Niklas Luhmann und wie funktioniert sie? Welche Funktionsweise hat das System der Massenmedien und welche Aufgaben erfüllt es?
Luhmanns Systemtheorie stützt sich auf frühere systemtheoretische Ansätze und Begrifflichkeiten, die er weiterentwickelt und ausdifferenziert hat, erwähnt seien da insbesondere Ludwig van Bertalanffy und Talcott Parsons. Da die Grundlagen für Luhmanns Theorie für diese Arbeit aber nicht von Bedeutung sind, wird auf sie nicht weiter eingegangen.
Die verwendete Literatur ist im Literaturverzeichnis aufgeführt. Besonders wichtig für die Recherche war der Einführungsband zu Luhmann von Georg Kneer und Armin Nassehi.
2. Einführendes in die Systemtheorie
Der Begriff System im Sinne der Systemtheorie bezeichnet etwas aus Einzelelementen Zusammengesetztes, das mehr ist als die Summe seiner Teile (Prinzip der Emergenz). Ein System ist also keine reine Addition von Einzelelementen, sondern geht darüber hinaus, da die Teile des Systems miteinander in Beziehung stehen.
Für ein System ist jeweils alles, was nicht zum System gehört, Umwelt. So gehört auch jedes System zur Umwelt eines anderen Systems. Die Umwelt konstituiert das System, das System besteht also nur in der Differenz zu seiner Umwelt.
Ein System ist „operativ geschlossen“[3], d.h. die im System ablaufenden Prozesse bilden einen in sich geschlossenen Kreis. Weiterhin sind Systeme nach Luhmann „selbstreferenziell“[4], d.h. alle Elemente des Systems sind aufeinander bezogen.
Luhmann unterscheidet zwischen autopoietischen Systemen, also solchen, dessen Einzelelemente sich selbst und damit das gesamte System reproduzieren, und allopoietischen Systemen, also solchen, die sich nicht selbst reproduzieren, sondern etwas Systemfremdes produzieren.
Desweiteren nennt Luhmann vier Systemtypen: biologische Systeme, also Organismen, psychische Systeme, also Bewusstseinssysteme, soziale Systeme, und Maschinen, die als einziger Systemtyp allopoietisch sind, sich also nicht selbst reproduzieren können.
Das ausschließliche Interesse Luhmanns gilt der Analyse der sozialen Systeme. Das übergeordnete soziale System Gesellschaft setzt sich nach seiner Theorie aus neun sozialen Funktionssystemen zusammen: dem Wirtschaftssystem, dem Politiksystem, dem Religionssystem, dem Rechtssystem, dem Wissenschaftssystem, dem Kunstsystem, dem Erziehungssystem, dem Familien- bzw. Intimbeziehungssystem und dem System der Massenmedien.
Jedes dieser Funktionssysteme kann in verschiedene Ebenen bzw. Untersysteme differenziert werden. Luhmann nennt die Interaktionsebene als unterste, kleinste Ebene. Interaktionssysteme sind überall dort, wo anwesende, sich gegenseitig wahrnehmende Personen kommunizieren[5], beispielsweise die anwesenden Personen in einer Redaktion. Alle Kommunikationen der dort Anwesenden gehören zu diesem Interaktionssystem, alles andere gehört zur Umwelt des Systems. Interaktionssysteme lösen sich auf, sobald keine Kommunikationen zwischen den Anwesenden mehr stattfinden.
Die Organisationsebene ist der darauf folgende Differenzierungsgrad sozialer Systeme. Organisationssysteme sind überall dort in der Gesellschaft, wo Organisationen bestehen und die Mitgliedschaft in dieser mit Bedingungen verbunden ist. Beispiele dafür wären Universitäten, Gewerkschaften oder Parteien. Ein Organisationssystem umfasst nicht nur die gerade anwesenden, sondern auch alle momentan abwesenden Mitglieder des Organisationssystems. Die Mitgliedschaft in der Organisation ist an bestimmte Verhaltensnormen- und weisen gebunden. Dadurch werden die Mitglieder des Systems für sich selbst und auch für ihre Umwelt berechenbarer. Diese Eigenschaft von Organisationssystemen ist eng an eine der Grundfunktionen sozialer Systeme überhaupt gebunden: der Reduktion von Komplexität. Der Begriff Komplexität meint „...die Gesamtheit der möglichen Ereignisse und Zustände: etwas ist komplex, wenn es mindestens zwei Zustände annehmen kann.“[6] Die Gesamtheit aller möglichen Ereignisse nennt Luhmann die Weltkomplexität. Für das menschliche Bewusstsein ist diese nicht zu erfassen, es ist in einem ständigen Zustand der Überforderung und daher auf die Reduktion von Komplexität angewiesen. Soziale Systeme erfüllen diese Funktion, indem sie innerhalb des Systems Möglichkeiten ausschließen. Ein Beispiel dafür wäre das Interaktionssystem Restaurantbesuch. Das Eintreten bestimmter Ereignisse ist zu erwarten, beispielsweise das Aufnehmen der Bestellung durch einen Kellner, andere sind nahezu ausgeschlossen, beispielsweise die Aufforderung, die Küche zu putzen. So ist eine bessere Orientierung für das menschliche Bewusstsein möglich.
Alle sozialen Funktionssysteme sind im Gesellschaftssystem enthalten, es ist ihnen übergeordnet. Das Gesellschaftssystem ist somit auch Teil eines jeden Funktionssystems. Gesellschaft grenzt sich über Kommunikation von ihrer Umwelt ab, d.h. da wo Kommunikation aufhört, ist keine Gesellschaft mehr. Diese Definition von Gesellschaft verdeutlicht, dass Luhmann von einem Weltgesellschaftssystem ausgeht und nicht von Einzelgesellschaften, da Kommunikation auch über Ländergrenzen und Kontinente hinweg stattfindet.
Laut Luhmanns Theorie sind die Funktionssysteme aus der Notwendigkeit ihrer Entstehung heraus entstanden. Das System Recht beispielsweise hat sich aus der Gesellschaft als eigenes System herausdifferenziert, als es einen Bedarf nach verbindlicher Rechtsprechung gab. Die Funktionssysteme der Gesellschaft erfüllen also eine spezifische, grundlegende Aufgabe für die Gesellschaft und organisieren das Zusammenleben. Die Funktion des Systems Politik zum Beispiel ist das Herstellen allgemein verbindlicher Entscheidungen. Das Wissenschaftssystem hat die Aufgabe, Erkenntnisse über die Wirklichkeit zu gewinnen. Das Wirtschaftssystem soll Güter verteilen und das Rechtssystem soll Rechtsnormen formulieren und sichern.[7]
[...]
[1] Kneer/Nassehi, S. 5.
[2] Kneer/Nassehi, S. 7.
[3] Weber, Stefan, S. 205
[4] Weber, Stefan, S. 205
[5] Auf die Bedeutung des Begriffs „Kommunikation“ wird in Kapitel 3 gesondert eingegangen.
[6] Kneer/Nassehi, S. 40.
[7] Vgl. Becker/Reinhardt-Becker, S. 36.
- Arbeit zitieren
- Anja Riedeberger (Autor:in), 2005, Der Kommunikationsbegriff Niklas Luhmanns und das soziale Funktionssystem der Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49322
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