Die Demokratie gilt seit den totalitären Infernos faschistischer und kommunistischer Prägung im 20. Jahrhundert in weiten Teilen der Welt als beste Regierungsform, die wir kennen. In der Praxis demokratischen Regierens stellt dabei das Mehrheitsprinzip eine wichtige Entscheidungsregel dar; dennoch ist Demokratie mit dem Prinzip der Mehrheitsherrschaft allein nicht ausreichend beschrieben. Heutzutage zeigt sich demokratische Herrschaft häufig als ein Wechselspiel zwischen dem Mehrheitsprinzip, Schutz von Minderheitsrechten und grundlegenden Individualrechten.
Ein Defizit der Demokratie - die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit - soll in dieser Arbeit näher untersucht werden. Dabei wird auf die Demokratietheoretiker Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill Bezug genommen, die sich bereits im 19. Jahrhundert mit diesem Strukturproblem der Demokratie auseinandergesetzt haben.
Wie lässt sich die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit nach Tocqueville und Mill begrenzen? In dieser Arbeit als Forschungsfrage formuliert, lässt sich deren Relevanz daran ermessen, dass in demokratischen Entscheidungsprozessen häufig der Vorwurf erhoben wird, die Überhöhung des Mehrheitsprinzips leiste sozialem Konformismus Vorschub. Und schließlich: "Die Demokratie ist - wie kaum ein anderes politisches System - anfällig für gesellschaftliche Polarisierung sowie für Destabilisierung infolge von Komplexitätssteigerungen" (Mannewitz 2018a, S. 19).
Im Rahmen dieser Hausarbeit wird zunächst der Begriff der Tyrannei der Mehrheit in Anlehnung an Sartori definiert; er stellt diese Demokratieschwäche im Zusammenhang mit der Verfassung, mit Wahlen und mit der Gesellschaft dar und betrachtet in diesen drei Kontexten die Beziehung zwischen Mehrheit und Minderheit. Tocquevilles Analyse der Mehrheitstyrannei in "Über die Demokratie in Amerika" wird in Kapitel 3 beschrieben, bevor im Anschluss seine vielfältigen Präventionsideen gegenüber diesem strukturellen Funktionsproblem zusammengefasst werden. Es schließen sich Mills Ausführungen zur Tyrannei der Mehrheit in "Über die Freiheit" an, die in Kapitel 5 vorgestellt werden; erkennbar ist eine inhaltliche Nähe zu Tocquevilles Überlegungen.
Die ergänzende Beantwortung der Forschungsfrage erfolgt im letzten Kapitel des Hauptteils; hier werden Mills Vorschläge zur Begrenzung der Gefahr der Tyrannei aus "Betrachtungen über die repräsentative Demokratie" erläutert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Bedeutung des Begriffs der Tyrannei der Mehrheit
- Alexis de Tocquevilles Erkenntnisse über die Mehrheitstyrannei in „Über die Demokratie in Amerika“
- Tocquevilles Präventionsideen
- John Stuart Mills Sicht auf die Tyrannei der Mehrheit in „Über die Freiheit“
- Mills Vorschläge zur Begrenzung der Mehrheitstyrannei in „Betrachtungen über die repräsentative Demokratie“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit in der Demokratie, wobei sich die Analyse auf die Demokratietheoretiker Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill konzentriert. Die Arbeit analysiert, wie diese beiden Denker die Bedrohung durch eine übermächtige Mehrheit in demokratischen Gesellschaften wahrgenommen haben und welche Strategien sie zur Begrenzung dieser Gefahr vorschlagen.
- Definition und Bedeutung der Tyrannei der Mehrheit
- Tocquevilles Analyse der Mehrheitstyrannei und seine Präventionsideen
- Mills Sicht auf die Tyrannei der Mehrheit und seine Lösungsansätze
- Die Relevanz der Thematik für aktuelle demokratische Gesellschaften
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in die Thematik der Tyrannei der Mehrheit ein und stellt die Relevanz des Themas für die Demokratie im 21. Jahrhundert dar. Dabei wird die Bedeutung des Mehrheitsprinzips in demokratischen Entscheidungsprozessen erläutert und die Problematik der Überhöhung dieses Prinzips im Hinblick auf die Gefahr der Tyrannei der Mehrheit aufgezeigt.
Die Bedeutung des Begriffs der Tyrannei der Mehrheit
Dieses Kapitel definiert den Begriff der Tyrannei der Mehrheit und analysiert, wie er sich in verschiedenen Kontexten der Demokratie, wie etwa in der Verfassung, bei Wahlen und im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, äußert. Dabei wird die Bedeutung des Minderheitenschutzes und die Frage, wie der Wille der Mehrheit mit den Rechten der Minderheit in Einklang gebracht werden kann, diskutiert.
Alexis de Tocquevilles Erkenntnisse über die Mehrheitstyrannei in „Über die Demokratie in Amerika“
Hier wird Tocquevilles Analyse der Mehrheitstyrannei in seinem Werk „Über die Demokratie in Amerika“ vorgestellt. Das Kapitel beschreibt, wie Tocqueville die Entstehung der Tyrannei der Mehrheit in den Vereinigten Staaten beobachtet hat und wie er diese Gefahr im Kontext der demokratischen Gesellschaftsordnung sah. Besonderes Augenmerk wird auf Tocquevilles Analyse der sozialen Konformität und der Gefahr der geistigen Tyrannei gelegt.
John Stuart Mills Sicht auf die Tyrannei der Mehrheit in „Über die Freiheit“
Dieses Kapitel befasst sich mit Mills Analyse der Tyrannei der Mehrheit in seinem Werk „Über die Freiheit“. Dabei wird Mills Kritik an der Übermacht der öffentlichen Meinung und seine Forderung nach Schutz der individuellen Freiheit vor Einmischung der Gesellschaft dargestellt. Das Kapitel beleuchtet insbesondere Mills Überlegungen zur Bedeutung der Meinungsfreiheit und des Widerstands gegen die Tyrannei der Mehrheit.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselbegriffe, die im Kontext der Tyrannei der Mehrheit relevant sind, sind: Demokratie, Mehrheitsprinzip, Minderheitenschutz, Tyrannei der Mehrheit, soziale Konformität, individuelle Freiheit, Meinungsfreiheit, politische Partizipation, gesellschaftliche Kontrolle.
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- Markus Lüske (Author), 2019, Wie lässt sich die Mehrheitstyrannei nach Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill begrenzen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492831