In der folgenden Masterarbeit sollen die Thesen Foucaults über eine Ontologie der Sprache in der modernen Literatur bezüglich der Entstehung seiner Diskursanalyse geprüft und diesbezüglich kritisch mit seinen späteren, philosophischen Ausführungen verglichen werden. Zudem soll das literarische Konzept Foucaults im Hinblick auf den ontologischen Status der Sprache untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Freiheit des Subjekts mit der Ontologie der Sprache
2.1 Tod des Autors und Raum der Sprache
2.2 Die Abschaffung des Repräsentationsmodells
2.3 Die Freiheit des Subjekts in der modernen Literatur
2.4 Die Trennung von Welt und Denken
3. Moderne Literatur als Möglichkeit zur Schaffung eines außerdiskursiven Raums
3.1 Raymond Roussel „Parmi les Noirs“
3.2 Die Identität der Sprache bei Roussel
3.3 Jorge Luis Borges „Die Bibliothek von Babel“
3.4 Identisches Sprechen und Nicht - Identisches Sprechen bei Borges
4. Die reine Ordnung des Seins in Verbindung mit der Ordnung der Sprache
4.1 „Früher Foucault“ und „Später Foucault“
4.2 Zeitgenössische Kritiker Foucaults
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Disziplin der Ontologie entwickelte sich vor allem mit den philosophischen Untersuchungen Martin Heideggers zu einem neuen Verständnis gegenüber der ursprünglichen und antiken Seinslehre, die als sogenannte „erste Philosophie“ hauptsächlich einen primären Grund im Sein des Menschen suchte.1 Die Trennung von Sein und Seienden, die Heidegger in den 1930er Jahren untersuchte, spricht sich nicht für spezifische Seins - Kategorien, sondern für ein wechselseitiges, ontologisches Feld aus, in dem sich das Dasein stetig zu sich selbst und zum Sein verhält.2 Heidegger fordert, nicht mit subjektiven Begriffen und aus der Perspektive des Menschen, sondern stattdessen vom reinen Sein aus zu denken.3 Diese Theorie dürfte auch den französischen Philosophen und Poststrukturalisten Michel Foucault zu seinen frühen Thesen bezüglich einer Ontologie der Sprache angeregt haben:4
Ich frage mich, ob man nicht ausgehend von diesen Phänomenen einer Selbstrepräsentation der Sprache eine Ontologie der Literatur schreiben oder zumindest von ferne umreißen könnte; ausgehend von solchen Figuren, die offenbar zum Bereich der List oder der Belustigung gehören, und die den Bezug, den die Sprache zum Tod unterhält, verbergen, das heißt verraten ‑ Bezug der Sprache zu jener Grenze, an die sie sich richtet und gegen die sie errichtet wird.5
Diese Grenze, von der Foucault in den „Schriften zur Literatur“ spricht und an welcher sich die Sprache befindet, bezieht sich zum einen auf die diskursive Ordnung, die die Sprache in ihrer Regelhaftigkeit hervorbringt und zum anderen auf die Möglichkeit zur Überwindung dieser diskursiven Ordnung. Mit dieser Überschreitungsmöglichkeit der Sprache definiert Foucault den Begriff „Grenze“, der die Unendlichkeit der Sprache mit der Endlichkeit des Subjekts verbindet.6 Der ontologische Status der Sprache wird zu einem zentralen Ausgangspunkt für Foucaults spätere Diskursanalyse, an den er jedoch in seinen späteren Ausführungen nicht mehr eindeutig anschließen wird. Bereits 1977 schreibt Foucault in „Das Leben der infamen Menschen“: „Die Literatur bildet also einen Teil dieses großen Zwangssystems, wodurch das Abendland das Alltägliche genötigt hat, sich zu diskursivieren; […].“7 Die Diskursanalyse bedeutet für Foucault die Enthüllung der unbewusst entwickelten Ordnungsfunktionen, die für Bedeutung und Sinn, für die Möglichkeiten der Wahrnehmung sowie das Sagbare und Machbare in unserer Welt verantwortlich sind.8 Der ontologische Status der Sprache wird von einer anfänglich freistehenden Schlüsselfunktion in Foucaults Philosophie später zu einem Teilbereich seiner Diskursanalyse degradiert, welcher der Macht zwar immer untersteht, sie durch ihre eigenen Ordnungsstrukturen aber jederzeit in Frage stellen kann. Eine ähnliche Veränderung erfährt auch der Status des Subjekts beim späten Foucault, das nicht mehr nur als diskursiv unterdrückt, sondern als möglich autonom gilt. In seinen frühen Schriften bezieht sich Foucault immer wieder deutlich auf die Ontologie der Sprache in der modernen Literatur, die er besonders in den Texten von Raymond Roussel, Stephane Mallarmé oder Jorge Luis Borges zu erkennen meint.9 Das Subjekt müsse gleichzeitig und zugunsten einer Selbstrepräsentation der Sprache in den Hintergrund treten, was Foucault in seinem Vortrag „Was ist ein Autor?“ im Jahr 1969 am Collège de France erläutert.10 Seine wachsende Kritik an den traditionellen, hermeneutischen Analysen der Literaturwissenschaft sowie der Philosophie wird dabei immer deutlicher. In seiner gleichnamigen Monographie von 1963 beschäftigt sich Foucault bereits ausführlich mit den Sprachkonstruktionen Raymond Roussels, die sich auf die diskursiven Spiegelstrukturen der sprachlichen Zeichen gründet und die gleichzeitig durch den Verweis auf ihre eigene Beschränktheit dem alltäglichen Sprachgebrauch im Diskurs entfliehen kann. Das diskursiv unterdrückte Subjekt kann die Ordnung des Diskurses mit der modernen Literatur aus einem anderen Blickwinkel heraus betrachten. Des Weiteren bezieht sich Foucault in „Die Ordnung der Dinge“, die er im Jahr 1966 verfasste, auch auf die Texte des argentinischen Autors Jorge Luis Borges, die für ihn die reine Ordnung der Sprache offenbaren.11 Der Literaturwissenschaftler Achim Geisenhanslüke hat dahingehend die Möglichkeit der Entstehung eines außerdiskursiven Raums in der modernen Literatur in Betracht gezogen, was Foucault in seiner Theorie immer nur angedeutet, aber nie ausgeführt hat. In der folgenden Masterarbeit sollen die Thesen Foucaults über eine Ontologie der Sprache in der modernen Literatur bezüglich der Entstehung seiner Diskursanalyse geprüft und diesbezüglich kritisch mit seinen späteren, philosophischen Ausführungen verglichen werden. Zudem soll das literarische Konzept Foucaults im Hinblick auf den ontologischen Status der Sprache untersucht werden.
2. Freiheit des Subjekts mit der Ontologie der Sprache
2.1 Tod des Autors und Raum der Sprache
Für Foucault bedeutet die Sprache mehr als ihre bloße Abhängigkeit von den Bedeutungen, die ihr durch das Subjekt im Diskurs zugewiesen werden. Ihm geht es stattdessen um die Entstehung des Raums, den Literatur innerhalb des Diskurses
Nicht deshalb ist der Raum in der heutigen Sprache die bedrängendste aller Metaphern, weil man von nun an nur noch auf ihn zurückgreifen kann, sondern weil sich die Sprache von Anbeginn im Raum entfaltet, sich in ihn hineinschiebt, in ihm ihre Wahlen trifft, ihre Figuren und ihre Übertragungen entwirft.12
Sprache habe demnach eine eigene, räumliche Ordnungsstruktur, die der Existenz des Subjekts in der realen Welt vorausgeht und für sich selbst steht.13 Sie verweist in der modernen Literatur stetig auf ihr eigenes Sein in einem Raum, der nicht den diskursiven Ordnungsstrukturen untersteht. Diesen ursprünglichen, ontologischen Status der Sprache gilt es, für Foucault, im Hinblick auf die epistemischen Veränderungen einer diskontinuierlichen Historizität herauszuarbeiten und damit dem Subjekt einen sichtbaren Hinweis auf ihre eigene Ordnung zu geben. Die Freiheit des Subjekts verknüpft Michel Foucault zu Beginn seiner Diskursanalyse eng mit dem ontologischen Status der Sprache in der modernen Literatur. Das Verschwinden der Autorfigur ist dabei ein wichtiger Punkt, um den Raum der Sprache im Diskurs sichtbar machen zu können: „[…] die Beziehung des Schreibens zum Tod zeigt sich auch im Verblassen der individuellen Züge des schreibenden Subjekts.“14 Den Ausgangspunkt von Foucaults Diskursanalyse bildet dahingehend nicht das erkennende Subjekt, sondern der Diskurs selbst, der einen Raum bildet, in dem sich das Subjekt auf eine gewisse Art und Weise in Position bringt.15 Um ein besseres Verständnis von der Entwicklung des Raums der Sprache und dem Begriff des Subjekts bei Foucault zu bekommen, lohnt sich der Blick in eines seiner frühen Werke. In „Wahnsinn und Gesellschaft“ schreibt Foucault 1961 vom Wahnsinn, als dem anderen Teil der Vernunft:
Nicht von der multiplen Erfahrung des Wahnsinnigen ausgehend rekonstruiert aber das achtzehnte Jahrhundert den Wahnsinn, sondern ausgehend von der Logik und der Natur der Krankheit, von einem Feld der Rationalität.16
Die Trennung von Wahnsinn und Vernunft beginnt demnach mit den erkenntnistheoretischen Ansätzen René Descartes‘, die das moderne Erkenntnissubjekt erst entwickelt haben.17 Die Entstehung des Wahnsinns und der damit verbundene, gesellschaftliche Umgang interessieren Foucault nicht aus der pathologischen Sichtweise des Subjekts heraus, sondern er legt das Hauptaugenmerk seiner Analyse auf die diskursive Einordnung des Wahnsinns, der zunehmend als gesellschaftliche Krankheit anerkannt wurde: „Dies ist der neue Raum, in den der Wahnsinn sich als Krankheit jetzt einordnen muß.“18 Die scheinbar wahnsinnigen Subjekte werden durch die scheinbar nicht - wahnsinnigen Subjekte in einen pathologischen Diskurs eingeordnet, da die wahnsinnigen Subjekte in Abgrenzung zum Vernunftsubjekt als unmündig und krank gelten. Durch die Einstufung des Wahnsinnigen als einen unvernünftig denkenden und handelnden Menschen, kann sich der scheinbar vernünftig denkende Mensch positiv abgrenzen und sich selbst als nicht - wahnsinnig in den vernünftigen Diskurs einordnen. Doch wer darf bestimmten, was oder wer vernünftig ist und was oder wer nicht? Dieser Frage geht Foucault nach und entwickelt dabei auch den Gedanken einer ausgeschlossenen Sprache, die die Sprache der Unvernunft ist. Der Wahnsinn als das Gegenteil der Vernunft, wie es nach Foucault gegen Ende des 18. Jahrhunderts proklamiert wurde, kann angelehnt werden an Foucaults nachfolgenden Gedanken über die Entstehung einer Sprache im Wahn, die durch die jeweilige diskursive Ordnung zwar ausgegrenzt wird, aber dennoch wahr ist, weil sie existiert.19 Der Wahnsinn ist ein Teil der Gesellschaft und damit ist er auch eine existenzielle Wahrheit. Die Wahrheit des klassischen Zeitalters begründete sich aber auf subjektive Annahmen, die schlichtweg in dieser Zeit nicht anders geglaubt oder angesehen werden konnten.20 Foucault betrachtet den Wahnsinn dagegen als etwas zeitlos Gegebenes, mit dem zu unterschiedlichen Zeiten auf verschiedene Art und Weise umgegangen wird. Der Begriff des Wahnsinns, der durch die Zeiten und besonders im klassischen Zeitalter diskursiv geprägt wurde, implizierte dabei aber nicht die Irren selbst, sondern er implizierte eine reine diskursive Ordnungsfunktion, in der die anderen Menschen, die nicht im Sinn der Vernunft unter den jeweiligen politischen Umständen leben konnten und durften, ausgegrenzt und weggesperrt wurden.21 Foucaults Interesse gilt fortlaufend dem Wahn, als eine zeitlose Krankheit, als ein diskursives Feld, das durch spezifische diskursive sowie nicht - diskursive Praktiken hervorgebracht wurde.22 Die Einstufung des Wahnsinns als Krankheit bedeutete im 18. Jahrhundert gleichzeitig dessen Definition, als eine Abzweigung von der Vernunft und nicht etwa als gänzliche Unvernunft, wie es im Diskurs des Mittelalters der Fall war.23 Die Sprache des Wahnsinnigen existierte in einem eigenen Raum oder einem sogenannten „Nicht - Raum“24 außerhalb der Gesellschaft, der mit eigenen Codes ausgestattet war und der abgegrenzt von der Sprache der Vernunft existierte. Foucault verdeutlicht mit seiner Untersuchung über den Wahnsinn die Verschiedenheit der Sprache und gibt einen sichtbaren Verweis auf ihre Identitäten. Der Nicht - Wahnsinnige und Vernunft - Sprechende versteht die Sprache des Wahnsinnigen nicht, da sie mit einer für ihn fremden Ordnungsstruktur funktioniert, die ihm aufgrund ihrer eigenen Regelhaftigkeit nicht logisch erscheint. Hierbei erfährt die Sprache des Wahns jedoch einen Moment der Freiheit, da die sprachlichen Zeichen für sich selbst stehen können, ohne dass eine diskursive Bedeutung dahinter erwartet wird. Es ist erkennbar, dass es in den Diskursen nicht nur die eine, sondern verschiedene Sprachen gibt, die alle mit eigenen Zeichensystemen und eigenen Regelcodes ausgestattet sind. Die Sprache des Wahns ist zudem keine allgemeine Sprache aller Wahnsinnigen, denn jeder Wahnsinnige bedient sich einer eigenen Sprache mit eigenen Codes. Das Ausschlusskriterium für die Sprache des Wahns liegt in ihrer generellen Unverständlichkeit und in ihrer Minderheit gegenüber der Vernunftsprache, die wiederum von der Mehrheit der Gesellschaft im Diskurs gesprochen wird und zur Kommunikation mit anderen Individuen benötigt wird. Doch mit dem Ausschluss des Wahnsinns aus der Gesellschaft ist kein Ausschluss aus dem Diskurs erfolgt. Die Sprache des Wahns hat für Foucault sogar eine sprachliche Manifestation in der modernen Literatur gefunden, da auch die Texte Roussels, Mallarmes oder Borges‘ für das rezipierende Subjekt zunächst keinen inhaltlichen Sinn ergeben.25 Sie scheinen für den Rezipienten nicht logisch zu sein und dennoch verweisen sie ständig auf ihre eigene Regelhaftigkeit respektive Ordnungsstrukturen, wie die Sprache des Wahns. Die Sprache des Wahns ist eine diskursiv ausgeschlossene Sprache, ebenso wie die wahnsinnigen Subjekte aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Betrachtet man die Sprache des Wahns aus einer möglichst objektiven Perspektive, so wie es Foucault in seinen literarischen Untersuchungen vollzieht, erkennt man eine Veränderung: „Mit dem Eintritt in einen anderen Bereich der ausgeschlossenen Sprache […] löst der Wahnsinn seine […] Verwandtschaft mit der Geisteskrankheit.“26 Die moderne Literatur wird für Foucault demnach zu einem Ort der ausgeschlossenen Sprache, an dem auch die Sprache des Wahns einen Platz in ihrem Sein findet. Doch um die Ontologie der Sprache zu begreifen, bedarf es eines Denkens, das sich von allen inneren Strukturen des Subjekts in ein außerdiskursives Denken wandelt. Nur auf diese Weise kann das Andere der Vernunft oder das Außen des Diskurses, worin der bedeutungsleere Raum der Sprache liegt, erkannt werden, wie auch der französische Philosoph Gilles Deleuze schreibt:
Denken heißt, ins Nicht - Geschichtete gelangen. Sehen ist Denken, Sprechen ist Denken, das Denken jedoch vollzieht sich im Zwischenraum, in der Disjunktion von Sehen und Sprechen. Dies ist die zweite Begegnung Foucaults mit Blanchot: Denken gehört zum Außen, soweit dieses als >>abstrakter Sturm<<27 durch den Spalt zwischen dem Sehen und dem Sprechen dringt.28
Die Schichten, die bei Deleuze die historischen und brüchigen Epistemverläufe des Diskurses meinen, müssen vom subjektiven Denken getrennt werden, damit die Sprache, die das Denken permanent mitsteuert und deshalb auch eingrenzt, zu ihrer ontologischen Form gelangen kann. Das denkende Subjekt muss sich, Foucault zufolge, zugunsten der Kräfte des Außen und der Ontologie der Sprache von seinem subjektiven, inneren Denken lösen, das wiederum nur ein verzerrtes Abbild des Denkens des Außen darstellt. Denn das Außen bestimmt das Innen des Subjekts, wodurch es überhaupt erst die Möglichkeit hat, das Außen des Diskurses zu denken.29 Zunächst geht es Foucault aber um den theoretischen Entwurf eines Denkens, das in der Lage ist, sich das Außen des Diskurses vorzustellen und somit als ein Denken des Anderen im Diskurs zu existieren. In „Das Denken des Außen“, das Foucault fünf Jahre nach „Wahnsinn und Gesellschaft“ verfasste, bezieht er sich schließlich genauer auf das sogenannte Andere der Vernunft, das er zuvor dem Wahnsinn und der Sprache des Wahns zuschrieb.30 Während der Wahnsinn im 18. Jahrhundert als eine Krankheit der „Nicht - Normalen“ verstanden wurde und bis an den Rand der Gesellschaft nach außen gedrängt wurde, beschreibt Foucault jetzt eben dieses Außen in Bezug auf das Denken des Subjekts:
Der Sprache wird ihr Sein erst im Verschwinden des Subjekts offenbar. Wie können wir dieses merkwürdige Verhältnis begreifen? Vielleicht über eine Denkweise, deren Möglichkeit sich dem abendländischen Denken erst in vagen Umrissen erschließt. Ein Denken, das sich jenseits aller Subjektivität hält, um deren Grenzen gewissermaßen von außen sichtbar zu machen, ihren Zweck zu benennen, ihre Zerstreuung aufzuzeigen und nur ihre unaufhebbare Abwesenheit festzustellen. […] Und genau dieses Denken hinsichtlich der Innerlichkeit unserer philosophischen Reflexion und der Tatsachenorientierung unseres Wissens könnte man mit einem Wort als das >> Denken des Außen<<31 bezeichnen.32
Hier deutet Foucault erstmals die Subversion des Subjekts zugunsten der Ontologie der Sprache an, die er später in seinem Vortrag „Was ist ein Autor?“ noch in einen epistemischen Ereigniszusammenhang stellen wird. Das Denken des Außen stellt für Foucault einen Raum außerhalb der diskursiven Ordnung dar, der nur durch die Subversion des Subjekts erahnt werden kann. In diesem Raum lösen sich alle bisherigen Sprachstrukturen auf, was bedeutet, dass die gleichzeitige Subjekt - und Objekthaftigkeit des Subjekts beim Sprechen aufgesprengt und das Fundament des reinen Sprechens im Diskurs offenbart wird. Der Begriff des Denkens impliziert bei Foucault gleichzeitig die Möglichkeit eines Denkens des Außen und Innen des Diskurses, das der Individualität des Subjekts stets vorausgeht. Doch was bedeutet für Foucault der Begriff des Subjekts, wenn er die Individualität des Subjekts hinsichtlich eines Denkens des Außen in den Hintergrund stellt? Foucault unterscheidet zwischen dem Disziplinarindividuum, das durch die Mechanismen der Disziplin erzeugt wird sowie der Identität des Subjekts, die sich zwangsläufig durch das subjektive Sein in der Gesellschaft entwickelt.33 Somit ist das Subjekt für Foucault zunächst kein autonom handelndes Subjekt, sondern ein Produkt der diskursiven Regelhaftigkeit, das sich in seinem Dasein bewusst von anderen Seienden in der Welt abgrenzen muss. Die Freiheit des Subjekts kann für Foucault daher nur in der Ontologie der Sprache respektive im Verschwinden des Subjekts selbst liegen, was bedeutet, dass die bisherigen Kontrollmechanismen bezüglich des subjektiven Denkens zurückgestoßen werden müssen:
Wir stehen plötzlich vor einem Abgrund, den wir lange Zeit nicht gesehen haben: Der Sprache wird ihr Sein erst im Verschwinden des Objekts offenbar. Wie können wir dieses merkwürdige Verhältnis begreifen? Vielleicht über eine Denkweise, deren Möglichkeit sich dem abendländischen Denken erst in vagen Umrissen erschließt. Ein Denken, das sich jenseits aller Subjektivität hält, um deren Grenzen gewissermaßen von außen sichtbar zu machen, ihren Zweck zu benennen, ihre Zerstreuung aufzuzeigen und nur ihre unaufhebbare Abwesenheit festzustellen.34
Die Ontologie der Sprache liegt hinter dem Abgrund, vor dem das unterworfene Subjekt steht und der nur überwunden werden könnte, durch eine neue Denkweise, die sich von dem bisherigen Dasein entfernt. Diese Entfernung versucht Foucault in seinem Vortrag „Was ist ein Autor?“ genauer zu erläutern. Hier kritisiert er die Zuschreibung eines Textes zu einem Autorsubjekt, das in der hermeneutischen Literaturwissenschaft stets der Spaltung in ein Individuum und in eine epochale Figur der Werkschöpfung unterliegt.35 Die Zuordnung eines Werks zu seinem vermeidlichen Schöpfer verdeutlicht den Konflikt der Sprache, den Foucault von außen her aufzuzeigen versucht. Die Sprache in der modernen Literatur kann und darf im Diskurs nicht für sich selbst stehen, da sie immer wieder in einen Zusammenhang mit dem Subjekt gestellt wird, das wiederum den Regelhaftigkeiten des Diskurses in seinem Denken unterstellt ist. Die Einordnung eines Werks in eine bestimmte Epoche kann mit der festen Verbindung zur Autorfigur in der Literaturwissenschaft vollzogen werden, doch Foucault beschreibt, dass eben diese Einordnung verantwortlich für den Verlust der Ontologie der Sprache ist. Mit seiner Forderung nach dem Tod des Autors ist damit nicht dessen realer Tod gemeint, sondern das Zurücktreten der subjektiven Autorfigur, die die Sprache für sich beansprucht. Der Autor, der für Foucault ein Konstrukt aus Sprache, Macht und Wissen bedeutet, wird durch verschiedene Wissensordnungen, die Foucault als Episteme kennzeichnet, hervorgebracht.36 Die Episteme stellen hierbei den Verlauf vergangener und zukünftiger Ereignisse respektive Diskurse dar, in denen auch die subjektive Figur des Autors und seine zugehörigen Funktionen kritisch zu analysieren sind. Die bedeutendste Funktion des Autors beläuft sich dabei auf die Kennzeichnung eines Epistembruchs: „Die Autor - Funktion ist also charakteristisch für die Existenz -, Zirkulations - und Funktionsweise bestimmter Diskurse innerhalb einer Gesellschaft.“37 Wie genau diese Brüche entstehen analysiert Foucault nicht weiter, ihm geht es alleine darum, die Epistembrüche sichtbar zu machen und anschließend zu untersuchen, wann sich spezifische Diskurse entwickeln. Der Tod des Autors ist für Foucault daher unabdingbar, um zu dem wahren Sein der Sprache zu gelangen, das außerhalb des Diskurses liegt und das Subjekt bestimmt. Das Sein der Sprache, das unendlich ist, trifft im sprechenden Subjekt auf ihre Endlichkeit, doch muss eben dieses Aufeinandertreffen an der Grenze zum Abgrund überwunden werden, um die Freiheit der Sprache sowie des Subjekts zu ermöglichen. Die Episteme spielen für Foucault dabei eine zentrale Rolle, da sie die diskontinuierlichen, historischen Ereignisse einer Epoche darstellen, die sich durch verschiedene, kognitive Ordnungsschemata auszeichnen.38 Um den Raum der Sprache sichtbar zu machen, der die Ontologie der Sprache beinhaltet, muss die subjektive Autorfigur deutlich in den Hintergrund treten:
Was man tun müsste, wäre, das Augenmerk auf den durch das Verschwinden des Autors leer gelassenen Raum zu richten, der Verteilung der Lücken und Bruchstellen nachzugehen und die durch dieses Verschwinden frei gewordenen Stellen und Funktionen auszuloten.39
Mit dem Verschwinden der Autorfigur kann die Wahrnehmung und das Denken auf den bedeutungsleeren Raum der Sprache gelenkt werden, in dem diese nur noch auf sich selbst verweist. Die feste Zuschreibung der sprachlichen Zeichen zu ihren jeweiligen Wortbedeutungen, die sich durch die sprechenden Subjekte im Diskurs vollzieht, verhüllt das Sein der Sprache und lässt es in den nachfolgenden Diskursen immer weiter in Vergessenheit geraten. Ähnlich wie die Sprache des Wahns muss demnach auch die Sprache in der modernen Literatur ohne eine Bindung an das sprechende Subjekt betrachtet werden: „Dies ist die Macht der Sprache: sie, die aus dem Raum gewoben ist, ruft ihn hervor, sie gibt ihn sich durch eine ursprüngliche Öffnung und nimmt ihn heraus, um ihn wieder an sich zu nehmen.“40 In diesem Raum, in dem die selbstreferentielle Sprache liegt, offenbaren sich schließlich die Ordnungsstrukturen der Sprache sowie das reine Sein der Sprache selbst. Das sprechende Subjekt muss folglich aus der diskursiven Ordnung heraustreten, um die außerdiskursive Ontologie der Sprache zu erkennen. Die moderne Literatur kann, nach Foucault, dahingehend eine Möglichkeit bieten, aus den diskursiven Ordnungsstrukturen herauszutreten.
2.2 Die Abschaffung des Repräsentationsmodells
Foucault unterscheidet in „Die Ordnung der Dinge“ die drei für ihn bedeutenden Zeitalter, die er mit einem archäologischen Blick hinsichtlich ihrer Ordnungsstrukturen betrachten will: Das Zeitalter der Renaissance, das klassische Zeitalter und die Moderne.41 Die Ordnungsstrukturen dieser Episteme, wie Foucault die diskursiven Ereignisse der Epochen nennt, sollen bezüglich ihrer diskursiven Eigenschaften untersucht werden, wozu Foucault auch den Bereich der Sprache zählt. Dabei stellt er fest, dass die Ordnungsstrukturen der Sprache im 16. Jahrhundert auf dem Prinzip der Ähnlichkeiten gründeten:
In ihrer ursprünglichen Form, als sie den Menschen von Gott gegeben wurde, war die Sprache ein absolut sicheres und wahres Zeichen der Dinge, weil sie ihnen ähnelte. Die Namen waren auf dem von ihnen Bezeichneten deponiert, wie die Kraft in den Körper des Löwen eingeschrieben ist, wie das Königtum in dem Blick des Adlers, wie der Einfluß der Planeten auf der Stirn der Menschen markiert ist: durch die Form der Ähnlichkeit.42
Der Erkenntnisbereich des Subjekts lag in der Renaissance in der direkten Analogie der Sprache und der Dinge, die sie bezeichnete. Das Zwischenglied von Signifikat und Signifikant lag im Prinzip der Ähnlichkeit als vermittelndes Drittes.43 Mit dem Beginn des klassischen Zeitalters änderte sich dieses rein äußerliche Prinzip hin zu einem sprachlichen Repräsentationsmodell. Durch die nachfolgende, subjektive Aneignung der Sprache, um sich dem jeweiligen Wissen einer Epoche zu bedienen, wurde diese zunehmend zu einem Objekt konstatiert. Die Sprache, die ursprünglich für sich selbst stehen konnte, wurde demnach immer mehr zu einem künstlichen System angelegt, das dem Menschen zur Einordnung seines Wissens in der Welt dienen muss. Diese Veränderung der Sprache über gewisse Epochen hinweg ist es, auf die Foucault in „Die Ordnung der Dinge“ sein Hauptaugenmerk legen will. Foucault wendet darin seine philosophische Sichtweise ab vom Menschen, als den zentralen Erkenntnismittelpunkt und Urheber seines Wissens und untersucht stattdessen, wann und wie die reine Ordnung der Sprache heute in Vergessenheit geraten konnte. Dabei betrachtet er die moderne, literarische Sprache als das Andere der diskursiven Sprache und verweist anhand dessen auf den Unterschied zum sprechenden Subjekt, das den diskursiven Ordnungsstrukturen untersteht. Die künstlich angelegten Ordnungsstrukturen der Sprache, die im Laufe der Zeit vom Menschen über die ursprünglichen Ordnungsstrukturen der Sprache gelegt wurden, erläutert Foucault anhand der chinesischen Enzyklopädie des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges:
Dieser Text zitiert >>eine gewisse chinesische Enzyklopädie<<44, in der es heißt, daß >>die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen<<45 46.
Mit der chinesischen Enzyklopädie von Borges zeigt Foucault in „Die Ordnung der Dinge“, dass die Sprache als ein Raum für Wortbegegnungen betrachtet werden kann, deren Sinnhaftigkeit nicht auf den ersten Blick erkennbar, jedoch auf gewisse Art und Weise nachvollziehbar ist. Die Anordnung der Tiere in dieser fiktiven Klassifikation erscheint auf den ersten Blick unlogisch und soll den Rezipienten möglicherweise sogar irritieren. Doch Foucault interessiert in seiner Untersuchung nicht der Sinn hinter den sprachlichen Zeichen, sondern, wie diese künstliche Taxonomie von Borges gedacht werden kann und auf welche diskursiven Ordnungsstrukturen dieses Denken anschließend verweist.47 Mit dem Repräsentationsmodell des klassischen Zeitalters entwickelte sich eine Manifestation des aufklärerischen Denkens in den sprachlichen Zeichen, was für die Subjekte auch in der heutigen Zeit noch nachvollziehbar ist.48 Das denkende Subjekt des klassischen Zeitalters hatte einen anderen Erkenntnismittelpunkt, als das Subjekt der Moderne, was Foucault mit seiner Bildinterpretation zu „Die Hoffräulein“ des spanischen Malers Diego Velázquez erläutert.49 Anhand des Bildes möchte Foucault die Stellung des Subjekts aus verschiedenen Perspektiven darstellen, das nach seiner Meinung, zum einen der Betrachter des Bildes selbst ist und zum anderen das Königspaar, das vom Maler im Bild gemalt wird, sich dem Zuschauer außerhalb des Bildes aber entzieht. Zudem lässt sich die Thematik des Außen und Innen, was Foucault bereits in seinen vorigen Ausführungen zum „Denken des Außen“ bedacht hat, anhand des Bildes verdeutlichen. Die Leinwand im Bild, auf welche das Paar gemalt werden soll, ist dem Betrachter nur von hinten zugewandt, sodass dieser nicht erkennen kann, was gemalt wird. Allein der Spiegel hinter dem Maler zeigt das zu malende Königspaar im Bild, jedoch verschleiert und für den Zuschauer außerhalb nicht auf den ersten Blick klar ersichtlich. Die Blickrichtung des Malers zielt dabei wieder auf den Betrachter außerhalb des Bildes. Der Spiegel in dem Bild kann demnach als Repräsentationsmittel gelten, da sich der Zuschauer durch das, im Spiegel abgebildete, Königspaar vorstellen kann, wie das Gemälde des Malers aussehen mag, auch wenn er es auf dem Bild und mit seiner Betrachtungsweise, die außerhalb des Bildes liegt, direkt nicht sehen kann. Die Ordnungsstruktur des Bildes schafft ein neues Verständnis von Subjekt und Objekt, da die Grenze zwischen beiden offensichtlich miteinander verschwimmt und neu gedacht werden muss. Der Betrachter wird vom Subjekt zum Objekt gemacht, indem er vom Blickenden zum Erblickten wird. Das Subjekt im Bild, das Königspaar das gemalt werden soll, wird zum Objekt im Spiegel, während der Maler selbst das Subjekt der Szenerie ausmacht. Die typische Subjekt - Objekt Konstellation im Bild stimmt nicht mehr und muss vom Betrachter anders gedacht werden. Michel Foucault verdeutlicht mit seiner Interpretation des Bildes nicht dessen Inhalt, sondern er will seinen Rezipienten damit die Rolle der Hermeneutik in der Literaturwissenschaft erläutern. Diese beinhaltet, dass verschiedene Interpretationen eines Sachverhaltes im Zuge eines Kommentars von außen dargelegt werden können und den Blick auf das komplexe System der Verbindung von Sprache und den Dingen oft versperrt.50 Worauf Foucault in „Die Ordnung der Dinge“ eigentlich hinauswill ist der Epistembruch vom klassischen Zeitalter hin zur Moderne. Denn die künstlichen Ordnungsstrukturen, die durch das Repräsentationsmodell des klassischen Zeitalters gegeben waren, sorgen dafür, dass die sprachlichen Ordnungsstrukturen vergangener Episteme weiterhin nachvollzogen werden können. Das Sein der Sprache ist durch diese künstlich angelegten Ordnungsstrukturen, nach Foucault, immer weiter in Vergessenheit geraten:
Seit dem neunzehnten Jahrhundert stellt die Literatur die Sprache in ihrem Sein wieder ins Licht, aber nicht so, wie noch die Sprache am Ende der Renaissance erschien. Denn jetzt gibt es nicht mehr jenes ursprüngliches Sprechen, das absolut anfänglich war und wodurch die unendliche Bewegung des Diskurses begründet und begrenzt wurde. Künftig wird die Sprache ohne Anfang, ohne Endpunkt und ohne Verheißung wachsen. Die Bahn dieses nichtigen und fundamentalen Raumes zeichnet von Tag zu Tag den Text der Literatur.51
Die moderne Literatur stellt für Foucault die Möglichkeit dar, das ursprüngliche Sein der Sprache wieder wahrnehmbar zu machen. In der modernen Literatur kann sich die Sprache auf ihre eigene Art und Weise und frei von jeder Bedeutungszuschreibung nach ihrer eigenen Regelhaftigkeit auffalten und ausbreiten, was Foucault auch als „Gegendiskurs“ bezeichnet.52 Dabei stellt sich die Frage, wie sich der Übergang oder der vollständige Bruch von einem zum anderen Epistem vollzieht und inwiefern sich die Ordnungsstrukturen der Sprache verändern. Diese Antwort bleibt Foucault in seinen Ausführungen schuldig, wie auch Manfred Franke feststellt: „Ist der neue Diskurs auf die Spielregeln des alten aber wirklich nicht zurückführbar, dann muß in radikalster Weise auch die Repräsentations - Theorie verabschiedet werden.“53 Die radikale Abschaffung des Repräsentationsmodells ist schwer vorzustellen, da auch in der modernen Literatur die Sprache beispielsweise den grammatischen Codes aus dem klassischen Zeitalter folgt. Auch muss sich der Rezipient gedanklich vorstellen können, was Foucault im Hinblick auf die versteckten Ordnungsstrukturen der Sprache meint. Dafür muss er selbst zu dem bewährten Repräsentationsmodell der Sprache greifen, um die Vorstellung Foucaults in seinen Gedanken sprachlich umsetzten zu können. Foucault sagt dazu in „Die Sprache, unendlich“:
Selbst wenn die Verdoppelung der Sprache verborgen bleibt, so ist sie doch konstitutiv für ihr Sein als Werk, und die Zeichen, die davon erscheinen können, muss man als ontologische Hinweise lesen.54
Die Doppeldeutigkeit der Sprache in der modernen Literatur kratzt an ihrer allgemeinen, diskursiven Regelhaftigkeit und deutet somit auf ihre rissige Oberfläche hin. Zwangsläufig muss es, nach Foucault, auf eine Abschaffung des Repräsentationsmodells, als auch des modernen Zeitalters hinauslaufen, um der Sprache ihr Sein zurückzugeben.55 Der Mensch, der im klassischen Zeitalter zwar thematisiert aber nicht anhand seiner Tätigkeiten kategorisiert werden konnte, wird ab dem 19. Jahrhundert zu einer empirischen Realität.56 Die Wissensordnungen haben sich während des Übergangs der jeweiligen Episteme verändert, sodass der Mensch im Zeitalter der Moderne als anthropologisches Wissensobjekt gilt. Doch eben diese empirische Zentralisierung des Menschen in der Moderne verhindert die außerdiskursive Wahrnehmung respektive die Existenz der Ontologie der Sprache. So schreibt Foucault in „Die Ordnung der Dinge“:
Das einzige, was wir im Augenblick mit voller Sicherheit wissen, ist daß niemals in der abendländischen Kultur das Sein des Menschen und das Sein der Sprache zusammen existieren und sich nacheinander haben gliedern können.57
Das Sein der Sprache kann für Foucault nur in einer neuen Wissensordnung existieren, die den Menschen als anthropologischen Erkenntnismittelpunkt verwirft. Das Verschwinden des Subjekts deutet bei Foucault auf eine mögliche Objektivierung desselben hin, das in den heutigen Wissensstrukturen nicht mehr den Ausgangspunkt der Erkenntnis in der Moderne darstellt. Doch wann diese Veränderung wie eintreten wird erklärt Foucault nicht. Ihm geht es darum, dem Rezipienten einen neuen Denkanstoß zu geben, der sich auf die Veränderungen der Episteme beläuft und nicht auf die Konstruktion des zukünftigen Subjekts. Die Konstruktion des Subjekts unterliegt, nach Foucault, stetigen, diskursiven Veränderungen, die sich immer wieder aufs Neue vollziehen.
2.3 Die Freiheit des Subjekts in der modernen Literatur
Die Vorstellung über den Begriff des Subjekts durchläuft während Foucaults philosophischer Laufbahn einige Veränderungen. Geht er zu Beginn seiner Ausführungen in den „Schriften zur Literatur“ noch von einem nicht - autonomen und diskursiv bestimmten Subjekt aus, so ändert sich diese Auffassung bezüglich der Freiheit des Subjekts später. In der „Hermeneutik des Subjekts“ untersuchte Foucault 1982 die Entstehung des neuzeitlichen Subjektbegriffs und kritisierte dabei vor allem die Selbsterkenntnistheorie von René Descartes.58 Das denkende Subjekt muss sich in seinem Sein durch ein Denken des Außen reflektieren, um zu seinem Innersten und somit zu einem Moment der Freiheit zu gelangen. Weil das Innerste nur die endliche Faltung des unendlichen Außen darstellt, kann die Erkenntnis der Wahrheit nur dann erfolgen, wenn die Perspektive des Subjekts zurück zum Außen gelangt. Foucault geht es im Wesentlichen immer noch darum, das Subjekt aus dem Mittelpunkt der Wissensstrukturen herauszunehmen und anschließend mit einer Art „Vogelperspektive“ auf es herab zu blicken.59 In „Die Ordnung der Dinge“ konzentriert sich Foucault aber noch auf die epistemologischen Bedingungen zur Subjektkonstitution im Diskurs der Moderne.60 Denn erst die Moderne vermag es, dem Subjekt eine Selbstreflektion im Diskurs als objektiviertes Subjekt zu ermöglichen.61 Das Subjekt kann sich im Diskurs aber nicht frei ausdrücken, da die Aussagen, die vom Subjekt getätigt werden nicht auf es selbst, sondern nur auf die dünne Sprache im Diskurs hinweisen.62 In „Die Archäologie des Wissens“ untersucht Foucault 1969 die Entstehung von diskursiven Äußerungen sowie die Voraussetzungen, unter denen sich das Subjekt im Diskurs positioniert.63 Der Diskurs stellt die Regeln für die Aussagen auf, die das Subjekt innerhalb des Diskurses tätigen kann und darf. Der Diskurs ist als historisches Ereignis immer nur in einmaliger Form zu betrachten, weshalb die getätigten Aussagen für sich selbst stehen und nicht als eine Gesamtheit anzusehen sind.64 Dabei unterscheidet Foucault die „énonce“ von der „énonciation“, was sich zum einen auf die reine Aussage selbst und zum anderen auf den Akt des Aussagens bezieht.65 Der Akt des Aussagens beläuft sich auf eine Individualität des sprechenden Subjekts, das sich in der reinen Aussageform im Diskurs aber wiederholt. Die Ordnung, die hinter der Aussage selbst steckt, verweist auf die sprachlichen Regeln innerhalb des Diskurses. Somit kann sich das Subjekt im Diskurs zu einem gewissen Grad frei ausdrücken, nämlich wenn es um den individuellen Akt des Aussagens selbst geht. Das sprechende Subjekt muss sich im Akt des Aussagens aber dennoch den sprachlichen Zeichen bedienen, die den Diskurs bestimmen und die die Aussagen selbst hervorbringen: „Dieselben Begriffe können in verschiedenen discoursiven Formationen auftauchen, aber die Regeln ihrer Dispersion sind nur für einen Discourstyp dieselben, insofern charakterisieren diese dieselben.“66 Die Entwicklung des Gedankens einer Subjektsubversion entwickelt sich bei Foucault mithin der Annahme, dass die getätigten Aussagen in einem Diskurs rückwirkend ohne die Bindung an ihr Subjekt und die jeweilige Aussageabsicht betrachtet werden müssen, da die Aussagen den Diskurs mit kreieren.67 In seiner Schrift über „Die Ordnung des Diskurses“, die Foucault im Jahr 1970 verfasste, wird die Thematik der Diskursformation nach der Archäologie in den Mittelpunkt seiner Diskursanalyse gestellt.68 Dabei ist klar zu erkennen, dass der Wille zum Wissen in keinem Fall auf eine neutrale Art und Weise im Subjekt verankert ist, sondern sich stattdessen dem Diskurs beugt, der durch Macht und Begehren bestimmt und kontrolliert wird.69 Der Bereich der Sprache muss sich ebenfalls dem sogenannten „falschen Diskurs“70 unterordnen, der sich im Verlauf der Episteme immer wieder verändert. Die ständige Transformation der Diskurse, die sich immer wieder aufs Neue vollzieht, hängt jedoch nicht nur an den sprachlichen Zeichen, sondern auch an der diskursiven Praxis, die die Dinge, über die im Diskurs gesprochen wird, selbst erzeugt.71 Den diskursiven Praktiken stellt Foucault die nicht - diskursiven Praktiken im Diskurs gegenüber, die sich in den Institutionen der Macht und des Begehrens begründen.72 Die wechselseitige Beziehung zwischen diesen beiden Diskurspraktiken ist es, die Foucault in seiner Archäologie interessiert und die sich auch auf die Freiheit des Subjekts im Diskurs auswirkt. Das denkende Subjekt formt sich demnach mit der diskontinuierlichen Transformation des Diskurses und wird durch die diskursiven als auch nicht - diskursiven Praktiken dem Diskurs in seiner Begrifflichkeit unterworfen:
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1 Prechtl, Peter u. Burkard, Franz-Peter: Metzler Lexikon. Philosophie,
2 Franke, Manfred: Was ist Neostrukturalis
3 Richter, Mathias: Freiheit und Macht. Perspektiven kritischer Gesellschaftstheorie-der Humanismusstreit zwischen Sartre und Foucaul
4 Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführu
5 Foucault, Michel: Schriften zur Literat
6 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucaul
7 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
8 Müller, Ernst u. Schmieder, Falko: Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendiu
9 Foucault, Michel: Raymon
10 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
11 Foucault, Michel: Die Ordnung der Din
12 Eb
13 E
14 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
15 Geisenhanslüke, Achim: Gegendiskurse. Literatur und Diskursanalyse bei Michel Foucau
16 Foucault, Michel: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunf
17 Engels, Gwendolin: Gattungsdiskurs und Subjekt bei Michel Foucau
18 Foucault, Michel: Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunf
19 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
20 Frank, Manfred: Was ist Neostrukturalismus
21 Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführu
22 Brede, Rüdiger: Aussage und Discours. Untersuchungen zur Discours-Theorie bei Michel Foucau
23 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
24 Foucault, Michel: Die Heterotopien. Der utopisc
25 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
26 Ebd.
27 Hervorgehoben durch
28 Deleuze, Gilles: Foucaul
29 Eb
30 Foucault, Michel: Schriften zur Literatur,
31 Hervorgehoben durch
32 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
33 Daiber, Dirk: Subjekt, Freiheit, Widerstand. Die Stellung des Subjekts im Denken Foucaults
34 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
35 Ebd.
36 Eb
37 Eb
38 Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführu
39 Foucault, Michel: Schriften zur Literatu
40 Eb
41 Foucault, Michel: Die Ordnung der Din
42 E
43 Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführu
44 Hervorgehoben
45 Hervorgehoben
46 Foucault, Michel: Die Ordnung der Din
47 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
48 Frank, Manfred: Was ist Neostrukturalismus
49 Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge
50 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
51 Foucault, Michel: Die Ordnung der Din
52 E
53 Franke, Manfred: Was ist Neostrukturalismus,
54 Foucault, Michel: Schriften zur Literat
55 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
56 E
57 Foucault, Michel: Die Ordnung der Ding
58 Ruffing, Reiner: Michel Foucaul
59 Eb
60 Richter, Mathias: Freiheit und Mach
61 Fink-Eitel: Hinrich: Michel Foucault zur Einführung
62 Deleuze, Gilles: Foucaul
63 Foucault, Michel: Die Archäologie de
64 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucault,
65 Frank, Manfred: Was ist Neostrukturalismus
66 Brede, Rüdiger: Aussage und Discours. Untersuchungen zur Discours-Theorie bei Michel Foucau
67 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucau
68 Foucault, Michel: Die Ordnung des
69 Schneider, Ulrich Johannes: Michel Foucault
70 Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurs
71 Brede, Rüdiger: Aussage und Discours. Untersuchungen zur Discours-Theorie bei Michel Foucault
72 Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführu
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- Ann-Kathrin Schaub (Author), 2019, Zur Ontologie der Sprache in der Literatur der Moderne. Michel Foucaults Konzept der Literatur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491210
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