„Was ist Erkenntnis?“ Wegen dieser Frage in die Aporie, in die Weglosigkeit geraten, sieht Sokrates in dieser Situation die beste und erste Voraussetzung, Philosophie zu betreiben, um zur Erkenntnis zu gelangen, wie die Erkenntnis an sich zu definieren ist.
Der Weg der Untersuchung darüber, was Erkenntnis ist, beschreibt den Inhalt von Platons Dialog „Theaitetos“. Eben dieser Theaitetos, ein junger Mathematikstudent, den Sokrates von seinem Freund Theodoros vorgestellt bekommt, soll Sokrates bei der Suche unterstützen. Beim Prozess der Untersuchung sieht Sokrates seine eigene Aufgabe gleich derer einer Hebamme. Er diskutiert und philosophiert nicht mit Theaitetos, vielmehr leitet er ihn durch gezieltes und geschicktes Nachfragen auf den vernünftigen Weg. Wie eine Hebamme bei der Geburt eines Kindes unterstützt, so unterstützt Sokrates Theaitetos auf diese Weise dabei, eine brauchbare und nützliche Antwort auf die Frage, was Erkenntnis (epistéme) ist, (im übertragenen Sinn) auf die Welt zu bringen.
Diese Hausarbeit behandelt Theaitetos ersten Antwortversuch: „Erkenntnis (epistéme) [ist] nichts anderes als Wahrnehmung (aísthesis)“ (Platon 152 e) und beschreibt die Prüfung dieser These mit dem Ziel, das Verhältnis von Wahrnehmung zu Erkenntnis, von aísthesis zu epistéme, zu untersuchen. Dafür wird im Folgenden dargelegt, wie Sokrates Theaitetos durch seine Hebammenkunst die Schwächen und Mängel seiner Antwort aufzeigt, und Theaitetos so schließlich dazu gezwungen ist, seine Definition zu verwerfen und zu gestehen, dass Erkenntnis und Wahrnehmung nicht ein und dasselbe sind. Darauf aufbauend schließt sich letztlich die Interpretation an, wie das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis beschaffen ist. Da Sokrates Theaitetos Antwort mit der Formel des Protagoras „Homo Mensura“, die auf der heraklitischen Flusslehre basiert, in Verbindung bringt, sei vorab eine kurze Einführung in beide Theorien gegeben, um die daran anschließende Erörterung über Sokrates Weg hin zur Widerlegung des Versuchs des Theaitetos, Erkenntnis mit Wahrnehmung zu identifizieren, nachvollziehen zu können. Dies geschieht auf Basis von Sokrates Aussagen in Platons Dialog „Theaitetos“, mithilfe Jörg Hardys „Platons Theorie des Wissens im „Theaitet“ (Hardy, 2001) und anhand Gustav Seecks „Platons Theaitetos: Ein kritischer Kommentar“ (Seeck, 2010).
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Die „Homo Mensura“ - Formel
- 3. Die heraklitische Flußlehre
- 4. „Erkenntnis = Wahrnehmung“?
- 4.1 Vorwürfe der Inkonsequenz und der Widersprüchlichkeit an Protagoras „Homo-Mensura-Formel“
- 4.2 Verteidigungsrede für Protagoras
- 4.3 Aufdecken der Widersprüchlichkeit der „Homo-Mensura-Formel“
- 4.4 Zwischenrede des Sokrates: Die Berufung der Philosophen - Sokrates Verständnis von „Wahrer Erkenntnis“
- 4.5 Problematik der Gültigkeit der „Homo-Mensura-Formel“ für Zukünftiges
- 4.6 Endgültige Widerlegung der „Homo-Mensura-Formel“: Aufdecken der Widersprüchlichkeit deren Basis, der Flußtheorie
- 4.7 Endgültige Widerlegung Theaitetos These „Erkenntnis = Wahrnehmung“
- 5. Fazit: Das Verhältnis von Wahrnehmung zu Erkenntnis
- 6. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht Platons Dialog „Theaitetos“ (151d-187b) und analysiert den ersten Antwortversuch des Theaitetos auf die Frage nach der Erkenntnis: „Erkenntnis ist nichts anderes als Wahrnehmung“. Die Arbeit verfolgt das Ziel, das Verhältnis von Wahrnehmung (Aísthesis) und Erkenntnis (Epistéme) zu beleuchten und die von Sokrates durchgeführte Prüfung dieser These zu interpretieren.
- Das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis
- Die „Homo Mensura“-Formel des Protagoras
- Die heraklitische Flußlehre
- Sokrates' Methode der argumentativen Widerlegung
- Die Definition von wahrer Erkenntnis
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und beschreibt den Kontext des Platonschen Dialogs „Theaitetos“. Sie stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Definition von Erkenntnis und die Rolle des Sokrates als „Hebamme“ im Dialog heraus. Der Fokus liegt auf der Analyse von Theaitetos' These, wonach Erkenntnis gleich Wahrnehmung sei. Die Einleitung skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit und benennt die verwendeten Sekundärliteraturquellen.
2. Die „Homo Mensura“ - Formel: Dieses Kapitel analysiert die „Homo Mensura“-Formel des Protagoras („Der Mensch ist das Maß aller Dinge“). Es wird erläutert, wie Sokrates diese Formel mit Theaitetos’ These verbindet, indem er die Verbindung zwischen Erscheinung und Wahrnehmung herausarbeitet. Die subjektive Natur der Wahrnehmung nach Protagoras wird detailliert dargestellt, wobei die Unmöglichkeit objektiver Urteile und die Implikation der Ausschließung von Irrtümern hervorgehoben werden. Die Rolle der Wahrnehmung als irrefreie Auffassung dessen, was für den Wahrnehmenden jeweils der Fall ist, wird kritisch beleuchtet.
3. Die heraklitische Flußlehre: Das Kapitel beschreibt die heraklitische Flußlehre und deren Bedeutung im Kontext der „Homo Mensura“-Formel und Theaitetos’ These. Es wird gezeigt, wie die ständige Veränderung und Bewegung der Welt nach Heraklit die subjektive und relative Natur der Wahrnehmung unterstreicht. Die Unmöglichkeit, etwas Bestimmtes zu definieren, wird im Zusammenhang mit der protagoreischen Auffassung von Erkenntnis erläutert. Die relative Natur der wahrgenommenen Eigenschaften und die damit verbundene Unmöglichkeit objektiver Identifizierung von Phänomenen werden als zentrale Punkte hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Platon, Theaitetos, Erkenntnis, Wahrnehmung, Epistéme, Aísthesis, Homo Mensura, Protagoras, Heraklit, Flußlehre, Sokrates, Subjektivität, Objektivität, Relativität, Widerlegung, Philosophie.
Häufig gestellte Fragen zu Platons Theaitetos (151d-187b)
Was ist der Gegenstand dieser Hausarbeit?
Die Hausarbeit analysiert Platons Dialog „Theaitetos“ (151d-187b) und konzentriert sich auf Theaitetos' These „Erkenntnis ist nichts anderes als Wahrnehmung“. Sie untersucht das Verhältnis von Wahrnehmung (Aísthesis) und Erkenntnis (Epistéme) und interpretiert Sokrates' Prüfung dieser These.
Welche zentralen Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis, die „Homo Mensura“-Formel des Protagoras, die heraklitische Flußlehre, Sokrates' Methode der argumentativen Widerlegung und die Definition von wahrer Erkenntnis.
Was ist die „Homo Mensura“-Formel und welche Rolle spielt sie?
Die „Homo Mensura“-Formel („Der Mensch ist das Maß aller Dinge“) von Protagoras wird analysiert. Die Hausarbeit untersucht, wie Sokrates diese Formel mit Theaitetos' These verbindet, indem er die Verbindung zwischen Erscheinung und Wahrnehmung herausarbeitet. Die subjektive Natur der Wahrnehmung und die Implikation der Ausschließung von Irrtümern werden detailliert dargestellt.
Welche Bedeutung hat die heraklitische Flußlehre im Kontext des Dialogs?
Die heraklitische Flußlehre, die von ständiger Veränderung und Bewegung der Welt ausgeht, wird im Zusammenhang mit der „Homo Mensura“-Formel und Theaitetos' These erläutert. Sie unterstreicht die subjektive und relative Natur der Wahrnehmung und die Unmöglichkeit, etwas Bestimmtes zu definieren.
Wie geht Sokrates mit der These „Erkenntnis = Wahrnehmung“ um?
Sokrates wendet seine Methode der argumentativen Widerlegung an, um die These zu prüfen. Die Hausarbeit beschreibt detailliert, wie er die Widersprüchlichkeiten in der These und ihrer Grundlage (der Flußtheorie) aufdeckt.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und was ist ihr Inhalt?
Die Arbeit gliedert sich in Einleitung, Kapitel zur „Homo Mensura“-Formel, Kapitel zur heraklitischen Flußlehre, ein Kapitel zur Widerlegung von Theaitetos' These und ein Fazit zum Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz vor, das Fazit fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Schlussfolgerung zieht die Hausarbeit?
Die Hausarbeit kommt zu einer Schlussfolgerung über das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis, basierend auf der Analyse von Sokrates' Widerlegung von Theaitetos' These. Diese Schlussfolgerung wird im Fazit dargestellt.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Hausarbeit?
Platon, Theaitetos, Erkenntnis, Wahrnehmung, Epistéme, Aísthesis, Homo Mensura, Protagoras, Heraklit, Flußlehre, Sokrates, Subjektivität, Objektivität, Relativität, Widerlegung, Philosophie.
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- Julia Zuber (Author), 2015, Erkenntnis = Wahrnehmung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489736