Die systemtheoretische Sichtweise menschlicher Beziehungen basiert auf der These, dass zwischenmenschliche Systeme – also Gruppen, Ehepaare, Familien, oder selbst internationale Beziehungen usw. – als Rückkoppelungskreise angesehen werden können, da in ihnen das Verhalten jedes einzelnen Individuums das jeder anderen Person bedingt und seinerseits von dem Verhalten aller anderen bedingt wird.
Im Regelfall geht es dabei um ein alltagssprachliches Verständnis von Kommunikation, das die – wie auch immer bewerkstelligte – Übertragung von Informationen meint. Kommunikation kann in sozialer Hinsicht nicht einfach als Transportvorgang zwischen Alter und Ego beschrieben werden. Wer sich für Kommunikation interessiert, beobachtet vielmehr die „Hervorbringung“ von Sinn zwischen den an Kommunikation Beteiligten. Das ist so, weil Alter und Ego füreinander undurchsichtig sind, so dass Ego nicht wissen kann, was Alter aus einer Mitteilung macht, was für ihn dabei einen Unterschied machen, also zur Information werden wird und wie er diese dann versteht, d.h. sie in seine eigenen Sinnhorizonte einbaut und sie mit den eigenen Erwartungen abgleicht. Erst wenn Alter geantwortet hat, wird der soziale Sinn einer Äußerung – sprachlich, körperlich, schriftlich oder per Email – für die Beteiligten greifbar. Was in Kommunikation also geschieht, ist für beide Seiten in einem hohen Maße kontingent und durch Absichten, Motive usw. nur sehr bedingt zu steuern.
Trotzdem gibt es soziale Ordnung. Es gibt Strukturen, Handlungszusammenhänge, Institutionen, in denen Ego mit relativer Sicherheit wissen kann, wie Alter eine Information verstehen und wie er auf sie antworten wird – wie Alter dann auch weiß, was Ego von ihm erwartet. Gesellschaft kann an dieser Stelle allerdings nicht auf gute Absichten, d.h. auf das Bewusstsein der Beteiligten gebaut werden. Es wäre heillos überfordert mit dieser Aufgabe. Diese Strukturierungs- und Ordnungsleistung muss vielmehr in Kommunikation selbst erbracht werden. Das geschieht durch sprachliche Codierungen, durch Symbole, in denen Situationsdeutungen mit Erwartungen eindeutig verknüpft werden, durch Rituale und performative Gestaltung von Kommunikation. Soziale Ordnung entsteht durch die Formung von Kommunikation.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kommunikationstheorien
- Systemtheoretischer Ansatz nach Niklas Luhmann
- Konstruktivistischer Ansatz nach Paul Watzlawick
- Das 1. Axiom: Man kann nicht nicht kommunizieren
- Das 2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt
- Das 3. Axiom: Die Natur einer Beziehung ist durch Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt
- Das 4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten
- Das 5. Axiom: Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär
- Diskussion
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der vergleichenden Analyse von Kommunikationsmodellen des Systemtheoretikers Niklas Luhmann und des Kommunikationsforschers Paul Watzlawick. Die Arbeit untersucht, wie die beiden Ansätze die Kommunikation als einen Prozess der Sinnherstellung beschreiben und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihren Modellen erkennbar sind.
- Die Rolle der Kommunikation in der Konstruktion sozialer Wirklichkeit
- Der Einfluss von Selektion und Interpretation in der Kommunikation
- Das Konzept der doppelten Kontingenz und seine Bedeutung für soziale Ordnung
- Die Unterscheidung von Information, Mitteilung und Verstehen in der Kommunikation
- Die Bedeutung von Axiomen und Interpunktion in der Kommunikation
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der Seminararbeit ein und stellt die Relevanz der Kommunikationstheorien von Luhmann und Watzlawick für das Verständnis von menschlichen Beziehungen dar. Sie erläutert das systemtheoretische Verständnis von Kommunikation als Rückkoppelungskreis und betont die Bedeutung von Sinnproduktion in sozialen Interaktionen.
Kommunikationstheorien
Systemtheoretischer Ansatz nach Niklas Luhmann
Dieses Kapitel präsentiert Luhmanns systemtheoretischen Ansatz zur Kommunikation, der sie als eine Synthese von drei Selektionen – Information, Mitteilung und Verstehen – darstellt. Es wird hervorgehoben, dass die Kommunikation erst durch das Verstehen des Adressaten realisiert wird und die Wahrung der Differenz zwischen Information und Mitteilung von entscheidender Bedeutung ist. Außerdem werden Luhmanns Konzepte von Selbstreferenz, doppelter Kontingenz und der Unterscheidung von psychischen und sozialen Systemen erläutert.
Konstruktivistischer Ansatz nach Paul Watzlawick
Dieser Abschnitt stellt die fünf Axiome der menschlichen Kommunikation nach Watzlawick vor und verdeutlicht, wie diese die grundlegenden Prinzipien der Kommunikation aufzeigen. Die Axiome befassen sich mit der Unvermeidlichkeit der Kommunikation, der Unterscheidung von Inhalts- und Beziehungsaspekt, dem Einfluss von Interpunktion auf Beziehungsdynamiken, der Verwendung digitaler und analoger Modalitäten und der Unterscheidung zwischen symmetrischer und komplementärer Kommunikation.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der Kommunikationstheorie und -forschung, darunter systemtheoretische Ansätze, konstruktivistische Perspektiven, die Rolle von Selektion und Interpretation in der Kommunikation, die Bedeutung von Axiomen und Interpunktion, sowie die Konzepte der doppelten Kontingenz und der Selbstreferenz.
- Quote paper
- Florian Link (Author), 2005, Kommunikationsmodelle von Niklas Luhmann und Paul Watzlawick im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48959