Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Werk Heinrich von Kleists, genauer gesagt mit seiner 1808 erschienenen Novelle "Michael Kohlhaas". In dieser Novelle wird die Geschichte des Rosshändlers Michael Kohlhaas erzählt, der Opfer von Adelswillkür und Rechtbeugung wird und dann in einen grausamen Rachefeldzug gegen seine Peiniger übergeht. Nach einem Gespräch mit Martin Luther beugt er sich dem Recht und wird zum Tode verurteilt. Seit jeher wird in der Menschheit diskutiert, was gerecht ist, wie Recht entsteht und wie es angewandt werden soll. Rund um die Themenkomplexe Recht und Gerechtigkeit kreisen zahllose Schriften, angefangen von den antiken Philosophen bis in die heutige Zeit. Diese Dokumente müssen aber, wie jedes historische Dokument, stets im Kontext ihrer Zeit gelesen werden.
Diese Lektüre ist ein literarischer Anschlag auf die Illusion einer heilen Welt, in der man sich wenigstens rechtlich geboren glauben konnte. Sie wurde vielfach über die Jahrhunderte hinweg rezipiert, gedeutet und interpretiert bis in die Zeiten des RAF-Terrorismus hinein und noch weiter. Über die Beweggründe des Kohlhaas ist viel geschrieben und spekuliert worden. Klar ist jedoch, dass Kohlhaas von einer Ambivalenz und Undurchsichtigkeit geprägt ist, die diese weiten Interpretationsmöglichkeiten erst ermöglichen. So lässt sich in der Sekundärliteratur eine weite Spannbreite von Kohlhaas als kleinkarierter Verrückter bis hin zum verklärten Kämpfer für das Recht finden.
Kleist selbst war bekanntermaßen Jurist und kannte sich in den rechtsphilosophischen Debatten seiner Zeit sehr gut aus, was sich wiederum auch in seinen Werken wiederfinden lässt. Um dieses Werk also im Kontext seiner Zeit zu lesen und um einen wissenschaftlichen Zugang zu "Michael Kohlhaas" zu ermöglichen, sowie um das Gewirr an rechtsphilosophischen Argumentationslinien zu entwirren, soll das Werk unter der "Brille" zweier Philosophen betrachtet werden, die für die Zeit Kleists prägend gewesen sind. Der eine ist Jean-Jacques Rousseau, der als bedeutender Vordenker der Naturrechtslehre der Aufklärung gilt. Die Spuren seiner Gedanken und seiner Argumentationsmuster spiegeln sich zu genüge in der Figur des Michael Kohlhaas wieder. Der andere ist Adam Müller, ein Zeitgenosse Kleists, der die Lehre vom Naturzustand vollends verwarf und mit seiner Gegensatzphilosophie zu den Frühkonservativen und Romantikern gehört.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rechtsphilosophische Grundlagen
- Thomas Hobbes
- Jean-Jacques Rousseau
- Adam Müller
- Von Recht zu Rache
- Der rechtstreue Bürger Kohlhaas
- Die Rappen und der Rechtsstreit
- Der vermeintliche Rachefeldzug
- Das Gespräch mit Luther
- Der Staatsrat in Dresden
- Die Hinrichtung
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“ (1808) unter dem Aspekt rechtsphilosophischer Denkströmungen der Aufklärung und Frühromantik. Ziel ist es, die Motivation des Protagonisten und das Handeln der verschiedenen Akteure anhand der Lehren von Jean-Jacques Rousseau und Adam Müller zu deuten. Dabei werden zentrale Stellen der Novelle hinsichtlich ihrer rechtlichen Argumentationsmuster untersucht.
- Naturrecht und Gesellschaftsvertrag
- Recht und Gerechtigkeit im Kontext von Adelswillkür und Rechtbeugung
- Rolle der Gewalt und Rache in einem gerechten Staat
- Die Ambivalenz der Figur Michael Kohlhaas
- Kleists literarische Auseinandersetzung mit rechtlichen und gesellschaftlichen Normen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Thematik der Novelle im Kontext der historischen Debatten um Recht und Gerechtigkeit vor. Sie hebt die Ambivalenz der Figur Michael Kohlhaas und die vielfältigen Interpretationen seines Handelns hervor. Außerdem wird die Relevanz der rechtsphilosophischen Denkströmungen von Rousseau und Müller für die Analyse der Novelle betont.
Rechtsphilosophische Grundlagen
Dieser Abschnitt beleuchtet die Rechtsphilosophien von Thomas Hobbes, Jean-Jacques Rousseau und Adam Müller. Zuerst wird Hobbes’ Lehre vom Naturzustand und dem Gesellschaftsvertrag erläutert. Anschließend werden Rousseaus Gedanken zur Naturrechtslehre und die Kritik von Adam Müller an der Naturzustandstheorie dargestellt.
Von Recht zu Rache
In diesem Kapitel werden sechs Schlüsselstellen aus der Novelle im Hinblick auf ihre rechtlichen Argumentationsmuster untersucht. Die Analyse umfasst Kohlhaas' Streben nach Recht und Gerechtigkeit, den Konflikt um die Rappen und den Prozess, seine Rachefeldzüge und die Bedeutung des Gesprächs mit Luther sowie die Rolle des Staatsrats in Dresden und die Hinrichtung des Protagonisten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Themen wie Naturrecht, Gesellschaftsvertrag, Recht und Gerechtigkeit, Willkür, Rache, Rechtbeugung, Rechtsstaatlichkeit, Ambivalenz, Figur Michael Kohlhaas, Jean-Jacques Rousseau, Adam Müller, Heinrich von Kleist und die Novelle „Michael Kohlhaas“.
- Quote paper
- Andreas Schumacher (Author), 2018, Der Protagonist der Novelle "Michael Kohlhaas" von Heinrich von Kleist aus rechtsphilosophischer Sicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489208