Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz geschützt und als wertvolles Gut festgeschrieben. Im Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Der Autor der folgenden Arbeit stellt in seiner ethischen Betrachtung die Frage nach dem würdevollen Umgang mit der zunehmenden Zahl älterer Menschen in der Bundesrepublik. Seine Ausgangspunkte in der ethischen Diskussion sind die Fragen: Wie bleibt die Würde der älteren Menschen möglichst gewahrt und geschützt? Wie gelingt es in Würde alt zu werden? Welche Gefährdungen und Schutzmöglichkeiten bestehen in der letzten Lebensphase?
Die Arbeit greift dabei wichtige Themen wie Gewalt gegen alte Menschen, Hospizarbeit sowie rechtliche Bestimmungen zur Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung auf, regt den Leser aber auch dazu an, das allgemein verbreitete Altersbild, das sich häufig nur auf Defizite und Hilfsbedürftigkeit reduziert, neu zu überdenken.
Als ein Fazit in der Diskussion um den würdevollen Umgang mit Senioren/-innen kommt der Autor zu dem Schluß, dass sich „die Qualität und Güte einer Gesellschaft nicht zuletzt danach bemisst, wie wir mit den alten Menschen umgehen“.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. aktuelle Problematik
2. Die Würde des alten Menschen - ein Thema für die Ethik
2.1 Sterbe-/Lebensbegleitung bis zuletzt
2.2 Gewalt gegen alte Menschen
3. Ansätze würdevollen Umgangs mit Alten
3.1 Hospizarbeit in der Bundesrepublik Deutschland
3.2 Selbstbestimmungsmöglichkeiten
3.2.1 Vorsorgevollmacht
3.2.2 Betreuungsverfügung
3.2.3 Patientenverfügung
3.3 Initiativen/Programme
4. Schluss/Resümee
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Erklärung über die selbständige Erarbeitung
Einleitung
Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz geschützt und als wertvolles Gut festgeschrieben. Im Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland heißt es:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Dieser erste Artikel stellt eine Fundamentalnorm unserer Verfassung dar.
Es ist dabei hinzuzufügen, dass es aus christlicher Sicht nicht nur die alleinige Aufgabe staatlicher Stellen ist, die Menschenwürde zu achten. Diese Aufgabe obliegt jedem Bürger, sie obliegt uns allen[1].
Die in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland festgeschriebene Aufgabe, die Menschenwürde zu achten und zu schützen muss immer wieder an konkreten Beispielen verdeutlicht werden. Es gilt zu fragen:
Was bedeutet der Schutz der Menschenwürde bei aktuellen Fragestellungen und für bestimmte Personenkreise?
Die vorliegende Arbeit möchte die Fragestellung nach der Menschenwürde anhand eines aktuellen Beispiels aus der Tagespolitik aufgreifen und dabei besonders den würdevollen Umgang mit der steigenden Zahl der älteren Menschen in das Zentrum der Betrachtung stellen. Ausgehend von der demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und verschiedenen Diskussionsbeiträgen sowie praktischen Beispielen soll verschiedenen Fragen nachgegangen werden:
1. Wie bleibt die Würde der älteren Menschen möglichst gewahrt und geschützt?
2. Wie gelingt es in Würde alt zu werden?
3. Welche Gefährdungen und Schutzmöglichkeiten bestehen in der letzten Lebensphase?
Der erste Teil der nun folgenden Arbeit soll zunächst einmal den Fokus auf die aktuelle öffentliche Diskussion über das Thema richten. Dazu werden zwei kurze Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit benannt, die den Umgang mit der älteren Generation provokant ins öffentliche Bewusstsein gebracht haben und die auf breite Resonanz gestoßen sind. Der darin integrierte Abschnitt über die demographische Entwicklung dient zur weiteren Einführung in das Thema. Der Abschnitt schließt mit konkreten Themen und Fragestellungen, die den in der Verfassung festgelegten Schutz der Menschenwürde betreffen.
Daran anschließend soll im zweiten Abschnitt dem Problem nachgegangen werden, weshalb die Frage nach einem würdevollen Umgang mit alten Menschen auch ein Thema für die Ethik ist. Hilfreiche Maßstäbe und Kriterien für die Entscheidungsfindung zu einem möglichst würdevollen Umgang werden vorgestellt.
Weiterhin wird in diesem Abschnitt auf die praktische Umsetzung einer würdevollen Ausgestaltung im Rahmen der pflegenden Sterbebegleitung eingegangen. Darüber hinaus sollen entsprechende Gefährdungen der Würde, die unter der Thematik >Gewalt gegen alte Menschen< behandelt werden und in diesem Bezug immer wieder auftreten, erläutert und veranschaulicht werden.
Der dritte Abschnitt stellt anhand konkreter Beispiele verschiedene Möglichkeiten dar, wie die Würde der älteren Menschen in bestimmten Situationen geschützt und gewahrt werden kann. Vor dem abschließenden Resümee soll das Thema dann noch einmal aus einer besonderen Perspektive beleuchtet werden. Es geht darum, den alten Menschen, der in dieser Arbeit im Mittelpunkt der Diskussion steht, nicht nur auf die Darstellung eines defizitären Menschen zu reduzieren.
1. aktuelle Problematik
Vor ein paar Monaten wurde eine Äußerung des Chefs der Jungen-Liberalen Jan Dittrich in der politischen Öffentlichkeit heftig diskutiert.
Er formulierte: Alte, gebt den Löffel ab!
Hinsichtlich dieser Aussage und der daraus resultierenden öffentlichen Debatte zog er die Konsequenz des Rücktrittes. Der Fehler lag nicht im Inhalt wohl aber in der Art der Formulierung. Gemeint war nicht etwa den Löffel im Sinne des Ablebens abzugeben, sondern im vergleichbar wörtlichen Sinne etwas vom Tafelsilber abzutreten. Der Chef der Jungen-Liberalen wollte mit seiner Äußerung auf das Problem der Generationsgerechtigkeit aufmerksam machen und vor allem auf die Gegebenheit, dass die Alten auf Kosten der jungen Generation leben. Von besonderer Bedeutung sieht er die finanzielle Dreifachbelastung der kommenden Generation, die sich daraus ergibt, dass die Jungen die Rente der alten Generation erwirtschaften, sich zusätzlich eine eigene Rente finanzieren müssen und dass sie weiterhin der Erwartung der Gesellschaft unterliegen Kinder auf die Welt zu setzen und aufzuziehen.
Bereits im August des Jahres 2003 sorgte der Junge-Union-Vorsitzende Philip Missfelder mit der gleichen Thematik für Schlagzeilen. Der 23-Jährige hatte die Frage aufgeworfen, ob bei der Gesundheitsvorsorge die Erhaltung von Lebensstandard noch ein Gemeinschaftszweck sein kann. Er hatte sich dagegen ausgesprochen, dass 85-Jährige noch Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen. Diese Äußerung wurde gleichermaßen in der Öffentlichkeit heftig diskutiert. Der Junge-Union-Vorsitzende traf den Nerv der Nation für eine grundlegende generationsübergreifende Diskussion und weckte die Ängste der Alten. Obwohl er seine Äußerungen hinsichtlich der Formulierung später relativierte, um die Ängste der alten Menschen nicht zu schüren oder ihre Lebensleistung in Frage zu stellen, plädierte er weiterhin dafür, dass sich die Alten an den Gesundheitskosten stärker selbst beteiligen müssen und der Generationsvertrag neu verhandelt werden müsse.
Als Auslöser für die in der Öffentlichkeit diskutierte Problematik werden in erster Linie die Bevölkerungsentwicklung und damit die demographische Entwicklung gesehen.
Zurzeit leben in der Bundesrepublik Deutschland rund 82 Millionen Menschen. Diese Bevölkerungszahl würde sich nach der aktuellen Entwicklung ohne Zuwanderung bis zum Jahr 2080 um die Hälfte vermindern[2]. Diese Entwicklung wird maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst:
1. Geburtenhäufigkeit
2. Lebenserwartung.
Bei der Geburtenhäufigkeit zeigt sich, dass in Deutschland seit Jahren weniger Kinder geboren werden als zu einer langfristigen Erhaltung der Bevölkerungszahl notwendig wären. Noch in den sechziger Jahren gab es in den alten Bundesländern eine wesentlich höhere Geburtenrate, die sich durch durchschnittliche Kinderzahlen von 2500 je 1000 Frauen kennzeichnete. Die damals Geborenen bilden heute die zahlenmäßig stärkeren Jahrgänge im Alter von etwa Mitte bis Ende 30.
In der Folgezeit gingen die Geburtenraten jedoch immens zurück. Mitte der achtziger Jahre erreichte die Geburtenrate in den alten Bundesländern ein Tief mit weniger als 1300 Kinder je 1000 Frauen, stieg jedoch bis 1990 wieder etwas an und schwankt seither geringfügig um 1400 Geburten je 1000 Frauen.
Seit ungefähr 30 Jahren werden in Deutschland deutlich weniger Kinder geboren als zu einer verhältnismäßigen Nachfolge ihrer Elterngeneration notwendig wären. Die Elterngeneration wird derzeit nur noch zu etwa zwei Drittel durch Kinder ersetzt[3].
Während die durchschnittliche Geburtenhäufigkeit in Deutschland auf einem geringen Niveau bleibt, nimmt auf der anderen Seite die Lebenserwartung durch den medizinischen Fortschritt seit Jahrzehnten zu. Ein Kind, das heute geboren wird, hat eine über 30 Jahre höhere Lebenserwartung als ein Kind, das noch vor hundert Jahren geboren wurde. In der Prognose zur Bevölkerungsentwicklung geht das Statistische Bundesamt von einer weiteren Zunahme bis zum Jahr 2050 aus[4]. Heute kann ein sechzigjähriger Mann im Durchschnitt davon ausgehen, dass er noch etwa 19 Jahre lebt. Für das Jahr 2050 wird für diesen sechzigjährigen Mann eine wahrscheinliche Lebenserwartung von 23,7 Jahren angesetzt, was eine Steigerung der durchschnittlich um mehr als vier Jahre bedeutet.
Die Altersstruktur der Bevölkerung wird sich grundlegend verändern. Dies wird anhand von Alterspyramiden besonders deutlich. Idealerweise stellen die Neugeborenen den stärksten Jahrgang dar und bilden somit einen breiten Sockel für die Pyramide. Heute erinnert der Altersaufbau bereits kaum noch an eine Pyramide. Die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung wird sich, statt in der graphischen Darstellung einer idealen Alterspyramide, zu einer Art >Alterspilz< entwickeln.
Der bestehende Altersaufbau hat einen entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Altersstruktur. Die Eltern in der heutigen Bundesrepublik Deutschland rücken in ein höheres Alter auf. Ihre Kinder bilden die schwächer besetzte, nachfolgende Elterngeneration, die bei gleich bleibender Geburtenhäufigkeit insgesamt weniger Kinder zur Welt bringen wird. Es gibt demnach also immer weniger potentielle Eltern und somit auch weniger Geburten. Die Alterspyramide wird sich dadurch nach unten immer weiter verengen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3.-1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland im Jahre 2001 und die Prognose für 2050[5]
Bleibt das Geburtenniveau auf Dauer so niedrig, hat das langfristig, auch durch die fortschreitende erhöhte Lebenserwartung, eine sinkende und alternde Bevölkerung zur Folge.
Ohne jede Zuwanderung wären im Jahr 2050 vier von zehn Bundesbürgern über 60 Jahre alt. Von den heute 50-jährigen Frauen werden rund 65 Prozent ihren 80. Geburtstag erleben. Von den heute 50-jährigen Männern werden es statistisch 44 Prozent sein, die die Grenze zur Hochaltrigkeit mit dem 80. Geburtstag erreichen. Im Vergleich zu vorangegangenen Generationen stellt das Erreichen der Hochaltrigkeit nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel dar[6].
Durch die aufgezeigte demographische Entwicklung und die damit einhergehende verringerte Anzahl der Erwerbstätigen werden alle Ebenen staatlichen Handelns betroffen sein. Besonders problematisch wird dabei die zukünftige Entwicklung der Pflege-, Gesundheits- und Rentensysteme gesehen.
So werden sich beispielsweise die Ausgaben der Gesundheitskassen verstärkt auf die Beiträge der Krankenkassen niederschlagen. Der größte Teil der Ausgaben der Krankenkassen entsteht in den letzten Lebensjahren. Dabei verursacht ein 90-Jähriger acht Mal so hohe Gesundheitsausgaben wie ein 10-Jähriger[7].
[...]
[1] Vgl. Geiger, Helmut (Hrsg.): Die Würde des alten Menschen ist unantastbar - Rechtliche, medizinische, wirtschaftliche und soziale Probleme der letzten Lebensphase; Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll 11. bis 13. Oktober 2002; Stuttgart 2003, S. 12.
[2] Vgl. Splitt, Carsten: Wir müssen uns mehr zumuten: Interview mit Frank Schirrmacher, Autor des Bestsellers „Das Methusalem-Komplott“; In: Die Nordelbische; Ausgabe 17, 25. April 2004; S.3.
[3] Vgl. Statistisches Bundesamt - Pressestelle: Bevölkerung Deutschlands bis 2050, Ergebnisse der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausrechnung; Wiesbaden 2003, S. 10.
[4] Vgl. Statistisches Bundesamt – Pressestelle; 2003a, S. 13-20.
[5] Statistisches Bundesamt: Online im Internet: http://www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoegra2.php (Stand: 05.10.04).
[6] Vgl. Altschwager-Hause, Claudia: Rechtliche, medizinische, wirtschaftliche und soziale Probleme der letzten Lebensphase; In: Geiger, Helmut (Hrsg.): Die Würde des alten Menschen ist unantastbar; Dokumentation einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll 11. bis 13. Okt. 2002; Stuttgart 2003; S. 18.
[7] Vgl. Gronemeyer, Reimer: Kampf der Generationen: Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts im Konflikt zwischen Jung und Alt; München 2004; S. 24.
- Arbeit zitieren
- Heiko Fischer (Autor:in), 2005, In Würde alt werden - Gefährdungen und Schutzmöglichkeiten in der letzten Lebensphase, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48410
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