Diese Arbeit soll zunächst einen Überblick über die Ursprünge und die Entwicklung des Lean Banking als bankbetriebliche Konkretisierung des Lean Management Ansatzes verschaffen. Daraufhin wird eine Anzahl an verschiedenen Ansätzen und Konzepten im Rahmen des Lean Banking auf ihre Kernaussagen zusammengefasst und dargestellt. Hierbei wird sich auf die Darstellung der zwei zentralen Ansatzpunkte beschränkt, die den Großteil der verschiedenen Lean Banking Konzepte charakterisieren: Die Aufbauorganisation und die Ablauforganisation. Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung der dargestellten Ansätze und Konzepte.
1. Einführung
1.1. Problemstellung und daraus resultierende Notwendigkeiten für Lean Banking Konzepte
„Banken sind die Stahlindustrie der 90er Jahre“[1]. Dieses Zitat aus dem Jahre 1990 von Cartellieri drückt die damals bereits existente Vermutung aus, dass deutsche Banken vor immensen Problemen stehen, was sich von dort an bis jetzt auch bewahrheitet hat.[2]
Die deutsche Kreditwirtschaft steht seit vielen Jahren vor einer steigenden Anzahl an Herausforderungen und finanziellen Belastungen[3]. Bereits zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts sahen sich die Banken aufgrund von Änderungen der Rahmenbedingungen einer Vielzahl an strategischen Herausforderungen gegenübergestellt.[4] Wichtige einflussnehmende Faktoren waren und sind dabei im Einzelnen die Globalisierung von Märkten, die steigende Komplexität von Produkten mit einhergehender abnehmender Differenzierung, der erhöhte Wettbewerb auch von Nichtbanken, die Technologisierung, die Deregulierung bei gleichzeitiger aufsichtsrechtlicher Nivellierung, die gestiegenen Anforderungen der Kundschaft, ein starker Margendruck, ein zunehmender Kostendruck sowie steigende Volatilitäten an den Finanzmärkten[5]. Diese teils nationalen, teils internationalen Entwicklungen führten zu einer signifikanten Erhöhung der Komplexität der Bankgeschäfte[6].
Die Vielzahl der genannten Faktoren sind verantwortlich für die Entfachung der Diskussion um die Einführung eines neuen Managementsystems, dem Lean Banking.[7] Dieses, aus der Industrie unter dem dort verwendeten Begriff Lean Management abgeleitete System, stellt einen Oberbegriff für Maßnahmen zur Optimierung der Prozesse und Strukturen im Bankbetrieb dar, ohne dabei lediglich auf Rationalisierung und damit einhergehende Kostenersparnis abzuzielen.[8] Erstmalig diskutiert wurden Lean Banking Konzepte in Deutschland im Jahre 1993, bis zum heutigen Tage sind demzufolge zwölf Jahre vergangen.[9]
An ihrer Aktualität eingebüßt haben die Überlegungen im Rahmen der Lean Banking Konzepte dabei jedoch keinesfalls. Das deutsche Kreditgewerbe befindet sich nach wie vor in einer schwierigen Wettbewerbssituation. Die zunehmende Anzahl an Herausforderungen ist heute aktueller denn je.[10] Bedingt durch reduzierte Margen, Änderungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen, stark steigende Budgets für die Bereiche Informationstechnologie (IT) und Risk Controlling sowie die Abwicklung von strukturierten Produkten steigt der Kostendruck stetig an.[11] Von Seiten der Kreditinstitute wurden in den vergangenen Jahren konsequente Maßnahmen zur Kostensenkung und Ertragssteigerung durchgeführt.[12] Diese waren auch in den meisten Fällen erfolgreich, im internationalen Vergleich ist die Ertragssituation der deutschen Banken hingegen unbefriedigend.[13] Konzepte zur Gesamtbanksteuerung, wie beispielsweise Lean Banking ein solches darstellt, haben an ihrer Aktualität und Notwendigkeit demzufolge keinesfalls eingebüßt.[14]
1.2. Ziele und Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit soll zunächst einen Überblick über die Ursprünge und die Entwicklung des Lean Banking als bankbetriebliche Konkretisierung des Lean Management Ansatzes verschaffen. Daraufhin wird eine Anzahl an verschiedenen Ansätzen und Konzepten im Rahmen des Lean Banking auf ihre Kernaussagen zusammengefasst und dargestellt. Hierbei wird sich auf die Darstellung der zwei zentralen Ansatzpunkte beschränkt, die den Großteil der verschiedenen Lean Banking Konzepte charakterisieren: Die Aufbauorganisation und die Ablauforganisation. Abschließend erfolgt eine kritische Würdigung der dargestellten Ansätze und Konzepte.
2. Begriffliche Grundlagen und Darstellung des Übergangs vom Lean Management zum Lean Banking
2.1. Zum Begriff Lean Management
Der Begriff Lean Management, ins deutsche übersetzt schlanke Unternehmensführung, ist ein Managementansatz, in dessen Mittelpunkt die Grundprinzipien Dezentralisierung und Simultanisierung stehen, mit deren Hilfe die Ziele Kundenorientierung und Kostensenkung für die gesamte Unternehmensführung realisiert werden sollen.[15]
Seine Ursprünge hat dieser Ansatz in der Ausprägung der sogenannten Lean Production.[16] Er entstand als Gegenpart zur westlichen Massenproduktion kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bei Toyota in Japan.[17] Lean Production übertrug sich auf das Managementsystem in Japan und wurde Anfang der 90er Jahre in der westlichen Wirtschaftswelt als Lean Management bekannt.[18] Auslöser war die Veröffentlichung einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Jahre 1991, in welcher die amerikanischen Wissenschaftler James Womack, Daniel Jones sowie Daniel Roos die Ergebnisse einer fünfjährigen Studie über die japanischen Produktions- und Managementkonzepte Lean Production und Lean Management dokumentierten.[19]
Eine allgemeingültige Definition von Lean Management zu finden erscheint nahezu unmöglich. Viele definitorische Aussagen lassen sich vielmehr als globale Charakterisierungen hinsichtlich der Vorstellungsinhalte und des Objektbereichs konstatieren.[20] Gemeinsame Grundlage aller Definitionen ist die Bedeutung von Lean Management als eine Form der Steigerung von Effizienz, um den Kundenwünschen mit angemessenen Leistungen in der richtigen Qualität und zum niedrigstmöglichen Preis zu begegnen.[21] Das Unternehmen wird dabei primär durch eine schlanke Unternehmensführung sowie flache Hierarchien charakterisiert.[22] Die Konzentration auf das Wesentliche des Unternehmens ist zusätzlich eine der charakteristischen Eigenschaften von Lean Management Ansätzen.[23]
Die Kernelemente des Lean Management Konzeptes verdeutlicht nachfolgende Darstellung in einem groben Überblick.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Kernelemente des Lean Management Prozesses[24]
Weitere in der betriebswirtschaftlichen Literatur genannte Elemente und Schlagwörter von Lean Management Ansätzen sind u.a. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), Eigenverantwortung, Empowerment, Team Arbeit, Kaizen (aus dem japanischen: Streben nach ständiger Verbesserung), Kanban (ebenfalls aus dem japanischen: Betrachtung der internen Abteilungen als Kunden).[25]
Ebenfalls ein wichtiger Faktor zum Verständnis von Lean Management Ansätzen ist die Erkenntnis, dass sie nie allein für sich umgesetzt werden können.[26] Bei einer möglichen Implementierung in einem Unternehmen sollte es ganzheitlich eingeführt werden.[27] Lean Management ist demzufolge kein kurzfristiges Konzept zu einer Sanierung von Unternehmen, vielmehr ist es fokussiert auf strategische Entscheidungen des Gesamtunternehmens.[28]
2.2. Die Transferierung des Lean Management Konzeptes auf den Bankenbereich
Eine Transferierung des Lean Management Konzeptes auf den Bereich der Finanzdienstleistungsunternehmen erscheint auf den ersten Blick schwer umsetzbar.[29] Banken als Dienstleistungsbetriebe weisen signifikante Unterschiede zur originären Lean Production des Automobilsektors auf.[30] Die Implementierung von Lean Management in Banken ist somit grundsätzlich mit anderen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Gegebenheiten konfrontiert.[31] Aufgrund der Eigenarten und Besonderheiten der bankbetrieblichen Leistungserstellung kann Lean Banking nicht einfach derart ausgestaltet sein, dass Lean Management implementiert und lediglich als Lean Banking bezeichnet wird.[32] Stattdessen muss den individuellen Anforderungen der Bankenbranche durch eigens für sie ausgestaltete Ansätze und Konzepte Rechnung getragen werden.[33] Geschieht dieses auf die richtige Art und Weise, so können im Dienstleistungsbereich des Bankengewerbes gar größere Potentiale zur Kräftigung von Strategien und zur Wertschöpfung realisiert werden als dieses im Produktionssektor der Fall ist.[34]
Lean Banking Ansätze beziehen sich als Ergebnis der Transferierung des Lean Management Gedankens auf den Bankensektor primär auf zwei Komponenten: Die Vereinfachung der innerbetrieblichen Prozesse sowie die Vereinfachung der bankbetrieblichen Strukturen.[35]
Parallel zur Begriffsproblematik des Lean Management existieren auch zum Lean Banking verschieden lautende Ansätze.[36] Eine mit den meisten Literaturquellen übereinstimmende Übersicht, die zusätzlich zu den oben genannten zwei Komponenten noch das Outsourcing sowie die Straffung der Produktpalette als dritte und vierte Komponente nennt, stellt die Nachfolgende dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ansätze des Lean Banking nach Slapnik[37]
Im folgenden Teil dieser Arbeit werden nun die verschiedenen Ansätze im Bereich des Lean Banking Konzeptes dargestellt. Dabei kann aufgrund des gegebenen Umfangs der Arbeit keineswegs eine ausführliche Darstellung aller relevanten Bereiche erfolgen, vielmehr werden die zwei oben aufgeführten Komponenten Aufbauorganisation sowie Prozesse in ihren einzelnen Ausgestaltungsformen näher erläutert und kritisch betrachtet.
3. Darstellung verschiedener Ansätze und Konzepte des Lean Banking
3.1. Umgestaltung der Aufbauorganisation
Die Aufbauorganisation, oftmals auch als Strukturorganisation bezeichnet, stellt ein statisches System der organisatorischen Einheiten einer Unternehmung dar.[38] Sie regelt die Zuständigkeiten für die arbeitsteilige Erfüllung der Unternehmensaufgabe.[39] In Abhängigkeit von der unternehmensindividuellen Gestaltungsform ergeben sich unterschiedliche Organisationsstrukturen in Unternehmen.[40] Die bankbetriebliche Aufbauorganisation beinhaltet definitionsgemäß die Gliederung der Bank in aufgabenteilige Subeinheiten, beispielsweise Abteilungen oder Stellen, sowie deren Koordination.[41] Den Gegensatz zur Aufbauorganisation stellt die Ablauforganisation dar, die sich auf die zeitliche Strukturierung von Arbeitsprozessen bezieht und Inhalt des Gliederungspunktes 3.2. ist.[42]
Im Folgenden werden exemplarisch drei wichtige notwendige Strukturanpassungen im Rahmen des Lean Banking Konzeptes, bezogen auf die Aufbauorganisation, dargestellt. Darüber hinaus existieren weitere potentielle Anpassungsfaktoren, wie beispielsweise die Wahl der richtigen Betriebsgröße sowie der Engpassfaktor Mensch und die damit verbundene Arbeitsorganisation.[43]
3.1.1. Kundengruppenorientierung
Traditionell dominiert wurde die Aufbauorganisation von Banken durch das Konzept der Spartenorganisation, welches sich an den innerbetrieblichen Arbeitsvorgängen orientierte.[44] Im Rahmen dessen wurden Abteilungen in der Bank aufgrund ihrer Zurechenbarkeit zu einem bestimmten Geschäftszweig gebildet, wie beispielsweise das Kreditgeschäft oder das Effektengeschäft.[45] Der aus diesem Konzept resultierende hohe Spezialisierungsgrad der einzelnen Abteilungen führt zu einer Vernachlässigung der Kundenbedürfnisse sowie der Nichtbeachtung der Tatsache, dass unterschiedliche Kundengruppen verschiedene Deckungsbeiträge erwirtschaften.[46]
[...]
[1] Cartellieri (1990), S. 367 zitiert nach Weisser (2004), S. 50.
[2] Vgl. D`Alessio/Oberbeck (o.Jg.), S. 53.
[3] Vgl. Kaib (2003), S. V.
[4] Vgl. Uhle (1993), S. 10.
[5] Vgl. Uhle (1993), S. 11 und Türk (1996), S. 144ff.
[6] Vgl. Türk (1996), S. 144.
[7] Vgl. Türk (1996), S. 144..
[8] Vgl. O.V. (2001), S. 146f.
[9] Vgl. Slapnik (1995), S. 29 und Krönung (1994), S. 324
[10] Vgl. Kaib (2003), S. V.
[11] Vgl. Kaib (2003), S. V und Kallewegge (2003), S. 15.
[12] Vgl. Lamberti (2004), S. 370.
[13] Vgl. Lamberti (2004), S. 370.
[14] Dies belegen u.a. die Diskussionen zum Bereich Outsourcing im Bankenbereich. Outsourcing stellt eine Maßnahme im Rahmen des Lean Banking Konzeptes dar. Vgl. Fuchs (2003), S. 29ff., Kallewegge (2003), S. 15ff. und Slapnik (1995), S. 29.
[15] Vgl. O.V. (2000), S. 1950f.
[16] Vgl. Simon (2000), S. 63.
[17] Ein häufig gebrauchter Begriff für die Lean Production ist aus diesem Grund Toyotismus. Vgl. Simon (2000), S. 63 und Groth/Kammel (1994), S. 26.
[18] Vgl. Groth/Kammel (1994), S. 23.
[19] Interessanterweise wurden ebenfalls erst durch die zunehmende Beschäftigung amerikanischer Wissenschaftler mit dieser Thematik die Termini Lean Production und Lean Management geprägt, in Japan existierten weitgehend keine Begrifflichkeiten für diese Ansätze. Vgl. Simon (2000), S. 62 und Groth/Kammel (1994), S. 23.
[20] Vgl. Groth/Kammel (1994), S. 23. Pfeiffer und Weiß gehen gar so weit zu sagen, dass anstatt einer Lean Management Definition im traditionellen Sinne eher eine Lean Management Philosophie zu nennen ist. Vgl. Pfeiffer/Weiß (1994), S. 53.
[21] Vgl. O.V. (2005).
[22] Vgl. O.V. (2005).
[23] Vgl. Groth/Kammel (1994), S. 23.
[24] Eigene Darstellung, angelehnt an: Groth/Kammel (1994), S. 34.
[25] Vgl. Füser (2001), S. 107f.; Kojima (1994), S. 17; Weber/Königstein/Töpsch (1999), S. 25; Pfeiffer/Weiß (1994), S. 56ff. und O.V. (2005).
[26] Vgl. Pfeiffer/Weiß (1994), S. 53.
[27] Vgl. Pfeiffer/Weiß (1994), S. 53.
[28] Vgl. Pfeiffer/Weiß (1994), S. 53.
[29] Vgl. Türk (1996), S. 142.
[30] Vgl. Türk (1996), S. 142.
[31] Vgl. Türk (1996), S. 142f.
[32] Eigenarten von Bankmarktleistungen sind ihre Abstraktheit, die besondere Vertrauensempfindlichkeit der Kunden gegenüber den Banken und ihren Leistungen, die mangelnde Lagerfertigkeit, die schwierige Trennung zwischen Fertigung und Distribution sowie zwischen Beschaffung und Absatz. Vgl. Uhle (1993), S. 12ff.; Türk (1996), S. 142ff. und Linseisen (1995), S. 115ff.
[33] Vgl. Uhle (1993), S. 12ff. und Türk (1996), S. 142ff.
[34] Vgl. Kobmann (1996), S. 21.
[35] Vgl. Uhle (1993), S. 13f.
[36] Vgl. Türk (1996), S. 151ff.; Linseisen (1995), S. 110ff. und Benölken (1994), S. 113.
[37] Eigene Darstellung, angelehnt an: Slapnik (1995), S. 29.
[38] Vgl. O.V. (2000), S. 21.
[39] Vgl. O.V. (2000), S. 21.
[40] Vgl. O.V. (2000), S. 21.
[41] Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 213.
[42] Bei der Differenzierung in Aufbau- und Ablauforganisation ist es wichtig zu konstatieren, dass beide Organisationsformen nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind. Vielmehr stellen sie zwei ineinander greifende und korrelierende Aspekte des gleichen Phänomens dar. Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 213.
[43] Vgl. Linseisen (1995), S. 167ff. und Uhle (1993), S. 36ff.
[44] Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 222 und Uhle (1993), S. 16.
[45] Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 222.
[46] Vgl. Büschgen/Börner (2003), S. 222.
- Quote paper
- Sven Reimer (Author), 2005, Darstellung und kritische Würdigung von Lean Banking-Konzepten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48134
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