Nach der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden bleibt eine umfassende Reform der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union (EU) zunächst aus. Die institutionellen Neuerungen wie die Schaffung eines europäischen Außenministers oder die Einführung eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rats, könnten der EU zu kohärentem und vereintem Handeln auf weltpolitischer Bühne verhelfen. Die EU würde als internationaler Akteur gestärkt und könnte damit der Verantwortung, die Europa als größtem Handelsblock der Welt zukommt, gerecht werden.
In der vorliegenden Arbeit soll zunächst in kurzer Form die historische Entwicklung der GASP beschrieben und deren derzeit gültige Fassung auf der Basis des Vertrages von Nizza erläutert werden. Daran anknüpfend folgt ein Vergleich mit den im Verfassungsvertrag der EU vorgesehenen Bestimmungen für die GASP: Inwiefern verbessern diese das kohärente Handeln der EU in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich? Sind die Bestimmungen überhaupt ausreichend, um in einer EU der 25 ein effizientes Handeln sicherzustellen? Wie würde sich ein Scheitern des Verfassungsvertrags auf die GASP und deren Entwicklung auswirken?
Ziel ist es, einen kurzen Gesamtüberblick über die GASP zu liefern. In einer Gegenüberstellung wird die Bedeutung des Verfassungsvertrags für die GASP untersucht. Darüber hinaus soll ein Ausblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten der GASP gegeben werden – ob mit oder ohne Verfassungsvertrag.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Von Maastricht bis Nizza – Historische Entwicklung der GASP
3. Die GASP zwischen Reform und Reformstopp
3.1 Strukturen, Institutionen, Instrumente – Die GASP heute
3.2 Die GASP auf Basis des Verfassungsvertrags der EU
4. GASP auch ohne Verfassungsvertrag? (Schlussbetrachtung)
Abkürzungsverzeichnis
Bibliographie
1. Einleitung
Nach der Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrags bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden bleibt eine umfassende Reform der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union (EU) zunächst aus. Die institutionellen Neuerungen wie die Schaffung eines europäischen Außen-ministers oder die Einführung eines hauptamtlichen Präsidenten des Europäischen Rats, könnten der EU zu kohärentem und vereintem Handeln auf weltpolitischer Bühne verhelfen. Die EU würde als internationaler Akteur gestärkt und könnte damit der Verantwortung, die Europa als größtem Handelsblock der Welt zukommt, gerecht werden.[1]
In der vorliegenden Arbeit soll zunächst in kurzer Form die historische Entwicklung der GASP beschrieben und deren derzeit gültige Fassung auf der Basis des Vertrages von Nizza erläutert werden. Daran anknüpfend folgt ein Vergleich mit den im Verfassungsvertrag der EU vorgesehenen Bestimmungen für die GASP: Inwiefern verbessern diese das kohärente Handeln der EU in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich? Sind die Bestimmungen überhaupt ausreichend, um in einer EU der 25 ein effizientes Handeln sicherzustellen? Wie würde sich ein Scheitern des Verfassungsvertrags auf die GASP und deren Entwicklung auswirken?
Der Darstellung liegt zu großen Teilen das Werk von Elfriede Regelsberger „Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) – Konstitutionelle Angebote im Praxistest 1993-2003“[2] zugrunde. Aufgrund der Aktualität des Themas dienen daneben überwiegend Artikel und Analysen aus politischen Zeitschriften als Grundlage: Hervorzuheben ist hierbei zum einen die von Franco Algieri, Thomas Bauer und Klaus Brummer verfasste Analyse „Entwicklungspotenzial auch ohne Verfassungsvertrag: Optionen für GASP und ESVP“[3], zum anderen der Artikel „GASP und ESVP im Verfassungsvertrag – eine neue Angebotsvielfalt mit Chancen und Mängeln“[4] von Mathias Jopp und Elfriede Regelsberger.
Ziel ist es, einen kurzen Gesamtüberblick über die GASP zu liefern. In einer Gegenüberstellung wird die Bedeutung des Verfassungsvertrags für die GASP untersucht. Darüber hinaus soll ein Ausblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten der GASP gegeben werden – ob mit oder ohne Verfassungsvertrag.
2. Von Maastricht bis Nizza – Historische Entwicklung der GASP
In diesem Kapitel soll knapp die historische Entwicklung der GASP sowie ihrer institutionellen Vorläufer beleuchtet werden.
Schon in den 50er Jahren wurden von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Versuche unternommen, über den Status einer reinen Wirtschaftsunion hinauszugehen. Der sogenannte Pleven-Plan[5] einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) scheiterte allerdings an französischen Souve-ränitätsvorbehalten.[6] Mit dem Luxemburger Bericht (1970) wurden in Form der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) erstmals außenpolitische Positionen der Europäischen Gemeinschaften (EG) wo möglich aufeinander abgestimmt. Die EPZ besaß allerdings keinen verbindlichen Charakter und blieb letztlich nur ein „zaghafter und selektiver [...] Versuch zur Koordination west-europäischer Außenpolitik.“[7]
Mit dem Vertrag von Maastricht (1991) wurde die GASP als zweite Säule der neugeschaffenen EU begründet.[8] Da die Mitgliedstaaten nicht bereit waren in den besonders sensiblen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik ihre Souveränität einzuschränken, verblieb die letzte Entscheidungsgewalt bei den Staats- und Regierungschefs. Die GASP kann daher als intergouvernemental bezeichnet werden, alle Entscheidungen fallen auf zwischenstaatlicher Ebene und bedürfen größtenteils der Einstimmigkeit.[9]
Durch den Vertrag von Amsterdam (1997) erfuhr die GASP erste Reformen: Die wichtigste Neuerung war die Schaffung des Hohen Vertreters für die GASP, welcher der EU auf internationaler Ebene ‚Gesicht’ und ‚Stimme’ verleiht.[10] Die Möglichkeit einer konstruktiven Enthaltung, wobei sich ein Mitgliedstaat der Stimme enthält ohne dabei den Mehrheitsbeschluss der EU zu blockieren, bedeutet ein erstes Abrücken vom Konsensprinzip.[11]
Mit der seit dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Köln (1999) sich im Aufbau befindenden Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) erhält die EU die Möglichkeit, ihr außen- und sicherheitspolitisches Handeln um militärische Maßnahmen zu ergänzen.[12] Die ESVP übernimmt dabei die Petersberg-Aufgaben der Westeuropäischen Union[13] (WEU), welche humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben und Kampf-einsätze bei der Krisenbewältigung inklusive friedensschaffender Maßnahmen beinhalten. Zur Umsetzung dieser Ziele soll eine 60.000 Soldaten umfassende Interventionstruppe aufgebaut werden, die im Krisenfall innerhalb von 60 Tagen an jedem Ort der Welt einsetzbar ist.
Die weitere Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen wurde mit dem Vertrag von Nizza (2001) beschlossen. Allerdings vermochten diese Lockerungen den intergouvernementalen Charakter der GASP nicht nachhaltig zu beschränken.[14]
3. Die GASP zwischen Reform und Reformstopp
Der Ratifizierungsprozess des EU-Verfassungsvertrags wurde nach den negativen Ergebnissen der Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden aus-gesetzt. Das folgende Kapitel beschäftigt sich daher zunächst mit der GASP auf der Basis des Vertrags von Nizza, da dieser seine Gültigkeit behielte, sollte die Ratifizierung des Verfassungsvertrags endgültig scheitern. Die Bestimmungen von Nizza bedürfen somit einer näheren Betrachtung.
Desweiteren werden die neuen Regelungen, die sich durch den Verfassungs-vertrag für die GASP ergeben würden, erfasst, sowie nach deren Notwendigkeit gefragt.
3.1 Strukturen, Institutionen, Instrumente - Die GASP heute
Gemäß Artikel 11 EUV (Vertrag über die Europäische Union) dient die GASP zur Wahrung der territorialen Unversehrtheit der Union, der Sicherung des inter-nationalen Friedens durch den Eintritt für gemeinsame Werte wie Demokratie und Rechtstaatlichkeit, zur Stärkung und Sicherung der Union, sowie der Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Um diese Ziele zu verwirklichen, enthalten sich die Mitgliedstaaten „jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte.“[15]
Institutionell ist die GASP in vier Hierarchiestufen aufgebaut, wobei der Europäische Rat, bestehend aus den Staats- und Regierungschefs, als oberstes Entscheidungsorgan und Leitliniengeber für die Außen- und Sicherheitspolitik fungiert. Auch Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen fallen in seinen Zu-ständigkeitsbereich (Art. 13 EUV). Auf dieser Basis ist der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (Ministerrat), welchem die Außenminister der Mitgliedstaaten angehören, für die Umsetzung der GASP verantwortlich. Dieser ist folglich das für die laufenden Geschäfte maßgebliche Entscheidungsorgan.[16] Ihm stehen dabei die Instrumente Gemeinsame Erklärung, gemeinsamer Standpunkt, gemeinsame Aktion und gemeinsame Strategie zur Verfügung. Die Häufigkeit ihrer Anwendung nimmt mit zunehmender Verbindlichkeit kontinuierlich ab. So werden gemeinsame Erklärungen sehr häufig beschlossen, gemeinsame Strategien sind hingegen eher die Ausnahme.[17] Um eine dauerhafte Präsenz der EU in Krisen-regionen zu gewährleisten, ist der Ministerrat außerdem berechtigt EU-Sonder-beauftragte zu ernennen. Diese sollen ein wirkungsvolles Handeln vor Ort sicherstellen.[18] Das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) ist das zentrale Bindeglied zwischen politischer und administrativer Ebene, ihm obliegt dabei die politische Kontrolle und strategische Leitung von Krisenbewältigungs-operationen.[19] Der Ministerrat kann das PSK laut Artikel 25 EUV für die Dauer einer solchen Operation ermächtigen, geeignete Beschlüsse in Eigenverantwortung zu fassen. In Fragen der ESVP wird das PSK vom Militärausschuss (EUMA) unter-stützt.[20] Ein weiterer Aufgabenbereich, gemeinsam mit dem Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV), ist die Vor- und Nachbereitung der Arbeit des Minister-rats. Die vierte Ebene bilden regelmäßig tagende Arbeitsgruppen und Ausschüsse, welche den oberen Entscheidungsgremien zuarbeiten.
[...]
[1] Vgl. Schmalz, Uwe: Europäische Union als internationaler Akteur, in: Woyke, Wichard (Hrsg.): Hand-wörterbuch Internationale Politik, 9. völlig überarbeitete Aufl., Bonn 2004, S. 133-135. Im Folgenden wird dieser Titel unter „Schmalz: Europäische Union“ aufgeführt.
[2] Regelsberger, Elfriede: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) – Konstitu-tionelle Angebote im Praxistest 1993-2003, Baden-Baden 2004. Dieser Titel wird im Folgendem unter der Kurzform „Regelsberger: GASP im Praxistest“ angeführt.
[3] Algieri, Franco / Bauer, Thomas / Brummer, Klaus: Entwicklungspotenzial auch ohne Verfassungs-vertrag: Optionen für GASP und ESVP, in: CAP Analyse 1/2005. Im Folgenden wird dieser Aufsatz in der gekürzten Fassung „Algieri / Bauer / Brummer: Entwicklungspotenzial auch ohne Verfassungs-vertrag“ angegeben.
[4] Jopp, Mathias / Regelsberger, Elfriede: GASP und ESVP im Verfassungsvertrag – eine neue Ange-botsvielfalt mit Chancen und Mängeln, in: Integration 4/2003. Dieser Aufsatz wird im Folgenden unter „Jopp / Regelsberger: GASP und ESVP im Verfassungsvertrag“ angegeben.
[5] Der Plan wurde nach René Pleven, französischer Verteidigungsminister von 1952-54, benannt.
[6] Vgl. Regelsberger: GASP im Praxistest, S. 11.
[7] Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (Hrsg): Europäische Außenpolitik - GASP- und ESVP-Konven-tionen ausgewählter EU-Mitgliedstaaten, Baden Baden 2002, S. 9. Dieser Titel erscheint im Folgenden unter „Müller-Brandeck-Bocquet: Europäische Außenpolitik“.
[8] Die EU umfasst daneben noch die vergemeinschafteten Politikfelder der ehemaligen EG als erste Säule, sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) als dritte Säule.
[9] Vgl. Müller-Brandeck-Bocquet: Europäische Außenpolitik, S. 9.
[10] Vgl. Schmalz: Europäische Union, S.135.
[11] Vgl. Gottschald, Marc: Die GASP von Maastricht bis Nizza – Die Ergebnisse und Beschlüsse der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU seit ihrer Entstehung bis zum Vertrag von Nizza, Baden Baden 2001, S. 103-106.
[12] Vgl. Schmalz: Europäische Union, S. 143f.
[13] Hierbei handelt es sich um ein früheres militärisches und politisches Beistandsbündnis westeuropäischer Staaten.
[14] Vgl. Regelsberger, Elfriede: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach ‚Nizza’ – be-grenzter Reformeifer und außervertragliche Dynamik, in: Integration 2/2001, S. 158.
[15] Läufer, Thomas (Hrsg.): Vertrag von Nizza – Die EU der 25, Bonn 2004, S. 29f.
[16] Vgl. Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europa von A bis Z – Taschenbuch der europäischen Integration, 8. Aufl., Bonn 2002, S. 229.
[17] Vgl. Regelsberger, Elfriede: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, in: Weidenfeld, Werner / Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Jahrbuch der Europäischen Integration 2003/2004, Baden Baden 2004, S. 239.
[18] Vgl. Schmalz: Europäische Union, S. 135f.
[19] Vgl. Wessels, Wolfgang: Die Vertragsreformen von Nizza – Zur institutionellen Erweiterungsreife, in: Integration 1/2001, S. 10.
[20] Vgl. Algieri, Franco: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik: erweiterter Handlungs-spielraum für die GASP, in: Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Nizza in der Analyse, Gütersloh 2001, S. 168ff.
- Quote paper
- Florian Rühmann (Author), 2005, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU - Verbesserte Handlungsfähigkeit durch den europäischen Verfassungsvertrag?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48060
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