Haben Tiere ein Bewusstsein? Haben Menschen ein Bewusstsein? Nach der Auffassung des Solipsismus kann man letztendlich nur Gewissheit über sein eigenes Bewusstsein haben. Von R. Descartes (1596-1650) stammt die berühmte Aussage „Cogito, ergo sum“ (Ich denke – also bin ich). Diese Fähigkeit schrieb er den Tieren allerdings nicht zu. Er vertrat die Anschauung, dass Bewusstsein und Denken ausschließlich dem Menschen vorbehalten seien. Tiere würden wie Automaten funktionieren, deren Empfinden und Wollen rein mechanisch und nach physikalischen Prinzipien abläuft. Aber bereits Ende des 19. Jahrhunderts äußerte sich der Biologe Ernst Haeckel in seinem Buch „Die Welthrätsel“ über das menschliche und tierische Bewusstsein in einer Auffassung, die der heutigen schon sehr nahe kommt:
„Aber auch die höhere Associons-Thätigkeit ihres Gehirns, die Bildung von Urtheilen und deren Verbindung zu Schlüssen, das Denken und das Bewußtsein im engeren Sinne, sind bei ihnen ähnlich entwickelt wie beim Menschen – nur dem Grade, nicht der Art nach verschieden. [....] Dagegen ist es nicht möglich, die Grenze scharf zu bestimmen, wo auf den niederen Stufen des Thierlebens das Bewußtsein zuerst als solches erkennbar wird. [....] Nach meiner persönlichen Auffassung dünkt mir unter den verschiedenen widersprechenden Theorien am wahrscheinlichsten die Annahme, daß das Zustandekommen des Bewußtseins an die Centralisation des Nervensystems gebunden ist, die den niederen Thierklassen noch fehlt.“ (Haeckel, 1899, Kapitel 10) Wissen über die Ausprägung und Funktion tierischen Bewusstseins, kann zur Klärung der Entwicklung und besserem Verständnis des menschlichen Bewusstseins beitragen. Daher führt man eine Vielzahl von Experimenten zum tierischen Bewusstsein durch. Insbesondere Tierarten mit einem hohen „Zephalisationsindex „ und Menschenaffen, von denen einige genetisch bis zu 98,4% (Preiß, 2003)) mit dem Menschen übereinstimmen, sind dabei von großem Interesse. Eines der größten Probleme beim Erforschen des tierischen Bewusstseins, ist das Fehlen einer uns verständlichen Sprache. Wäre diese komplex genug, könnten wir auf einfache Art und Weise Auskunft über ihre „geistigen Prozesse“ erhalten. Da dies nicht der Fall ist, und wir nur sehr eingeschränkt mit ihnen Kommunizieren können, versucht man über das Verhalten der Tiere in gestellten Problemsituationen, schrittweise den Ausprägungsgrad ihrer kognitiven Fähigkeiten zu ermitteln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Grundlagen
- Bewusstsein
- Mögliche Funktion (Sinn) des Bewusstseins
- Kennzeichen für (tierisches-) Bewusstsein
- Versuche, Beobachtungen und Experimente zum tierischen Bewusstsein
- Komplexes Verhalten = Bewusstsein?
- Denken
- Selbstbezogenes Verhalten – Experimente mit Spiegeln
- Synthese & Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage nach dem Bewusstsein bei Tieren. Ziel ist es, verschiedene theoretische Ansätze zum Verständnis von Bewusstsein zu beleuchten und diese mit empirischen Befunden aus Versuchen und Beobachtungen zum Verhalten von Tieren zu konfrontieren. Die Arbeit soll ein umfassendes Bild der aktuellen Forschungslandschaft zum Thema liefern, ohne jedoch definitive Schlussfolgerungen zu ziehen.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs „Bewusstsein“
- Mögliche Funktionen und der evolutionäre Ursprung von Bewusstsein
- Kennzeichen und Indikatoren für tierisches Bewusstsein
- Analyse von Experimenten und Beobachtungen zum Verhalten von Tieren
- Zusammenhang zwischen Bewusstsein und komplexen kognitiven Fähigkeiten
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die historische Debatte um die Existenz von Bewusstsein bei Tieren, beginnend mit Descartes' mechanistischem Weltbild und kontrastiert dies mit der evolutionären Perspektive Haeckels, die bereits eine enge Verwandtschaft zwischen menschlichem und tierischem Bewusstsein postuliert. Die Arbeit betont die Schwierigkeit, Bewusstsein zu definieren und zu untersuchen, insbesondere aufgrund der fehlenden Sprache bei Tieren, und hebt die Bedeutung der Forschung an Tierarten mit hohem Cephalisationsindex hervor.
Theoretische Grundlagen: Dieses Kapitel erörtert die Herausforderungen bei der Definition und Erforschung von Bewusstsein, verweist auf die Unzulänglichkeit neurobiologischer Methoden zur Erklärung von Bewusstsein. Es präsentiert Zimbardos Definition von Bewusstsein als „Strom der unmittelbaren Erfahrung“ und diskutiert unterschiedliche Auffassungen zum Sinn und zur Funktion von Bewusstsein im Kontext der Informationsverarbeitung und der Konstruktion der Realität. Schließlich werden Kennzeichen für tierisches Bewusstsein wie Planhandeln, Wahlverhalten und Selbstbezogenheit behandelt, wobei die Schwierigkeit, erlerntes von bewusstem Verhalten zu unterscheiden, hervorgehoben wird.
Schlüsselwörter
Tierisches Bewusstsein, Bewusstseinsforschung, kognitive Fähigkeiten, Verhaltensexperimente, Evolution des Bewusstseins, Cephalisationsindex, Komplexes Verhalten, Selbstbezogenes Verhalten, Definition von Bewusstsein.
Häufig gestellte Fragen zum Dokument: Tierisches Bewusstsein
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet eine umfassende Übersicht über die aktuelle Forschung zum tierischen Bewusstsein. Es beinhaltet eine Einleitung, theoretische Grundlagen, eine Zusammenfassung von Versuchen und Beobachtungen zum tierischen Bewusstsein, sowie eine Synthese und einen Ausblick. Es werden verschiedene theoretische Ansätze beleuchtet und mit empirischen Befunden konfrontiert. Schlüsselwörter und eine Kapitelzusammenfassung erleichtern den Zugriff auf die Informationen.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt zentrale Fragen zum tierischen Bewusstsein, einschließlich der Definition und Abgrenzung des Begriffs "Bewusstsein", möglicher Funktionen und des evolutionären Ursprungs von Bewusstsein, Kennzeichen und Indikatoren für tierisches Bewusstsein, sowie die Analyse von Experimenten und Beobachtungen zum Verhalten von Tieren. Der Zusammenhang zwischen Bewusstsein und komplexen kognitiven Fähigkeiten wird ebenfalls untersucht.
Welche theoretischen Ansätze werden diskutiert?
Das Dokument diskutiert verschiedene theoretische Ansätze zum Verständnis von Bewusstsein. Es werden unter anderem Zimbardos Definition von Bewusstsein als „Strom der unmittelbaren Erfahrung“ und die Herausforderungen neurobiologischer Methoden zur Erklärung von Bewusstsein beleuchtet. Die unterschiedlichen Auffassungen zum Sinn und zur Funktion von Bewusstsein im Kontext der Informationsverarbeitung und der Konstruktion der Realität werden ebenfalls erörtert.
Welche Experimente und Beobachtungen werden behandelt?
Das Dokument analysiert verschiedene Experimente und Beobachtungen zum Verhalten von Tieren, um Indizien für tierisches Bewusstsein zu finden. Hierzu gehören Experimente mit Spiegeln (Selbstbezogenes Verhalten), die Analyse von komplexem Verhalten und die Untersuchung von Planhandeln und Wahlverhalten. Die Schwierigkeit, erlerntes von bewusstem Verhalten zu unterscheiden, wird hervorgehoben.
Welche Schlüsselbegriffe werden im Dokument verwendet?
Wichtige Schlüsselbegriffe umfassen: Tierisches Bewusstsein, Bewusstseinsforschung, kognitive Fähigkeiten, Verhaltensexperimente, Evolution des Bewusstseins, Cephalisationsindex, Komplexes Verhalten, Selbstbezogenes Verhalten und Definition von Bewusstsein.
Welche Kapitel umfasst das Dokument?
Das Dokument gliedert sich in folgende Kapitel: Einleitung, Theoretische Grundlagen (mit Unterkapiteln zu Bewusstsein, möglicher Funktion des Bewusstseins und Kennzeichen für tierisches Bewusstsein), Versuche, Beobachtungen und Experimente zum tierischen Bewusstsein (mit Unterkapiteln zu komplexem Verhalten, Denken und selbstbezogenem Verhalten – Experimente mit Spiegeln), sowie eine Synthese & Ausblick.
Wie ist die Zielsetzung des Dokuments?
Die Zielsetzung des Dokuments ist es, ein umfassendes Bild der aktuellen Forschungslandschaft zum Thema tierisches Bewusstsein zu liefern, indem verschiedene theoretische Ansätze mit empirischen Befunden konfrontiert werden. Es wird jedoch darauf verzichtet, definitive Schlussfolgerungen zu ziehen.
Welche historischen Perspektiven werden betrachtet?
Die Einleitung beleuchtet die historische Debatte um die Existenz von Bewusstsein bei Tieren, beginnend mit Descartes' mechanistischem Weltbild und im Kontrast dazu die evolutionäre Perspektive Haeckels, die eine enge Verwandtschaft zwischen menschlichem und tierischem Bewusstsein postuliert.
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- Mario Bolz (Author), 2003, Bewusstsein bei Tieren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47771