Diese Arbeit untersucht Korruption in den politischen Systemen Brasiliens und Indiens. Im Vergleich zu industrialisierten Gesellschaften herrschen in Entwicklungs- und Schwellenländer schlechtere Rahmenbedingungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung, sowie das Pro-Kopf-Einkommen sind deutlich geringer.
Sowohl Brasilien als auch Indien haben ein durchaus stark artikuliertes Interesse die Rolle eines global geachteten Spielers einzunehmen. Beiden Staaten haben allerdings noch etwas gemein, das diesen Ambitionen im Weg stehen könnte, ein nationales Problem mit Korruption.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich Korruption sowohl in Brasilien wie auch in Indien in den verschiedensten Facetten abzeichnet und sich in den beiden Beispielen in leicht abweichender Form zeigt. Gemein haben die jeweiligen Umstände aber immer drei Dinge. Zum einen profitieren von den korrumpierten Netzwerken immer die Spieler, die sich auf einem schmalen Grad zur Legalität oder bereits jenseits davon befinden. Des Weiteren unterminieren korrumpierte Strukturen immer die eigentlich vorherrschenden rechtlich legitimierten Systeme. Letztendlich führt Korruption in jedem Fall zu einer Benachteiligung der ärmsten und schwächsten "Gesetzestreuen" in einer Gesellschaft.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Zur Thematik
1.2 Relevanz der Thematik
2. Brasilien
2.1 Allgemeine Situation
2.2 Politische Sphäre
3. Indien
3.1 Allgemeine Situation
3.2 Politische Sphäre
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Korruption in Brasilien und Indien. Lähmt die Korruption den Entwicklungsprozess? Ein Vergleich.
1. Einleitung
1.1 Zur Thematik
Im Vergleich zu industrialisierten Gesellschaften herrschen in Entwicklungs- und Schwellen- ländern, laut Pelinka und Varwick, schlechtere Rahmenbedingungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung, sowie das Pro-Kopf-Einkommen, sind deutlich geringer; die Analphabe- tismusrate und die Agrarquote dagegen deutlich höher. Einhergehend damit zeichnet sich ein deutlich höheres Bevölkerungswachstum ab.1
Brasilien und Indien unterscheiden sich nicht nur durch ihre geografische Lage enorm. Mit einem HDI von 0,759 belegt Brasilien den 79. Rang, während Indien mit einem Index-Wert von 0,640 nur den 130. Platz in der Wertung erreicht.2 Bei genauerer Betrachtung weisen beide Staaten trotzdem eine gewisse Ähnlichkeit auf. Beide Länder gelten als demokratisch. Gegenüber stehen sich parlamentarische und präsidentielle Demokratien. Die Macht der jeweiligen politischen Elite beider Systeme resultiert aus den Ergebnissen öffentlicher Wah- len. Beide Staaten zählen zu den sogenannten BRICS-Staaten sowie der Gruppe der G5.
Die Klassifizierung von Brasilien und Indien zum BRICS-Staat geht auf den Ökonomen Jim O’Neill von Goldman Sachs zurück. Mit diesem Neologismus bezeichnet O’Neill die Staaten, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. In seinem Bericht „BRICS and beyond“, legt er seine Einschätzung zur wirtschaftlich besonders vielversprechenden Situation, in den un- ter der Abkürzung BRICS subsumierten Schwellenländern offen. Eine Gemeinsamkeit ist die unglaubliche Potenz der lokalen Aktienmärkte, die bemerkenswerten Wertzuwachs ver- zeichnet So ist seit Beginn der Beobachtung durch Goldman Sachs im Jahre 2001 bis zur Ver- öffentlichung des O’Neill Berichts im Jahr 2007 der Leitindex in Brasilien um 369% gestiegen, während Indien mit einem Anstieg des Leitindex von 499% noch besser abschnitt3
Doch auch politisch betrachtet entwickeln sich beide Staaten zunehmend in eine bedeuten- dere Richtung. Beide Länder gehören der Gruppe der Outreach-Staaten (Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika) oder G5 an. Seit dem G-8-Gipfel 2003 in Frankreich nehmen diese Staaten beisitzend an diesen Spitzentreffen teil und sind seit dem Jahre 2007 durch den sogenannten Heiligendamm-Prozess formal an die G8 gebunden.4
Das zum Abschluss des G-8-Gipfels in Japan im Jahr 2008 veröffentlichte Positionspapier, „Länderbericht: Perspektiven aus den Outreach-Staaten“ spiegelt Brasiliens und Indiens selbstgestellten Anspruch wieder, die Rolle eines global geachteten Spielers einzunehmen. So bewertet Brasilien den Outcome seiner Teilnahme am G-8-Gipfel wie folgt: „[Die Einbin- dung der G5-Staa-ten], trägt der Einsicht Rechnung, dass die globalen Probleme nicht ohne die Beteiligung von Brasilien, Mexiko, Südafrika, Indien und China, die als „Gruppe der Fünf“ (G 5) auftreten, behandelt, geschweige denn gelöst werden können.“5 Die wichtigsten The- men des Gipfels seien auch für Brasilien von enormer Relevanz, wie etwa der Umgang mit Inflation, die drohende Erdölknappheit und der Klimaschutz.6
Die indische Vertretung zieht sogar zusätzlichen Nutzen aus dem G-8-Gipfel in Japan. Am Rande des Gipfeltreffens gelang es, dank der gestiegenen Reputation Indiens, in zeitlich en- ger Abfolge bilaterale Gespräche mit den USA, China und Korea über ein mögliches Atom- abkommen, zu führen. Als Resultat daraus zeigte sich die Indische Regierung sehr optimis- tisch bezüglich der weiteren Schritte zum Abschluss eines Atomabkommens.7
Sowohl Brasilien als auch Indien haben also ein durchaus stark artikuliertes Interesse die Rolle eines global geachteten Spielers einzunehmen. Beiden Staaten haben allerdings noch etwas gemein, das diesen Ambitionen im Weg stehen könnte. Ein nationales Problem mit der Korruption.
1.2 Relevanz der Thematik
Beide Länder stehen sozusagen an der Schwelle den Status eines Entwicklungslandes hinter sich zu lassen und wollen diesen Weg zügig beschreiten. „Mit dem wirtschaftlichen und politischen Bedeutungszuwachs der G-5-Staaten wird in jedem Fall eine wachsende Verantwor- tung dieser Länder für die Lösung globaler Probleme einhergehen.“8
Die Inklusion in den Kreis der Erste-Welt-Länder birgt viele Vorteile. Ökonomisch betrachtet, in Bezug auf eine stabile Wert Entwicklung des Aktienmarkts, wird wirtschaftliches Potenzial gefördert. Politisch gesehen, ist damit internationaler Einfluss verbunden. Der Anspruch an Seriosität steht im Beispiel Brasiliens und Indiens allerdings im Schatten der Korruption.
Unter Korruption versteht man im Allgemeinen den Missbrauch von anvertrauter Macht zum Erlangen privater Vorteile. Doch Korruption hat viele Gesichter und ist in allen Bereichen der Gesellschaft vertreten. Sie reicht von verhältnismäßig kleineren Fällen, wie beispielsweise der Annahme von Bestechungsgeldern für die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen, bis hin zur Manipulation öffentlicher Ausschreibungen, was einen Eingriff in das Wirtschaftssys- tem darstellt. Auf politischer Ebene ist ein besonderes Augenmerk auf den Nepotismus, also das Verteilen von Macht, Ressourcen und anderen Vorteilen auf den eigenen “Clan“, sowie die Veruntreuung öffentlicher Gelder und die illegale Einflussnahme auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung zu legen.9
Da sich Korruption typischerweise im Verborgenen abspielt, ist ihre exakte Messung schwie- rig. Die wissenschaftliche Studie „Corruption Perceptions Index” von Transparency Internati- onal, nutzt dafür Indizes, die die subjektive Einschätzung von Unternehmern, Bürgern oder Experten erfassen.10
Der "Corruption Perceptions Index", also der Index für wahrgenommene Korruption im öffentlichen Sektor im Jahr 2018, listet 180 Staaten. Er erfasst das Maß an in der Öffentlichkeit wahrgenommener Korruption und beruft sich auf Experten und Geschäftsleute in den ein- schlägigen Regionen. Auf einer Skala von 0 bis 100, auf der die tieferen Indizes ein korrupte- res Umfeld darstellen, belegt Brasilien mit 35 Punkten nur Rang 105 der Liste. Indien hinge- gen erreicht den 78. Rang der Wertung. Bei einer Wertung von 41 Punkten kann aber nurvon einem minimalen Vorsprung zu Brasilien die Rede sein.11
In einem Papier der KfW-Bank zum Thema Zusammenhang zwischen Korruption und Ent- wicklung wird Korruption als zentrales Entwicklungshemmnis bezeichnet. Korruption führe zu erhöhten Preisen, schlechterer Qualität und „unfairer“ Verteilungswirkung. Zusätzlich kommt es dazu, dass „suboptimale“ Entscheidungen getroffen werden und das Vertrauen in staatliche Institutionen unterminiert werde. Korruption habe allgemein einen schwächenden Effekt auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.12
In wie weit die Korruption den fortwährenden Entwicklungsprozess beeinflusst, werde ichim folgenden Vergleich beider Staaten erörtern. Da Korruption alle Bereiche der Gesellschaft beeinflusst, werde ich ein besonderes Augenmerk auf den Nepotismus, also die „Vettern- wirtschaft“, legen, sowie die Veruntreuung öffentlicher Gelder und die illegale Einflussnah- me auf die Gesetzgebung und Rechtsprechung.
2. Brasilien
2.1 Allgemeine Situation
Brasilien ist die jüngere der beiden zu vergleichenden Demokratien. Erst im Jahre 1985, nach zwei Jahrzehnten Militärdiktatur, erlangten die brasilianischen Bürger das Recht auf freie Wahlen. Seitdem es der Militärregierung, trotz steigenden Drucks der Bevölkerung, befeuert durch die damalige grassierende Wirtschaftskrise gelang, einen friedlichen Übergang in die präsidentielle Demokratie zu gestalten,13 könnte man Brasilien als Vorzeigedemokratie in Südamerika bezeichnen. Doch bei genauerer Betrachtung zeichnen sich schlimme Missstän- de ab. Brasilien beherbergt nach offiziellen Schätzungen knapp 210 Millionen Einwohner. Herunter gerechnet auf die Fläche des Landes kommen so ca. 24,5 Einwohner auf einen km2.14 Da es in Brasilien aufgrund der geografischen Lage und dem immensen Amazonasge- biet aber zu einer extremen Ballung in den Städten kommt, täuscht die verhältnismäßig klei- ne Zahl.
Das Problem der Überbevölkerung äußert sich am sichtbarsten in den Armensiedlungen des Landes, den sogenannten Favelas, die besonders stark von Kriminalität und Gewalt betroffen sind. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland rät zur Allgemein Vorsicht und warnt potenzielle Touristen: „Die Gefahr, Opfer eines Raubüberfalls oder eines anderen Ge- waltverbrechens zu werden, ist in Brasilien insgesamt erheblich höher als in Westeuropa. Besonders Großstädte, […] weisen hohe Kriminalitätsraten auf.“15 Die Vorherrschenden Probleme sind der Drogenhandel und die damit einhergehende Bandenkriminalität.
Die Brasilianische Währung ist schwach, die Löhne im öffentlichen Sektor niedrig, doch der Handel mit illegalen Substanzen blüht. C. Otten verweist in einem Artikel zu Gewalt und Kor- ruption in Brasilien darauf, dass durch den Drogenhandel in Brasilien enorme Summen er- wirtschaftet werden. Da die Gehälter der Polizisten, selbst im brasilianischen Vergleich, so gering seien, lohne sich eine Zusammenarbeit der lokalen Polizei mit den Verbrecherchefs.16
Das Joseph Fouché-Zitat: „Wenn es heißt, ein Mensch sei unbestechlich, frage ich mich un- willkürlich, ob man ihm genug geboten hat“, scheint hier den Nagel auf den Kopf zu treffen. Die Selbstbereicherung scheint im Vordergrund zu stehen. Die Ursache dafür kann man in dem immer noch starken Einflusses des Militärs und der Polizei im Lande festmachen. Gera- de die bereits angesprochenen Favelas haben oft eine Art kriminelle Selbstverwaltung und werden teils vollständig von der lokalen Autorität gemieden. Hier finden sich Anknüpfstellen der Korruption. „Die Polizei greift praktisch nur in den Drogenhandel ein, um ihre Beste- chungsgelder zu erhöhen, oder wenn es Kriege zwischen den verschiedenen kriminellen Fraktionen ein Eingreifen unvermeidlich machen.“17
Doch der Fisch stinkt vom Kopf her, denn das System der Gefälligkeiten und Korruption reicht bis in die obersten Etagen der brasilianischen Politik und behindert sogar den Durch- griff der Justiz.
2.2 Politische Sphäre
Wie immens sich Korruption in der brasilianischen Politik auswirkt und wie tief die sinisteren Strukturen verwurzelt sind, spiegelt sich im Medien dominierenden Lava-Jato-Skandal von 2014 wieder. Der Skandal erlangte dadurch besondere Brisanz, weil er offenlegte wie sehr das gesamte System von Korruption zerfressen ist.18 In dem enormen Fall von Korruption und Vetternwirtschaft, in den große Teile der politischen Elite involviert sind, kamen Fakten zu Tage, die zu einer Anklage des ehemaligen Präsidenten Lula und indirekt 2016 zu einem erfolgreichen Amtsenthebungsverfahren gegen die damalige Präsidentin Rousseff durch das Parlament führten.19
[...]
1 Vgl. Pelinka, Varwick 2004
2 Vgl. http://hdr.undp.org/en/countries
3 Vgl. Jim O’Neill 2007
4 Vgl. Konrad Adenauer Stiftung
5 Länderbericht. Der G-8-Gipfel in Japan: Perspektiven aus den Outreach-Staaten. S.2
6 Vgl. Ebd. S.4
7 Vgl. Ebd S.12f.
8 Länderbericht. Der G-8-Gipfel in Japan: Perspektiven aus den Outreach-Staaten. S.1
9 KfW Development Research Entwicklungspolitik 2018
10 Vgl. Transparency International
11 Ebd.
12 Prediger 2018
13 Vgl. CIA 2019
14 Vgl. Länderdaten.info
15 Auswärtiges Amt 2019
16 Vgl. Otten 2006
17 Ebd.
18 Vgl. Anliker, Feer 2018
19 Vgl. Ebd.
- Quote paper
- Michael Tschackert (Author), 2019, Korruption in Brasilien und Indien. Die politischen Systeme im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/477618
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