Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass es Boethius in der Consolatio philosophiae gelingt, die traditionsreiche Vorsehungsproblematik kontextuell neu zu verankern und unter Einbezug vorangegangener Überlegungen anderer Philosophen aufzulösen. Boethius vollzieht dabei schrittweise eine systematische Trennung des menschlichen Einflussbereiches von der göttlichen Sphäre. Zentral für diese Überlegungen sind insbesondere die Differenzierung von Providenz, atemporaler Gegenwart und göttlicher Omniszienz gegenüber Schicksal, zeitlicher Gebundenheit und beschränkter, sukzessiver Erkenntnis.
Originell an Boethius‘ Lehre ist dabei die Einflechtung der Atemporalität Gottes. Der Mensch ist dem Strom der Zeit untergeordnet, während Gott ihn gleichsam als ewige Gegenwart erblickt und somit übersteigt. Diese Verschiebung des argumentativen Schwerpunkts stellt im Wesentlichen den Fortschritt gegenüber der älteren, ebenfalls neuplatonischen, Vorsehungslehre des Ammonius dar. Obwohl die Struktur der Consolatio in der Forschung kontrovers diskutiert wird, ist die Position dieser Arbeit, den konsolatorischen Charakter der Schrift auch auf das fünfte Buch zu übertragen und dieses somit als Teil des Heilungscursus der allegorischen Philosophie zu deuten. Ebenfalls wird der Ausgang der Trostschrift positiv bewertet. Trotz geringfügiger struktureller und inhaltlicher Defizite ist die Argumentation schlüssig und beantwortet die Frage nach der Vereinbarkeit von göttlicher Providenz und menschlicher Freiheit zufriedenstellend. Die göttliche Vorsehung schließt eine menschliche Willensfreiheit nicht aus.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das fünfte Buch im Kontext des Gesamtwerks
2.1 Die Argumentation der Philosophie in den ersten vier Büchern
2.2 Die Sonderstellung des fünften Buches
3. Boethius‘ Position zur menschlichen Willensfreiheit und zum Vorauswissen Gottes
3.1 Zufall und Notwendigkeit
3.2 Zeit und Ewigkeit – die Antithetik menschlicher und göttlicher Erkenntnis
4. Die Position des Boethius in philosophischer Tradition
4.1 Die menschliche Willensfreiheit bei Ammonius
4.2 Rezeption in der Forschung
5. Abschließendes Urteil und Fazit
Bibliographie
Zusammenfassung
- Arbeit zitieren
- Luca Maurer (Autor:in), 2019, Die Kompatibilität von göttlicher Providenz und menschlicher Willensfreiheit in der Consolatio philosophiae des Boethius, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/476724
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