Religionen waren oft Opfer staatlicher Repressionen. Die Ausübung einiger Kulte wurde verboten, ihre Anhänger teils gnadenlos verfolgt. Auch die Christen waren im Römischen Reich mehrere Jahrhunderte lang Repressionen und z.T. harten Verfolgungen und Ausschreitungen ausgesetzt. Bis zur Anerkennung ihrer Religion durch Maxentius und das sogenannte „Mailänder Toleranzedikt“ Constantins des Großen 313 konnten sie oftmals ihres Lebens und Besitzes nicht sicher sein. Doch waren die Verfolgungen so gnadenlos, wie von christlichen Gelehrten dargestellt? Das Problem ist, dass heidnische Quellen zu den Christenprozessen und –verfolgungen weitgehend fehlen und man auf christliche Schriftsteller zurückgreifen muss, die allerdings kaum unparteiisch berichteten, zudem sie oft selbst Bischöfe und andere geistliche Würdenträger waren. Wenn es Gerichtsprotokolle etc. der Verfolger gab – wovon zumindest in einigen Fällen wohl auszugehen ist – so wurden diese, nachdem das Christentum durch Edikt Theodosius I. Staatsreligion wurde, sicherlich beseitigt, damit sich keine andere Sicht der zurückliegenden Ereignisse verbreiten konnte und der Mythos der mutig und fröhlich in den Tod gehenden Märtyrer erhalten blieb. Trotz der Verfolgungen überlebte das Christentum nicht nur, sondern konnte – entgegen der Absichten der Kaiser und seiner Beamten – immer mehr Anhänger finden, was an der oft unkonsequenten Vorgehensweise des Staates liegen kann, der lange Zeit – bis ins 3.Jh. hinein – nur eingriff, wenn er die öffentliche Ordnung gefährdet sah. Nach Birley, 401f sollen die Verfolgungen der offiziellen christlichen Kirche sogar eher genutzt als geschadet haben, da diese das Entstehen von Sekten und Irrlehren begrenzten, das Christentum nach Innen stärkten und die Anhänger durch standhafte Märtyrer in ihrem Glauben ermutigten.
Inhaltsübersicht
1. Einleitung
1.1. Das Christentums im 1. und 2. Jh. – Entstehung, Ausbreitung, Sekten
1.2. Die Römische Staatsreligion und der Umgang mit fremden Religionen
1.3. Gründe für den Christenhass in der heidnischen Bevölkerung
1.4. Heidnische antichristliche Schriften im 2. Jh. n.Chr.
2. Die Verfolgungen vor Marcus Aurelius
2.1. Juristische Grundlagen für die Verfolgungen bis Marc Aurel
2.2. Verfolgungen unter Nero und Domitian
2.3. Verfolgungen unter den Adoptivkaisern
3. Die Verfolgungen von 161-68
3.1. Ursachen
3.2. Prozess und Martyrium des Justin
3.3. Verfolgungen in Asien
4. Die zweite Verfolgungswelle 174-177
4.1. Ursachen der Verfolgung von Lyon
4.2. Verfolgung von Lyon nach Eusebius
4.3. Das Vorgehen des Statthalters im Vergleich mit dem Reskript Traians
5. Persönliches Verhältnis Marc Aurels zu den Christen
5.1. Einstellung des Kaisers zur Religion allgemein
5.2. Verhältnis zum Christentum
5.3. Beurteilung des Kaisers in der christlichen Apologie
6. Schlussbetrachtungen
6.1. War Marc Aurel ein Christenverfolger?
6.2. Ausblick: Verfolgungen des 3. und 4.Jh.
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Das Christentums im 1. und 2. Jh. – Entstehung, Ausbreitung, Sekten
Nach der Hinrichtung Jesus von Nazareths in Jerusalem verbreitete sich der neue Glauben auch außerhalb Palästinas. Die Apostel brachten diese neue Religion v.a. in den Osten des Reiches. Frühe Gemeinden befanden sich zumeist in Kleinasien und Syrien, aber auch in den Provinzen Arabia und Ägypten. Dagegen konnte sich das Christentum im Westen des Reiches nur sehr langsam verbreiten[1].
Der Gedanke des Monotheismus, der Glaube an einen allmächtigen Gott, war nicht neu. Schon Echnaton wollte mit seinem obersten Gott Aton, dem Sonnengott, den Monotheismus in Ägypten einführen, wenn auch ohne großen Erfolg. Dagegen entstand in Palästina mit dem Judentum ein monotheistischer Glaube, der bis heute erhalten blieb[2]. Das Judentum war auch der Ursprung des Christentums. Jesus selbst und seine Jünger waren Juden, keine Christen, da es diese Unterscheidung anfangs noch nicht gab. Vielmehr wurden die Anhänger der Lehre Christi als Angehörige einer jüdischen Sekte von den römischen Behörden angesehen. Anders als das Judentum konnte sich das aufstrebende Christentum aber weiter verbreiten als das Judentum. Die jüdische Lehre durfte nach ihren eigenen Gesetzen nur begrenzt verbreitet und nur an die Angehörigen des Volkes Israels weitergegeben werden. Dagegen beschlossen die Apostel schon bald, das Christentum auch auf Angehörige anderer Völker und Religionen auszudehnen und verabschiedeten sich damit von der ursprünglichen Praxis, dass nur Juden die Taufe empfangen durften. Und dieser neue Glauben fand schnell – v.a. in den armen und ungebildeten Volksmassen – Anhänger, weil er so verschieden zu den griechisch-römischen Vorstellungen war[3]. Neben Jesus als Gott bzw. Gottessohn wachten Engel und Heilige als überirdische Helfer über die Menschen. Besonders wichtig war den Menschen die Lehre der Auferstehung und des himmlischen Lebens. Viele hofften so auf ein besseres Leben im Jenseits, das ihnen andere Religionen nicht in Aussicht stellten. Auch christliche Gebote wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit trugen zum Erfolg dies neuen Glaubens bei. Durch ihre Ablehnung von Staat, bedingt durch den Glauben an den nahen Weltuntergang, und Kaiserkult sowie ihrem Anspruch, die einzig wahre Religion zu sein, gerieten sie in Konflikt mit der heidnischen und jüdischen Bevölkerung und den römischen Behörden, die in dieser Religion eine Bedrohung für die bestehende Ordnung und den Staat sahen.
Doch nicht nur der Staat bedrohte das Christentum. Gefahr ging auch von den sich zahlreich bildenden Sekten[4] aus, die gegenüber der offiziellen Kirche immer mehr Einfluss gewannen. Als gemäßigt galten noch die Gnostiker, die besonders in Syrien, Ägypten und Gallien verbreitet waren. Sie stellten für den Staat kaum eine Bedrohung dar, da sie die strenge hierarchische Gliederung der Kirche und das Martyrium ablehnten und einen Ausgleich mit dem Staat suchten. Weitaus gefährlicher, sowohl für Staat als auch Kirche, waren die radikalen Sekten, die jede Annährung an den heidnischen Staat ablehnten und nach dem Martyrium strebten, um direkt in den Himmel zu gelangen. Zu diesen Fanatikern zählten die Montanisten. Diese Sekte entstand etwa zur Zeit Marc Aurels in Phrygien, wo sie ein Christ namens Montanus begründet haben soll. Durch ihren Radikalismus und ihrer Sehnsucht nach einem möglichst grausamen Tod brachten sie die gesamte Kirche bei den Heiden in Verruf und steigerten den Hass noch mehr.
1.2. Die Römische Staatsreligion und der Umgang mit fremden Religionen
Die römische Staatsreligion[5] war eine typische polytheistische Religion, die stark von griechischen Einflüssen geprägt war. An der Spitze stand die kapitolinische Trias mit dem Göttervater Jupiter Optimus Maximus, seiner Frau Juno Regina und seiner Tochter Minerva. Diese drei besaßen in Rom auf dem Kapitol ihren Tempel. Während diese Hauptgötter auch in der Kaiserzeit nicht an Bedeutung verloren, verdrängte der Kaiserkult in Rom allmählich die anderen Staatsgötter, deren Verehrung immer mehr in die Provinzen verdrängt wurde, wo sich deren Kulte teilweise mit denen von Lokalgottheiten vermischten.
Der römische Staat tolerierte grundsätzlich fremde Kulte und Religionen und war diesen aufgeschlossen, da der römische Polytheismus sich nicht von Einflüssen anderer Kulte völlig abschottete[6]. Voraussetzung für Toleranz war allerdings, dass die fremden Religionen auch die römische anerkannten und den Kaiser die ihm gebührende Verehrung entgegenbrachten. Ein Vorgehen der Behörden gegen Religionen und Kulte war, abgesehen von den Christen, relativ selten. Doch wurde meist nicht die Religion als solche bekämpft; der Staat griff nur ein, wenn er die öffentliche Ordnung durch eine neue Religion gefährdet sah und Aufruhr und Verbrechen vermutete. 186 v.Chr. ging der Staat gegen den Bacchanalienkult in Rom und Italien vor. Die Anhänger dieses z.T. von zügellosen Orgien beherrschten Kultes zu Ehren des Gottes des Weines wurden verdächtigt, einen Staatsstreich zu planen. Daher beschloss der Senat, besonders radikale Anhänger hinzurichten oder zu exilieren, während die Ausübung des Kultes in Rom verboten, in der Provinz jedoch in der ursprünglichen, gemäßigten Form weiterhin erlaubt wurde. Auch gegen andere Kulte wie den Isiskult in der julisch-claudischen Zeit ging der Staat vor, ebenso gegen die gallischen Druiden und andere Magier, denen unsoziales Verhalten, Frevel (scelera) oder Schandtaten (flagitia) wie Menschenopfer vorgeworfen wurde. So war es im Zusammenhang mit den flagitia ein todeswürdiges Verbrechen, sich als Druide zu bekennen. Im 3. Jh. schließlich wurde neben dem Christentum auch der aus Persien stammende Manichäismus[7] sowohl von den römischen als auch von den persischen Behörden bekämpft.
1.3. Gründe für den Christenhass in der heidnischen Bevölkerung
Das Verhältnis von Heiden und Christen war seit dem 1.Jh. sehr gespannt. Durch ihre völlig andere Lebensweise erzeugten die Christen in der heidnischen Bevölkerung Misstrauen und Hass. Gründe für das Entstehen von Konflikten waren vielfältig: von Gerüchten und Verleumdungen über von Christen verübte Verbrechen bis hin zum Vorwurf des Atheismus, der Menschenfeindlichkeit und der Verachtung für den Staat. Bis zu den Verfolgungen unter Decius ab 249 n.Chr. übernahm der Staat selbst nicht die Aufgabe des Anklägers, sondern Privatpersonen. Diese hatten vielfältige Gründe, die Christen zu hassen und durch Prozesse an ihnen Rache nehmen zu können[8].
(1) Religiöse Gründe
Lange Zeit setzte man die Christen mit den ebenfalls unbeliebten Juden gleich. Die ersten Christen waren ja in der Tat eigentlich Juden. Diese allerdings waren der griechischen Bevölkerung im Osten durch ihre Sitten und Gebräuche so suspekt, dass man ihnen Absonderung, Anstiftung zu Aufruhr, Zauberei, Menschenhass etc. vorwarf und diese Anschuldigungen auch auf die frühen Christen übertrug. Allerdings wurden Juden im Gegensatz zu den Christen nicht von Staats wegen verfolgt. Aufgrund ihres Alters wurde die jüdische Religion toleriert. Außerdem bildete das Judentum eine ethnische Einheit und genoss durch frühes Arrangement mit der römischen Herrschaft bestimmte Privilegien und konnte auf Schutz durch den Staat setzen, auch wenn die Religion bei Römern und Griechen nicht auf Gegenliebe stieß. Dagegen war das Christentum eine neue Religion. Seine Anhänger stammten aus verschiedenen, meist östlichen Völkern und bildeten daher keine ethnische Einheit. Von vielen Römern wurden sie zunächst nur als eine Splittergruppe des Judentums angesehen und waren daher nicht schutzwürdig.
Christen verehrten nicht die alten Götter, wodurch der Vorwurf des Atheismus aufkam. Die heidnische Bevölkerung fürchtete den Zorn der Götter, der über das Reich käme, wenn diese keine ausreichende Verehrung aller Bewohner des Imperiums erführen und machten die Christen für die zahlreichen Krisen und Katastrophen (Pest, Barbareneinfälle etc.) z.Z. Marc Aurels verantwortlich. Doch die Anschuldigung, nicht an Götter zu glauben, war im 2. Jh. noch kein Hauptgrund für die Verfolgungen, sondern erst im 3.Jh., als die Krise des Reiches eine tiefere Religiosität in der heidnischen Bevölkerung auslöste. Eher wurde das Christentum als falscher, irriger Kult (superstitio) angesehen. Ein anderer Konfliktpunkt war der Kaiserkult. Vielen Anhängern der alten Religionen galt der Kaiser als Garant für das Wohl des Reiches und genoss kultische Verehrung. Die Christen aber erkannten nur ihren Gott, nicht den Kaiser als obersten Herrn an und verweigerten diesem nach Meinung vieler Heiden den angemessenen Respekt.
(2) Keine Teilnahme am öffentlichen Leben
Die Christen im Reich bildeten eine eigene, exklusive Gesellschaft in der Gesellschaft. Außenstehende wurden ausgeschlossen, sie selbst sonderten sich von ihrer heidnischen Umwelt ab. Eine Teilnahme an Festen und Spielen war ihnen nicht gestattet, so diese mit einem heidnischen Kult verbunden waren, was sehr oft der Fall war. Dies aber wurde von den Außenstehenden als unsoziales Verhalten gegenüber der Gesellschaft empfunden und verärgerte das heidnische Volk. Durch ihre Weigerung, Verantwortung für den Staat zu übernehmen und im Heer zu dienen bzw. in der Verwaltung Ämter zu bekleiden, verstärkten sie den Hass auf sich selbst und bestätigten das Vorurteil, dass ihnen das Reich gleichgültig wäre.
(3) Respektloses, überhebliches und heimliches Verhalten der Christen
Viele fanatische Christen legten bei ihren Prozessen vor den römischen Statthaltern ein solch störrisches Verhalten (obstinatio) zu Tage, dass die Anwesenden vor Wut die grausamsten Strafen erteilten, auch wenn sie das eigentlich nicht wollten. Durch ihre Respektlosigkeit gegenüber den Behörden erzeugten sie eine stetig wachsende Feindseligkeit. Viele Heiden meinten, dieses Verhalten sei angeboren oder anerzogen. Außerdem nahmen die Christen für sich in Anspruch, moralisch besser als die heidnische Bevölkerung zu sein.
Die christliche Lehre nahm Einfluss auf das tägliche Leben seiner Anhänger und verlangte die Absonderung von der „schlechten“ Außenwelt und eine hohe Selbstdisziplin. Nächtliche Gottesdienste der Christen erregten das Misstrauen der heidnischen Bevölkerung. Solch ein heimliches und verborgenes Treiben ließ auch andere Vorwürfe wie Inzest, Kannibalismus oder Aufruhr aufkommen. Auch wenn viele solche Anschuldigungen als übertrieben ansahen, glaubte eine Mehrheit der Heiden doch daran. Der Oberschicht schien das Verhalten vor allem hinsichtlich des Vorwurfs des Aufruhrs und der Verschwörung (coniuratio) verdächtig. Man verglich die Situation mit dem Bacchanalienfrevel 186 v.Chr. oder der Catilinischen Verschwörung (63 v.Chr.) und rechtfertigte das Vorgehen damit, Rom und das Reich vor einem Umsturz schützen zu wollen.
(4) Aggressive Sprache
Christen bedienten sich in ihrer Kommunikation mit den Heiden schriftlich als auch mündlich einer aggressiven, verhöhnenden Sprache. Für sich nahmen sie in Anspruch, dass ihre Lehre die einzig Wahre sei und alle anderen falsch. In ihren Schriften und Predigten gingen sie schonungslos direkt und kompromisslos gegen alles Heidnische vor, wodurch sie sich bei vielen Feinde machten.
(5) Wirtschaftliche Gründe
Ein bedeutendes Motiv für Anklagen war wirtschaftlicher Art. Die im 2. Jh. meist privaten Ankläger waren oft Geschäftsleute, die sich durch die Christen finanziell gefährdet sahen. Die heidnischen Tempel verzeichneten einen drastischen Rückgang ihrer Einnahmen mit dem Verkauf von Opfergaben, da Christen solche nicht erwarben. Hersteller von Luxusgütern und Kunstgegenständen fanden einen erheblich kleineren Absatzmarkt vor, da Christen nach dem Gebot der Einfachheit leben sollten und solche Gegenstände nicht benötigten. Auch andere Händler konnten ihre Produkte nicht recht absetzen, wenn den Christen aufgrund ihrer Lehre der Erwerb bestimmter Waren nicht gestattet war.
1.4. Heidnische antichristliche Schriften im 2. Jh. n.Chr.
Nachdem Christen im 1. Jh. n.Chr. in heidnischen Quellen eigentlich gar nicht auftauchten, beschäftigten sich die Schriftsteller des 2. Jh. n.Chr. mehr mit dem Christenproblem. Schon frühzeitig befassten sich Sueton und Tacitus[9] mit den Christen, die diese neue Religion in ihren Beschreibungen des Vorgehens Neros gegen die angeblichen Brandstifter von Rom 64 n.Chr. erwähnten. Allerdings fand noch keine Auseinandersetzung mit der christlichen Lehre statt. Auch der Lehrer Marc Aurels, Fronto, erwähnte die Christen und kritisierte ihre Moralvorstellungen und angeblichen Verbrechen[10]. Im Gegensatz zu vielen anderen teilte er sogar die Vorstellungen von angeblichen Verbrechen der Christen. Richtig auseinandergesetzt hatte sich der Philosoph Celsus um 178 n.Chr. mit dem Christentum[11]. Er warf den Christen in seiner Schrift „Wahres Wort“ vor, von der väterlichen (jüdischen) Religion abgefallen zu sein, kritisierte die niedere Herkunft ihres Religionsstifters und versuchte mit Argumenten die christliche Lehre zu widerlegen. Er reichte ihnen aber auch die Hand, rief sie zur Mitarbeit und gemeinsamen, friedlichen Koexistenz auf. Sollten sie aber weiterhin stur ihren Geboten und Praktiken folgen und dem Kaiser die Verehrung verweigern, so würden sie alle aufgespürt und vernichtet werden. Siebzig Jahre später verfasste der christliche Gelehrte Origines darauf eine Gegenschrift[12].
2. Die Verfolgungen vor Marcus Aurelius
Die ersten Verfolgungen von Christen fanden durch Juden statt und nicht durch römische Magistrate. Jesus Christus selbst wurde von einem jüdischen Gericht der Gotteslästerung für schuldig befunden und erst danach der Obhut des Prokurators Pontius Pilatus unterstellt und zum Tode am Kreuz verurteilt. Der römische Staat ergriff bis Nero keine Initiative gegen das aufstrebende Christentum.
2.1. Juristische Grundlagen für die Verfolgungen bis Marc Aurel
Grundlage für die Verfolgung der Christen durch den Staat waren bis zur Zeit Kaiser Decius (249-51) nicht Gesetze oder kaiserliche Edikte, die konkret gegen die Christen gerichtet waren. Zwar erwähnte Tertullian im Zusammenhang mit dem Vorgehen Neros gegen die Christen nach dem Brand Roms ein institutum Neronianum, dass von früheren Gelehrten als Gesetz (lex) gleichgesetzt wurde, aber er selbst spricht nur von ungerechten Gesetz en und keinem Spezialgesetz, dass sich ausdrücklich gegen Christen richtete. Auch das Reskript Traians[14] an den Statthalter Bithyniens, Plinius d.J., stellt kein ausdrückliches kaiserliches Edikt gegen die Christen dar, da es erst nach dem Tod des Plinius mit der gesamten anderen Korrespondenz veröffentlicht wurde. Trotzdem stellte es eine Richtlinie für den Umgang mit den Christen dar, die im Großen und Ganzen bis Decius befolgt wurde. Rechtsgrundlage war eher die Entscheidungsbefugnis der Statthalter. Diese konnten im Rahmen ihres imperiums bei Fehlen einer Gesetzesvorschrift trotzdem gegen das als illegal eingestufte Christentum vorgehen. Die gesetzliche Vorschrift dazu war die coercitio, die dem Inhaber eines imperiums erlaubte, im Interesse der Gemeinschaft gegen Einzelne vorzugehen, gleichgültig, ob ein Gesetz die unterdrückenden Maßnahmen deckte. Die coercitio war sowohl auf Bürger als auch auf Nichtbürger anwendbar. In Einzelfällen, v.a. wenn es um die Behandlung von römischen Bürgern ging, die als Christen beschuldigt wurden, musste sich der Statthalter an die Zentralbehörde in Rom, also den Kaiser, wenden (so z.B. das Verhalten des Plinius). Allgemeine Richtlinien, im Falle der Christen v.a. das Reskript Traians für das 2.Jh., lenkten die coercitio und gaben den Statthaltern Anhaltspunkte für ihr Vorgehen (z.B. die Anklageerhebung durch private, namentlich bekannte Denunzianten, nicht durch die Behörden selbst). Todeswürdig war schon das Bekenntnis zum Christentum (nomen Christianum), andere Vorwürfe (Kannibalismus, Inzest) spielten in den Prozessen weniger eine Rolle, anders dagegen das Verhalten bei Gericht und die damit verbundenen Vorwürfe des Trotzes (contumacia), der Beharrlichkeit (obstinatio), der Hartnäckigkeit (pertinacia), des Aufrührertums (coniuratio) und der Illoyalität gegenüber Kaiser und Reich.[13]
[...]
[1] Weiterführend zur Entstehung und geographischen Ausbreitung des Christentums Kötting, „Christentum I“. in: Reallexikon für Antike und Christentum (RAC), 1139-59; von Glasenapp. Die fünf Weltreligionen, 233; 257ff
[2] zum Judentum und anderen Kulten als Wurzeln des Christentums von Glasenapp, 221-34
[3] zur Lehre Jesu und ausführlich zur christlichen Lehre von Glasenapp, 248-57, 280-329
[4] Zu den Sekten Berwig. Mark Aurel und die Christen, 82; Moreau. Die Christenverfolgung im römischen Reich, 50ff; Speigl. Der römische Staat und die Christen, 177f; Grant. The Antonines, 120ff
[5] Dazu Winkler. „Der Staatskult“. In: Kaiser Marc Aurel und seine Zeit, 161
[6] Zum Vorgehen des Staates Moreau, 19ff; Speigl, 250ff; Vogt. „Christenverfolgung I“. in: RAC, 1162ff
[7] Vom persischen Religionsstifter Mani (216-77) gestiftete Religion mit persischen, christlichen und buddhistischen Elementen
[8] Zu den Gründen des Christenhasses ausführlicher Walsh/ Gottlieb. Zur Christenfrage im 2.Jh., 21-53; auch Birley. Mark Aurel, 435f
[9] Tacitus, Annales, XV,44; Sueton, De vita Caesarum, Nero 16,2
[10] Fronto, „Ex Octavo Minucii Felicis” IX,8. in: Briefe. Er berichtet hier über angebliche ausschweifende Mahlzeiten und Orgien in Cirta.
[11] Celsus, Wahres Wort (ALHQHS LOGOS)
[12] Origines, Acht Bücher gegen Celsus
[13] Zu den juristischen Grundlagen v.a. Berwig, 4-24; Last. „Christenverfolgung II“. in: RAC, 1208-28; Moreau, 61-9; Speigl, 251f
[14] siehe unter 2.3.
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