Jean Auguste Dominique Ingres war zu Beginn seiner Laufbahn als Maler ein Vertreter des klassischen Malstils nach römischem Vorbild. Seine professionelle Ausbildung erhielt er ab dem 18. Lebensjahr von Jean-Louis David in Paris. Noch bevor er als Schüler Davids zu Bekanntheit gelangte, wiedersetzte er sich jedoch der Lehre seines Meisters und experimentierte mit einem Stil, der vielmehr an die sogenannte gotische Kunst des englischen Bildhauers und Zeichners John Flaxman erinnerte. Dieser orientierte sich vorzugsweise an der linearen etruskischen Vasenmalerei.
Flaxman illustrierte unter anderen literarischen Werken Dantes Göttliche Komödie. Die beiden Werke unten zeigen deutlich, dass er stärker als Ingres die griechische Antike zum Vorbild genommen hat. Dabei weisen ihn seine Zeichnungen deutlich als Bildhauer aus. Fast alle wirken sie wie Studien für seine plastischen Werke wie die Plakette unten rechts.
Über Ingres gotische Phase schreibt Ernst Würtenberger 1925:
„Dem unbedingten Bewunderer und Nachahmer Raffaels passiert es, dass er jahrelang von der Kritik als Gotiker, als Maler des Hässlichen verschrien wird“. Gotisch war zu jener Zeit eine abfällige Bezeichnung für Malerei, die nicht der römisch-klassischen Idee von Kunst als Darstellungsmittel des Schönen und Erhabenen entsprach.
Die gotische Kunst hatte unter anderem die etruskische Vasenmalerei zum Vorbild und strebte im Gegensatz zur Schule Davids einen linear-abstrakten Stil an, der sich auch durch eine Art Raumlosigkeit bzw. mangelnde Tiefe des Bild-Raumes auszeichnete. Ingres ließ im Laufe seiner Ausbildung bei David von diesem Stil und seinen Elementen nie ganz ab. Ernst Würtenberger glaubt zwar erkennen zu können, dass die gotischen Einflüsse unter der Lehre Davids verloren gehen und bedauert dies, denn die wenigen Werke aus der Frühphase des Malers seien deshalb so besonders zu bewerten, weil sie den einzigen Bruch, im Sinne von Stil-Bruch, innerhalb Ingres´ Gesamtwerk darstellen würden. Auch die immer wieder gegen Ingres Malerei erhobene Kritik der Phantasielosigkeit und sein so genannter Mangel an künstlerischer Imagination treffen auf dies Frühwerk, so Würtenberger, nicht zu.
Gliederung
Einführung ins Thema
Ingres und die Moderne
Vor-Bild für Man Ray und Bacon
Besonderheiten des Werkes
Widerholungen desselben Motivs
Kunst und Tod
Tod des Leonardo
Kunst und ihr Verhältnis zur Wirklichkeit
„Dies ist keine Pfeife“
Raum und Zeit in der Malerei
Zentralperspektive vs. Betonung der Fläche
Ein Historienbild - ?
Angelique ohne Roger
Fazit
Literatur
„Ich bin ein Hüter der Tradition und kein Neuerer.“
J. A. D. Ingres
Eingang
Bekanntheit gelangte, wieder-setzte er sich jedoch der Lehre seines Meisters und experi-mentierte mit einem Stil, der vielmehr an die sogenannte gotische Kunst des englischen Bildhauers und Zeichners John Flaxman erinnerte. Dieser orientierte sich vor-zugsweise an der linearen etruskischen Vasenmalerei.
Jean Auguste Dominique Ingres war zu Beginn seiner Laufbahn als Maler ein Vertreter des klassischen Malstils nach römischem Vorbild. Seine pro-fessionelle Ausbildung erhielt er ab dem 18. Lebensjahr von Jean-Louis David in Paris. Noch bevor er als Schüler Davids zu
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
David: Der Schwur der Horatier, 1784, Louvre
Flaxman illustrierte unter anderen literarischen Werken Dantes Göttliche Komödie. Die beiden Werke unten zeigen deutlich, dass er stärker als Ingres die griechische Antike zum Vorbild genommen hat. Dabei weisen ihn seine Zeichnungen deutlich als Bildhauer aus. Fast alle wirken sie wie Studien für seine plastischen Werke wie die Plakette unten rechts.
Über Ingres gotische Phase schreibt Ernst Würtenberger 1925:
Flaxman: Die Apotheose des Homer Plakette, 1778
Flaxman: Thetis, ihrem Sohn Achilles die Waffen bringend
Kupferstich, vermutlich 1805
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Dem unbedingten Bewunderer und Nachahmer Raffaels passiert es, dass er jahrelang von der Kritik als Gotiker, als Maler des Hässlichen verschrien wird“.[1] Gotisch war zu jener Zeit eine abfällige Bezeichnung für Malerei, die nicht der römisch-klassischen Idee von Kunst als Darstellungsmittel des Schönen und Erhabenen entsprach.
Masaccio: Anbetung der Könige, dritte Tafel
Eines Polyptychon, 21 x 61 cm, Pisa 1426
Ingres sich von David und anderen Vertretern des römischen Stils stark beeinflussen. Aber durch seine Begegnungen mit der Kunst Masaccios und Raffaels wird sein Stil ebenfalls geprägt und weicht von dem des Atelier Davids deutlich ab. Wo dieser den
römischen Stil pflegt, nimmt Ingres
Die gotische Kunst hatte unter anderem die etruskische Vasenmalerei zum Vorbild und strebte im Gegensatz zur Schule Davids einen linear-abstrakten Stil an, der sich auch durch eine Art Raumlosigkeit bzw. mangelnde Tiefe des Bild-Raumes auszeichnete.[2] Ingres ließ im Laufe seiner Ausbildung bei David von diesem Stil und seinen Elementen nie ganz ab. Ernst Würtenberger glaubt zwar erkennen zu können, dass die gotischen Einflüsse unter der Lehre Davids verloren gehen und bedauert dies, denn die wenigen Werke aus der Frühphase des Malers seien deshalb so besonders zu bewerten, weil sie den einzigen Bruch, im Sinne von Stil-Bruch, innerhalb Ingres´ Gesamtwerk darstellen würden.[3] Auch die immer wieder gegen Ingres Malerei erhobene Kritik der Phantasielosigkeit und sein so genannter Mangel an künstlerischer Ima-gination treffen auf dies Frühwerk, so Würtenberger, nicht zu.[4] Offenbar ließ Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ingres einen antik-griechischen zum Ideal und bleibt auch seinen gotischen Vorbildern aus früherer Zeit verpflichtet. Daher kann ich Würtenberger nur bedingt zustimmen. Ingres wird seinem von Raffael inspirierten, klaren, zeichnerischen und auf der Linie basierenden Stil, den besonders die Nazarener bewundert haben, bis zu seinem letzten Bild treu bleiben.
Doch „statt der »reinlichen Kontur«, wie sie die Nazarener (...) bevorzugten, entsteht hier eine fast flimmernde Linienbewegung, die die Farbe beinahe ersetzt, schreibt Friedlaender bewundernd über Ingres Zeichnungen.[5]
Zu Ingres´ Stil ist weiter festzustellen, dass sich bis heute bei den meisten Beurteilungen seiner Malerei vor allem eine Meinung gehalten hat: seine zeichnerische Darstellungsweise, insbesondere von menschlichen Körpern, wäre kühl und emotionslos, starr und skulptural. „Selbst einige seiner späten Portraits“, so Michael Brötje, “wurden gelegentlich als zu photographisch- genau bezeichnet und damit ihre künstlerische Bedeutung in Frage gestellt“[6]. Ingres sei zu festgelegt auf die Linie, wobei alle seine Kritiker ihm sehr wohl guten Umgang mit Farbe attestieren.
Ingres und die Moderne
derne erschienen sein. Eines der bekanntesten Werke der Fotografie, Man Rays Violon d’Ingres von 1924 (unten), bezieht sich auf die Badende von Valpincon (links, 1808, Louvre) und auf dieselbe Figur aus den kleinen Badenden. Ingres spielte sehr gut Violine, weshalb sich in
Gerade die oben erwähnte Kritik an Ingres hat oft zu dem Missverständnis geführt seine Malerei wäre konservativ und er würde versuchen in seinen Werken ein längst vergangenes Ideal von Kunst aufrecht zu erhalten. Umso erstaunlicher muss den Vertretern dieser Kritik Ingres’ Einfluss auf die Mo-
Ingres spielte sehr gut Violine, weshalb sich in
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Frankreich das Sprichwort violon d’ Ingres entwickelt hat. Es soll aus-drücken, dass jemand sein Hobby gut beherrscht. Man Ray spielt in doppel-deutiger Weise auf der sprachlichen Ebene des Bildtitels und auf der ikono-
grafischen des Bildes selbst auf dies Sprichwort an[7].
Auch Francis Bacon hat unter anderem Ingres’ besonderen, auf Linie und Form basierenden Stil zum Vorbild seiner Kunst genommen. Allem voran ist es Ingres’ scheinbar zeitlose, ins Abstrakte oder Ideale verweisende Darstellung und die oben angesprochene Raumlosigkeit, die sich bei Bacon ganz offensichtlich wiederfinden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Francis Bacon: rechter Teil des Diptychon: Studie des menschlichen Körpers – nach einer Zeichnung von Ingres, 1982 - 84
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ingres: Angélique, 1819, 84,5 x 42,5 cm, Louvre
Die Reminiszenzen von Bacons Studie des menschlichen Körpers – nach einer Zeichnung von Ingres (rechter Teil eines Diptychons von 1982, Öl und Pastell auf Leinen, 195,5 x 147,6) weisen nicht nur durch den Titel auf diese Vorbild-Funktion des sogenannten Klassizisten hin. Die Gegenüberstellung von Ingres letzter Version der Angelique und Bacons Studie von 1982 macht deutlich, wie sehr Ingres an der Transformation des Klassizismus beteiligt gewesen ist. Sein besonderer Einfluss auf die moderne Kunst wird später noch einmal zur Sprache kommen.
Obwohl Ingres den Umgang mit Farbe also gut beherrscht, kann er mit dem neu aufgekommenen romantisch-expressiven Stil eines Eugène Delacroix nicht mithalten. Besonders Friedlaender betont, dass neben seinem „(...) Gefühl für feinste Modulationen der Linie (...) ein ausgesprochener Sinn für empfindliche Abstufung der Tonwerte steht.“ Auch wenn er niemals ein Rubenist werden wird.[8] Allerdings strebt Ingres dies auch nie an. Ingres: »Man sagt, man muss mit der Zeit gehen, aber warum denn, wenn die Zeit unrecht hat?«[9] Zwischen ihm und Delacroix Malern herrschte ein regelrechter Kleinkrieg und natürlich ging es dabei nicht allein um beider Verständnis von Kunst, sondern auch um die Bedeutung der Gattungshierarchie. Deren Funktion war von Ingres nie explizit in Frage gestellt worden. Er bezeichnete sich wiederholt als Historienmaler und bestand vehement auf diesen Titel, obwohl er seinen Lebensunterhalt größtenteils mit Portraits verdient hat, die von allen, außer dem Maler selbst, sehr geschätzt wurden.
Mit seinem Werk hat Ingres die eigenen Grundsätze allerdings fortwährend unterlaufen (vgl. Michael Brötje, 1969: J. D. Ingres: Der Widerspruch von Doktrin und Werk und die Vorbildlichkeit Michelangelos). Dies war ihm entweder nicht bewusst, oder er hat es aufgrund des in der Akadémie weiterhin vertretenen Kanons über die Bedeutung der Gattungshierarchie nicht öffentlich gemacht.
Man kann sich an dieser Stelle fragen, wie sich Ingres als Maler entwickelt hätte, wenn die strengen Vorgaben der Akadémie andere gewesen wären...
[...]
[1] Vgl.: Würtenberger, Ernst, 1925, S. 11
[2] vgl.: Friedlaender, Walter, 1996, S. 85 f. und Picon, Gaëtan, 1967, 70f f.
[3] ebd.
[4] Ebd.
[5] Friedlaender, Walter: 1996, S. 92
[6] Brötje, M.: 1969, S. 1
[7] vgl.: Eismann, W.: Online-Text, 2000
[8] Friedlaender, 1996, S. 91
[9] zitiert nach Ernst H. Gombrich: „Von der Romantik zum Modernismus“. In: Kunst und Fortschritt, 1996 (Klassiker der Kunstgeschichte). S. 76 – 120, 84
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- Ann-Kathrin Keller (Author), 2005, Die Malerei von Ingres zwischen Tradition und Transformation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47565
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