Die vorliegende Diplomarbeit versucht, den Fußballkommentar bzw. die Sprache der Fußballkommentatoren im deutschen Fernsehen aus soziolinguistischer Sicht zu analysieren. Sie besteht, abgesehen von der Einleitung, aus acht Kapiteln.
Das Thema des ersten Kapitels heißt Massenkommunikation. Fußball ist nämlich in Deutschland als Massensport schlechthin anzusehen, deswegen wird man sich in dieser Diplomarbeit auch kurz mit diesem Thema auseinandersetzen.
Der folgende Kapitel widmet sich dem Massenmedium Fernsehen. Hier werden unter anderem die spezifischen Charakteristika des Fernsehens angeführt und besprochen.
Im weiteren Verlauf dieser Diplomarbeit wird die Sprache im Fernsehen behandelt. Dabei wird man vor allem versuchen, die umstrittene Frage zu klären, ob es überhaupt so etwas gibt wie eine Fernsehsprache. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Kapitel beruht auf den allgemeinen Merkmalen der Sprachkommunikation im Fernsehen.
Im folgenden Kapitel geht es um, in vielerlei Hinsicht, faszinierende Wechselbeziehung Sport und Fernsehen. Hier werden der Begriff des Sportes, seine Rolle in der Gesellschaft und die Merkmale des Sportfernsehens erfasst und besprochen.
Im Weiteren folgen die Abschnitte zum Fußballsport, und zwar wird die Geschichte des Fußballs, die Geschichte der Fußballeuropameisterschaften und die EURO 2004 unter die Lupe genommen.
Nach diesem Kapitel folgt der Hauptteil dieser Diplomarbeit, nämlich der Kapitel zum Fußballkommentar im deutschen Fernsehen. Hier werden vor allem die Anfänge des Fußballkommentars, die Aufgaben des Kommentators, der Begriff der Sportsprache und das Vokabular der Fußballreportage angesprochen. Am Ende dieses Kapitels werden dann auch noch verschiedene Aspekte des Fußballkommentars, wie zum Beispiel Spontaneität und Gebrauch von überflüssigen Anglizismen, behandelt.
Was folgt ist die Analyse des Endspiels bei der EURO 2004 zwischen Gastgeber Portugal und Griechenland. Der Kommentator dieses Spiels, das die deutsche Fernsehstation ZDF am Juli 2004 aus Lissabon übertragen hat, war Bela Rethy. In diesem Kapitel wird somit die Sprache dieses Kommentators aus soziolinguistischer Sicht analysiert. Bei dieser Analyse hat man sich wegen zu großem Umfang „nur“ auf die Kommunikationssituation, die Varietät des Fußballkommentars und den Stil des Kommentators beschränkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Massenmedien
3. Das Massenmedium Fernsehen
3.1 Zur Geschichte und Entwicklung des Fernsehens in Deutschland
3.2 Spezifische Charakteristika des Fernsehens
3.2.1 Mehrkanaligkeit
3.2.1.1 Fernsehen als ein primär visuelles Medium
3.2.1.2 Fernsehen als ein primär mündliches Medium
3.2.2 Kommunikation ins Leere
3.2.3 Vielkanalfernsehen und Zuschauerverhalten
3.2.4 Abwechslung, Spannung und Unterhaltung
4. Die Sprache im Fernsehen
4.1 Gibt es eine Fernsehsprache?
4.2 Linguistische Beschäftigung mit der Fernsehkommunikation
4.3 Allgemeine Merkmale der Sprachkommunikation im Fernsehen
4.3.1 Relativierung der Sprache durch das Zusammenspiel mit Bild und Ton
4.3.2 Merkmale geschriebener und gesprochener Sprache
4.3.3 Verstärkung der Beziehungskommunikation
4.3.4 Vermischung von Stilen
4.3.5 „Offene“ Texte
4.3.6 „Kleine“ Texte
4.3.7 Unterhaltungselemente
5. Sport und Fernsehen
5.1 Was ist eigentlich Sport?
5.2 Inhalte, Charakteristika und Darstellungsformen des Sportfernsehens
5.3 Wechselwirkung und gegenseitige Abhängigkeit zwischen Sport und Fernsehen
6. Fußballsport
6.1 Zur Geschichte des Fußballsports
6.2 Zur Geschichte der Fußball-Europameisterschaft
6.3 EURO
7. Der Fußballkommentar im deutschen Fernsehen
7.1 Zur Geschichte der Fußballübertragungen im deutschen Fernsehen
7.2 Der Fußballkommentar am Anfang
7.3 Der Reporter und seine Aufgaben
7.4 Die Sprache des Sports und der Sportjournalisten
7.4.1 Zur Definition des Begriffs Sportsprache
7.4.2 Zur Kritik an der Sportsprache
7.5 Das Vokabular der Fußballreportage
7.5.1 Allgemeine Strukturwörter
7.5.2 Grundwortschatz
7.5.3 Aufbauwortschatz
7.6 Verschiedene Aspekte des Fußballkommentars
7.6.1 Gebrauch von überflüssigen Anglizismen
7.6.2 Kritik an den EM-Fußball-Kommentatoren
7.6.3 Spontaneität des Fußballkommentars
7.6.4 Kommentieren überhaupt notwendig?
8. Fußball-EM – Endspiel (Portugal : Griechenland) 2004 in Portugal: Analyse der Fernsehübertragung vom ZDF
8.1 Zum Transkriptionsverfahren
8.2 Der Reporter Bela Rethy
8.3 Allgemeine Bemerkungen
8.4 Zur Kommunikationssituation des Fußballkommentars
8.4.1 Kommunikationsmedium
8.4.2 Kommunikationsteilnehmer
8.4.3 Das soziale Umfeld
8.4.4 Kommunikationsgegenstand
8.5 Zur Varietät des Fußballkommentars
8.6 Zum Stil des Reporters Bela Rethy
8.6.1 Humorvolle Äußerungen
8.6.2 Häufige Fragestellungen
8.6.3 Abstrakte, metaphorische Ausdrucksweise
8.7 Anglizismen im Fußballkommentar von Bela Rethy
9. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Diplomarbeit bildet ein Versuch, den Fußballkommentar bzw. die Sprache der Fußballkommentatoren im deutschen Fernsehen aus soziolinguistischer Sicht zu analysieren.
Der Grund für die Wahl dieses Themas liegt auf der Hand. Einerseits interessiere ich mich als Deutschstudent schön seit längerem für die deutsche Sprache der Gegenwart, vor allem die Sprache in den Massenmedien ist für mich faszinierend und reizvoll. Zum anderen bin ich als aktiver Fußballer mit dem Thema Fußball sehr vertraut. Außerdem habe ich mir in der Vergangenheit schon etliche Fußballübertragungen im Fernsehen angeschaut, vor allem von den deutschen Fernsehsendern. Dabei haben meine Aufmerksamkeit immer wieder die deutschen Fußballkommentatoren und ihre charakteristische Art, ein Fußballspiel zu kommentieren, erregt.
Diese Diplomarbeit besteht, abgesehen von dieser Einleitung, aus 8 Kapiteln.
Das Thema des ersten Kapitels heißt Massenkommunikation. Fußball ist nämlich in Deutschland als Massensport schlechthin anzusehen, deswegen wird man sich in dieser Diplomarbeit auch kurz mit diesem Thema auseinandersetzen.
Der folgende Kapitel widmet sich dem Massenmedium Fernsehen. Hier werden unter anderem die spezifischen Charakteristika des Fernsehens angeführt und besprochen.
Im weiteren Verlauf dieser Diplomarbeit wird die Sprache im Fernsehen behandelt. Dabei wird man vor allem versuchen, die umstrittene Frage zu klären, ob es überhaupt so etwas gibt wie eine Fernsehsprache. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem Kapitel beruht auf den allgemeinen Merkmalen der Sprachkommunikation im Fernsehen.
Im folgenden Kapitel geht es um, in vielerlei Hinsicht, faszinierende Wechselbeziehung Sport und Fernsehen. Hier werden der Begriff des Sportes, seine Rolle in der Gesellschaft und die Merkmale des Sportfernsehens erfasst und besprochen.
Im Weiteren folgen die Abschnitte zum Fußballsport, und zwar wird die Geschichte des Fußballs, die Geschichte der Fußballeuropameisterschaften und die EURO 2004 unter die Lupe genommen.
Nach diesem Kapitel folgt der Hauptteil dieser Diplomarbeit, nämlich der Kapitel zum Fußballkommentar im deutschen Fernsehen. Hier werden vor allem die Anfänge des Fußballkommentars, die Aufgaben des Kommentators, der Begriff der Sportsprache und das Vokabular der Fußballreportage angesprochen. Am Ende dieses Kapitels werden dann auch noch verschiedene Aspekte des Fußballkommentars, wie zum Beispiel Spontaneität und Gebrauch von überflüssigen Anglizismen, behandelt.
Was folgt ist die Analyse des Endspiels bei der EURO 2004 zwischen Gastgeber Portugal und Griechenland. Der Kommentator dieses Spiels, das die deutsche Fernsehstation ZDF am Juli 2004 aus Lissabon übertragen hat, war Bela Rethy. In diesem Kapitel wird somit die Sprache dieses Kommentators aus soziolinguistischer Sicht analysiert. Dazu sei angemerkt, dass dabei nicht alle soziolinguistische Aspekte berücksichtigt werden und werden können, denn das wäre eine zu umfangreiche Aufgabe. Bei dieser Analyse hat man sich aus diesem Grund, abgesehen von den allgemeinen Bemerkungen und dem Gebrauch von überflüssigen Anglizismen, „nur“ auf die Kommunikationssituation, die Varietät des Fußballkommentars und den Stil des Kommentators beschränkt.
Im Schlusskapitel dieser Diplomarbeit werden dann noch kurz die wichtigsten Bemerkungen und Erkenntnisse, die die Analyse ergeben hat, zusammengefasst.
2. Massenmedien
Wir leben heutzutage in einer modernen Zeit, in der wir uns das Leben ohne Massenmedien kaum vorstellen können. Unsere heutige Gesellschaft, auch „Informationsgesellschaft“ (siehe BURKART, 2002, S. 182ff) genannt, wird von der Massenkommunikation deutlich geprägt. G. MALETZKE definiert die Merkmale der Massenkommunikation folgendermaßen: „Massenmedien sind technische Instrumente, mit denen Aussagen indirekt, einseitig und öffentlich an ein disperses [lat. „fein verteilt“] Publikum vermittelt werden.“ (MALETZKE, 1976, Zit. nach HUEMER, 2001, S. 9). Unter indirekt versteht man, dass zur Informationsübermittlung ein technisches Mittel notwendig ist, unter einseitig, dass der Informationsfluss prinzipiell nur in die Richtung des Rezipienten verläuft und nicht umgekehrt, und unter öffentlich, dass es allgemein zugänglich ist und dass die Empfänger bzw. Rezipienten nicht begrenzt oder personell definiert werden können (vgl. BURKART, 2002, S. 170ff). Hier ist noch hinzuzufügen, dass heutzutage nicht nur einseitige, sondern auch eine gegenseitige Kommunikation möglich sein kann, nämlich eine Kommunikation vom Rezipienten in Richtung Kommunikator mithilfe von E-mails, Leserbriefen, Telefonanrufen, usw.
Es bestehen aber auch andere interessante Definitionen zum Begriff Massenmedien. So definiert zum Beispiel N. LUHMANN Massenmedien als „alle Einrichtungen der Gesellschaft, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen“ (LUHMANN, 1996, Zit. nach RUHS, 2001, S. 22). Massenmedien sind also technische Instrumente, die mittels Schrift, Bild und/oder Ton (es sind auch entsprechende Kombinationen möglich) die Kommunikation verbreiten bzw. optische und/oder akustische Aussagen an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen vermitteln. Zu ihnen zählen somit Flugblatt, Plakat, Presse, Hörfunk, Schallplatte/CD/DVD, Film, Fernsehen, sowie Homepages im Internet bzw. ähnliche Erscheinungsformen, die sich noch im Entwicklungsstadium befinden und daher erst in der Zukunft als Massenmedien fungieren. Zunehmend überwiegen die elektronischen gegenüber den nicht-elektronischen Medien Zu den elektronischen, konkret zu den audio-visuellen Medien gehört unter anderem auch das Fernsehen, welches dann im folgenden Kapitel unter die Lupe genommen bzw. näher besprochen wird.
Die Bezeichnungen Massenmedien und Massenkommunikation, die oben schon erläutert wurden, sind zwar allgemein gebräuchlich, sind aber nicht ganz konkret. Der Wortbestandteil „Masse“ sorgt nämlich für viel Verwirrung (siehe BURKART, 2002, S.167ff). Unter dieser Bezeichnung ist nämlich keine „Masse“ im eigentlichen Sinne zu verstehen. Es handelt sich hier nicht um eine Masse von Leuten, die sich in Panik befinden oder eine Masse, die zum Beispiel auf einem Platz versammelt ist und einem Redner zuhört. Eine solche Masse kann untereinander kommunizieren, gegenseitige Handlungen hervorrufen (Applaus, der von anderen Mitgliedern aufgenommen wird,...), usw. Beim Fernseh-, Radio- oder Zeitungspublikum fällt dieser Aspekt völlig weg. G. MALETZKE hat den Terminus „disperses Publikum“ eingeführt (siehe oben).
„Zwischen den Gliedern eines derartigen dispersen Publikums existieren in der Regel keine direkten zwischenmenschlichen Beziehungen, denn üblicherweise sind die jeweiligen Rezipienten (oder Rezipientengruppen) räumlich voneinander getrennt, gegenseitig anonym und wissen lediglich, dass außer ihnen noch zahlreiche andere Menschen dieselbe Aussage aufnehmen.“ (MALETZKE 1963, Zit. nach BURKART 2002, S. 169).
Diese Individuen bzw. kleinere Gruppen von Leuten können also in der Regel nicht miteinander kommunizieren, sie haben nur eines gemeinsam, und zwar, dass sie sich einem gemeinsamen Gegenstand - den Aussagen der Massenmedien – zuwenden.
3. Das Massenmedium Fernsehen
Fernsehen ist ein technisches Massenmedium, dass optisch-akustische Aussagen an eine Vielzahl von Menschen übermittelt (siehe oben), bzw. eine Technik, bei der bewegte Bilder mit zusätzlich passendem Ton übertragen werden. So ungefähr könnte man dieses Massenmedium kurz und bündig beschreiben. Solch eine Aussage oder Definition aus der technischen Sicht reicht aber bei weitem nicht aus. Dergleichen Meinung sind auch HOLLY und PÜSCHEL:
„Beschreibt man Fernsehen als ein Werkzeug, mit dem Bilder und Töne übermittelt werden, so trifft dies nur einen Teil des Phänomens. Fern-sehen ist darüber hinaus als ein historisch, institutionell und ökonomisch verankertes Medium zu betrachten.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 1).
Fernsehen ist also nicht nur ein „Werkzeug“, es ist vielmehr ein Phänomen unserer Zeit oder wie es BURKART nennt, ein „Jahrhundertmedium“ (BURKART, 2002, S. 316). BURKART ist nämlich der Auffassung, dass man das Fernsehen nicht mit anderen Massenmedien gleichsetzen darf: „Ein Kapitel über die Strukturen der modernen Massenkommunikationsgesellschaft wäre unvollständig, würde es dem Fernsehen nicht einen besonderen Stellenwert zuordnen.“ (BURKART, 2002, S. 316). Man kann und muss hier nur zustimmen, denn kaum ein anderes Massenmedium oder kaum eine andere technische Errungenschaft prägt und formt unser Leben so wie das Fernsehen. Das Fernsehen ist heutzutage zu einem festen Bestandteil des menschlichen Alltags geworden. Das Aufkommen des Fernsehens hat aber nicht nur unseren Alltag weitgehend gestaltet. HOLLY und PÜSCHEL gehen davon aus, dass das „Fernsehen als ein allgemein sozial wirkendes Phänomen gesehen werden muss, mit einer Entwicklung, die unser gesamtes Leben von Grund auf verändert hat, besonders natürlich die öffentlichen, aber auch die privaten Kommunikationsverhältnisse und selbstverständlich auch die Sprache“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 128). Fernsehen verändert unsere Umwelt, unsere Kultur und damit auch uns selbst. Dabei ist aber anzumerken, dass diese gesellschaftlichen Veränderungen nicht allein von den Fernsehinhalten „ausgelöst“ werden. Der Philosoph G. ANDERS war davon schon in den fünfziger Jahren, als das Fernsehen noch nicht richtig Fuß fasste, überzeugt: „Was uns prägt und entprägt, was uns formt und entformt, sind eben nicht nur die durch die ’Mittel’ vermittelten Gegenstände, sondern die Mittel selbst, die Geräte selbst“ (ANDERS, 1956, Zit. nach BURKART, 2002, S. 317). Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Kanadier H.M. MCLUHAN. Seine Auffassung hat BURKART folgendermaßen interpretiert: „Unabhängig vom transportierten Inhalt ziehe das Medium selbst bereits bestimmte Wirkungen nach sich, weil es in erster Linie die menschliche Erfahrung verändert“ (BURKART, 2002, S. 318).
Das Fernsehen prägt und gestaltet weitgehend unser Alltagsleben (siehe oben). Das bestätigen auch die empirischen Studien, die in den späten siebziger Jahren in den USA von COMSTOCK, CHAFFEE, KATZMAN und anderen durchgeführt wurden. Diese empirischen Befunde beweisen, dass Fernsehen auf einer Liste von ca. 40 „primary activities“ (COMSTOCK/CHAFFEE/KATZMAN, 1978, Zit. nach BURKART, 2002, S. 322) einen hohen dritten Platz belegt, gleich nach dem Schlafen und Arbeiten. Fernsehen als Haupttätigkeit nimmt also mehr Freizeit der Amerikaner in Anspruch als irgendeine andere Tätigkeit (BURKART, 2002, S. 322). Dabei muss man hier noch hinzufügen, dass Fernsehen bzw. Zusehen als Nebentätigkeit (bei der Arbeit, beim Sport, u.ä.) überhaupt noch nicht berücksichtigt bzw. eingerechnet wurde. Die Relevanz des Fernsehens für unseren Alltag bestätigen aber auch Studien über die tägliche Nutzungsdauer des Fernsehens: „So weisen Trenddaten aus der Bundesrepublik Deutschland z.B. für das Jahr 1964 als durchschnittlichen Zeitaufwand für fernsehen pro Werktag 1 Std. 58 Min. aus, im Jahr 1990 liegt derselbe Wert bei 2 Std. 13 Min“ (KIEFER, 1992, Zit. nach BURKART, 2002, S. 322). Das sind schon ziemlich beeindruckende Zahlen, obwohl bei diesen Studien Leute, die man als „Vielseher“ klassifizieren könnte, überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Viel beeindruckender ist noch die Anzahl von „Vielsehern“ und deren Nutzungsdauer des Fernsehens. „Vielseher sind zu 25% bis 30% in der Bevölkerung vertreten und bringen es auf über 4 Stunden TV-Konsum pro Tag, in Amerika liegt der Wert für sog. ’Extremvielseher’ sogar bei 8 Stunden pro Tag im Durchschnitt“ (BUß, 1983, BURKART, 2002, S. 323).
3.1 Zur Geschichte und Entwicklung des Fernsehens in Deutschland
Die Institution Fernsehen hat seine Anfänge in Deutschland im Jahre 1925, als die ersten Fernsehvorführungen stattgefunden haben. Im Jahre 1928 wurden auf der Deutschen Funkausstellung Versuchssendungen ausgestrahlt, und schon ein paar Jahre später, im Jahre 1935, wurde in Berlin mit der Ausstrahlung eines regelmäßigen Programms begonnen. Der 22. März 1935 war der Termin für die „Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebs der Welt“ (KREUZER, 1982, Zit. nach QUENTIN, 1989, S. 13) in Berlin. Und bereits 1936 sind Direktübertragungen von den Olympischen Spielen möglich.[1]
Es liefen damals regelmäßig Fernsehübertragungen in so genannten „Fernsehstuben“, denn der private Fernsehempfang wurde erst ab 1939 freigegeben. Wahrscheinlich hat sich auch deswegen das „neue“ Medium Fernsehen in den dreißiger Jahren, wo Hörfunk und Kinofilm als Massenmedien fest etabliert waren, nicht so gut durchsetzen können. HOLLY und PÜSCHEL sind auch der Meinung, dass man den Start dieses neuen Massenmediums geradezu als einen Fehlstart bezeichnen kann bzw. muss (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 129). Das bestätigt der Vergleich mit England. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs waren in England 20.000 Fernsehempfänger in Betrieb, in Deutschland dagegen kaum mehr als 500. Nur, die Engländer hatten die Möglichkeit das Fernsehen in ihren Wohnzimmern zu empfangen. In Deutschland gab es hingegen, wie schon oben erwähnt, nur kollektiven und öffentlichen Fernsehempfang, in sog. Fernsehstuben. Laut SPANGENBERG ist aber „das Fernsehen - wie Zeitung und Hörfunk - ein Medium für die private und individuelle Nutzung“ (SPANGENBERG, 1988, QUENTIN, 1989, S. 129).
Der Kriegsausbruch stoppte die Entwicklung des Fernsehens. Erste Versuchssendungen wurden dann vom NWDR wieder erst im Jahre 1950 ausgestrahlt. In diesem Jahr wurde auch die ARD (Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands) gegründet, die dann im Jahre 1952 offiziell den Sendebetrieb aufnahm. Seitdem hat sich das Fernsehen explosionsartig zum dominierenden Heimmedium entwickelt. Das zeigen auch die Zahlen (BRANDT, 1985, nach QUENTIN, S. 129): Im Jahre 1953 waren es 2000 Haushalte, die einen Fernsehapparat besaßen. Die Zahl wuchs 1958, 5 Jahre später, auf über 2 Millionen, 1968 auf 15, und 1983 (nach 30 Jahren) auf 22,1 Millionen Haushalte.
Im Jahre 1963 wurde dann das „Zweite Deutsche Fernsehen“ (ZDF) gegründet, das dann das Monopol der ARD beendet hat. Sowohl ARD als auch ZDF sind öffentlich-rechtlich verfasste Anstalten, d.h. „sie sollen staatsfern, aber nicht privat sein“ (QUENTIN, 1989, S. 129). Gemäß dieser Rundfunkverfassung haben Staat und Parteien keinen Zugriff auf die Rundfunkanstalten. Genau das (der Missbrauch des Rundfunks durch die Politiker) führte aber zur Gründung des ZDF: „Bekanntlich ist das ZDF Resultat der Auseinandersetzungen um das von Adenauer angezielte privatrechtrechtlich verfasste Regierungsfernsehen, das in Form der ’Deutschland-Fernsehen GmbH’ realisiert werden sollte.“ (QUENTIN, 1989, S. 129f)
In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre kommt es zum Ausbau der regionalen ARD-Programme zu Dritten Programmen. Und im Jahre 1987 haben die Bundesländer einen Staatsvertrag unterschrieben, mit dem die Grundlagen für ein duales Rundfunksystem (Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk) geschaffen wurden. Mit den Jahren kommt es zur erheblichen Angebotserweiterung. Das Programmangebot wird aber nicht nur durch Erhöhung der Anbieter ausgeweitet, sondern auch durch die Ausweiterung der Sendezeiten. Dazu kommen in den Achtzigern noch neue technische Errungenschaften, vor allem Kabel- und Satellitenfernsehen verschaffen sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privaten Anstalten neue Distributionsmöglichkeiten.
3.2 Spezifische Charakteristika des Fernsehens
3.2.1 Mehrkanaligkeit
Der Hörfunk, die Presse und das Fernsehen zählen zu den wichtigsten Massenmedien in unserer Gesellschaft. Der Hörfunk ist ein auditives und die Presse ein visuelles Medium. Das bedeutet, dass diese Medien zur Vermittlung von Inhalten akustische bzw. optische Kommunikationsmittel einsetzen können. Dem Fernsehen stehen dagegen beide, sowohl optische als auch akustische Kommunikationsmittel zur Verfügung. Das Fernsehen ist also ein „mehrkanaliges“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S.130) bzw. audiovisuelles Massenmedium, das optisch und akustisch wirkend ist. Laut den Aussagen von HOLLY und PÜSCHEL ist aber nicht allein die Mehrkanaligkeit das Merkmal, dass das Fernsehen von anderen Medien unterscheidet: „Die entscheidende kommunikationstechnische Leistung des Fernsehens, die es gegenüber anderen Massenmedien hervorhebt, ist die Kombination von Mehrkanaligkeit, die es mit dem Kinotonfilm teilt, und potentieller Aktualität, über die auch der Hörfunk verfügt.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 2).
3.2.1.1 Fernsehen als ein primär visuelles Medium
Fernsehen wird von vielen für ein primär visuelles Medium gehalten. So ist auch DOELKER der Auffassung, dass in der Mediengeschichte dem Ton lange Zeit sekundäre Bedeutung zugemessen wurde:
„Bei den Fernsehgeräten blieb der auditive Teil noch bis vor wenigen Jahren das Stiefkind der technischen Entwicklung. [...] Erst seit wenigen Jahren gibt es bei Fernsehempfängern und Videorecordern eine genügende Tonqualität. Stereoton bei Fernsehern ist eine relativ junge Errungenschaft[2]. Fern sehen wurde zu lange zu wörtlich genommen.“ (DOELKER, 1989, S. 19)
DOELKER (1989, S. 19) fügt noch hinzu, dass auch beim Medium Film bekanntlich zuerst der Stummfilm vor dem Tonfilm existiert hat. Aber nicht nur technisch gesehen gilt Fernsehen als ein primär visuelles Medium. Fernsehen wird auch von vielen kulturpessimistischen Kritikern primär als Bild-Medium bezeichnet, unter anderem auch vom NEIL POSTMAN, dem Professor für Media Ecology an der New York University:
„Das Fernsehen ist in erster Linie ein visuelles Medium [...] Obwohl man im Fernsehen auch Sprache hört und diese mitunter sogar Wichtigkeit erlangt, ist es gleichwohl das Bild, welches das Bewusstsein des Zuschauers beherrscht und die entscheidenden Bedeutungen vermittelt. Um es so einfach wie möglich zu sagen: Die Menschen sitzen als Zuschauer vor dem Fernseher, nicht als Leser und auch nicht so sehr als Hörer. Sie sehen fern.“ (POSTMAN, 1992, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 132)
3.2.1.2 Fernsehen als ein primär mündliches Medium
Die Kommunikationsmittel Bild und Ton ermöglichen sowohl Schrift als auch „gesprochenes“ Wort[3], wobei bei der Frage nach Mündlichkeit oder Schriftlichkeit schnell klar wird: Fernsehen ist ein mündliches Medium. Schrift kommt nur verhältnismäßig selten vor, und zwar in Form von Inserts, Schlagzeilen, Tabellen, Titeln, Untertiteln, u.ä. Hier muss jedoch hinzugefügt werden, dass im slowenischen Fernsehen die Schrift im Vergleich zu österreichischem oder deutschem Fernsehen relativ häufiger vorkommt. Der Grund liegt in der Tatsache, dass in Slowenien fast alle fremdsprachigen Sendungen und Filme untertitelt werden[4], in Österreich und Deutschland werden sie dagegen synchronisiert.
Die Mündlichkeit im Fernsehen ist aber nicht mit der „primären“ Mündlichkeit gleichzusetzen. Dabei handelt sich, nach Auffassung von ONG(1982, nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 133), um eine „sekundäre Oralität“, die von der geschriebenen Sprache abhängig ist. Diese „sekundäre Oralität“ bringt zahlreiche Spielarten zwischen mündlichen und schriftlichen Formen hervor. Es geht um Zwischenstufen zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit oder einfacher gesagt: Die Fernseh-Mündlichkeit basiert auf der Schriftlichkeit. Hier denkt man an schriftlich vorbereitete oder sogar fixierte, aber nur mündlich vorgetragene Texte (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 133).
Wie auch immer, HOLLY und PÜSCHEL stellen beim Vergleich der Fernseh-Mündlichkeit mit der Schriftlichkeit folgendes fest: „Sie erfordert nicht (wie Lesen und Schreiben) jahrelange Einübung in schwierige Techniken und schwer zu entziffernde Codes; sie ist außerdem in ihrer Flüchtigkeit, Vagheit, Widersprüchlichkeit so, dass für jeden etwas geboten wird.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 133).
3.2.2 Kommunikation ins Leere
Im Abschnitt 1 (siehe oben) wurde schon gesagt, dass Massenmedien ihre Aussagen einseitig dem Publikum vermitteln. Das bedeutet, dass für die Massenmedien (in unserem Fall für das Fernsehen) die Einwegkommunikation charakteristisch ist. Das grundsätzliche Problem dieser Einwegkommunikation ist, dass der Fernsehzuschauer zwar die Bilder sehen und den Text hören kann, er hat aber keine Möglichkeit zu Rückfragen, zu Veranlassung von Wiederholungen usw. Es gibt halt keine unmittelbare Reaktion des Fernseh-Publikums. HOLLY und PÜSCHEL (1996, S. 3) sprechen auch von dem „Einwegcharakter“ der Fernsehkommunikation.
Laut HOLLY und PÜSCHEL kann sich das Fernsehen nicht nur auf eine bestimmte Rezipientengruppe orientieren: „Schließlich fehlt dem Akteur die Möglichkeit, sich auf spezifische Adressaten einzustellen, denn Fernsehen richtet sich – anders als Printmedien – potentiell an alle, muss deshalb allzu spezifische Elemente vermeiden.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 135)
Das Fernsehen richtet sich also an ein „möglichst großes und deshalb extrem heterogenes Publikum“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 3). Das Publikum ist abwesend, deshalb ist selbst mit Hilfe von Einschaltquoten und Zuschauerforschung das Bild vom Fernsehzuschauer immer nur abstrakt. Dem Medienakteur, der das Publikum ansprechen soll, stehen also keine unmittelbaren Reaktionen zur Verfügung, denn das Publikum ist nicht da. Er kommuniziert sozusagen ins „Leere“ (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 3; 1993, S. 135).
ZÖCHBAUER spricht bei diesem Charakteristikum des Fernsehens auch von dem pseudodialogischen Effekt: „Dieser Effekt wird erreicht, wenn sich der Fernsehsprecher den Zuschauern zuwendet und sie durch den direkten Blick in die Kamera quasi persönlich anspricht. Der Sprecher wird zum illusionären Gesprächspartner.“ (ZÖCHBAUER, 1975, Zit. nach QUENTIN, 1989, S. 19)
Der Fernsehsprecher spricht also den Fernsehzuschauer an, es besteht aber ein Risiko, dass er ihn nicht „erreicht“. Die Risiken dieser Kommunikation ins Leere, HOLLY und PÜSCHEL(1996, S. 3) verwenden auch die Bezeichnung „Blindkommunikation“, sollen durch eine Reihe von Verfahren gemindert werden:
„In vielen Sendungen soll ein (mehr oder weniger offensichtlich manipuliertes) Studio- oder Hallenpublikum den abwesenden eigentlichen Adressaten ersetzen, jedenfalls etwas von der Spontaneität der unmittelbaren Kommunikation auch für das entfernte Publikum erlebbar machen. Auch da, wo es das Studiopublikum gar nicht gibt, werden vermehrt fiktive akustische Reaktionen eingeblendet.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 3)
3.2.3 Vielkanalfernsehen und Zuschauerverhalten
In den letzten Jahren ist es zu einer erheblichen Ausweitung des Programmangebots gekommen (siehe Abschnitt 2.1). Das Ansteigen der Zahl der Fernsehkanäle, das in den achtziger Jahren begann, ist eine Folge der Zulassung privater Programme und der neuen Verbreitungs-Möglichkeiten, vor allem der Kabel- und Satellitentechnologie. Mit dem Vorhandensein vieler Programme und mit der Verbreitung von Fernbedienungen kommt es aber auch zur Veränderung des Zuschauerverhaltens. HOLLY und PÜSCHEL beschreiben diese Veränderung der Fernsehrezeption folgendermaßen:
„Der geübte Fernseher schaltet heute problemlos zwischen den Kanälen hin und her; ebenso problemlos schaltet er sich in das laufende Programm ein: Er wendet seine Aufmerksamkeit vom laufenden Programm ab, wenn ihn andere Dinge beanspruchen, und nach deren Erledigung wendet er dem Programm seine Aufmerksamkeit wieder zu.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 137)
Laut den Aussagen von FISKE sieht der Fernsehzuschauer heutzutage statt einer bestimmten Sendung ein „Kontinuum von Bruchstücken“ (FISKE, 1987, nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 137). Das bedeutet, dass er das Programm vielmehr als ein Kontinuum versteht, in das er sich beliebig ein- und ausklinken kann, da für ihn die Grenzen zwischen den Sendungen keine Grenzen für die Rezeption bedeuten (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 137f).
Für ein solches Rezipientenverhalten wurde sogar eine Fachterminologie geschaffen. „Switchen“, „Zappen“, „Grazen“, das sind alles Bezeichnungen für verschiedene Formen des „Channel-Hopping“ (siehe BURKART, 2002, S. 355 ff). Beim „Switching“ und „Zapping“ handelt es sich um „ein häufiges Umschalten und Kanalwechsel“ (BURKART, 2002, S. 356). Es wird zwischen den Kanälen hin und her gewechselt. Eine Sendung wird nicht mehr von Anfang bis Ende verfolgt. Mit solchem Zuschauerverhalten wird oft gezielt die Werbung ausgeblendet (STIPP, 1989, nach BURKART, 2002, S. 356).
Und unter „Grazing“ ist, laut BURKART (2002, S. 356), „soviel wie das ’abgrasen’ aller zur Verfügung stehender Fernsehkanäle zu verstehen. Dieses Grazing erfolgt weniger rasch als Switching oder Zapping, da die Kanäle ja auf der Suche nach etwas Interessantem ’abgegrast’ werden.“
Auch DOELKER verwendet unter anderem den Begriff Zapping, jedoch mit wenig anderer Bedeutung. Dabei führt er aber auch zwei weitere Begriffe ein, und zwar Flipping und Zippin g :
„’ Flipping ’ wird gebraucht für ein Wechseln des Kanals, wenn die Werbung beginnt, ein Umgehen des Werbeblocks durch Kiebitzen in anderen Programmen. Für das Überspringen der Werbung bei auf Videorecorder aufgezeichneten Programmen durch den schnellen Vorlauf ist der Ausdruck ’ zipping ’ eingeführt, und mit ’ zapping ’ wird benannt, wenn man bei der Aufzeichnung von Programmen die Werbung (durch Drücken der Pause-Taste) überspringt.“ (DOELKER, 1989, S. 110f)
3.2.3 Abwechslung, Spannung und Unterhaltung
Das große Programmangebot hat also zur Folge, dass die Fernsehzuschauer dazu geneigt sind, ab- oder umzuschalten, wenn ihnen was nicht gefällt (siehe Abschnitt 2.2.3). Die Sender, die den Fernsehzuschauer am Umschalten hindern wollen, verfolgen eine Strategie des „least objectionable programming“ (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 3). Das bedeutet, dass die Sender für eine Abwechslung, Spannung und Unterhaltung sorgen müssen. So schreibt auch POSTMAN der Unterhaltung eine große Bedeutung zu: „Unterhalten zu werden aber ist das vordringlichste Motiv des Fernsehkonsums, Entertainment die ,Superideologie’ des Fernsehens“ (POSTMAN, 1985, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 139).
Die Programmgestalter müssen für ständige Abwechslung sorgen, und die wird mit der Segmentierung in kleinste Einheiten erreicht. Die Gestalter sind gezwungen, durch immer kürzere Szenenwechsel, durch Ankündigungen, durch Werbeeinblendungen usw. Auflockerung zu schaffen (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1996, S. 3).
Auch DOELKER hält die Ausrichtung des Fernsehens auf die Unterhaltung für notwendig. Er ist aber der Auffassung, dass das Fernsehen nicht nur unterhalten, sondern auch informieren muss:
„Auch die Kommunikatoren des Fernsehens haben Absichten. Sie haben sogar Aufträge. Sie wollen und müssen unterhalten, sie wollen und müssen informieren. Nun gibt es hierbei natürlich Überlagerungen, Nuancen. Wohl wollen die Redakteure der Hauptabteilung Information informieren, aber sie haben gleichzeitig den Ehrgeiz, dies unterhaltend zu tun. Und die Anbieter der Unterhaltung ziehen alle Register, um den Zuschauer zu amüsieren, sie schließen dabei eine leise Belehrung nicht aus.“ (DOELKER, 1989, S. 98f)
Das Fernsehen richtet sich, wie schon gesagt (siehe Abschnitt 2.2.2), potentiell an alle. Das bedeutet aber auch, dass man dann auch jedem (potentiellen) Zuschauer etwas bieten muss. Die großen Fernsehsender versuchen das mit einer Mischung von Programmsparten, Gattungen, Themen und Stilen zu machen. Die daraus entstehenden Misch formen (kurzweilige Magazinformen) haben aber zu Folge, dass die Sendungen heutzutage nicht mehr eindeutig bestimmten Gattungen und Gattungsstilen zuzuordnen sind. Diese immer größere Vermischung von traditionellen gesellschaftlichen und sonstigen Lebensbereichen (Sport, Religion, Kunst, Wissenschaft, Technik, Politik, Alltag usw.) wird bezeichnet als „Infotainment“. Mit dieser Strategie versuchen die Sender möglichst höhere Einschaltquoten zu erringen, denn die sind maßgebend für ihren Erfolg (siehe HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 139; 1996, S. 3f und DOELKER, 1989, S. 98ff).
4. Sprache im Fernsehen
4.1 Gibt es eine Fernsehsprache?
Es wurde schon gesagt, dass Fernsehen ein optisch-akustisches Massenmedium ist. Was die Sprache angeht, bedeutet das, dass sie im Fernsehen im Zusammenhang mit Bildern und Tönen zu sehen und hören ist. Dabei handelt es sich hauptsächlich um „gesprochene“ Sprache, die zum Bild in vielfältiger Beziehung stehen kann. Die Sprache kann Bilder vielfältig kommentieren und umgekehrt können Bilder Sprache auf vielfältige Weise begleiten. Zu dieser Beziehung kommen dann noch andere Geräusche und Musik als dramaturgische Mittel dazu, sodass man beim Fernsehtext von einem medienspezifischen Verhältnis Sprache-Bild-Ton sprechen kann.
Dabei stellt sich aber die Frage: Kann von einer Fernsehsprache die Rede sein? Gibt es so was wie eine Fernsehsprache? Laut BRANDT schon, denn er ist der Auffassung, dass die Rundfunksprache – gemeint sind Hörfunk und Fernsehen – eine Mischsprache sei, in die „alle Formen gesprochener Sprache vom verlesenen bis zum spontan geäußerten Text“ eingehen, außerdem noch „neben der Standardsprache auch die regionalen, sozialen und funktionalen Varietäten der deutschen Sprache“ (BRANDT, 1985, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 139).
BURGER hingegen kann dieser Aussage nicht zustimmen, wenn er meint: „Die Massenmedien haben keine eigene ’Sprache’, wenn man Sprache im Sinne von ’Subsystem’, ’Varietät’ oder ähnlich versteht“ (BURGER, 1984, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 139). Daraus könnte man entnehmen, dass es keine Fernsehsprache gibt, zumindest nicht im Sinne von fernsehspezifischen Morphologie, Syntax und Lexik. So sind auch HOLLY und PÜSCHEL der Auffassung, dass die Antwort auf die Frage nach der Fernsehsprache anderswo zu finden ist:
„Stattdessen ist die Frage nach der Fernsehsprache sprachpragmatisch anzugehen, indem fernsehspezifische Sprachgebräuche untersucht werden. Diese aber manifestieren sich in den Fernsehtextsorten. Wenn wir von Fernsehsprache reden, dann meinen wir damit, dass es fernsehtypische kommunikative Verfahren und Textsorten gibt, was jedoch nicht ausschließt, dass sich auch textsortenübergreifende, für das Medium als ganzes typische Eigenschaften finden.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 139f)
4.2 Linguistische Beschäftigung mit der Fernsehkommunikation
Will man sich also mit der Fernsehsprache beschäftigen, muss man sich mit der Vielfalt von Kommunikationsverfahren und Textsorten, über die das Fernsehen verfügt, auseinandersetzen. HOLLY und PÜSCHEL stellen sich linguistische Fernseh-Forschung folgendermaßen vor:
„Diese Vielfalt ist aber ein Spezifikum von Massenmedien – also auch von Zeitung und Hörfunk – das nicht einfach ausgeblendet werden darf, sondern thematisiert werden muss, soll Fernsehkommunikation angemessen beschrieben werden. Für den Linguisten stellt sich diese Vielfalt als ein Geflecht von Mischtextsorten dar, das er auseinanderzufieseln hat. Erste Orientierungspunkte können dabei der klassische Programmauftrag an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ’Informieren – Bilden – Unterhalten’ sein und die daraus abgeleiteten Programmsparten, die sich organisatorisch in den Hauptabteilungen manifestieren wie Unterhaltung, Politik bzw. Zeitgeschehen, Kultur bzw. kulturelles Wort, Musik und Bildung.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 144)
Die Auseinandersetzung mit den Textsorten oder Gruppen von Textsorten ist wegen dieser Vielfalt und der Verflechtung also alles andere als eine leichte Aufgabe. Besonders wenn man dabei berücksichtigt, dass Fernsehen als ein höchst „inovationsfreudiges Medium“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 142) gilt. Das heißt, dass beim Fernsehen in verschiedensten Bereichen experimentiert und fortentwickelt wird, bei den Nachrichten, den Talkshows, Diskussionssendungen, Ratesendungen, Unterhaltungssendungen, Magazinen der unterschiedlichsten Art, usw. Wie auch immer, laut HOLLY und PÜSCHEL ist die Textsortenanalyse die einzige Antwort auf die Frage nach der fernsehspezifischen Sprachkommunikation: „Nur so lassen sich die Leistungen, Wandlungen und Möglichkeiten des Fernsehprogramms kritisch und differenziert erfassen. Für die medienlinguistische Forschung bedeutet das: vermehrt Beschäftigung mit Fernseh-Textsorten, ergänzt um den Blick auf ihre Stellung im Programm-Kontinuum und auf ihren Zusammenhang untereinander.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141)
Bei der Beschäftigung mit den Fernseh-Textsorten ist es aber auch interessant und wichtig zu wissen, woher diese Textsorten herkommen. Die Herkunft der Textsorten kann man mithilfe eines „stilistischen Trägheitsgesetzes“ (BAUSINGER, 1972, nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141) bzw. „stilistischen Trägheitsprinzips“ (STRAßNER, 1980, nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141) erklären. Laut HOLLY und PÜSCHEL ist damit „ein Medientransfer von Textsorten gemeint, der sich zuerst bei der Etablierung des Hörfunks und dann bei der des Fernsehens beobachten lässt: In den Hörfunk wurden Zeitungs-Textsorten übernommen und in das Fernsehen Hörfunk-Textsorten.“ (HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141) Dieser Transfer gilt vor allem für das klassische Feld der Nachrichten. Nach Auffassung von BAUSINGER ist dieses Trägheitsprinzip aber auch bei Sportübertragungen zu sehen: „Die aus dem Hörfunk stammenden Sportreporter haben zuerst einmal das getan, was sie gelernt haben, nämlich von dem Geschehen so viel wie möglich zu verbalisieren ohne Rücksicht darauf, was der Zuschauer nun selber sehen konnte.“ (BAUSINGER, 1972, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141) Laut HICKETHIER hatten aber auch „Quiz-Sendungen ihr Vorbild im Hörfunk, während die Samstagabend-Show ihre Vorbilder in der Operette, der Music-Hall und dem Tingeltangel fand, auch im Revue-Film“ (HICKETHIER, 1979, Zit. nach HOLLY/PÜSCHEL, 1993, S. 141).
[...]
[1] Die technische Seite der Geschichte und Entwicklung des Fernsehens ist nicht Gegendstand meiner Diplomarbeit und auch nicht des Bereichs Soziolinguistik. Die technische Entwicklung des Fernsehens ist somit irrelevant und wird deswegen auch nicht berücksichtigt.
[2] Das Buch Kulturtechnik Fernsehen vom Christian Doelker ist aus dem Jahre 1989. Bis heute hat sich das Fernsehen technisch gesehen deutlich weiterentwickelt, deswegen ist unter anderem auch die Tonqualität weit mehr besser als vor 15 Jahren. Die Tonqualität steht heutzutage der Bildqualität im nichts mehr nach.
[3] Der Fernsehton umfasst nicht nur das Element Sprache (gesprochenes Wort), sondern auch die Elemente Musik und Geräusch, wobei diese zwei nur als dramaturgische Mittel fungieren.
[4] Forschungsarbeiten zeigen, dass der Einsatz von Untertiteln im Kino und Fernsehen Sprachenlernen fördern und erleichtern kann. Nach dem Aktionsplan der EU könnte der Einfluss der Medien bei der Schaffung eines sprachenfreundlichen Umfelds nutzbar gemacht werden, indem die Bürger regelmäßig mit anderen Sprachen und Kulturen in Berührung gebracht werden. Das Potenzial eines stärkeren Rückgriffs auf Untertitel zur Förderung des Fremdsprachenerwerbs könnte ausgeschöpft werden(siehe KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, 24.7.2003, S. 6,15,22)
- Arbeit zitieren
- Tomaz Laposa (Autor:in), 2005, Der Fußballkommentar im deutschen Fernsehen: Analyse des Endspiels bei der EURO 2004, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47471
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