Angesicht des derzeitigen Bekanntwerdens von Folterungen in Kriegsgefängnissen im Irak, aber auch durch die Offenlegung von Misshandlungen in der Haftanstalt Brandenburg an der Havel, wird deutlich, welche Brisanz das Konzept totaler Institutionen auch mehr als vierzig Jahre nach seiner Veröffentlichung durch Goffman noch hat.
In seinem erstmals 1961 erschienen Werk Asylums fasst Erving Goffman (1922-1982) in vier Aufsätzen seine mehrjährigen soziologischen Studien über die Insassen psychiatrischer Kliniken zusammen. Von 1954 bis 1957 lehrte Goffman als Gastdozent am National Institute of Mental Health in Bethesda, Maryland. Während dieser Zeit verbrachte er über ein Jahr mit Feldstudien im St. Elisabeths Hospital (Washington D.C.), das damals ca. 7 000 Insassen umfasste. Goffmans eigene Erfahrungen im direkten Umgang mit den Insassen des St. Elizabeths Hospital gingen in das Buch ebenso ein wie unzählige Schilderungen anderer bekannter und weniger bekannter AutorInnen (z.B. George Orwell, Herman Melville), die einige Jahre ihres Lebens im Gefängnis, im Kloster, im Internat, im Waisenhaus, beim Militär oder in ähnlichen Institutionen verbrachten.
Einen ersten Kontakt mit dem Begrifftotale Institutionhatte Goffman 1952 in einem Graduierten Seminar über Institutionen. Der von Everett Hughes geprägte Begriff muss Goffman vom ersten Moment an fasziniert haben. Burns schreibt dazu: „It is clear from Goffman’s course notes (he gave me a copy of them) that ist must have been a remarkable teaching enterprise - enlivened with allusions, encyclopedic in ist coverage, and radically critical and innovative in ist approach.“.
Doch während Goffman den Begriffsoziale Institutionin einer von Hughes abweichenden Weise dachte, übernahm er die Bezeichnungtotale Institutionim Sinnes Hughes. Bei Hughes waren dies „social institutions which were much more shut off from the outside world“ - als Beispiel nennt er Nonnenklöster - Goffman bezieht seine Beobachtungen dementsprechend auf „the situation of those ‚extruded’ from society’.
In dieser Arbeit soll es nun zunächst darum gehen, GoffmansKonzept totaler Institutionenvorzustellen und dabei auf die Blickpunkte der Insassen, des Personal sowie die Berührungspunkte beider Gruppen einzugehen. Anschließend soll das Konzept hinsichtlich seiner Anwendungsmöglichkeit untersucht und beurteilt werden und es sollen Möglichkeiten gefunden werden, das Konzept weiter auszudifferenzieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Konzept totaler Institutionen
- Goffman: Über die Merkmale totaler Institutionen
- Definition
- Die Insassen
- Das Personal
- Berührungspunkte beider Gruppen
- Beurteilung des Konzepts
- Möglichkeiten der Anwendung
- Notwendige Ausdifferenzierung des Konzepts
- Variable Offenheit der Institution
- Variable Zweck der Institution
- Variable Willfährigkeitsmaßnahmen der Institution
- Goffman: Über die Merkmale totaler Institutionen
- Abschließende Bemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit widmet sich Erving Goffmans Konzept totaler Institutionen. Im Zentrum steht die Analyse von Goffmans Definition und den Merkmalen totaler Institutionen, wobei die Perspektiven der Insassen und des Personals sowie die Berührungspunkte zwischen beiden Gruppen berücksichtigt werden. Darüber hinaus werden die Anwendungsmöglichkeiten des Konzepts untersucht und Möglichkeiten zur Ausdifferenzierung des Konzepts diskutiert.
- Goffmans Definition und Merkmale totaler Institutionen
- Die soziale Situation der Insassen in totalen Institutionen
- Die Rolle des Personals und die Machtverhältnisse in totalen Institutionen
- Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen des Konzepts
- Notwendige Ausdifferenzierung des Konzepts
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der totalen Institutionen ein und stellt die Aktualität des Konzepts im Kontext aktueller Debatten um Folter und Misshandlungen in Institutionen heraus. Sie stellt Goffman und sein Werk „Asyle“ vor und gibt Einblicke in seine Forschungsarbeit am St. Elizabeths Hospital.
Das Konzept totaler Institutionen
Dieses Kapitel präsentiert Goffmans Konzept totaler Institutionen. Es analysiert seine Definition, die fünf Gruppen totaler Institutionen und die vier zentralen Charakteristika, die diese Institutionsform kennzeichnen. Darüber hinaus beleuchtet es die fundamentale Trennung zwischen Insassen und Personal sowie die Bedeutung des Arbeits- und Familiensystems in totalen Institutionen.
Die Insassen
Der Fokus liegt auf den Erfahrungen der Insassen in totalen Institutionen. Es wird erläutert, wie die Insassen mit ihrer bürgerlichen Identität in die Anstalt eintreten und wie diese durch die institutionelle Umgebung verändert wird.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Konzept der totalen Institutionen, insbesondere mit Erving Goffmans Analyse. Im Fokus stehen die Merkmale totaler Institutionen, die soziale Situation der Insassen, die Rolle des Personals sowie die Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen des Konzepts. Weitere wichtige Begriffe sind: Institution, Gesellschaft, Macht, Kontrolle, Identität, Isolation, Stigmatisierung.
- Citar trabajo
- Verena Stockmair (Autor), 2004, Erving Goffmann. Konzept totaler Institutionen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47419