Die vorliegende Ausarbeitung gibt eine kurze Einführung in die beiden etabliertesten Methoden der psycho- physiologischen Täterschaftsermittlung. Es werden die direkten und die indirekten Methoden und als ihre Vertreter der Kontrollfragentest und der Tatwissentest vorgestellt. Obwohl diese trotz einiger Verfeinerungen grundsätzlich keinerlei technischen Zubehörs bedürfen, das nicht auch schon vor Jahrzehnten entsprechend verfügbar gewesen wäre, ist es erstaunlich, dass die Fortschritte, die zum Beispiel in den bildgebenden Verfahren gemacht worden sind, an diesem forensischen Anwendungsbereich der Psychotechnik spurlos vorbei gegangen sind. Der Grund dafür mag darin liegen, dass die Verwertung solcher Testergebnisse heftig umstritten ist, sodass man wenigstens im technischen Bereich etwas Tradition auf seiner Seite wissen möchte.
Grundsätzlich finden seit der Antike unwillkürliche Reaktionen des autonomen Nervensystems bei der Beurteilung von Aussagen auch vor Gericht Verwendung, wenn sie augenscheinlich werden. Das Tabu, das bei den modernen psycho- physiologischen Verfahren berührt wird, ist, dass die Reaktionen des somatischen Nervensystems, die hier ausgewertet werden, absolut nicht mehr unter dem Schutz des Konstruktes stehen, das wir als Persönlichkeit bezeichnen. Problematisch ist hierbei nicht zuletzt, dass diese Tests aus dem Arsenal der kognitiven Neurowissenschaften stammen, die auf der tragenden Ebene auf einem substanzmonistischen, materialistischen Paradigma abstellen, von welchem sich nur schwerlich auf das Konstrukt des freien Willens deduzieren lässt, da „... dies bedeutet, man wird widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen, denn sie beruhen auf biologischen Prozessen...“
Die Annahme der Existenz eines freien Willens bildet jedoch die Grundlage für Strafe im Schuldstrafrecht unseres Rechtssystems, denn „... Schuld setzt praktische Willens- und Entscheidungsfreiheit bezüglich des Sozialverhaltens voraus ...“ Um diese Ausarbeitung zu entlasten, soll dieses methodeneklektische Problem sowie die historische Entwicklung der psycho- physiologischen Täterschaftsermittlung hier jedoch nicht wieder über die Aussage hinaus thematisiert werden, dass der „... Rückschluss von einer unspezifischen physiologischen Reaktion auf einen spezifischen Bewusstseinszustand (absichtliche Lüge oder wahrheitsgemäße Aussage) ... jedoch wissenschaftlich nicht haltbar...“ ist.
1. Einleitung
Die vorliegende Ausarbeitung gibt eine kurze Einführung in die beiden etabliertesten Methoden der psycho- physiologischen Täterschaftsermittlung. Es werden die direkten und die indirekten Methoden und als ihre Vertreter der Kontrollfragentest und der Tatwissentest vorgestellt. Obwohl diese trotz einiger Verfeinerungen grundsätzlich keinerlei technischen Zubehörs bedürfen, das nicht auch schon vor Jahrzehnten entsprechend verfügbar gewesen wäre, ist es erstaunlich, dass die Fortschritte, die zum Beispiel in den bildgebenden Verfahren gemacht worden sind, an diesem forensischen Anwendungsbereich der Psychotechnik spurlos vorbei gegangen sind. Der Grund dafür mag darin liegen, dass die Verwertung solcher Testergebnisse heftig umstritten ist, sodass man wenigstens im technischen Bereich etwas Tradition auf seiner Seite wissen möchte.
Grundsätzlich finden seit der Antike unwillkürliche Reaktionen des autonomen Nervensystems bei der Beurteilung von Aussagen auch vor Gericht Verwendung, wenn sie augenscheinlich werden. Das Tabu, das bei den modernen psycho- physiologischen Verfahren berührt wird, ist, dass die Reaktionen des somatischen Nervensystems, die hier ausgewertet werden, absolut nicht mehr unter dem Schutz des Konstruktes stehen, das wir als Persönlichkeit bezeichnen.
Problematisch ist hierbei nicht zuletzt, dass diese
Tests aus dem Arsenal der kognitiven Neurowissenschaften stammen, die auf der tragenden Ebene auf einem substanzmonistischen, materialistischen Paradigma abstellen (vgl. z. B. Stephan, 2000, S. 296), von welchem sich nur schwerlich auf das Konstrukt des freien Willens deduzieren lässt, da „... dies bedeutet, man wird widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen, denn sie beruhen auf biologischen Prozessen...“ (Elger et. al. 2004, S. 36).
Die Annahme der Existenz eines freien Willens bildet jedoch die Grundlage für Strafe im Schuldstrafrecht unseres Rechtssystems, denn „... Schuld setzt praktische Willens- und Entscheidungsfreiheit bezüglich des Sozialverhaltens voraus ...“ (Baumann, J., Mitsch, W., Weber, U., 2003, S. 445)
Um diese Ausarbeitung zu entlasten, soll dieses methodeneklektische Problem sowie die historische Entwicklung der psycho- physiologischen Täterschaftsermittlung hier jedoch nicht wieder über die Aussage hinaus thematisiert werden, dass der „... Rückschluss von einer unspezifischen physiologischen Reaktion auf einen spezifischen Bewusstseinszustand (absichtliche Lüge oder wahrheitsgemäße Aussage) ... jedoch wissenschaftlich nicht haltbar...“ (Bortz, Döhring, 2002, S. 280) ist.
2. DIE METHODEN DER PSYCHO- PHYSIOLOGISCHEN TÄTERSCHAFTSERMITTLUNG
2.1 Terminologische Probleme
Die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Möglichkeiten und den unberechtigten Erwartungen an diese Techniken wird schon in der Namensgebung deutlich. Begriffe wie „lie- detection“ oder „detection of deception“ sind wegen der Überdehnung ihres Bedeutungsgehaltes für diese Methoden vom Wortsinne her eigentlich unzulässig, denn „... ein interindividuell oder intraindividuell konsistentes physiologisches Erregungsmuster für „Lügen“ existiert nicht ...“ (Steller, 1987, S. 5). Messbar ist allenfalls eine „...intraindividuell unterschiedliche subjektive Bedeutung von Reizen, die sich in physiologischen Indikatoren abbildet...“, von welchen auf eine Täuschung inferiert werden kann. Es wird von den physikalischen Messwerten auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage operationalisiert. Jedoch sind in diesem Fall und auch sonst „...Operationalisierungen fast immer Messungen per fiat...“ (Meyer, 2004, S. 159). Das bedeutet, es existiert kein explizites Messmodell, was in der Psychologie nicht unüblich ist. Bei der Bedeutung, die der Ausgang einer Begutachtung auf den Wahrheitsgehalt einer Aussage für die Beteiligten hat, sollte dies dennoch besondere Erwähnung finden, solange die methodische Ausbildung in den Rechtswissenschaften nicht das hohe Niveau des Studienganges der Psychologie erreicht hat. „...Von 175 staatlich anerkannten juristischen Fakultäten in den USA fordert nur eine einen Kurs in Grundlagen oder
Methoden der Statistik...“ (Faigmann, 1999, zitiert nach Gigerenzer, 2003, S. 219), was bedenklich scheint, denn „...Lügendetektoren ...liefern Beweismittel, die eine gewisse Unsicherheit aufweisen...“ (Gigerenzer, 2003, S. 219).
Ob man dem Vorschlag Stellers folgt und diese Verfahren in „... Psychologische Bedeutsamkeitsdiagnostik, ... einen Spezialfall psychophysiologischer Aktivierungsdiagnostik...“ (1985,S. 140), umbenennt oder ob angesichts der mittlerweile allgemein gebräuchlichen irreführenden Bezeichnungen eine denotative Klärung im Glossar wie bei Pinel (2001, S. 523-524) erfolgt soll hier nicht bewertet werden.
2.2 Direkte und Indirekte Methoden
Bei den im Folgenden vorgestellten Methoden handelt es sich um Aussagebeurteilungen unter Zuhilfenahme der so genannten Polygraphentechnik. Ein Polygraph ist ein Gerät, welches geeignet ist, Reaktionen des autonomen Nervensystems auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig quantitativ zu erfassen. Die Physiologischen Maße, derer man sich bedient sind, „... meist die Atmung, die Hautleitfähigkeit (bzw. der Hautwiderstand), der relative Blutdruck ... und in vielen Fällen noch die Pulsvolumenamplitude...“ (Schandry, 1998, S. 323). Heute wird allerdings der Hautleitfähigkeit gegenüber dem Hautwiderstand der Vorzug gegeben, da sie einem
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- Arbeit zitieren
- Heiko Böttcher (Autor:in), 2005, Psycho-Physische Täterschaftsermittlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47322
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