Der Ausbau von erneuerbaren Energien nimmt im Zuge der Energiewende rasch zu. Außerdem erfordert ein erhöhter Datenaustausch eine Digitalisierung der Energiewende. Experten sehen in der Blockchain-Technologie ein hohes Potential, um die Digitalisierung der Energiewirtschaft in den kommenden Jahren maßgeblich voranzutreiben.
Welche Vorteile bietet die Blockchain-Technologie? Was sind die technischen Herausforderungen beim Einsatz der Blockchain-Technologie? Und welche rechtlichen Hürden können den Einsatz der Blockchain-Technologie erschweren?
Der Autor Bartek Mika klärt die wichtigsten Fragen und zeigt anhand eines eigenständig entwickelten Geschäftsmodells, wie mit der Blockchain-Technologie ein sicherer Stromhandel zwischen Prosumern und Consumern erfolgen kann.
Aus dem Inhalt:
- Energieeffizienz;
- Dezentralisierung;
- Peer-to-Peer;
- Energiewende 2.0;
- Datenschutz
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Kurzzusammenfassung
Abstract
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Arbeit
2 Energiewende in Deutschland
2.1 Impulse für die Energiewende
2.2 Ziele
2.3 Strompreis
2.4 Status Quo der Energiewende
3 Dezentrale Energieversorgung
3.1 Definition und Merkmale
3.2 Vor- und Nachteile im Vergleich zur zentralen Energieversorgung
3.3 Wesentliche Technologien der dezentralen Energieversorgung
3.4 Beschreibung/Klassifizierung dezentraler Systeme
3.5 Nutzen des Endverbrauchers
3.6 Herausforderungen der Energielieferanten und Verteilnetzbetreiber
3.7 Langfristige Entwicklungsziele der dezentralen Energieversorgung
3.8 Perspektive und Zukunftsaussichten
4 Digitalisierung der Energiewende – Energiewende 2.0
4.1 Smart-Energy
4.2 Informations- und Kommunikationstechnik als Enabler
4.3 Herausforderungen bei der Digitalisierung
4.4 Perspektive und Zukunftsaussicht
5 Grundlagen der Blockchain-Technologie
5.1 Einführung
5.2 Funktionsweise einer Blockchain
5.3 Klassifizierung von Blockchains
5.4 Blockchain-Anwendungen
5.5 Stärken der Blockchain-Technologie
5.6 Schwächen der Blockchain-Technologie
6 Blockchain in der Energiewirtschaft
6.1 Einschätzungen von Fachleuten aus der Energiewirtschaft
6.2 Chancen und Herausforderungen 155
6.3 Anwendungen der Blockchain-Technologie im Energiebereich
7 Konzept für den P2P-Stromhandel mittels Blockchain
7.1 Einführung und Problemstellung
7.2 Zielsetzung und Fragestellungen
7.3 Potenzialbewertung
7.4 Geschäftsmodell
7.5 Wesentliche Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen
8 Fazit
8.1 Zusammenfassung
8.2 Reflexion und Diskussion
8.3 Ausblick
Literaturverzeichnis
Glossar
Anhang
Vorwort
Wer Blockchain liest, denkt meistens an Kryptowährungen. Doch in dieser Technologie steckt noch deutlich mehr. Sie könnte in Zukunft als „digitaler Treiber für die Energiewende“ die komplette Energiewirtschaft revolutionieren.
Aufgrund von Umweltbelastungen und Klimawandel ist eine Energiewende notwendig, welche vorrangig auf einer dezentralen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien basiert und durch die Digitalisierung der Energiewende und dem damit verbundenen Einsatz neuer Technologien wie der Blockchain eine zukunftsfähige Energieversorgung sicherstellt.
Bartek Mika
Daher ist es umso wichtiger, exakt zu verstehen, was genau die Vorteile der Blockchain sind und wie diese für die Transformation des Energiesystems genutzt werden können. Die Ihnen vorliegende Masterarbeit verfolgt genau diesen Ansatz und bietet eine vollständige Übersicht von den Anfängen der Energiewende, über eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise der Blockchain-Technologie bis hin zu einem Konzept für eine konkrete Anwendung im Bereich der Energiewirtschaft. Durch eine verständliche Beschreibung und mithilfe von vielen Abbildungen, soll die Arbeit auch fachfremden Lesern, den Nutzen der Blockchain-Technologie – speziell im Bereich der Energiewirtschaft – näherbringen. Im Folgenden wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form benutzt. Es können dabei aber sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint sein. Zentrale Begriffe werden im Glossar ausführlicher erklärt.
Kurzzusammenfassung
Der Ausbau von erneuerbaren Energien nimmt im Zuge der Energiewende rasch zu. Die Struktur der Energieversorgungssysteme wird zunehmend dezentral organisiert (Dezentralisierung). Neue Akteure wie Prosumer, die ihren Strom selbst erzeugen und verbrauchen, könnten sich zukünftig auf dem Strommarkt etablieren. Aufgrund ihrer geringen Leistung können sie sich jedoch derzeitig noch nicht wirtschaftlich am Stromhandel beteiligen. Insbesondere die zunehmende Steuerungskomplexität und die Belastung der Netzinfrastruktur sowie hohe Anforderungen an die Datensicherheit, die mit dem Stromaustausch und der zugehörigen Stromabrechnung einhergehen, erfordern eine Digitalisierung der Energiewende (Energiewende 2.0). Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zu überprüfen, ob die „Blockchain als Treiber der Energiewende“ für die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle zur erfolgreichen Transformation des Energiesystems beitragen kann. Zahlreichen Stellungnahmen von Experten aus der Energiebranche, Studienergebnissen sowie zwei repräsentativen Umfragen zufolge, wird der Blockchain mittel- und langfristig ein hohes Potenzial zugesagt, die Energiewirtschaft in den kommenden Jahren maßgeblich zu beeinflussen. Die Blockchain-Technologie verspricht besonders durch Disintermediation, Sicherheit, Transparenz und Automatisierung einen wirtschaftlichen Mehrwert. Neben technischen Herausforderungen, wie dem bevorstehenden Smart-Meter-Rollout, dem für die Kommunikation erforderlichen Smart-Meter-Gateway und der Kompatibilität zwischen den intelligenten Messsystemen und der Blockchain, bestehen auch rechtliche bzw. regulatorische Hürden, die den Einsatz der Blockchain auf kurzfristige Sicht erschweren. Die mit Abstand meistdiskutierte Anwendung der Blockchain im Energiebereich ist auf den Peer-to-Peer -Handel von dezentralem Strom aus erneuerbaren Energien zurückzuführen. Daher wurde im Rahmen eines Konzeptes überprüft, ob sich dadurch eine Möglichkeit für Prosumer bietet, sich trotz geringer Leistung wirtschaftlich am Stromhandel zu beteiligen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine derartige Anwendung aufgrund regulatorischer Barrieren nur als ein Dienstleistungsmodell in Frage kommt, bei dem alle Verantwortungsbereiche einem Dienstleister (z. B. Stromlieferant) übertragen werden. Ein eigenständig entwickeltes Geschäftsmodell, welches den Peer-to-Peer-Handel auf Basis einer Dienstleistung umfasst, zeigt die dafür erforderliche Infrastruktur, eine detaillierte Prozessbeschreibung im Rahmen einer Business Process Map und eine Ausgestaltungsmöglichkeit der Blockchain auf.
Schlagwörter: Energiewende, Dezentralisierung, Prosumer, Digitalisierung, Blockchain-Technologie, Peer-to-Peer
Abstract
The expansion of renewable energy is rapidly increasing as part of the energy revolution. The structure of energy supply systems is becoming increasingly decentralized (decentralization). New players, such as prosumers, who generate and consume their own electricity, could establish themselves in the electricity market. However, due to their low capacity, prosumers are currently unable to participate economically in electricity trading. In particular, the increasing complexity of control and the load on the network infrastructure as well as the high requirements on data security, which are associated with the exchange of electricity and the associated electricity bills, require digitalization of the energy revolution (Energiewende 2.0). The aim of this work is to examine if the "Blockchain as a driver of the energy revolution" for the development of new digital business models can contribute to the successful transformation of the energy system. Numerous statements from energy industry experts, study results and two surveys indicate that blockchain has high potential in the medium and long term to significantly impact the energy industry in the coming years. Blockchain technology promises economic value through its strengths such as disintermediation, security, transparency and automation. However, in addition to technical challenges such as the upcoming smart meter rollout, the smart meter gateway required for communication, and the compatibility between the smart metering systems and the blockchain, there are also legal and regulatory hurdles which make the use of the blockchain difficult in the short-term. By far the most widely discussed usage of blockchain in the energy sector is the peer-to-peer trading of decentralized electricity from renewable energies. Therefore, it was examined within the framework of a concept, whether there is a possibility for prosumers to participate economically in electricity trading, despite their low capacity. The results show that due to regulatory constraints such an implementation is only possible in form of a service model in which all areas of responsibility are transferred to a service provider (eg electricity supplier). An independently developed business model, which includes peer-to-peer trading based on a service, shows the required infrastructure, a detailed process description in the context of a business process map and one option to configure the blockchain.
Keywords: Energy Revolution, Decentralization, Prosumer, Digitalization, Blockchain-Technology, Peer-to-Peer
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabellenverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In diesem Kapitel wird die Ausgangssituation, die Problemstellung und die Zielsetzung dieser Arbeit beschrieben sowie der Aufbau dargestellt.
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Wir leben in einer Zeit, in der die Energiesysteme großen Veränderungen unterzogen werden. Im Rahmen der „Energiewende“ hat die Bundesregierung umfassende, politisch motivierte Zielvorgaben für die Entwicklung der Struktur der deutschen Energieversorgung formuliert. Die wichtigsten wirtschafts- und umweltpolitischen Aufgaben sind neben dem Atomausstieg und dem Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) auch die Steigerung der Energieeffizienz.1 Die zunehmend dezentrale Erzeugungsstruktur erfordert einen neuen Umgang mit digitalem Informationsaustausch und eine Neuordnung von Kundenbeziehungen. Immer mehr passive Stromkonsumenten (Consumer) entwickeln sich zu Prosumern, die aktiv an der Gestaltung des Stromversorgungssystems teilnehmen.
„Für die Energiewende werden Prosumer immer wichtiger“2
Dieser Wandel ist ein weiterer Schritt auf dem Weg der Emanzipation der Energiekunden von den etablierten Energieversorgungsunternehmen (EVU), durch die Änderungen bei der Versorgung mit Energie und begleitenden Dienstleistungen entstehen werden.3 Damit ergeben sich vielfältige Herausforderungen, aber auch Chancen für die Energiewende. Die Energieversorger sehen sich aktuell mit einem steigenden Wettbewerb und sinkenden Erträgen im Strommarkt konfrontiert. Insbesondere die schiere Menge an Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten und deren intelligenter Abgleich sowie die zunehmende Anzahl von Prosumern, verdeutlichen den notwendigen Einsatz digitaler Technologien.
„Eine erfolgreiche Energiewende ist ohne umfassende Digitalisierung nicht vorstellbar“4
Zugleich entwickeln sich mit der digitalen Energiewende neue Problemstellungen wie die sichere und geschützte Erhebung, Aufbewahrung, Weitergabe und Verarbeitung von Daten.5 Obwohl die Prosumer einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, sind sie derzeitig im eigentlichen Marktgeschehen nicht repräsentiert, da die Vermarktung von Strom weiterhin in der Hand von Aggregatoren wie dem Netzbetreiber oder dem Direktvermarkter liegt.
Die Abwicklung aller Transaktionen über die klassischen Energieanbieter stellt für kleine Produzenten mit geringen Leistungen eine wesentliche Markteintrittsbarriere dar, weil die Transaktionskosten durch administrative und regulatorische Hürden im Verhältnis zu ihrem Transaktionswert zu hoch sind.6 Damit droht dem zukünftigen Energiemarkt auch aufgrund bürokratischer Barrieren der Verlust eines entscheidenden Akteurs.7
1.2 Zielsetzung
Das übergeordnete Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, ob die Blockchain-Technologie mit ihren positiven Eigenschaften als Treiber für die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle einen Mehrwert für die Energiewirtschaft bieten und damit zur erfolgreichen Energiewende beitragen kann: „ Blockchain als Treiber der Energiewende ?“ Mit Blick auf den besonderen Stellenwert von Prosumern, soll eine praktische Lösung auf Basis der Blockchain-Technologie gefunden werden, durch die sich private Erzeuger trotz geringer Leistung wirtschaftlich am Stromhandel beteiligen können.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit folgt einem strukturierten Aufbau, welcher in Abb. 1 dargestellt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Struktureller Aufbau der Arbeit
Quelle: Eigene Darstellung.
Nachdem in Kapitel 1 die Ausgangssituation, die Problemstellung, die Zielsetzung sowie der Aufbau der Arbeit beschrieben wurde, werden für ein umfassendes Verständnis in Kapitel 2 zunächst die Gründe und wesentlichen Ziele der Energiewende erläutert. Ein Überblick zum aktuellen Entwicklungsstand der Energiewende rundet das Kapitel ab. In Kapitel 3 wird die dezentrale Energieversorgung aufgefasst, welche mit der Energiewende einhergeht. Dabei wird zunächst die dezentrale Energieversorgung definiert und deren Merkmale beschrieben. Anschließend werden die Vor- und Nachteile gegenüber der zentralen Energieversorgung aufgezeigt. Eine Beschreibung der wesentlichen Technologien für die dezentrale Energieversorgung sowie ein Ausblick auf die zukünftige Energieversorgung schließt dieses Kapitel ab. In Kapitel 4 werden die entscheidenden Komponenten und Herausforderungen der Digitalisierung beschrieben sowie die zukünftige Relevanz im Rahmen der Energiewende erläutert. Das Kapitel 5 behandelt die Grundlagen der Blockchain-Technologie. Nach einer kurzen Einführung folgt die Erklärung der grundlegenden Funktionsweise. Anschließend werden die unterschiedlichen Arten von Blockchains erläutert sowie ihre jeweiligen Stärken und Schwächen aufgezeigt. Um einen ersten Eindruck zu bekommen, welche Veränderungen die Blockchain in der Energiewirtschaft bewirken kann und in welchen Bereichen die Technologie angewendet werden kann, werden in Kapitel 6 zunächst verschiedene Einschätzungen von Experten aus der Energiewirtschaft sowie Ergebnisse aus einschlägigen Studien zusammengefasst. Zwei Umfragen unter Führungskräften aus der Energiebranche ergänzen die erste Einschätzung. Anschließend werden neben den Chancen auch die ökonomischen, technischen, sozialen und rechtlichen Herausforderungen dargestellt, die mit dem Einsatz der Blockchain in der Energiewirtschaft einhergehen. Zudem wird eine Methode beschrieben, mit der das Potenzial von Blockchain-Anwendungsfällen (Use Cases) bewertet werden kann. Zum Abschluss des Kapitels werden relevante Use Cases der Blockchain im Energiesektor betrachtet. Mit dem gewonnenen Wissen wird in Kapitel 7 ein Konzept erarbeitet, dass Prosumern trotz geringer Leistung den wirtschaftlichen Stromhandel ermöglicht. Nach einer Potenzialbewertung, welche auf der in Kapitel 6 beschriebenen Methodik basiert, wird ein konkretes Geschäftsmodell konzipiert. Abschließend erfolgt in Kapitel 8 eine ausführliche Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse, eine Reflexion bzw. Diskussion sowie ein Ausblick
2 Energiewende in Deutschland
Die „Energiewende“ ist die wichtigste wirtschafts- und umweltpolitische Aufgabe in Deutschland und basiert neben dem Atomausstieg und dem Ausbau der EE – insbesondere Windkraft und Solarenergie – auf der Steigerung der Energieeffizienz.8
2.1 Impulse für die Energiewende
Die Ursprünge der Energiewende im heutigen Sinne liegen in den 1970er Jahren und wurden dabei von verschiedenen Triebkräften befördert. Dabei kam es binnen weniger Jahre zu gravierenden Veränderungen in der Energiepolitik und Energiewirtschaft. Ein erster Impulsfaktor ist zweifelsohne auf die Klimawandel-Debatte zurückzuführen. Nach China, den Vereinigten Staaten, Indien, Russland und Japan ist Deutschland der weltweit sechstgrößte Kohlendioxid-Emittent und mit etwa einem Fünftel der größte Emittent in der Europäischen Union (EU).9 Daraus resultierend folgten Anstrengungen um den Wandel von fossilen Energien zu regenerativen Energien herbeizuführen. Ein wichtiger Schritt dafür war 1990 der Beschluss des Stromeinspeisungsgesetzes (StromEinspG). Es regelte erstmalig die verpflichtende Abnahme und Vergütung von elektrischer Energie aus regenerativen Quellen durch die EVUs.10 Die größere Dynamik ging allerdings vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus, welches das StromEinspG im Jahr 2000 ablöste.11 Trotz mehrmaliger Novellierung des EEG, blieben die Prinzipien bis heute unverändert. So besteht nach wie vor die Anschlusspflicht, womit die Netzbetreiber verpflichtet sind, Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEA) an ihr Netz anzuschließen und dieses entsprechend auszubauen. Zudem sind die Netzbetreiber verpflichtet, Strom aus EE vorrangig abzunehmen. Die Anlagenbetreiber erhalten je nach Technologie und Zeitpunkt der Inbetriebnahme einen fixen Betrag (je kWh) für einen Zeitraum von i.d.R. 20 Jahren. Zur Finanzierung der Mehrkosten für den Strom aus EE bezahlen alle Stromverbraucher die Differenz zwischen der Festvergütung und dem Marktwert des erneuerbaren Stroms über die EEG-Umlage. Um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie sicherzustellen, wurde die EEG-Umlage drastisch reduziert, sodass die betroffenen Unternehmen nahezu von der Zahlung befreit wurden.12 Ein zweiter Impulsfaktor für die Energiewende war der Vorstoß der Anti-Atom-Bewegung, um die Abhängigkeit von der Kernenergie zu beenden.13 Nachdem sich am 11.03.2011 in einem Kernkraftwerk in Fukushima ein Vorfall ereignete, hat die Bundesregierung Anfang April 2011 die Ethikkommission „Sichere Energieversorgung" mit dem Ziel einberufen, einen gesellschaftlichen Konsens zur zukünftigen Energieversorgung und zur Diskussion der Risiken bei der Nutzung von Kernenergie zu finden. Als Ergebnis „(…) solle angestrebt werden, die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität soweit wie möglich zu beschränken und innerhalb eines Jahrzehnts den Ausstieg aus der Kernenergienutzung zu vollziehen “14. Ein dritter Impuls für die Energiewende geht auf Initiativen als Antwort auf Bedenken hinsichtlich der Energiesicherheit zurück. Da Deutschland bei mehr als 60 % seines Energieverbrauchs auf Importe angewiesen ist, führt es sowohl zu sicherheitstechnischen als auch wirtschaftlichen Auswirkungen. Besonders die Verringerung des Energiebedarfs durch Energieeffizienzmaßnahmen und der Ausbau der EE eignen sich, um zunehmend unabhängiger zu werden. Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Impulsfaktor für die Energiewende ist der Wunsch vieler Bürger nach mehr Mitbestimmung über Fragen der Energiezukunft. Während die Energieerzeugung und -distribution in der jüngsten Vergangenheit durch eine relativ kleine Anzahl großer Unternehmen bestimmt wurde, werden der Bevölkerung durch die einsetzende Dezentralisierung mit dem Ausbau der EE auf lokaler Ebene vor Ort mehr Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten über Energiefragen ermöglicht. Somit kann die Energiewende auch als ein Demokratisierungsimpuls für mehr bürgerschaftlichen Einfluss auf Energieentscheidungen gewertet werden.15
2.2 Ziele
Die Bundesregierung hat umfassende, politisch motivierte Zielvorgaben für die Entwicklung der Struktur der deutschen Energieversorgung formuliert. In Abb. 2 werden die wesentlichen Ziele der Energiewende dargestellt.16
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Übersicht der wesentlichen Ziele der Energiewende
Quelle: Eigene Darstellung.
Die oberste Ebene stellt dabei prinzipiell die allgemeinen energiepolitischen Ziele dar, welche insbesondere den Klimaschutz, den Kernenergieausstieg sowie die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit in Deutschland umfassen. Aus diesen politischen Zielen lassen sich drei wesentliche Kernziele ableiten, welche die zentralen Strategien des Energiekonzepts beschreiben, mit denen die Energiewende vorangebracht werden soll. Folglich sind diese Ziele im Rahmen der Energiewende auf der strategischen Ebene angeordnet. Neben der Steigerung der Energieeffizienz und der Abschaltung der Kernkraftwerke (KKW) gehört besonders der Ausbau der EE dazu.17 Die nächste Ebene umfasst sog. Steuerungsziele, welche vorwiegend konkrete Anteile in Prozent zu einem bestimmten Zielerreichungszeitpunkt vorgeben. Beim Ausbau der EE wird dabei zwischen den drei Handlungsfeldern Strom, Wärme und Verkehr unterschieden. Zur Erreichung der Ziele wurde ein Maßnahmenmix aus verabschiedeten Gesetzen, Verordnungen und Förderprogrammen definiert. Die Steuerungsziele und die zugehörigen Maßnahmen werden dabei so aufeinander abgestimmt, dass die übergeordneten Ziele durch eine integrierte Betrachtung möglichst zuverlässig und kostengünstig erreicht werden können. Nachfolgend werden die Ziele beginnend ab der strategischen Ebene näher erläutert.
2.2.1 Ausbau der erneuerbaren Energien
Der Wohlstand unserer Gesellschaft hängt von einer funktionierenden Energieversorgung ab. Ein Kernziel der Energiewende ist die Realisierung einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung. Um dies zu erreichen, muss der Verbrauch fossiler Energieträger, wie Erdöl, Erdgas und Kohle gesenkt und der Ausbau von EE, wie Wasser- und Solarkraft, Windenergie, Erdwärme und nachwachsende Rohstoffe kontinuierlich vorangetrieben werden.18 Die drei wesentlichen energiebeanspruchenden Sektoren setzen sich dabei aus Strom, Wärme und Verkehr zusammen.19 Besonders der Stromsektor zählt in Deutschland zum Erfolgsfaktor der Energiewende.20 Doch auch in den Sektoren Wärme und Verkehr wird ein Großteil der benötigten Energie durch fossile Brennstoffe erzeugt, sodass die Umstellung auf EE in allen drei Sektoren übergreifend gelingen muss. Die Kopplung der verschiedenen Sektoren wird als „Sektorenkopplung“ bezeichnet und kann dazu beitragen, die regenerativ erzeugte Energie besser zu nutzen, das System damit effizienter zu machen und den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen.21
2.2.1.1 Strom
Eine grundlegende Energiewende vollzog sich im Strombereich bereits im Jahr 1991 mit der Einführung des StromEinspG. Dadurch wurde erstmalig die Zuführung von EE in das deutsche Stromnetz gesetzlich geregelt und so eine Grundlage für einen Ausbau der EE geschaffen. Die größere Dynamik ging allerdings vom EEG aus, welches das StromEinspG im Jahr 2000 ablöste und bis heute Bestand hat.22 Der Zweck ist gemäß § 1 Abs. 1 EEG „ insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern “. Laut § 1 Abs. 2 EEG ist das Ziel, den Anteil des aus EE erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2025 auf 40 bis 45 % zu steigern und zugleich den Anteil der EE am gesamten Bruttoendenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf mind. 18 % zu erhöhen. Bis zum Jahr 2035 soll der Anteil des aus EE erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 55 bis 60 % und schließlich bis zum Jahr 2050 auf mind. 80 % gesteigert werden. Der Ausbau soll stetig, kosteneffizient und netzverträglich erfolgen. Bislang hatten Produzenten von erneuerbarem Strom für jede Kilowattstunde eine staatlich festgelegte Vergütung erhalten. Mit der Novellierung des EEG vom 08.07.2016 soll die Förderhöhe für einzelne EEA zukünftig nicht mehr durch den Gesetzgeber festgelegt, sondern im Wettbewerb mit Hilfe von Ausschreibungen ermittelt werden. Mit dem EEG 2017 wird daher ein grundlegender Systemwechsel vollzogen.23
2.2.1.2 Wärme
Die Bundesregierung hat 2009 das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in Kraft gesetzt. Gemäß § 1 Abs. 1 EEWärmeG ist der Zweck des Gesetzes, „ insbesondere im Interesse des Klimaschutzes, der Schonung fossiler Ressourcen und der Minderung der Abhängigkeit von Energieimporten, eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Wärme und Kälte aus Erneuerbaren Energien zu fördern “. Um den Zweck unter Wahrung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zu erreichen, wird gemäß § 1 Abs. 2 EEWärmeG das Ziel verfolgt, den Anteil der EE am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte bis zum Jahr 2020 auf 14 % zu erhöhen. Das EEWärmeG zur Steigerung des erneuerbaren Energieanteils im Bereich der Wärme richtet sich an den Baubereich. Neubauten mit einer Nutzfläche von mehr als 50 m[2] müssen ihren Wärme- oder Kälte-Energiebedarf anteilig mit EE decken. 24 Zugelassen sind Solarenergie, Geothermie, Biomasse sowie Umweltwärme. Das EEWärmeG weist auch auf die Fördermöglichkeiten im Rahmen des Marktanreizprogramms (MAP) für EE hin. Hier können Fördermittel für Bestandsbauten beantragt werden, wenn eine Wärmeanlage aus EE installiert wird. Förderfähig sind solarthermische Anlagen sowie Anlagen zur Nutzung von Biomasse, Geothermie und Umweltwärme. Außerdem werden Nahwärmenetze und Speicher gefördert. Verwaltet werden die Fördermittel vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).25 Besonders im Bereich der Wärmeerzeugung wird der Grundgedanke der Sektorenkopplung deutlich. Bspw. können Wärmepumpen mit Hilfe von Strom vorhandene Wärme aus der Luft, der Erde, oder dem Grundwasser aufnehmen, um daraus klimafreundliche Wärme zu erzeugen. Mit diesem Prinzip können also auch andere Sektoren effizient und ohne Treibhausgase mit Energie versorgt werden. Da man in diesem Fall unter Zuhilfenahme von Elektrizität die Wärme generiert, werden solche Konzepte im Fachkreis auch „Power-to-Heat“ genannt.26
2.2.1.3 Verkehr
Der Verkehrssektor ist mit seinem massiven Verbrauch von fossilen Energieträgern für Umwelt- und Gesundheitsschäden durch den Ausstoß von Luftschadstoffen und Feinstaub verantwortlich. Neben den Kosten für den Import fossiler Energieträger macht das verbindliche Klimaschutzziel Deutschlands den Ausbau EE im Verkehrssektor notwendig.27 Mit der seit dem 23.04.2009 gültigen EU-Richtlinie 2009/28/EG, werden die Anteile der EE am gesamten Endenergieverbrauch zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen festgesetzt. Nach Artikel 3 Abs. 4 der Richtlinie wird jedem EU-Mitgliedsstaat verbindlich bis 2020, ein nationaler Anteil von mind. 10 % EE am Endenergieverbrauch im Verkehrsbereich vorgeschrieben. In Deutschland erfolgt die Erfüllung dieser Zielvorgabe insbesondere durch die im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) verankerte Treibhausgasquote. Das EU-Ziel kann besonders durch die Verwendung von Biokraftstoffen sowie den Einsatz von Strom aus EE in Elektrofahrzeugen und im Schienenverkehr erreicht werden.28 Das seit 2007 bestehende Biokraftstoffquotengesetz (BioKraftQuG) legt die Beimischungsquote von Biokraftstoffen (Bioethanol und Biodiesel) zu den fossilen Kraftstoffen Benzin und Diesel fest. In 2017 ist die Beimischungsquote von 3,5 % auf 4 % angestiegen und soll ab 2020 rund 7 % betragen. Seit 2015 kommen zur Unterstützung der Energiewende im Mobilitätsbereich auch erste gesetzlich verankerte Fördermöglichkeiten zur Elektromobilität hinzu. Dazu gehören z. B. Kaufprämien oder die teilweise privilegierte Nutzung von Busspuren und Parkplätzen.29 Die zunehmende Nutzung der Elektromobilität reduziert dabei nicht nur Lärm und Abgase im Straßenverkehr, sondern fördert den Klimaschutz und treibt die Energiewende voran. Das am 12.06.2015 verabschiedete Elektromobilitätsgesetz (EmoG) schafft hierfür die Basis und regelt die bevorrechtigte Teilnahme von Elektrofahrzeugen am Straßenverkehr, um deren Verwendung zur Verringerung klima- und umweltschädlicher Auswirkungen des motorisierten Individualverkehrs zu fördern.30 Da es über 2020 hinaus keine weiteren Ziele gibt, ist die weitere Entwicklung sehr unklar. „ Wir brauchen heute effizientere Fahrzeuge, mehr Engagement für die Biokraftstoffe, auf Dauer ein deutliches Wachstum der Elektromobilität und vor allem feste Ziele über 2020 hinaus “31, fasst der ehemalige Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE), Philipp Vohrer, die notwendigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Energiewende auch im Verkehrssektor zusammen.
2.2.2 Steigerung der Energieeffizienz
Das zweite Kernziel der Energiewende, neben dem Ausbau der EE, ist eine deutliche Erhöhung der Energieeffizienz. Die Erhöhung der Energieeffizienz wird als strategische Aufgabe höchster Priorität behandelt.32 Die Potentiale reichen von Kraftwerksmodernisierung über energieeffiziente Motoren und energiesparende Industrieprozesse bis hin zu energieeffizienter Gebäudesanierung und Haushaltsgeräten. So soll bis 2020 insgesamt 20 % und bis 2050 rund 50 % weniger Primärenergie verbraucht werden als noch im Jahr 2008. Ein essentielles Werkzeug zur Erhöhung der Energieeffizienz ist die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei der die Abwärme der Stromerzeugung zum Heizen oder für Produktionsprozesse genutzt wird.33 Durch das im Jahr 2002 verabschiedete Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) sollte die Modernisierung und der Ausbau von fossil befeuerten KWK-Anlagen durch Bonuszahlungen je erzeugter Einheit KWK-Strom gefördert werden. Gleichzeitig wurde ein KWK-Bonus in das EEG aufgenommen, wodurch eine Modernisierung der bestehenden Fernwärmeinfrastruktur erreicht werden konnte. Der Ausbau der KWK blieb jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurück. Durch die Novellierung des KWKG im Jahr 2009 wurden nun auch der Neubau von KWK-Anlagen sowie der Neu- und Ausbau von Wärmenetzen gefördert. Ferner wurde ein Ausbauziel von 25 % KWK-Strom festgelegt.34 Im Jahr 2016 wurde eine Neufassung des Gesetzes verabschiedet, das jedoch aufgrund von Einwänden der EU-Kommission in 2016 in einigen Punkten überarbeitet und ergänzt wurde.
Das entsprechend modifizierte KWKG (2017) wurde Ende 2016 mit Wirkung zum 01.01.2017 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Im Vergleich zum vorherigen Gesetz werden hier absolute Strommengen als Zielwerte für zwei Jahre genannt und nicht wie vorher ein Prozentwert (25 %) als Anteil an der Gesamtnettostromerzeugung für ein Jahr (2020). Die Nennung fester Zielgrößen für 2020 und 2025 gibt klare Orientierungsgrößen, während ein prozentualer Anteil im Zusammenhang mit der erneuerbaren Stromerzeugung nicht mehr praktizierbar erschien.35 Gemäß §1 Abs. 1 KWKG (2017) soll die Nettostromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf 110 TWh bis zum Jahr 2020 sowie auf 120 TWh bis zum Jahr 2025 im Interesse der Energieeinsparung sowie des Umwelt- und Klimaschutzes erhöht werden. Eine weitere wichtige Änderung ist die Einführung von Ausschreibungen für die Förderung von KWK-Anlagen zwischen 1 und 50 MW sowie für innovative KWK-Systeme. Die Ausschreibungen erfolgen durch die BNA. Nach Erlass der erforderlichen Verordnung durch das BMWi werden sie ab Winter 2017/2018 realisiert. Anlagen außerhalb des Ausschreibungssegments werden nach dem KWKG 2016/2017 gefördert.36
2.2.3 Ausstieg aus der Atomkraft
Der Atomausstieg bildet das dritte Kernziel und ist ein integraler Bestandteil der Energiewende.37 Das deutsche Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (AtG) ist die gesetzliche Grundlage für die Nutzung der Kernenergie und von ionisierenden Strahlen in Deutschland. Nach § 1 AtG ist der Zweck „ die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geordnet zu beenden und bis zum Zeitpunkt der Beendigung den geordneten Betrieb sicherzustellen “. Mit der 13. Novelle des AtG wurde infolge der Katastrophe von Fukushima der endgültige Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie umgesetzt. Erstmals wurden feste Endtermine für den Betrieb der KKWs verankert und die mit der 11. AtG-Novelle kurz zuvor vorgenommene Laufzeitverlängerung wieder aufgehoben. Die jeweiligen Abschaltzeitpunkte der aktiven KKWs können der Tabelle 1 entnommen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aktive Kernkraftwerke und Abschaltzeitpunkte
Quelle: §7 Abs. 1 a) S.1 Nr. 4-6 AtG.
Seit 2017 sind nur noch sieben KKWs am Netz, die gut 10 % zum Strommix beitragen.38
Der Anteil der Kernkraft hat sich seit 1991 im Verhältnis bereits ungefähr halbiert und soll bis Ende 2022 aus dem deutschen Energiemix verschwunden sein.39
2.3 Strompreis
Die EE sind im deutschen Netz angekommen und hängen ihre fossile Konkurrenz immer weiter ab. Allerdings ist der zukunftsfähige Umbau der Energieversorgung mit entsprechenden Investitionen verbunden, die sich auch auf den Strompreis auswirken.40 So wird der Ökostrom-Ausbau u.a. über die EEG-Umlage finanziert, die von allen Verbrauchern getragen wird. Seit der Einführung des EEG im Jahr 2000 steigen die Strompreise stetig. Die Hauptursachen für den Strompreisanstieg sind neben der EEG-Umlage auch auf die Einführung weiterer Umlagen sowie auf die Erhöhung von Steuern und Abgaben zurückzuführen, welche vorwiegend klimapolitisch motiviert sind.41 Um den Anstieg der Strompreise zu verstehen, muss man zunächst die aktuelle Zusammensetzung des Strompreises kennen, welche im Anschluss näher erläutert wird.
2.3.1 Zusammensetzung
Der Preis für die Kilowattstunde Strom (in ct/kWh) setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Neben den Kosten für die Stromerzeugung und Steuern befinden sich auch mehrere Abgaben und Umlagen unter den Bestandteilen des Strompreises. In Abb. 3 werden die Anteile der jeweiligen Bestandteile des Strompreises für einen Drei-Personen-Privathaushalt und einem Verbrauch von 3.500 kWh dargestellt.42
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Strompreiszusammensetzung von Haushalskunden 2018 in ct/kWh
Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2018a): 21
Der durchschnittliche Strompreis beträgt dabei im Jahr 2018 gut 29,44 ct/kWh.43 Bei der Strompreiszusammensetzung lassen sich im Wesentlichen drei große Blöcke unterscheiden. Der erste große Block umfasst die Beträge des Stromunternehmens. Mit gut 13,47 ct/kWh des Strompreises bleibt etwa die Hälfte (45,7 %) bei den Stromunternehmen. Davon entfallen 7,27 ct/kWh (24,7 %) auf die Netznutzungsentgelte (NNE), welche die Stromversorger den jeweiligen Netzbetreibern für die Benutzung ihrer Stromnetze und Messeinrichtungen bezahlen müssen. Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen hingegen erhalten unter bestimmten Bedingungen von dem Verteilnetzbetreiber (VNB), in dessen Netz sie einspeisen, ein Entgelt. Dieses Entgelt entspricht dem Netzentgelt, das durch die Einspeisung in der vorgelagerten Netzebene vermieden wird und daher als vermiedenes Netzentgelt (vNE) bekannt ist. Das vNE wird im Rahmen des Abschnitts 3.5 „Nutzen des Endverbrauchers“ näher erläutert. Weitere 6,20 ct/kWh (21,06 %) fallen für die Beschaffung bzw. für den Vertrieb des Stroms und die Margen des Energieversorgers an. Der zweite große Block des Strompreises setzt sich aus Steuern zusammen. Ein Privathaushalt zahlt für jede Kilowattstunde einheitlich 2,05 ct/kWh (6,96 %) Stromsteuer. Darüber hinaus wird noch die Umsatzsteuer erhoben, welche derzeitig rund 4,70 ct/kWh (15,97 %) entspricht. Der dritte große Block des Strompreises entfällt auf Abgaben bzw. Umlagen. Den mit Abstand größten Anteil der Umlagen bildet mit 6,792 ct/kWh44 (23,07 %) die EEG-Umlage. Mit Hilfe der EEG-Umlage werden die Kosten, die die Förderung der erneuerbaren Stromerzeugung verursacht, auf die Stromverbraucher umgelegt. Die Konzessionsabgabe i. H. v. 1,66 ct/kWh (5,64 %) ist ein Entgelt an die Kommune dafür, dass Straßen und Wege für den Betrieb von Stromleitungen benutzt werden können. Ihre Höhe variiert in Abhängigkeit von der Gemeindegröße, welche in § 2 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) geregelt ist. Ein weiterer Bestandteil ist gemäß § 26 KWKG mit 0,345 ct/kWh (1,17 %) die Umlage zur Förderung der effizienten KWK in fossilen Kraftwerken. Diese sorgt dafür, dass die erhöhten Kosten der Betreiber von BHKWs somit ausgeglichen werden. Mit § 19 der StromNEV-Umlage wird die Entlastung stromintensiver Unternehmen von Netzentgelten gesetzlich finanziert. Die aus diesen Entlastungen der StromNEV entstehenden Kosten werden bundesweit an alle Letztverbraucher weitergegeben. Seit Jahresbeginn 2012 wird die Entlastung als bundesweite Umlage direkt von allen Endverbrauchern getragen und beträgt derzeitig 0,37 ct/kWh45 (1,26 %). Bei der Höhe der Umlage wird zwischen drei Verbrauchergruppen in Abhängigkeit des jährlichen Stromverbrauchs unterschieden. Mit der seit 01.01.2013 eingeführten Offshore-Haftungsumlage nach § 17 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sollen die Investitionen der Betreiber von Offshore-Windparks finanziell absichern, wenn diese z. B. wegen Problemen beim Netzanschluss in Nord- und Ostsee keinen Strom liefern können. Die aus der Offshore-Haftungsumlage entstehenden Belastungen werden bundesweit an die Verbraucher mit 0,037 ct/kWh (0,13 %) weitergegeben. Mit der Umlage für abschaltbare Lasten nach § 18 der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten (AbLaV) werden Vergütungszahlungen der ÜNB an Anbieter von sog. Abschaltleistung ausgeglichen, falls der Netzbetreiber diese zum Zweck der Systemstabilisierung abruft. Anbieter von Abschaltleistung sind z. B. Industriebetriebe, die für einen vereinbarten Zeitraum oder auch kurzfristig auf die Lieferung von Strom verzichten können, wenn im Stromnetz zwischenzeitlich nicht genügend Strom vorhanden ist. Die ÜNB gleichen ihre Zahlungen untereinander aus und legen den Betrag i. H. v. 0,011 ct/kWh (0,04 %) auf alle Letztverbraucher um.46 Ziel ist eine bessere Netzstabilität und damit eine höhere Versorgungssicherheit.47
2.3.2 Preisentwicklung
Der Strompreis für private Haushalte in Deutschland ist seit Jahren im Aufwärtstrend und hat Anfang 2018 das Rekordhoch von 29,44 ct/kWh erreicht. Zur Jahrtausendwende lag der Strompreis in Deutschland noch bei 13,94 ct/kWh und hat damit eine Steigerung von 111 % erfahren. Im Vergleich zum Vorjahr (2017: 29,28 ct/kWh) ist der durchschnittliche Strompreis für Haushalte um 0,5 % angestiegen. In Abb. 4 wird die Strompreisentwicklung dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Strompreisentwicklung
Quelle: Eigene Darstellung i.A.a. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2018a): 7.
Fasst man die Steuern, Abgaben und Umlagen als staatliche Belastungen zusammen, ergeben sie mit 15,97 ct/kWh rund 54,3 % des Strompreises. Damit sind die staatlichen Belastungen in 2018 ggü. dem Vorjahr (2017: 16,06 ct/kWh) um 0,6 % bzw. 0,09 ct/kWh leicht gesunken. Vergleicht man allerdings die Beträge der staatlichen Belastungen aus 2009 (8,96 ct/kWh), ergibt sich eine Steigerung von 78 %. Der größte Teil im Bereich der staatlichen Belastungen ist mit 23,1 % die EEG-Umlage. Nachdem die Umlage seit mehreren Jahren stetig angestiegen ist, ist sie in 2018 erstmals leicht von 6,880 ct/kWh (2017) auf 6,792 ct/kWh gefallen (-1,3 %). Im Vergleich zum Jahr 2009 (1,31 ct/kWh) ist die EEG-Umlage um 418 % angestiegen. Den zweitgrößten Kostenblock beim Strompreis verursachen mit 7,27 ct/kWh (24,7 %) die Netzentgelte. Im Vergleich zum Vorjahr (2017: 7,51 ct/kWh) sind die Netznutzungsentgelte 2018 im Bundesdurchschnitt um 3,2 % (-0,24 ct/kWh) gesunken. Über die letzten 10 Jahre hinweg sind die Netzentgelte um 27 % (+1,54 ct/kWh) gestiegen, was mit dem erforderlichen Netzausbau im Rahmen der Energiewende begründet wird. Den drittgrößten Kostenblock bildet mit 6,2 ct/kWh bzw. rund 21 % die Stromerzeugung. Der Anteil, den der Stromanbieter für die Stromerzeugung erhält, ist in 2018 um 8,2 % (+0,49 ct/kWh) gewachsen, was auf die anziehenden Großhandelspreise zurückzuführen ist. Seit 2009 (8,52 ct/kWh) sind die Kosten für die Stromerzeugung allerdings um 27 % (-2,32 ct/kWh) gesunken.
2.3.3 Ausblick
Energieexperten gehen davon aus, dass der Strompreis trotz Energiewende in Zukunft wieder deutlich sinken wird. Annahmen zufolge soll bis 2030 zumindest wieder das Niveau von 2010 mit durchschnittlich rund 23,69 ct/kWh erreicht werden.48 Die EEG-Umlage für das Jahr 2019 beträgt 6,405 ct/kWh. Dies entspricht einen Rückgang um 5,7 % (-0,387 ct/kWh) ggü. dem Vorjahr (2018: 6,792 ct/kWh).49 Gründe für die sinkende EEG-Umlage sind die gestiegenen CO2-Zertifikatspreise im europäischen Emissionshandel und höhere Beschaffungskosten, die zu steigenden Börsenstrompreisen führen. Dadurch sinkt die Differenz zwischen dem Marktpreis für Strom und den Einspeisetarifen für Strom aus EE, die über die EEG-Umlage ausgeglichen wird. Zum anderen haben die ÜNB auf dem EEG-Konto in diesem Jahr einen Überschuss von mehr als vier Milliarden Euro angehäuft.50 Die KWK-Umlage wird 2019 um 18,9 % (-0,065 ct/kWh) sinken und 0,280 ct/kWh betragen. Eine ähnliche Reduzierung betrifft auch die Umlage nach § 19 StromNEV. Diese fällt um rund 17,6 % auf 0,305 ct/kWh (-0,065 ct/kWh). Die Umlage für abschaltbare Lasten nach § 18 AbLaV erfährt sogar eine Senkung um 54,5 % (-0,006 ct/kWh) und entspricht in 2019 rund 0,005 ct/kWh. Während einige Umlagen sinken, steigt die Offshore-Haftungsumlage erheblich an, welche im Jahr 2019 für den Ausbau der Offshore-Windenergie nun separat in der neuen Offshore-Netzumlage ausgewiesen wird. In 2019 beträgt diese Umlage rund 0,416 ct/kWh, womit sie eine Steigerung um 1.024 % (+0,379 ct/kWh) im Vergleich zum Vorjahr (2018: 0,037 ct/kWh) erfahren hat. Damit liegt die Höhe der Umlagen für das Jahr 2019 bei 7,411 ct/kWh und sinkt nur um insgesamt 1,9 % (-0,144 ct/kWh) im Vergleich zum Vorjahr (2018: 7,555 ct/kWh).51 In Bezug auf die Netzentgelte wurde im Sommer 2017 zwar die Vereinheitlichung der NNE beschlossen, jedoch sieht das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) die schrittweise Anpassung erst ab 2019 bis 2023 vor. Laut aktuellen Preisankündigungen der Netzbetreiber werden die Gebühren 2019 im bundesweiten Durchschnitt um 2 % steigen.52 Bei eigenerzeugtem- und genutztem Strom müssen aufgrund politischer Vorgaben keine NNE bezahlt werden, obwohl die Kosten für das Netz auch weiterhin anfallen. Auch werden für diesen Strom weder Konzessionsabgaben noch Mehrwert- und Stromsteuer erhoben. Die Integration dezentraler Erzeuger in die Netzregelung und den Strommarkt erfordert daher eine Weiterentwicklung bestehender Tarifmodelle, um den Netzbetrieb durch Betreiber der Anlage wirtschaftlich unterstützen zu können.53
2.4 Status Quo der Energiewende
Aktuelle Daten zur Entwicklung der EE in Deutschland sind ein wichtiger Baustein zur Bewertung der Energiewende, weshalb nachfolgend einige Zwischenstände folgen.
2.4.1 Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energieträgern
Die gesamte Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energieträgern hat in 2017 rund 417,4 TWh betragen. Grundsätzlich wird die Energiebereitstellung aus EE in die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr aufgeteilt, wie in Abb. 5 dargestellt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energieträgern
Quelle: Umweltbundesamt (2018a)
Der Beitrag der Energiebereitstellung aus EE hat sich 2017 in den einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich entwickelt. Mit rund 216 TWh entfallen über die Hälfte (51,8 %) auf den Strombereich. An dieser Stelle ist der Fokus auf den Stromsektor erkennbar, weshalb im nächsten Abschnitt eine separate Betrachtung dieses dominierenden Sektors folgt. Die absolute Bereitstellung aus erneuerbaren Energien im Wärmesektor stieg um etwa 2,7 % von 166,4 TWh im Jahr 2016 auf 171 TWh im Jahr 2017 an und umfasst damit ca. 41 % der gesamten Energiebereitstellung aus EE. Gleichzeitig wurden aber auch wieder mehr fossile Energieträger im Wärmesektor verbraucht. Im Jahr 2017 hatte die feste Biomasse (zumeist Holz) mit 115,7 TWh den bedeutendsten Anteil an der erneuerbaren Wärmebereitstellung, gefolgt von Biogas mit 13,0 TWh. Der Beitrag der Solarthermie erhöhte sich im Jahr 2017 um 2,1 % auf 7,9 TWh. Auch die Wärmebereitstellung aus Umweltwärme und Geothermie gewann an Bedeutung und lag mit 13,6 TWh deutlich über dem Niveau des Vorjahres. Der Verkehrssektor ist mit etwa 7 % oder 30 TWh der Bereich mit dem geringsten energetischen Anteil an erneuerbaren Energiequellen. Hiervon entfallen 21,2 TWh auf Biodiesel (+1,8 % ggü. 2016), gefolgt von Bioethanol mit 8,5 TWh (-1,5 % ggü. 2016) und Biomethan mit 0,4 TWh. Sektorübergreifend ist die Biomasse mit einem Anteil von etwa 55 % der Energiebereitstellung der wichtigste erneuerbare Energieträger. Insbesondere im Wärme- und Verkehrssektor ist Biomasse für 87 % bzw. 88 % des Endenergieverbrauchs aus EE verantwortlich. Bei der Stromerzeugung dominieren Windkraft, Sonnenenergie und Wasserkraft mit einem Anteil von zusammen 76 % der erzeugten EE-Strommenge.
2.4.2 Anteil erneuerbarer Energien an Bruttostromerzeugung
Im Jahr 2017 betrug die gesamte Bruttostromerzeugung in Deutschland rund 655 TWh. Davon konnten ein Drittel (33,3 % oder 218 TWh) mittels EE erzeugt werden (Abb. 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Anteil der EE an Bruttostromerzeugung in Deutschland in TWh
Quelle: BMWi (2018a).
Wie bereits im vorherigen Abschnitt angedeutet, sind Wind- und Sonnenenergie die wichtigsten erneuerbaren Energieträger. Windenergie spielt eine tragende Rolle beim Ausbau der EE und leistete im Jahr 2017 den größten Beitrag zur Stromerzeugung aus EE und war maßgeblich für das starke Wachstum der EE verantwortlich. An Land und auf See hat sie mittlerweile einen Anteil von rund 16 % an der deutschen Stromerzeugung. Aufgrund eines deutlich gestiegenen Zubaus (+6.283 MW) und sehr guter Windverhältnisse lieferten Windturbinen die Rekordstromerzeugung von 107 TWh (im Jahr 2016 waren es noch 79,9 TWh). Damit stieg die Windstromerzeugung um ca. 34 % ggü. 2016. Ende des Jahres 2017 konnte das Netz in Deutschland 5.407 MW durch Windleistung auf See verzeichnen. Bis zum Jahr 2030 soll nach den Plänen der Bundesregierung eine Leistung von 15.000 MW am Netz sein.54 Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie mittels PV hat sich ggü. 2016 um 1,3 TWh oder 3,4 % auf 39,4 TWh erhöht. Die Leistung neu installierter PV-Anlagen erreichte im aktuellen Jahr 1.660 MW und ist damit im Vergleich zu 2016 (1.455 MW) um rund 14 % gestiegen. Die aktuelle Leistung beträgt allerdings noch immer nur etwa ein Fünftel des Wertes aus dem Rekordjahr 2012 (8.161 MW). Neben Wind- und Sonnenenergie leisten auch Biomasse und Wasserkraft einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Energieversorgung. Aus Biomasse wurden im Jahr 2017 ca. 46 TWh Strom bereitgestellt. Damit umfassen sie etwa 7 % der gesamten Stromerzeugung. Im Vergleich zum Jahr 2016 blieb die Stromerzeugung aus Biomasse damit konstant. Maßgeblich für die Stromerzeugung aus Biomasse sind v.a. Biogas mit 29,3 TWh (+0,2 % ggü. 2016), feste Biomasse mit 10,6 TWh (-1,3 % ggü. 2016) und der biogene Anteil des Abfalls mit 6,0 TWh (+0,4 % ggü. 2016). Die Stromerzeugung aus Wasserkraft lag mit 20,2 TWh an vierter Stelle der erneuerbaren Energieträger, und aufgrund der Witterung unter dem Niveau des Vorjahres (-1,9 %).
2.4.3 Anteile erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch
Deutschland konnte im Jahr 2017 zwar seinen Anteil der EE am Bruttoendenergieverbrauch im Vergleich zu 2016 von 14,8 % auf 15,6 % steigern. Verpflichtend vorgegeben sind gemäß EU-Richtlinie 2009/28/EG jedoch 18 %, wie in Abb. 7 in rot gekennzeichnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Anteile der EE am Bruttoendenergieverbrauch
Quelle: Eigene Darstellung i.A.a. Umweltbundesamt (2018a).
Nach einer aktuellen Prognose des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) wird Deutschland im Jahr 2020 einen Anteil von 16,4 % EE am Bruttoendenergieverbrauch erreichen und somit das vereinbarte Ziel verfehlen. Die Präsidentin des BEE, Dr. Simone Peter rügt, dass „Die jahrelang verschleppte Energiewende im Wärme- und Mobilitätsbereich in Verbindung mit steigendem Energieverbrauch und gesetzlich abgesenkten Ausbaumengen der Erneuerbaren im Stromsektor verhindern, dass Deutschland seine rechtsverbindliche Verpflichtung einhalten wird “55.
2.4.4 Bruttostromverbrauch und Endenergieverbrauch für Wärme und Verkehr
Insgesamt entwickelten sich die Erneuerbaren im Jahr 2017 in den verschiedenen Sektoren sehr unterschiedlich (Abb. 8). Im Sektorenvergleich wird deutlich, wo der Schwerpunkt zukünftiger Anstrengungen der Bundesregierung liegen muss. Während der Anteil der EE am Bruttostromverbrauch von 31,6% (2016) auf 36,0 % (2017) stark anstieg, stagnierten die EE im Wärme- und Verkehrssektor. Der Anteil der EE am Wärmeverbrauch ist leicht um 0,3 Prozentpunkte auf 13,2 % gesunken. Beim Verkehr blieb der Anteil mit 5,2 % konstant.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Anteil EE am Bruttostromverbrauch und Endenergieverbrauch für Wärme und Mobilität
Quelle: Eigene Darstellung i.A.a. Umweltbundesamt (2018a).
Nachdem der Anteil der EE am deutschen Bruttostromverbrauch im Jahr 2015 und 2016 nahezu gleichblieb, verzeichnete er im Jahr 2017 mit einem Anstieg auf 36 % einen kräftigen Sprung. Dies ist der bislang stärkste Zugewinn innerhalb eines Jahres. Auch in absoluten Zahlen konnten die EE ihre Stromerzeugung um etwa 15 % auf 218 TWh steigern. Ursächlich für den deutlichen Anstieg waren neben dem weiteren kräftigen Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten von WEA an Land und auf See, auch deutlich bessere Windverhältnisse als im windschwachen Jahr 2016. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 EEG (2012) soll im Jahr 2020 ein Anteil von mind. 35 % EE am Bruttostromverbrauch erreicht werden, was nach vorläufigen Daten bereits im Jahr 2017 übertroffen wurde. Auch in Bezug auf das Ziel nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 EEG (2017) ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Anteil von 40 bis 45 % noch vor dem Jahr 2025 erreicht wird. Einen Rückgang hingegen verzeichneten die EE im Wärmesektor. Zwar konnten weiterhin Anlagen zur regenerativen Wärmeerzeugung zugebaut werden, dennoch war die tatsächliche Wärmebereitstellung aufgrund niedriger Gas- und Heizölpreise leicht rückläufig. Gepaart mit einem konjunkturbedingt insgesamt höheren Endenergieverbrauch in Wärme und Kälte ergibt dies einen Erneuerbaren-Anteil von 13,2 %, was ein Minus von 0,3 % ggü. 2016 bedeutet. Zur Zielerreichung für das Jahr 2020 mit 14 %, fehlen somit noch 0,8 % Anteile am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte. Im Verkehrssektor bewegte sich der Anteil der EE rückläufig vom Höchststand mit 7,5 % im Jahr 2010 auf 5,2 % im Jahr 2017 und blieb damit exakt auf dem Jahresniveau von 2016. Zwar stieg nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) die Nutzung biogener Kraftstoffe an, noch stärker wuchs jedoch der Gesamtenergieverbrauch im Verkehrssektor bzw. die Nutzung fossiler Kraftstoffe.56 Die zentralen Ziele der Energiewende – eine Erhöhung der Effizienz wie auch eine Steigerung des Anteils EE – werden derzeit nach Aussage der AEE auf der Straße verfehlt. Damit sollen die EU-28 Mitgliedsstaaten bei Fortschreibung aktueller Trends ihr selbstgestecktes Ziel verfehlen, welches die Deckung von 10 % des Energiebedarfs aus EE im Verkehrssektor bis zum Jahr 2020 entspricht.57
2.4.5 Verteilung der Eigentümer an Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
Die Akteursvielfalt ist ein intensiv diskutiertes Thema bei dem aktuellen Ausbau und der zukünftigen Förderung der EE in Deutschland. In den vergangenen Jahren wurde der Ausbau der EE von unterschiedlichen Akteursgruppen vorangetrieben, dessen Verteilung der Abb. 9 entnommen werden kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Struktur der EE nach Eigentümergruppen in Deutschland 2016
Quelle: Eigene Darstellung i.A.a. trend:research (2017): 1.
Für eine erfolgreiche Energiewende in Deutschland spielen die Bürger als Energieproduzenten eine Schlüsselrolle. Wie aus einer neuen Studie des Instituts für Trend- und Marktforschung „trend:research“ hervorgeht, sind Privatpersonen weiterhin die mit Abstand wichtigsten Investoren für EEA. Ihnen gehört in Deutschland knapp ein Drittel (31,5 %) der installierten Leistung zur regenerativen Stromproduktion, womit sie sowohl Energieversorger als auch Projektierer, Gewerbebetriebe, Fonds und Banken übertreffen. In der Studie werden neben Einzelpersonen auch Energie-Genossenschaften, die als Verbund gemeinsam Erneuerbare-Energien-Projekte verwirklichen, zur Kategorie der Privatpersonen gezählt. Vohrer betont, dass Bürgerengagement „…ein entscheidender Erfolgsfaktor für den weiteren erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien“58 bleibt. Ein Vergleich zu der Vorgänger-Erhebung aus dem Jahr 2012 zeigt jedoch, dass der Anteil der Privatpersonen um 3,4 % gesunken (2012: 34,9 %) ist.59 „Nur durch die Teilhabe der Bevölkerung erhalten Erneuerbare Energien die notwendige Unterstützung vor Ort. Diese Unterstützung ist für den weiteren dynamischen Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland essentiell“60, betont Vohrer.
3 Dezentrale Energieversorgung
Mit den sich rasant verbreitenden technologischen Entwicklungen bei den EE und den globalen Herausforderungen (Klimawandel, Migration, Finanzkrisen) gewinnen dezentrale Produktions- und Speicheroptionen an Bedeutung dazu. Im Zuge der Energiewende ändert sich die Struktur der Energieversorgungssysteme von konventionellen, zentralen Großkraftwerken stärker zu einer Struktur mit zahlreichen kleinen dezentralen Erzeugungsanlagen (DEA) und bedeutet langfristig möglicherweise ein Ende der Monopole durch die großen EVUs.61 Dadurch wird in Deutschland ein Weg eingeschlagen, der das bestehende Energieversorgungssystem deutlich verändert.62 Während die dezentrale Energieversorgung in den vergangenen Jahren höchstens für Spezialanwendungen interessant und dabei selten kostendeckend war, hat es durch erhebliche Umstrukturierungen der Energieversorgung zu einem deutlich stärkeren Interesse an allen Formen der dezentralen Energietechnologie geführt. Auch die stark veränderten politischen Rahmenbedingungen, wie der Atomkonsens, die Mindesteinspeisetarife für regenerativ oder in KWK erzeugten Strom und die Klimaschutzziele tragen dazu bei.63 Nicht nur aus Sicht des Endverbrauchers, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive sei die dezentrale Energieversorgung als Ergebnis einer aktuellen Studie der Prognos AG, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und des Energie Campus Nürnberg zu befürworten.64 Die rasche Entwicklung dezentraler regionaler Energieversorgungskonzepte in Deutschland mobilisiert auch regionale Wirtschaftsstrukturen. Um die notwendigen energiepolitischen Impulse zu geben, muss auf die Balance zwischen Zentralität und Dezentralität in der Energieversorgung geachtet werden, welche wesentlich durch die zukünftigen Kostenstrukturen geprägt sein wird. Dabei gilt: Je kostengünstiger die Komponenten und Systeme zur Nutzung von EE, desto dezentraler wird ihr Einsatz ausfallen.65 Zu einem ähnlichen Entschluss kam auch eine Studie des Reiner Lemoine Instituts im Auftrag der Haleakala-Stiftung, des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) und der „100 prozent erneuerbar stiftung". Im Rahmen dieser Studie wurden die stärker zentral und dezentral orientierten Ausbaupfade für eine Stromversorgung aus EE hinsichtlich ihrer Kosten miteinander verglichen. Als Ergebnis sei der Ausbau von EE aus energiewirtschaftlicher Sicht mittels dezentraler Strukturen zu bevorzugen. Damit alle Landesteile Deutschlands von den Wertschöpfungseffekten der Energiewende profitieren können, sollte „ ein dezentraler und verbrauchsnaher Ausbau von PV und Windenergie Onshore im Energiemarkt stärker angereizt werden (...)"66.
[...]
1 Vgl. Radtke & Kersting (2018): 94.
2 BMWi (2016).
3 Servatius, et al. (2012): 288 f.
4 Neugebauer (2018): 347.
5 Richard, et al. (2019): 10.
6 Voshmgir (2016): 24.
7 Glatz (2018): 7 f.
8 Vgl. Radtke & Kersting (2018): 94.
9 Vgl. Radtke & Kersting (2018): 23 f.
10 Gochermann (2016): 26.
11 Kühne & Weber (2018): 4.
12 Kästner & Kießling (2016): 26-29.
13 Vgl. Radtke & Kersting (2018): 23 f.
14 Bundesministerium für Umwelt (2014).
15 Vgl. Radtke & Kersting (2018): 23 f.
16 Eine vollständige Übersicht aller Gesetze, Verordnungen und Richtilinien findet sich in der Gesetzeskarte für das Energieversorungssystem in Anhang A.
17 Unnerstall (2016): 16.
18 Bundesministerium für Bildung und Forschung (o.J.).
19 Kästner & Kießling (2016): 1.
20 Schwan, et al. (2016): 16.
21 Agentur für Erneuerbare Energien (o.J.).
22 Kühne & Weber (2018): 4.
23 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016): 6.
24 Kühne & Weber (2018): 33.
25 Umweltbundesamt (2013).
26 Agentur für Erneuerbare Energien (o.J.).
27 Hohenberger & Mühlenhoff (2014): 6.
28 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2015): 19 f.
29 Kühne & Weber (2018): 33.
30 Erneuerbar Mobil (2016).
31 Agentur für Erneuerbare Energien (2014).
32 ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (2010): 12.
33 Bundesministerium für Bildung und Forschung (o.J.).
34 Schabbach & Wesselak (2012): 150 f.
35 Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch (2017): 5-9.
36 Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (2018).
37 Günther (2015): 31.
38 Tatsachen über Deutschland (o.J.).
39 Kühne & Weber (2018): 5.
40 Stromspiegel (o.J.).
41 Frondel, et al. (2012): 3.
42 Die Angaben zu den Strompreisen für Haushalte unterscheiden sich leicht zwischen der BNA und BDEW. Während der BDEW alle Angaben für einen Verbrauch von 3.500 kWh im Jahr macht, mittelt die Bundesnetzagentur die Preise für Kunden mit einem Jahresbezug zwischen 2.500 und 5.000 kWh Im nachfolgenden wird stets auf die Daten der BDEW Bezug genommen.
43 Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2018a): 2.
44 Die ÜNB haben die EEG-Umlage erstmals seit langer Zeit gesenkt. Zum Jahreswechsel 2017/2018 ist sie von 6,880 ct/kWh auf 6,792 ct/kWh gesunken.
45 Gilt für die Letztverbrauchergruppe A im Jahr 2018: bis einschließlich 1.000.000 kWh.
46 Eigene Berechnungen i.A.a. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2018): 8. Daten können Rundungsfehler aufweisen.
47 Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2018b).
48 Lifestrom (2017).
49 1-Stromvergleich (2018a).
50 IWR (2018).
51 1-Stromvergleich (2018a).
52 1-Stromvergleich (2018b).
53 Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (2007): 91 f.
54 BMWi (2018a).
55 Bundesverband Erneuerbare Energie (2018).
56 Umweltbundesamt (2018b).
57 gentur für Erneuerbare Energien (2018a): 4 ff.
58 Agentur für Erneuerbare Energien (2018b).
59 Vgl. trend:research (2017): 1.
60 Agentur für Erneuerbare Energien (2018b).
61 Radtke & Kersting (2018): V-VIII.
62 Kühne & Weber (2018): 3.
63 Vgl. Beckhaus (2002): 1.
64 Prognos (2016): 74.
65 ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (2010): 34.
66 Reiner Lemoine Institut (2013): 60.
- Quote paper
- Bartek Mika (Author), 2019, Blockchain-Technologie als Treiber der Energiewende? Erneuerbare Energien und Digitalisierung in der Energiewirtschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/471579
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