Warum sind die Bildungspläne im Allgemeinen und auch im Hinblick auf die frühe Förderung des naturwissenschaftlichen Bereiches so unterschiedlich gestaltet? Der Hauptgrund liegt daran, dass das den Bildungsplänen zugrunde liegende Bild vom Kind sich an den aktuellen Bildungsdiskursen der Frühpädagogik orientiert. Es wird vor allem zwischen zwei auf diesem Gebiet dominierenden Bildungskonzepten unterschieden: dem `Selbstbildungsansatz´ und dem `Ansatz der Ko-Konstruktion´.
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die Forschungsfrage dieser Arbeit:
In welcher Form wird die frühe naturwissenschaftliche Bildung durch diese zwei unterschiedliche pädagogische Ansätze beeinflusst und welche Auswirkung hat dieser Einfluss auf die Praxis?
Die vorlegende theoretische Arbeit beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Analyse der beiden Ansätze. Sie basiert auf einer grundliegenden Literaturrecherche über die Theorie- und Praxisumsetzung, sowie Reflexion und Diskussion anhand von wissenschaftlichen Texten zum genannten Forschungsthema. Die herangezogenen Autoren sind überwiegend Pädagogik- und Erziehungswissenschaftler. Andere sind in benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen, wie den Sozialwissenschaften oder der Entwicklungspsychologie angesiedelt. Die Grundlage dieser Arbeit bilden die Werke der beiden Hauptvertreter der genannten Ansätze, Schäfer (Selbstbildungsansatz) und Fthenakis (Ansatz der Ko- Konstruktion), sowie deren Befürworter und Mitstreiter.
Spricht man in der Pädagogik von früher naturwissenschaftlicher Bildung, dann wird nicht selten gemeint, "man könne und müsse Kindern auf elementare Weise zumindest die Anfänge wissenschaftlichen Denkens nahebringen" (Schäfer, 2010a, S. 7), so Schäfer. Daran liegt ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Bildungsplänen. Und zwar im ungleichen Verständnis von kindlichen Bildungs- und Lernprozessen und entsprechend dann darauf basierender didaktisch-methodischer Herangehensweisen und Umsetzungen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsstand zur frühen naturwissenschaftlichen Bildung
2.1 Forschungsergebnisse aus der Sozialwissenschaft
2.2 Forschungsergebnisse aus der Didaktik
2.3. Forschungsergebnisse aus der Kognitions- und Entwicklungspsychologie
3. Selbstbildung und Ko- Konstruktion als pädagogische Ansätze in der frühen naturwissenschaftlichen Bildung
3.1 Bildungsziele
3.2 Lerntheoretische Begründungen
3.2.1 Bildung als Selbstbildung
3.2.2 Bildung als Ko-Konstruktion
3.3 Zum Bild vom Kind
3.4 Zur Rolle der Fachkraft
3.4.1 Selbstbildungsansatz
3.4.2 Ansatz der Ko-Konstruktion
3.5 Zur Rolle des sozialen und kulturellen Raum
3.5.1 Selbstbildungsansatz
3.5.2 Ansatz der Ko-Konstruktion
3.6 Zur Rolle der kindlichen Naturerfahrungen
3.6.1 Selbstbildungsansatz
3.6.2 Ansatz der Ko-Konstruktion
3.7 Zu Rolle der Sprache
3.8 Methodisch- didaktische Umsetzung
3.8.1 Das freie Experimentieren
3.8.2 Das angeleitete Experimentieren
4. Selbstbildung und Ko- Konstruktion im Vergleich
Ansatz
Selbstbildungsansatz
Ko-Konstruktionsansatz
5. Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
Im Jahr 2000 wurde weltweit die erste PISA-Studie durchgeführt. Damit wollte man überprüfen, wie leistungsfähig die Bildungssysteme der verschiedenen Länder sind. Als die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden, war man in Deutschland schockiert. Die Leistungen unsere Schüler waren viel schlechter als man erwartet hatte. Das unterdurchschnittliche Abschneiden stieß in Deutschland eine Diskussion über die Qualität des deutschen Bildungssystems an. Der so genannte `PISA-Schock´ führte zu mehreren Schulreformen und machte es möglich, dass auch die vorschulische Bildung wieder stärker in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses rückte.
Gleichzeitig nahm das Thema `Fachkräftemangel´ an Bedeutung zu. In einer auf Dienstleistung orientierte Gesellschaft wie Deutschland, wächst die Nachfrage nach Fachkräften, die auf Mathematik, Informatik und Naturwissenschaft (MINT) spezialisierte sind. Der steigende Bedarf nach MINT-Berufen wird aktiv diskutiert. Daraufhin hat die Bundesregierung mit einem Fachkräftekonzept reagiert, das alle verantwortlichen Akteure aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringt, um damit einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Für die Zukunftssicherung von MINT-Fachkräften wurde eine ganze Reihe von Maßnahmen ins Leben gerufen, u.a. das nationale MINT-Forum, das die gesamte MINT-Bildungskette von der frühkindlichen über die schulische, berufliche und akademische Bildung bis zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen fördert.
Ferner auch die Initiative `MINT Zukunft schaffen´, die zu einer positiven Einstellung bei jungen Menschen, Eltern, Frühpädagogen und Lehrkräften führen soll und eine größere Aufmerksamkeit auf die MINT-Fächer lenken soll (vgl. BMWi, 2014, o. S.).
Alle beteiligten Akteure sehen den zentralen Ausgangspunkt für jegliche MINT- Bildung im frühen Kindesalter und wollen das Interesse an MINT, insbesondere an den Naturwissenschaften, so frühe wie möglich fördern. Aus zahlreichen Initiativen, Projekten, Wettbewerben und Angeboten zur frühen natur-wissenschaftlichen Bildung, die zurzeit unseren Kitas und Grundschulen zu Verfügung stehen, erweist sich das `Haus der kleinen Forscher´ als Deutschlands größte Frühbildungsinitiative. „Die Bildungsinitiative leistet (...) einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Bildungschancen, zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses im MINT-Bereich und zur Professionalisierung des pädagogischen Personals“ (SHdkF, 2016, o. S.). Beachtlich ist auch die Netzwerkgröße, welche die Stiftung seit ihrem Arbeitsbeginn im Jahr 2006 erreicht hat. Laut dem aktuellen Monitoring–Bericht haben 229 lokale Netzwerkpartner der Bildungsinitiative bundesweit bereits mehr als 26.500 Kitas, Horte und Grundschulen mit ihren Strukturen und Angeboten erreicht (vgl. dies., 2015a, S. 7). Mit dem bundesweiten Mitmachtag wirbt die Stiftung `Haus der kleinen Forscher´ für frühe Bildung in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Technik. In diesem Jahr forschte sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel am `Tag der kleinen Forscher´ gemeinsam mit Kindern in einem Berliner Kindergarten (dies., 2016, o. S.).
Die zunehmende Anerkennung frühkindlicher Bildungsarbeit führte dazu, dass im Jahr 2004 durch die Beschlüsse der Jugendministerkonferenz (JMK) und der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Änderung herbeigeführt wurde und die „Kindertageseinrichtungen des Elementarbereiches [...] als unentbehrlicher Teil des öffentlichen Bildungswesens“ (JMK & KMK, 2004, S. 2) honoriert wurden. Anschließend wurde ein gemeinsamer Rahmenplan der Länder für die frühe Bildung entwickelt. Dabei werden sechs Bildungsbereichen herausgearbeitet. Die Bereiche Mathematik, Naturwissenschaft und (Informations-)Technik nahmen dabei die drittwichtigste Stelle ein.
Die Entwicklung der Bildungspläne schloss an eine internationale bereits vorhandene Tendenz an. Einige OECD-Staaten (z. B. Schweden und England) haben lange Zeit vorher ihre Bildungspläne für den Elementarbereich verabschiedet, bevor in Deutschland überhaupt mit der Erarbeitung der Bildungspläne eine Bildungsoffensive im Vorschulbereich gestartet wurde (vgl. Fthenakis, 2004, 18f.).
Auch einzelne Bundesländer gingen dazu über eigene Bildungspläne für den Elementarbereich zu erstellen. Diese Bildungspläne haben je nach Bundesland einen unterschiedlichen Charakter und weisen auch durch Bezeichnungen, wie etwa Empfehlung, Handreichung, Orientierungsplan, Leitlinien oder gemeinsame Vereinbarung mit den Trägerverbänden unterschiedliche Herangehensweisen auf. Zudem unterscheiden sie sich in den Altersangaben der Zielgruppe. In der Regel sind Kinder von 0 bis 6 Jahren einbezogen, einige Länder (z.B. Hessen und NRW) dehnen die Altersspanne jedoch bis zum 10ten Lebensjahr aus. Der niedersächsische Orientierungsplan zielt dagegen auf die Altersgruppe der 3- bis 6-Jährigen (Stoltenberg, 2008, S. 12).
Alle Bildungspläne beabsichtigen die Bildungsqualität in den Kindertageseinrichtungen anzuheben und einen Qualitätsrahmen zu schaffen, der dem pädagogischen Handeln von Fachkräften eine Orientierung gibt. Die Bildungspläne beschreiben ein zeitgemäßes Bildungsverständnis in der Frühpädagogik, sie definieren Bildungs- bzw. Kompetenzbereiche und geben Hinweise zur Anregung und Gestaltung kindlicher Bildungsprozesse (vgl. Piper, 2013, S. 3).
Analysen der aktuellen Bildungspläne zeigen, dass es zwar eine unterschiedliche Namensführung und Gewichtung der Themen gibt, aber allen Bundesländern gemeinsam ist die Absicht die frühe Förderung des naturwissenschaftlichen Bereiches zu verstärken. Der nach der Kultusministerkonferenz festgelegte dritte Bildungsbereich MINT „führte und führt in der Kindergartenpraxis häufig ein Schattendasein“ (Hebenstreit, 2008, S. 103). Dass er in den Bildungsplänen zumeist an hinterer Stelle aufgeführt wird, „kann man als Indiz für eine noch zu leistende Profilierung und notwendige Professionalisierung betrachten“ (ebd.).
Spricht man in der Pädagogik von früher naturwissenschaftlicher Bildung, dann wird nicht selten gemeint, „man könne und müsse Kindern auf elementare Weise zumindest die Anfänge wissenschaftlichen Denkens nahebringen“ (Schäfer, 2010a, S. 7), so Schäfer. Daran liegt ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Bildungsplänen. Und zwar im ungleichen Verständnis von kindlichen Bildungs- und Lernprozessen und entsprechend dann darauf basierender didaktisch-methodischer Herangehensweisen und Umsetzungen.
Warum sind die Bildungspläne im Allgemeinen und auch im Hinblick auf die frühe Förderung des naturwissenschaftlichen Bereiches so unterschiedlich gestaltet? Der Hauptgrund liegt daran, dass das den Bildungsplänen zugrunde liegende Bild vom Kind sich an den aktuellen Bildungsdiskursen der Frühpädagogik orientiert. Es wird vor allem zwischen zwei auf diesem Gebiet dominierenden Bildungskonzepten unterschieden: dem `Selbstbildungsansatz´ und dem `Ansatz der Ko-Konstruktion´.
Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die Forschungsfrage dieser Arbeit:
In welcher Form wird die frühe naturwissenschaftliche Bildung durch diese zwei unterschiedliche pädagogische Ansätze beeinflusst und welche Auswirkung hat dieser Einfluss auf die Praxis?
Die vorlegende theoretische Arbeit beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Analyse der beiden Ansätze. Sie basiert auf einer grundliegenden Literaturrecherche über die Theorie- und Praxisumsetzung, sowie Reflexion und Diskussion anhand von wissenschaftlichen Texten zum genannten Forschungsthema. Die herangezogenen Autoren sind überwiegend Pädagogik- und Erziehungswissenschaftler. Andere sind in benachbarten wissenschaftlichen Disziplinen, wie den Sozialwissenschaften oder der Entwicklungspsychologie angesiedelt. Die Grundlage dieser Arbeit bilden die Werke der beiden Hauptvertreter der genannten Ansätze, Schäfer (Selbstbildungsansatz) und Fthenakis (Ansatz der Ko- Konstruktion), sowie deren Befürworter und Mitstreiter.
Die vorlegende Arbeit ist nach Kapiteln und Unterkapiteln gegliedert und bearbeitet die Forschungsfrage wie folgt:
Kapitel 1 verdeutlicht die Bedeutung und Aktualität des Themas und stellt das untersuchte Problem und die Herangehensweise vor. Kapitel 2 widmet sich dem aktuellen Forschungsstand zur frühen naturwissenschaftlichen Bildung aus der Perspektiven der Disziplinen Sozialwissenschaft, Didaktik, Kognitions- und Entwicklungspsychologie.
Kapitel 3 behandelt als Hauptteil der Arbeit mehrere Schwerpunkte. Zunächst werden die einzelnen Bildungsziele und die lerntheoretisch Begründung beider Ansätze vorgestellt. Anschließend wird das Bild vom Kind, das jedem pädagogischen Ansatz und jedem pädagogischen Handeln zugrunde liegt, bei beiden Ansätzen näher erläutert. Von diesem Bild ausgehend, werden die Kriterien für das pädagogische Handeln geplant und gestaltet. Die Gemeinsamkeiten sowie die Unterschiede, die die Rolle der pädagogischen Fachkräfte in diesen Ansätzen einnimmt, sind ebenfalls Teil des dritten Kapitels.
In beiden Ansätzen spielt auch der soziale und kulturelle Raum, in dem die Kinder aufwachsen, eine bedeutende Rolle. Die unterschiedlichen Blickwinkeln und Gewichtungen auf diesen Aspekt werden im Anschluss ausführlich behandelt. Die Bedeutung der Rolle kindlicher Naturerfahrungen wird genau untersucht und die grundlegenden Annahmen der jeweiligen Ansätze herausgearbeitet sowie die wichtigste Gemeinsamkeiten und Unter-schiedlichkeiten noch mal verdeutlicht. Die Wichtigkeit der Sprache und ihre Bedeutung für die frühe naturwissenschaftliche Bildung wird ebenfalls in Kapitel 3 durch renommierte Autoren betont und als Voraussetzung für jegliches Auseinandersetzen und Austauschen über und mit der Welt gesondert behandelt. Das Sprechen über Gedanken, Gefühle und Erlebtes ist ein vorantreibender Teil des Denkprozesses und somit maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Mensch “von konkreten Erfahrungen zu theoretischem Wissen“ subsumieren kann (Koeppel, 2012, S. 5).
Ziele, Inhalte und Methoden bilden die unentbehrliche Grundlage für jede didaktische Strukturierung. Während zu Beginn des dritten Kapitels auf Ziele und Inhalt eingegangen wird, schließt das dritte Kapitel mit der Untersuchung der angewandten Methodik ab. Dabei werden zwei zentrale Arbeitsweisen bei der Vermittlung von Naturwissenschaften an Kindergartenkinder vorgestellt. Die Projektarbeit und das Experimentieren. Beim Experimentieren haben sich zwei Vermittlungsformen herauskristallisiert: das angeleitete Experimentieren im Ansatz der Ko- Konstruktion und das freie Experimentieren im Selbstbildungsansatz. Beide Herangehensweisen und deren Ansatz-möglichkeiten werden nähe beschrieben und mit Praxisbeispielen anschaulich verdeutlicht.
Kapitel 4 geht anschließend auf die Vor- und Nachteile beider Heran-gehensweisen ein, stellt deren lerntheoretische Begründungen dar und erläutert die jeweilige methodisch- didaktische Umsetzung im Vergleich zueinander.
Kapitel 5 bietet einen Ausblick an, in dem die Ergebnisse dieser Arbeit kurz zusammengefasst und in die Zukunft projiziert werden. Es werden die bevorstehende Entwicklungen und weitere notwendige Untersuchungsfelder skizziert.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und zur Vereinfachung wird in der vorliegenden Arbeit ausschließlich die weibliche Form verwendet (Ausnahmen sind lediglich in Zitaten zu finden). Das jeweils andere Geschlecht ist also selbstverständlich mitzudenken. Des Weiteren wird der Begriff `Kindertageseinrichtung´ stellvertretend auch für Einrichtungen, wie Kindergarten und Krippe verwendet.
2. Forschungsstand zur frühen naturwissenschaftlichen Bildung
Nach heutigem Erkenntnisstand geht man davon aus, dass Kinder von Anfang an, ein Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen haben und sich daraus ein Bild von der Welt machen (vgl. Lück, 2012, S. 18; Schäfer, 2010a, S. 8; Fthenakis, 2012, S. 14).
„Die Naturwissenschaft ist ein von Menschen in vielen Entwicklungsschritten geschaffenes Kulturgut“ (Plappert, 2013, S. 76). Die Naturwissenschaft als Begriff unterliegt dabei einem stetigen Wandel, der sich aus der Entwicklung der Naturwissenschaft und aus den Veränderungen einer Kultur ergibt (vgl. ebd.).
„Die Naturwissenschaften beschreiben Erscheinungen und Vorgänge in der Natur und begründen ihre Gesetzmäßigkeiten“ (Schäfer, 2008a, S. 6). Traditionell werden naturwissenschaftliche Fächer in Deutschland, je nach Bundesland, erst ab der sechsten Klasse eingeführt. Nicht zuletzt wird diese Praxis von der Theorie nach Piaget beeinflusst. Nach ihm ist die Fähigkeit zum logischen Denken bei jüngeren Kindern erheblich eingeschränkt. Diese Annahmen war lange Zeit unter anderem der Grund dafür, dass die Möglichkeiten und Voraussetzungen naturwissenschaftlicher Frühbildung nicht wissenschaftlich untersucht wurden (ebd.).
In der aktuellen wissenschaftlichen und bildungspolitischen Diskussionen gibt es sowohl die Forderung nach einem früheren Beginn zielorientierten Lernens als auch die eindringliche Warnung, Kinder vor einer nicht kindgemäßen Verschulung zu schützen (vgl. Michalik, 2010, S. 103). Verfolgt man aber die Diskussionen von Wissenschaftlern, so stellt man fest, dass es mehr offene Fragen und unerforschte Felder gibt als konkrete und zuverlässige Antworten. Dass es auf die Frage, was die frühe naturwissenschaftliche Bildung bedeutet und wie diese gestalten werden soll, noch keinen Konsens gibt, liegt nicht zuletzt am Stand der Forschung. Nach einer intensiven Literaturrecherche ist festzuhalten, dass für den Bereich der frühen naturwissenschaftlichen Bildung einige entwicklungs- und kognitionspsychologische Studien vorliegen, aber es nur wenig einschlägige Forschungsarbeiten zur Didaktik der Naturwissenschaften selbst gibt. Es lässt sich auch feststellen, dass im Primarbereich deutlich mehr geforscht wird als im Elementarbereich. Im Folgenden sollen relevante Studienergebnisse kurz dargestellt werden.
2.1 Forschungsergebnisse aus der Sozialwissenschaft
Latorre untersucht die Gründe, die hinter dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach früher naturwissenschaftlicher Bildung stecken. Sie befragte Eltern, Lehrerinnen und Erzieherinnen dazu und stellte fest, dass für alle Befragten Naturwissenschaft wichtig ist und in der Bildung verstärkt eine Rolle spielen sollte. „Die Antworten spiegeln eher den gesellschaftlichen Zwang nach `Mehr´ wider “ (Scheler, 2011, S. 56). Eine weitere Befragung unter 200 Eltern sollte klären, wovon es denn mehr im Bildungsprogramm geben sollte. Nach der Auswertung der Ergebnisse „rangieren die Naturwissenschaften an vorletzter Stelle vor der Verkehrserziehung“ (Latorre, 2011, S. 45). „Relativ gesehen haben die Naturwissenschaften anscheinend nach wie vor einen eher geringen Stellenwert“ (Scheler, 2011, S. 56).
Latorre untersucht in ihrer Studie auch institutionelle Bedingungen und individuelle Voraussetzungen, um die von Kindern im Kindergarten erworbenen naturwissenschaftlichen Kompetenzen beim Übergang in die Grundschule bestmöglich aufzugreifen und zu fördern. Ihre Befunde zeigen auch, dass die befragten Lehrerinnen und Erzieherinnen ein sehr ähnliches Verständnis von Naturwissenschaften haben. Beide Berufsgruppen geben an, Kinder bereits naturwissenschaftlich zu bilden und stellen übereinstimmend das Experimentieren an die erste Stelle. Die Teilnehmerinnen benennen ähnliche Ziele und möchten kindliche `Forscherkompetenzen´ fördern. Dabei werden zwischen den Berufsgruppen deutliche Unterschiede festgestellt: Während Erzieherinnen überwiegend Wahrnehmung und kindliche Neugier im Blick haben, „zielen Lehrer tendenziell bereits auf anspruchsvollere Ziele, wie Lösungen finden und Rückschlüsse ziehen“ (Latorre, 2011, S. 43). Im Weiteren weist Latorre auf oft fehlende Kompetenzen der Fachkräfte hin:
„Die Erzieherinnen mögen sich kompetent fühlen, sie sind aber nicht ausgebildet! Auch 2/3 der SachunterrichtslehrerInnen sind nicht in Naturwissenschaften ausgebildet, unterrichten es aber. Die Frage nach der wirklichen Kompetenz darf nicht ausgeklammert werden, eine gefühlte Kompetenz reicht nicht aus“ (dies., 2011, S. 45).
Zusammenfassend stellt Latorre fest, dass die kontinuierliche naturwissenschaftliche Förderung der Kinder in Kindergärten und Grundschulen kaum eine Rolle spielt. Übereinstimmend sagen die Teilnehmerinnen, dass aktuell kein Transfer naturwissenschaftlicher Kompetenzen zwischen Kindergarten und Grundschule erfolgt, obwohl die Voraussetzungen dafür durchaus gegeben sind. Keiner der Befragten verbindet naturwissenschaftliche Kompetenzen mit Schulfähigkeit (vgl. dies., 2011, S. 43f.).
2.2 Forschungsergebnisse aus der Didaktik
Didaktikerin des Sachunterrichts Möller hat eine Untersuchung zum Thema `Schwimmen und Sinken´ bei Drittklässlern durchgeführt. Dabei wurde der Lernerfolg in einer Lernsituation mit relativ offener Gestaltung, mit einer stärker strukturierten Lernsituation verglichen. Nach Möller erwiesen sich die weniger komplexen, dafür stärker durch Lehrkraft strukturierten Lernbedingungen als effektiver (Möller, 2002). Im Gegensatz dazu stehen die Forschungsergebnisse aus dem Elementarbereich. Schließmann untersucht die mit den Experimentierstationen verbundene Form des interaktiven Lernens. Der Wissenschaftler stellt fest, dass das Mitwirken von Erwachsenen als `Experten´ an den einzelnen Stationen, die Eigenständigkeit und die Kreativität der Kinder hemmt (Schließmann, 2006, S. 30).
Unter dem Einsatz von der Leuvener Engagiertheitsskala forschen Köster, Waldenmaier & Schiemann zur Engagiertheit von Kindern beim forschenden Lernen. Ergebnisse ihrer Untersuchungen zeigen einen Trend dahingehend, dass die Engagiertheit beim freien forschenden Experimentieren signifikant höher ist als beim angeleiteten Experimentieren (Köster, Waldenmaier & Schiemann, 2011, S. 4).
Chemie-Didaktikerin Lück hat eine Untersuchung zur Nachhaltigkeit des durch Experimente erworbenen Wissens durchgeführt. Sie stellt fest, dass nach sechs Monaten nach Beginn der Experimentierreihe und damit nach dreieinhalb Monaten nach Abschluss des letzten Versuchs, 30% der Experimente ohne Hilfestellung und 20% mit geringer Hilfestellung durch die Kinder rekonstruiert werden konnten. Es wird nicht auf mögliche Geschlechtsunterschiede eingegangen, aber Lück stellt fest, dass die soziale Herkunft der Kinder dabei keine Rolle spielt. Lück räumt ein, dass wegen fehlender Langzeitstudien, noch keine Aussage über einen möglicherweise positiven Effekt der Frühförderung auf die späteren Schulleistungen in Naturwissenschaften und Berufswahl gemacht werden kann (Lück, 2012, S. 87ff.). Illner verweist in ihrem Kommentar zu diesen Studienergebnissen, dass es interessanter wäre zu erfahren, was die Experimente auszeichnet, an die sich die Kinder erinnern konnten. Da die Information bezüglich der Experimente, an die sie sich nicht erinnern konnten, nicht veröffentlicht wurde, kann man keine Rückschlüsse auf die Möglichkeiten der kognitiven Verarbeitung des Experimentierens bei den Kindern ziehen (Illner , 2005, S. 13).
2.3. Forschungsergebnisse aus der Kognitions- und Entwicklungspsychologie
Auch die Frage der kognitiven Voraussetzungen der Kinder für die natur-wissenschaftliche Frühbildung ist zurzeit nicht hinreichend geklärt. Neuere Forschungen geben jedoch Hinweise, dass die Sichtweise der älteren, an Piaget orientierten Entwicklungspsychologie, der zufolge Kinder in der präoperationale Phase zu logischem Denken nicht fähig sind, in verschiedener Hinsicht zu revidieren sind (vgl. Michalik, 2010, S. 103). Entwicklungs-psychologische Forschungsarbeiten zum intuitiven Wissen und zu naiven kindlichen Theorien haben ergeben, dass bereits sehr früh Kenntnisse über die physikalische Welt der Objekte bei den Kindern nachweisbar sind. Bereits ab dem vierten Lebensjahr sind sie in der Lage, über Ursache und Effekt vermittelnde Mechanismen nachzudenken und zutreffende Erklärungen für Ereignisse zu finden (Mähler, 1999, S. 54ff.).
Sodian, Koeber & Thoermer konnten in ihren Untersuchungen herausfinden, dass bereits Vor- und Grundschulkinder Diagramme interpretieren können und zwischen Vermutungen und Daten unterscheiden, bzw. die Logik altersgerechter Experimente verstehen (Sodian, Koeber & Thoermer, 2004, S. 146ff.). Daraufhin konnte ferner nachgewiesen werden, dass schon jüngere Kinder über ein Grundverständnis der Logik der Hypothesenprüfung verfügen (ders., 2006, S. 13f.). Die Autoren verweisen auch darauf, dass wissenschaftliche Inhalte bereits im Kindergartenalter vermittelbar sind, wobei es den Lerneffekt bei jungen Kindern unterstützt, wenn „über den Prozess der Erkenntnisgewinnung in altersgemäßer Form explizit reflektiert wird“ (ders., 2006, S. 18).
Auch die Ergebnisse einer empirischen Studie von Kaiser & Dreber belegen, dass die Vorschulkinder in der Lage sind, „die für naturwissenschaftliches Denken und Handeln wesentlichen Dimensionen während des Interventionsprogramms zu aktivieren“ (Kaiser & Dreber, 2010, S. 90). Die qualitativen Daten zeigen, dass Kinder im Verlauf des Experimentalprogramms zunehmend mit Neugier und Interesse an naturwissenschaftliche Fragen herangehen, Hypothesen aufstellen oder Ideen (zunehmend auch auf höherem Niveau) entwickeln. Dadurch bildeten sie neue Konzepte aus und erweitern und vertiefen bereits vorhandene Konzepte. Die Autorinnen betonen, dass die Studienergebnisse dafür sprechen, dass „nicht mehr von einem Austausch falscher Konzepte, die in der Schule durch wissenschaftlich richtige Konzepte ersetzt werden, gesprochen werden kann“ (dies., 2010, S. 92). Sie appellieren dafür, das Augenmerk auf die Konzepterweiterung zu richten und weitere Forschungen diesbezüglich anzuschließen (ebd.).
Studienergebnisse von Evanschitzky, Lohr & Hille zeigen einen positiven Einfluss der Profilierung des Kindergartens in Richtung Mathematik und Naturwissenschaften auf die kognitive Entwicklung des Kindes (Evanschitzky, Lohr & Hille, 2008, S. 480).
Forschungen von Sodian & Thoermer (2006) zur Entwicklung der `theory of mind´ zeigt, dass die Fähigkeit von Kindern, die eigene Perspektive als subjektiv wahrzunehmen und auf dem Wissensstand von anderen Menschen Bezug zu nehmen, sich erst zwischen dem vierten und dem sechsten Lebensjahr entwickelt. Zuerst beginnen die Kinder zwischen Überzeugung und Realität zu differenzieren, später bilden sie ein Verständnis dafür aus, dass es unterschiedliche Wissensquellen und Interpretationsperspektiven gibt. Das Verständnis, dass das eigene Wissen und das Wissen anderer unterschiedlich sein kann, führt zu der Einsicht, dass es sich lohnt, Vermutungen und Interpretationen auszutauschen und zu überprüfen (Leuchter & Möller, 2014, S. 674).
Bullock & Sodian beweisen, dass drei-und vierjährige Kinder kausale Schlüsse nach ähnlichen Prinzipien wie Erwachsene ziehen können, wenn die beobachteten Phänomene sich ohne spezifisches Vorwissen interpretieren lassen (Bullock & Sodian, 2003, S. 75).
Psychologe Manfred Spitzer kommt zu dem Schluss, dass eine frühe Konfrontation mit naturwissenschaftlichen Phänomenen durch die Kinder selbst reguliert wird, indem sie eben nur das aufnehmen, was für sie sinnvoll erscheint (vgl. Spitzer, 2002, S. 241).
In der Präkonzeptforschung (Carey, 2000) gewonnene Erkenntnisse zeigen, dass das Vorwissen der Kinder keineswegs immer korrekt ist. Kinder entwickeln vielfältige eigene Erklärungen (so genannte Präkonzepte), die sie zur Interpretation von Phänomenen nutzen. „Diese Vorstellungen sind häufig so stark verankert, dass sie resistent gegenüber traditioneller Instruktion sind“ (Leuchter & Möller, 2014, S. 673). Eine Umstrukturierung erreicht bei jungen Kindern kaum das Nivea wissenschaftlicher Vorstellungen, dennoch kann und soll man schon früh damit beginnen, Zwischenstufen naturwissenschaftlicher Vorstellungen anzubahnen. Diese Lernfortschritte setzen strukturierte Lernangebote voraus und bedürfen intensiver Unterstützung durch die Begleitpersonen. Auch wenn durch solche Umstrukturierungen Fortschritte in der Entwicklung naturwissenschaftlichen Wissens möglich sind, „bleibt das erworbene Wissen bereichsspezifisch und ist nicht auf andere Wissensbereiche übertragbar“ (ders., 2014, S. 674).
Hüther verweist auf Forschungsergebnisse aus dem neurowissenschaftlichen Kontext und betont die Bedeutung der Beziehung zwischen Kind und Fachkraft für das Lernen. „Wer Kinder zu kompetenten, starken und selbstbewussten Persönlichkeiten erziehen will, muss in Beziehungen denken und in Beziehungsfähigkeit investieren“ (Hüther, 2010, S. 45).
Neue Ergebnisse aus dem Bereich `Effektivität früher naturwissenschaftlicher Förderung´ sollen demnächst veröffentlicht werden. Im Herbst 2016 endet das dreijährige Forschungsvorhabens ``Wirkungen früher naturwissenschaftlicher Bildung´´ der Stiftung `Haus der kleinen Forscher´. Im Fokus des Forschungsvorhabens stehen Bildungsprozesse und -ergebnisse sowohl bei den Kindern als auch den pädagogischen Fachkräften im Hinblick auf die angestrebten Zieldimension früher naturwissenschaftlicher Bildung. Dabei sollen möglichst empirisch belastbare Aussagen über Merkmale und Faktoren getroffen werden, von denen die Bildungswirkung abhängt (Anders u.a., 2013, S. 193).
Die Frage nach dem Sinn und Ziel der frühen naturwissenschaftlichen Förderung werden von Wissenschaftler in verschiedenen Diskussionen immer wieder gestellt und immer wieder wird beklagt, dass Langzeitstudien, die die positiven Effekte früher naturwissenschaftlicher Förderung belegen, fehlen. So plädieren Labudde & Möller dafür, dass in längsschnittlichen Studien zur Entwicklung von naturwissenschaftlichen Kompetenzen über die Schulstufen hinweg zwei Felder untersucht werden sollen. Zum einen, ob und wie eine naturwissenschaftliche frühe Bildung späteres naturwissenschaftliches Lernen fördert. Zum anderem, ob diese Bemühungen motivationale Orientierungen bei Jugendlichen fördern können (Labudde & Möller, 2012, S. 29).
Zu dieser Thematik schreibt Scheler: „(...) ob wir eine frühe Förderung wollen oder nicht, ist (primär) eine Werteentscheidung der Gesellschaft – unabhängig davon, ob es dabei positive Effekte gibt oder nicht“ (Scheler, 2011, S. 58).
3. Selbstbildung und Ko- Konstruktion als pädagogische Ansätze in der frühen naturwissenschaftlichen Bildung
Die Definition nach Knauf beschreibt einen pädagogischen Ansatz als „ein definiertes System pädagogischer Überzeugungen, das sich bewusst von anderen Ansätzen absetzt und Konsequenzen für eine professionelle pädagogische Praxis formuliert“ (Knauf, 2003, S. 244).
Jeder pädagogische Ansatz entsteht aus didaktischen Überlegungen. Der Begriff der Didaktik spielte in der Frühpädagogik noch vor kurzem kaum eine Rolle und wurde meist auf schulische Einrichtungen bezogen. In der aktuellen Fachdiskussion wird der Begriff der Didaktik im Zusammenhang mit dem Elementarbereich unterschiedlich behandelt. Auf der einen Seite wird es kaum erwähnt, auf der anderen Seite ist es ein selbstverständlicher Teil der Arbeit im Kindergarten sowie in der Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte (Schelle, 2011, S. 9). Bei Fragen der Didaktik geht es um die Entwicklung einer theoretischen Basis für die Gestaltung pädagogischer Lernsituationen. Dabei sollen Faktoren für Lernerfolg, personelle und konzeptionelle Rahmenbedingungen, kindliche Lernprozesse, Rolle des Erwachsenen und passende Methoden usw. berücksichtigt werden (vgl. Kasüschke & Fröhlich-Gildhoff, 2008, S. 53). Die Aufgabe einer Didaktik des Elementarbereichs besteht darin, „Erfahrung und theoretisches Wissen in ein Verhältnis zueinander zu bringen, das dem Kind Schlüsse erlaubt, die es selbst als sinnvoll erkennen kann.“ (Schäfer, Alemzadeh, Eden & Rosenfelder, 2009, S. 22).
Wie schon am Anfang des dritten Kapitels erwähnt worden ist, gibt es derzeit keinen Konsens über die Ziele und Inhalte früher naturwissenschaftlicher Grundbildung. Es stehen sich vielmehr zwei unterschiedliche didaktische Pole und damit zwei unterschiedliche Ansätze zur Vorstellungen von kindlichem Lern- und Bildungsprozessen gegenüber (Michalik, 2010, S. 93).
Zu der einen Position gehört das Konzept des `Selbstbildungsansatzes´, das das Kind mit seinen individuellen Interessen und Kompetenzen in den Mittelpunkt stellt (Kraska & Teuscher, 2013, S. 11) und „offene, spielerische und selbst bestimmte Formen der Auseinandersetzung mit Naturphänomenen“ (Michalik, 2010,S. 93) unterstützt, was auch als „entdeckendes Lernen“ (Lück, 2008, S. 39) bezeichnet wird.
Zu der zweiten Position gehören auf der Ko- Konstruktion basierte Konzepte, die eine klare thematische Planung und Zielorientierung vertreten und somit der „Angebotspädagogik und Instruktion“ (Lück, 2008, S. 39) zuzuordnen sind.
Den Selbstbildungsansatz vertritt vor allen Schäfer, der die Eigenaktivitäten der Kinder ins Zentrum seiner didaktischen Bemühungen stellt. Schäfer selbst bezeichnet seinen Ansatz als „Bildungsansatz“ (Schäfer, 2003, S. 1), der die Grundlagen für den offenen Bildungsplan in NRW und für die Arbeit von INFANS (Laewen & Anders, 2002) bildet. Dieser Ansatz basiert auf den Beobachtungen vom eigenständigen kindlichen Welterkunden. Auch wenn es den Anschein macht, dass die Kinder nur ausgelassen durch ein Naturgelände laufen, wird ihnen in diesem Ansatz zugeschrieben, dass sie für sich die Welt erkunden und „ihren Erkundungsinteressen folgen – ohne dabei zu PhysikerInnen oder BiologInnen gemacht zu werden“ (Rauterberg, 2013, S. 41). Diese Sichtweise wird unter anderen von Laewen, Anders, Köster, Ansari und in Bezug auf die Heranführung an Naturphänomene auch von Elschenbroich und Ramseger vertreten.
Als Hauptvertreter didaktischer Modelle mit instruktiven Elementen, die zum Ansatz der Ko-Konstruktion zählen, gelten vor allen Lück, Stiftung `Haus der kleinen Forscher´ und Fthenakis. Das Konzept von Fthenakis liegt dem Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan zugrunde. Zum Fundament seiner Didaktik gehört die sozial- konstruktivistische Sicht auf das Lernen und Entwickeln der Kinder. Es wird dabei besonders auf die Bedeutung der „ Gestaltung von Interaktionsprozessen zwischen Kind und Erzieherin“ (Fthenakis, Wendel, Eitel, Daut & Schmitt, 2012, S. 21[Hervorheb. im Original]) hingewiesen. Schäfer konkretisiert, dass unter dem Begriff Instruktion ein methodisch angeleitetes Lernen zu verstehen ist, wobei der pädagogische Schwerpunkt auf der Gestaltung eines solchen Lernens liegt (Schäfer, 2003, S. 1). Die Durchführung von Experimenten und Versuchsreihen wird als zentrale Methode, mit welchen die Naturwissenschaft den Kindern nahe gebracht werden soll, angesehen. Auch pädagogische Konzepte von Wiskamp (2004), Irmer (2005), Lindner & Burzin (2006), Risch (2008), Steffensky (2008) rücken das Experimentieren in den Mittelpunkt der naturwissenschaftlichen Grundbildung (Michalik, 2010, S. 98).
3.1 Bildungsziele
Der Selbstbildungsansatz bezieht sich auf die aktive Aneignung von der Welt durch das Kind selbst. Als Aufgabe frühkindlicher Bildung wird die Entwicklung einer „Erfahrungswelt auf der Basis eines eigenen Welterlebens“ (Schäfer, 2011, S. 54) genannt. Schäfer schließt die äußere Vorgabe bestimmter Inhalte und Bildungsziele in Bezug auf die einzelnen Bildungsbereiche aus und betont, dass der Bildungsprozess nicht von außen erzwungen werden kann, denn „wenn dieser nicht von sich aus entgegen kommt, dann laufen Lehrprozesse buchstäblich ins Leere“ (ders., 2011, S. 41). Nach Schäfer ist die frühkindliche Bildung ein Prozess der Selbst-Bildung, der nur durch Erfahrungen stattfinden kann. Dabei betont er, dass es gerade dieses selbstständige Erfahren der Welt das Entscheidende dabei ist. (ders., 2002, S. 24)
Daraus ergeben sich folgende Überlegungen, die Schäfer nach Kindesalter unterteilt:
Inhaltlich gesehen umfasst Bildung in den ersten drei Lebensjahren vier grundlegende Bereiche:
- Bildung der Sinne, Bildung von Imagination, Phantasie und Spiel
- Bildung einer symbolischen Welt (insbesondere einer Sprachwelt)
- Bildung der zwischenmenschlichen Beziehungen.
Ab dem dritten Lebensjahr bauen darauf drei weitere Bildungsbereiche auf, die zunehmend an Bedeutung gewinnen:
- Der Bereich der ästhetischen Bildung. Er setzt die Bildung der Sinne, der Imagination, der Phantasie und des Spiels fort. Er umfasst die Bereiche der Außen- und der Innen- (Körper-) Wahrnehmung sowie der emotionalen Wahrnehmung.
- Der Bereich von Sprache(n) und Kultur(en). Dabei geht es nicht in erster Linie um Sprachkompetenzen, sondern darum, dass Kinder über das sprechen können, was ihnen etwas bedeutet und mit Sprache spielen, um ihre Möglichkeiten und Grenzen zu erfassen.
- Die Welt der Natur, zu der man eine Beziehung aufbauen kann, die man kennenlernen muss und subjektive Bedeutung gewinnen kann (vgl. ders., 2002, S. 27f.)
Als wichtigste Konsequenz für pädagogisches Handeln stellt der Autor heraus,
dass man nicht nur die Perspektiven der sozialen und gesellschaftlichen Erwartungen zum Ausgangspunkt von Bildungsprozessen machen sollte, sondern ebenso „die Einstellungen, Erwartungen, Vorstellungen und Fantasien, die die Kinder zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten Umfeld mit der Welt verbinden, die sie umgibt“ (ders., 2003b, S. 42).
Das bedeutet aber nicht, dass man Kindern keine Ziele vorgeben oder von ihnen keine Leistungen erwarten kann, sondern dass man ihnen genügend Spielraum und ausreichende Zeit für ihre Eigenständigkeit einräumen sollte (vgl. ebd.).
Die u.a. von Fthenakis herausgearbeiteten zentralen Ziele für die natur-wissenschaftliche Frühbildung im Ansatz der Ko-Konstruktion sind die Vermittlung von Grundkenntnissen aus dem Bereichen der belebten und unbelebten Natur sowie die Vermittlung von Kompetenzen für wissenschaftliches Denken und Handeln. Als ein übergreifendes Ziel wird die Bildung für eine nachhaltige Entwicklung genannt (Fthenakis u.a., 2012, S. 14ff.). Fthenakis betont, dass es in der naturwissenschaftlichen Bildung auch um die Stärkung lernmethodischer Kompetenzen geht. Diese Kompetenzen werden dadurch erlangt, dass gemeinsam mit den Kindern überlegt und reflektiert wird, wie sie neues Wissen konstruiert haben. Den Kindern soll bei ihren forschenden Aktivitäten bewusst sein, „ DASS SIE LERNEN, WAS SIE LERNEN und WIE SIE LERNEN “ (ders., 2012, S. 25 [Hervorheb. im Original]).
Diese Leitgedanken sind auf bei der der Stiftung `Haus der kleinen Forsche´ zu finden. Deren Bildungsziele sind etwas breiter definiert und lassen sich auf zwei Ebenen beschreiben. Auf der Ebene der Kinder und auf der Ebene der Pädagogen. Auf der Ebene der Kinder verfolgt die Stiftung folgende Ziele:
- Begeisterung, Neugier und Interesse am Forschen zu entwickeln;
- Forschendes Vorgehen üben und Problemlösekompetenzen ausbauen;
- grundlegende naturwissenschaftliche, mathematische und technische Konzepte begreifen;
- allgemeine Kompetenzen zu starken (SHdkF, 2015, S. 22f.).
Auf der Ebene der Pädagoginnen und Pädagogen verfolgt die Stiftung folgende Ziele:
- Begeisterung am gemeinsamen Forschen entwickeln;
- forschendes Vorgehen und Hinterfragen üben;
- Wissen über Zusammenhänge vertiefen;
- Handlungsstrategien erweitern;
- Selbstvertrauen als Lernbegleitung erfahren und professionelles Rollen- und Selbstverständnis weiterentwickeln (dies., 2015, S. 23f.).
Das Pädagogische Konzept der Stiftung `Haus der kleiner Forsche´, sowie `Kognitive Meisterlehre´ von nifbe und die bayerischen und hessischen Bildungs- und Erziehungspläne, legen außerdem ein große Wert auf die Stärkung lernmethodische Kompetenz in ko- konstruktiven Prozessen, den so genannte Metakognition . Darüber wird allgemein das Nachdenken über das eigene Denken verstanden. Metakognition umfasst zwei Aspekte. Zum einen, das Wissen über die eigenen kognitiven Vorgänge, zum anderen, die Kontrolle, bzw. Regulierung dieser Vorgänge. Das heißt, Kinder sollen ihre eigenen kognitiven Prozesse zum Gegenstand der Reflexion und der bewussten Steuerung machen. „Die `Bewusstheit´ dieser Prozesse ist ein wesentliches Merkmal von Metakognition“ (Gisbrert, 2004; Hasselhorn, 2006 zit. n. Fthenakis u. a., 2012, S. 25).
Auf die Frage, warum gerade die Vermittlung von naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen und Kompetenzen zu den zentralen Zielen der frühen naturwissenschaftliche Bildung im Ansatz der Ko-Konstruktion ausgewählt sind, schlägt Lück, für die bildungstheoretischen Fundierung naturwissenschaftlicher Lernprozesse im Kindertageseinrichtung- Alltag, folgende Begründungsebenen vor:
„Naturwissenschaftliche Grundkenntnisse stellen eine der wesentlichen Kompetenzen für die partizipative Gestaltung unsere Gesellschaft dar und eröffnen neben beruflichen Perspektiven vor allem auch den Weg zu einer eigenständigen Meinungsbildung in Bezug auf technische bzw. naturwissenschaftliche Entwicklungen“ (Lück, 2012, S. 22).
Außerdem leistet frühe naturwissenschaftliche Bildung, so Lück weiter, einen Beitrag zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen (vgl. dies., 2012, S. 23).
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