Jean-Jacques Rousseau und sein Werk sind bis heute in der Pädagogik von großer Bedeutung und finden in zahlreichen Diskursen Beachtung. Ende der 70er Jahre rückte hierbei besonders der Aspekt der Geschlechterdifferenzierung ins Blickfeld. Rousseau gilt für viele als derjenige, der im Wesentlichen die bürgerliche Geschlechterdifferenz begründet und herbeigeführt hat. Infolgedessen wird sein Werk diesbezüglich kontrovers diskutiert, wobei seine Erziehungsschrift „Emile oder Über die Erziehung“ eine zentrale Stellung einnimmt. Betrachtet man die vielfältige Literatur über Emile und die anderen Werke von Rousseaus Zeiten bis heute, so lassen sich von großer Bewunderung bis zur Anklage Rousseaus im Groben zwei verschiedene Diskussionslinien herausarbeiten, die im fachlichen Diskurs als die Repressionsthese und als deren Relativierung bzw. Infragestellung bezeichnet werden. Während die Vertreter und Vertreterinnen der Repressionsthese, wie der Name schon sagt, von einer Unterdrückung und Fremdbestimmung der Frau in Rousseaus Werk ausgehen, wird von denjenigen, die diese These relativieren, der Focus auf die Elemente gerichtet, in denen sich eine Selbstbestimmung der Frau abzeichnet.
In dieser Arbeit wird die Frage untersucht, wie solch unterschiedliche Lesarten zu erklären sind. Um diese Frage bearbeiten zu können, wird erst ein kurzer inhaltlicher Überblick über das 5. Buch des Emile gegeben, woran sich dann eine getrennte und ausführliche Darstellung der beiden obengenannten Positionen anschließt. Hierbei dient der zuvor geschilderte Emile als Diskussionsgrundlage, da sich die Autorinnen und Autoren hauptsächlich auf dieses Buch beziehen.
Die verschiedenen Argumentationen der Vertreter und Vertreterinnen der gegensätzlichen Thesen beziehen sich auf unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Aussagen in Rousseaus Werk, so dass von einem „Janusgesicht ... in der Frauenfrage“ (Sakmann, 1923, S. 193) gesprochen wird. Diesen Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten auch in anderen Bereichen wird in der breiten Rezeption ein weiter Rahmen geboten. So überschreibt Voßkamp einen Beitrag zur deutschen Diskussion von Emile mit „Un livre paradoxal“ (1995).
1. Einleitung
Jean-Jacques Rousseau und sein Werk sind bis heute in der Pädagogik von großer Bedeutung und finden in zahlreichen Diskursen Beachtung (vgl. Priem, 1996, S. 280). Ende der 70er Jahre rückte hierbei besonders der Aspekt der Geschlechterdifferenzierung ins Blickfeld (vgl. Priem, 1996, S. 281). Rousseau gilt für viele als derjenige, der im Wesentlichen die bürgerliche Geschlechterdifferenz begründet und herbeigeführt hat (vgl. Pulpanek, 1997, S. 92; vgl. Harten, 1990, S. 219; vgl. Priem,1996, S. 280; vgl. Felden, 1997, S. 9).
Infolgedessen wird sein Werk diesbezüglich kontrovers diskutiert, wobei seine Erziehungsschrift „Emile oder Über die Erziehung“ eine zentrale Stellung einnimmt (vgl. Felden, 1999, S. 32; vgl. Schmid, 1999, S. 12). Betrachtet man die vielfältige Literatur über Emile und die anderen Werke von Rousseaus Zeiten bis heute, so lassen sich von großer Bewunderung bis zur Anklage Rousseaus (vgl. Felden, 1997) im Groben zwei verschiedene Diskussionslinien herausarbeiten, die im fachlichen Diskurs als die Repressionsthese und als deren Relativierung bzw. Infragestellung bezeichnet werden (vgl. Felden, 1999, S. 33; vgl. Schmid, 1992, S. 840; vgl. Priem, 1996, S. 281). Während die Vertreter und Vertreterinnen der Repressionsthese, wie der Name schon sagt, von einer Unterdrückung und Fremdbestimmung der Frau in Rousseaus Werk ausgehen, wird von denjenigen, die diese These relativieren, der Focus auf die Elemente gerichtet, in denen sich eine Selbstbestimmung der Frau abzeichnet.
In dieser Arbeit wird die Frage untersucht, wie solch unterschiedliche Lesarten zu erklären sind. Um diese Frage bearbeiten zu können, wird erst ein kurzer inhaltlicher Überblick über das 5. Buch des Emile gegeben, woran sich dann eine getrennte und ausführliche Darstellung der beiden obengenannten Positionen anschließt. Hierbei dient der zuvor geschilderte Emile als Diskussionsgrundlage, da sich die Autorinnen und Autoren hauptsächlich auf dieses Buch beziehen.
Die verschiedenen Argumentationen der Vertreter und Vertreterinnen der gegensätzlichen Thesen beziehen sich auf unterschiedliche und zum Teil widersprüchliche Aussagen in Rousseaus Werk, so dass von einem „Janusgesicht ... in der Frauenfrage“ (Sakmann, 1923, S. 193) gesprochen wird. Diesen Widersprüchen und Mehrdeutigkeiten auch in anderen Bereichen wird in der breiten Rezeption ein weiter Rahmen geboten. So überschreibt Voßkamp einen Beitrag zur deutschen Diskussion von Emile mit „Un livre paradoxal“ (1995). Dort verweist er darauf, dass Rousseaus Texte „aufgrund ihrer konzeptuellen Paradoxa mehrfache Anschlußmöglichkeiten für unterschiedliche Interpretationen und Auslegungen bieten“ (Voßkamp, 1995, S. 101). Auch Scarbath bezeichnet sein Werk „mehrschichtiger und spannungsreicher als es Zeitgenossen und vielfach auch die Nachwelt wahrgenommen haben“ (Scarbath, 1999, S. 31), was der Beschreibung von Blankertz, dass Rousseaus Werk „durch zahlreiche innere, nicht aufgelöste Spannungen gekennzeichnet“ (Blankertz, 1992, S. 70) sei, sehr nahe kommt.
Um die gegensätzlichen Positionen nachvollziehbarer und verständlicher zu machen, folgt im Anschluss an deren Vorstellung also eine Darstellung von Paradoxa und Widersprüchlichkeiten, die zu den verschiedenen Auslegungen führen. Hierbei werden jedoch über den Emile hinaus auch andere Werke betrachtet.
Schließlich folgt der Versuch, die herausgearbeiteten Widersprüche zu erklären und Spannungen aufzulösen, was wiederum zur Klärung der Ausgangsfrage bezüglich der verschiedenen Lesarten beiträgt.
Daran schließt sich letztlich noch ein Hinweis für eine erweiterte Leseweise des Rousseauschen Werkes, mit der versucht werden soll, eine diesen Thesen entsprechende einseitige Art des Verstehens zu vermeiden.
Abschließend werden im Fazit noch einige Gedanken und Fragen aufgeworfen, die in dieser Arbeit nicht explizit bearbeitet werden, die jedoch ebenfalls zur Erweiterung des Blickfeldes dienen sollen.
Doch nun beginnen wir mit der Ausarbeitung der zwei Thesen auf der Grundlage des Emile.
2. Das 5. Buch des Emile
„Am Anfang der breiteren Debatte über weibliche Erziehung steht Jean-Jacques Rousseaus ‚Emile’“ (Schmid, 1999, S. 12). Deshalb erfolgt hier ein kurzer Überblick über den Emile.
Rousseau entwirft in seinem Emile ein Konzept zur Erziehung eines mit seiner Natur in Einklang lebenden Mannes von Geburt an bis zur Gründung einer Familie, wobei er dem „Prinzip der Entwicklungsgemäßheit“ (Dahmer, 1962, S. 19) folgt. Hierbei wird das Buch in fünf große Abschnitte oder Bücher unterteilt. In den ersten vier Büchern schildert Rousseau die Erziehung des fiktiven Zöglings Emile. Hierbei soll Emile weniger für andere erzogen werden als vielmehr für sich selbst. Dadurch sind die Erziehung und die Erziehungsmethoden an den Bedürfnissen und der Natur des Zöglings orientiert. Hierbei versucht er statt mit Zwang zu erziehen, eine größtmögliche Freiheit für Emile zu gewährleisten. So soll der Junge auch nicht über Zwang zum Lernen veranlasst werden. Infolgedessen arrangiert der Erzieher unbemerkt vom Zögling in dessen Kindheit die Umgebung so, dass dieser sich seine Lehren daraus ziehen kann. Auch in der Jugend beruht eines der bedeutendesten Prinzipien darauf, dass Emile nur das lernen muss, was er selbst aus eigener Motivation lernen will und was ihn interessiert. Im 5. Buch schließlich erreicht Emile das Alter, in dem er eine feste Beziehung einzugehen vermag.
Infolgedessen schließt sich in diesem Buch eine Vorstellung Rousseaus über die passende Frau für seinen Zögling an. Er leitet seine Überlegungen mit allgemeinen Gedanken zum Verhältnis von Mann und Frau ein:
„ ... alles was sie gemeinsam haben zur Art, alles was sie unterscheidet zum Geschlecht gehört. Unter diesem doppelten Gesichtspunkt finden wir zwischen ihnen so viele Ähnlichkeiten und so viele Verschiedenheiten, daß es vielleicht eines der größten Wunder der Natur ist, zwei so ähnliche Wesen hervorgebracht zu haben, indem sie sie so verschieden gemacht hat“ (Rousseau, 2001, S. 385f.).
Eine weitere Abgrenzung findet sich in folgender Passage:
„In der Vereinigung der Geschlechter tragen beide gleichmäßig zum gemeinsamen Zweck bei, aber nicht auf die gleiche Weise. ... Der eine muß aktiv und stark sein, der andere passiv und schwach. ...“ (Rousseau, 2001, S. 386).
Aus diesen unterschiedlichen Eigenschaften, die er im Folgenden ausführlich erläutert, zieht Rousseau den logischen Schluss, dass Mann und Frau auch nicht die gleiche Erziehung haben dürfen (vgl. Rousseau, 2001, S. 392).
Demnach stellt er daraufhin ein Erziehungskonzept für die Frau auf (vgl. Rousseau, 2001, S. 392ff.). Der Inhalt dieses Kapitels wird an dieser Stelle nicht vorgestellt, da er in der Betrachtung der Repressionsthese und deren Relativierung seinen Platz findet.
Im Anschluss daran schildert Rousseau die Persönlichkeit der zu Emile gehörenden Sophie, (vgl. Rousseau, 2001, S. 429ff.), Voraussetzungen einer glücklichen Ehe (vgl. Rousseau, 2001, S. 443ff.), das Kennenlernen von Sophie und Emile ( vgl. Rousseau, 2001, S. 449ff.), eine Bildungsreise Emiles (vgl. Rousseau, 2001, S. 496ff.) und schließlich die Gründung einer Familie von Emile und Sophie (vgl. Rousseau, 2001, S. 521ff.). Auch die Inhalte dieser Kapitel finden, wenn sie für das Thema der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sind, Erwähnung im folgenden Abschnitt.
Wie bereits angedeutet liefert Rousseau vor allem durch seine Darstellungen im Emile „reichlich Zündstoff für die Frauenforschung“ (Felden, 1999, S. 32). Infolgedessen schließt sich nun das Kapitel über die unterschiedlichen Sichtweisen von Rousseaus Frauenbild an, wobei hier immer wieder Bezug zum 5. Buch des Emile genommen wird.
3. Unterschiedliche Sichtweisen bezüglich Rousseaus Frauenbild
„Das fünfte Buch, ‚Sophie oder die Frau’ handelt davon, wie Frauen im allgemeinen und die für Emile bestimmte Sophie im besonderen zu sein haben“ (Schmid, 1999, S. 12). Rousseau entwirft in diesem Buch eine zweite Erziehungskonzeption, nämlich die für das Mädchen, die sich von der für den Knaben unterscheidet (vgl. Schmid, 1999, S. 12; vgl. Cranston, 1991, S. 189). Diese Tatsache alleine rechtfertigt jedoch den Beleg einer repressionstheoretischen Sichtweise noch nicht. Erst eine genauere Betrachtung der für das Mädchen vorgesehenen Erziehung erlaubt Schlüsse darüber. Somit werden im folgenden sowohl die Repressionsthese als auch die Gegenthese unter Einbeziehung dieser Erziehungsempfehlungen dargestellt.
3.1. Die Repressionsthese
Ehrich-Haefeli zeigt einen starken Gegensatz in den zwei Erziehungskonzeptionen auf, indem sie schreibt:
„Dabei enthalten doch die vorangehenden ... Seiten des Buchs Rousseaus revolutionäre Botschaft (sic!), wie dem heranwachsenden Menschenkind jene glückliche Freiheit, die die Natur vorgesehen hat, gelassen werden soll, damit es aus eigener Initiative, eigenen Impulsen folgend, alle Kräfte des Körpers und des Geistes entfalte und so als Erwachsener zur wahren Autonomie gelange [...] Zu Beginn des 5. Buches aber erweist sich, daß das Kind, dessen glückliches Heranwachsen zur Selbständigkeit uns vorgeführt wurde, nur das männliche Kind sein kann; für Sophie gilt das alles nicht, es gilt wesentlich das Gegenteil“ (Ehrich-Haefeli, 1995, S.130).
Dies ist der Hauptkritikpunkt, den die Repressionstheoretiker aufzeigen. Jedoch sind die Argumente dafür so zahlreich wie die Vertreterinnen der These (vgl. Priem, 1996, S. 285). Eine Erklärung dafür könnte z.B. in der „relativen Offenheit Rousseaus“ (Hauser, 1992, S. 164) diesbezüglich liegen, die wenig verschleiert und somit den Gegnern eine große Angriffsfläche bietet, und es ihnen leicht macht, Position zu beziehen (vgl. Hauser, 1992, S. 164). Rousseau bezieht sich bei der Schilderung der weiblichen Erziehung auf verschiedene Aspekte des weiblichen Lebens und Auftretens, so dass es möglich ist, diese Aspekte einzeln und somit systematischer zu betrachten.
Als erstes soll hierbei die Funktion der Frau als Gegenstück des Mannes erläutert werden, da sich von ihr ausgehend das gesamte Konstrukt der Frau bildet.
3.1.1. Frau als Gegenstück zum Mann
Rousseau entwirft Sophie als die Frau, die Emile glücklich machen kann (vgl. Rousseau, 2001, S. 429). „Sophie ist über die Pflichten und Rechte ihres und unseres Geschlechtes unterrichtet ... und hat sie tief in ihrem Herzen beschlossen“ (Rousseau, 2001, S. 434). Demnach liegt ihre Bestimmung also darin, den Mann glücklich zu machen, was wesentlicher Bestandteil ihrer Erziehung ist:
„Die ganze Erziehung der Frauen muss daher auf die Männer Bezug nehmen. Ihnen gefallen und nützlich sein ... und ihnen das Leben angenehm machen und versüßen: das sind zu allen Zeiten die Pflichten der Frau, das müssen sie von ihrer Kindheit an lernen“ (Rousseau, 2001, S. 394).
Schmid stellt die Ansichten der Repressionstheorie folgendermaßen dar: „Während Emile zum Menschen erzogen wird, wird Sophie zur Frau dieses Menschen erzogen, genauer gesagt: zu einer Frau, in die er sich verlieben kann“ (Schmid, 1999, S. 12). So schildert Simmel Rousseaus Grundgedanken in einer Erziehung der Frau als Ergänzung zum Mann. Sie stehe „nicht als selbstbestimmtes Individuum neben dem Mann“ (Simmel, 1980, S. 56), sondern werde lediglich zu dessen Gattin und Geliebter erzogen. Hauser stellt in Bezug zu Rousseau fest, dass „ein Mann die Frau zur Ergänzung seiner Ich-Identität benötigt“ (Hauser, 1992, S.161). Demnach definiere der Mann „die Frau als Zierat seiner gesellschaftlichen und individuellen Existenz“ (Bovenschen, 1979, S. 177), die Frau bilde für Rousseau „den Humus für die Vervollkommnung ... des Mannes“ (Bovenschen, 1979, S. 173), sie stelle als „verstümmeltes Gattungswesen“ (Bovenschen, 1979, S. 176) eine „Appendixfunktion“ (Bovenschen, 1979, S. 165) dar. Die Erziehung der Frau werde im Emile nicht von den gleichen Maßstäben wie die Erziehung des Mannes bestimmt, „sondern sehr radikal vom Endpunkt, von ihrer ‚Bestimmung’“ (Blochmann, 1966, S. 26) her. Dieser Endpunkt bestehe in einer „Modellierung eines weiblichen Charaktertypus zu ergänzenden Anpassung an den Mann“ (Bennent, 1985, S. 81). Damit dieses Ziel erreicht werde, müsse bei der Frau ein Interesse zu gefallen entwickelt werden. Dieser Punkt in der Erziehung der Frau wird nun in den Blick genommen.
3.1.2. Die Bestimmung zu gefallen
Rousseau räumt der Schilderung der Frau als Wesen, dessen Bestimmung darin liegt, anderen zu gefallen, einen großen Raum ein. Dies liege seiner Auffassung nach schon in ihrer Persönlichkeit begründet. „Rousseau programmiert Weiblichkeit als fundamentale narzißtische Störung“ (Ehrich-Haefeli, 1995, S. 116):
„Fast von der Geburt an lieben Mädchen den Putz. Es genügt ihnen nicht, hübsch zu sein, sie wollen auch, daß man sie hübsch findet. An ihrem Gehabe sieht man, daß sie diese Sorge schon beschäftigt. Kaum verstehen sie, was man ihnen sagt, kann man sie schon mit der Bemerkung lenken, was wohl andere von ihnen denken“ (Rousseau, 2001, S. 395).
Wenn Rousseau von Putzsucht spricht und das Verhalten junger Mädchen im Spiel mit der Puppe oder ähnlichen Situationen beschreibt (vgl. Rousseau, 2001, S. 397f.), bediene er sich lediglich einer „Metapher schlechthin für die narzißtische Haltung zum eigenen Geschlecht“ (Hauser, 1992, S. 156). Doch der Wunsch zu gefallen bezieht sich nicht nur auf das Aussehen, auch wenn Rousseau hierüber viele Ratschläge und Hinweise liefert (vgl. Rousseau, 2001, S. 396ff.; vgl. Hauser, 1992, S. 157). Unter anderem erwähnt er auch die Kunst des Gesprächs und der Konversation (vgl. Rousseau, 2001, S. 407f.). Obwohl er dort die Fähigkeiten der Frauen zu unverfänglicher und liebenswerter Gesprächsführung positiv herausstellt, komme die unterschiedliche Darstellung des Redens von Mann und Frau einer Abwertung ihres Wesens gleich. Bei dem Mann komme dem Inhalt des Gesagten eine exponierte Stellung zu, bei den Frauen spiele vor allem die Art des Sprechens eine Rolle. Es müsse angenehm und höflich sein, der Inhalt sei in diesem Zusammenhang unwichtig (vgl. Ehrich-Haefeli, 1995, S. 132). „Der Mann braucht Kenntnisse, um zu reden, die Frau Geschmack. Der Mann braucht nützliche Dinge zum Hauptthema, die Frau angenehme“ (Rousseau, 2001, S. 407f.). Dies schränkt die Frauen in den Möglichkeiten ein, an einem echten Gespräch teilzunehmen, vielleicht sogar ihre Interessen zu vertreten. Wenn man bedenkt, wie wichtig das Reden und der Dialog für das Denken und Leben in der Zeit der Aufklärung waren, sei diese Einschränkung nicht zu unterschätzen (vgl. Ehrich-Haefeli, 1995, S. 132). Insgesamt bliebe also zu sagen, dass die gesamte äußere Erscheinung und das gesamte Auftreten der Frau auf die Wirkung nach außen abzielen. „Vor dem Spiegel lernt das Mädchen zwei Dinge; für andere sein und sich beherrschen. Er lehrt sie, sich selbst von außen zu sehen. Er zeigt ihr nicht ihre Seele, sie tritt nicht vor ihn, um zu erfahren, ob sie sich selbst in die Augen schauen kann, sondern wie die anderen sie beurteilen werden“ (Hauser, 1992, S. 156).
Um diese Wirkung nach außen, um die Fremdbestimmung und die daraus resultierende Selbstlosigkeit, geht es im folgenden Abschnitt.
3.1.3. Fremdbestimmung und Selbstlosigkeit
„Ein rechtschaffener Mann hängt nur von sich selbst ab und kann der öffentlichen Meinung trotzen. Eine rechtschaffene Frau hat damit nur die Hälfte ihrer Aufgabe gelöst: das, was man über sie denkt, ist nicht weniger wichtig als das, was sie wirklich ist. Daraus folgt, daß ihre Erziehung in dieser Hinsicht das Gegenteil von unserer sein muß. Die öffentliche Meinung ist für die Männer das Grab ihrer Tugend, für die Frauen aber deren Thron“ (Rousseau, 2001, S. 394).
Mit diesem Zitat und dem Verweis auf ähnliche Passagen erklärt Schmid das Entstehen der Repressionsthese. Dies sei oft als ein Gedanke aus dem „Giftschränkchen des Patriarchats“ (Schmid, 1999, S. 13) gelesen worden. Dadurch dass Rousseau Frau-Sein mit Da-Sein für andere gleichsetze, werde er als „Apologet weiblicher Fremdbestimmung und Unterdrückung“ (Schmid, 1999, S. 13) charakterisiert. Dem Mädchen würden das sichere Selbstgefühl und die Kreativität, die dem Jungen zuteil werden, vorenthalten (vgl. Ehrich-Haefeli, 1995, S. 133). „Die Finalität all ihres Lernens ist das Wohlgefallen des zukünftigen Gatten“ (Ehrich-Haefeli, 1995, S. 133). „Da die Frau übrigens dem Urteil der Männer unterworfen ist, muß sie deren Achtung verdienen“ (Rousseau, 2001, S. 416). Dies zeige sich auch in dem, was die jungen Mädchen lernen sollen, es sind die angenehmen Künste und die Anmut die das Auge des Mannes erfreuen und die Häuslichkeit für ihn angenehm machen (vgl. Rousseau, 2001, S. 405). Deshalb brauchen für Rousseau Mädchen auch nicht in dem Maße unterrichtet zu werden wie die Knaben, gerade in den geschilderten Künsten wie Tanz, Musik, Zeichnen, Handarbeit brauchen sie nicht unbedingt einen speziellen Lehrer, sondern die lehrende Tätigkeit kann nahezu jeder Beliebige ausführen (vgl. Rousseau, 2001, S. 407). Für andere Wissensgebiete wie etwa die Religion reicht nach Rousseau die Vernunft der Frauen nicht aus, sich hierüber ein Urteil zu bilden, so dass sie einfach die Meinung ihres Mannes übernehmen sollen (vgl. Rousseau, 2001, S. 409). Insgesamt ist die Wissbegier -oder um mit Rousseaus Worten zu sprechen- die Neugier der jungen Mädchen nicht zu fördern und so schnell wie möglich zu unterbinden (vgl. Rousseau, 2001, S. 408f.). Für Emile ist es von Bedeutung, nicht einfach vom Erzieher etwas erklärt zu bekommen, er soll es möglichst selbst erfahren. Dies bleibt den Frauen verwehrt. Diese „Absperrung von allen Feldern des Wissens“ (Ehrich-Haefeli, 1995, s. 133) ermögliche es der Frau nicht, eigene Vorstellungen und Meinungen zu entwickeln, so dass sie und ihr Geist von ihrem Gatten bestimmt und geformt werden. Doch auch über das Lernen hinaus könne die junge Frau sich nicht selbst als das Subjekt des eigenen Handelns erfahren (vgl. Ehrich-Haefeli, 1995, S. 134). Dies zeigt sich zum Beispiel an solchen Passagen im Emile:
„Mädchen müssen umsichtig und fleißig sein. Das ist aber nicht alles: sie müssen beizeiten an den Zwang gewöhnt werden. Dieses Unglück ... gehört untrennbar zu ihrem Geschlecht“ (Rousseau, 2001, S. 399).
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- Anonym,, 2002, Das Frauenbild bei Rousseau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47011
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