Römer, Germanen, Kelten, Antike, Barbaren, Ethnozentrismus, Fremdenbild, Fremdenangst, Xenophobie, Keltensturm, Polybios, Livius, politische Instrumentalisierung. -
Heutige Kenntnisse über das Verhältnis Roms zu den Völkern nördlich der Alpen entstammen neben archäologischen Funden, fast ausschließlich römischen Schriftquellen.
Diese geben im wesentlichen eine subjektive römisch-mediterrane Perspektive wieder und sind zudem oftmals nur fragmentarisch erhalten. Es stellt sich die Frage, woher die meist einseitige römische Darstellung und Charakterisierung ihrer nördlichen Nachbarn stammt, und aus welchen Gründen sich dieses Bild zunehmend in einen undifferenzierten, verallgemeinernden Bereich verschoben hat. Außerdem soll untersucht werden, ob diese Verschiebung aus Unwissenheit bestimmter antiker Autoren geschah, oder ob sich dahinter ein bestimmtes Motiv verbirgt.
Die zeitliche Eingrenzung des bearbeitenden Bereiches erstreckt sich von der Lebenszeit des Hekataios bis zu Titus Livius und Strabon, also etwa vom sechsten Jahrhundert vor, bis zum zweiten Jahrzehnt nach Christus.
Dem methodischen Vorgehen dieser Arbeit liegt ein begriffsgeschichtlicher Ansatz zugrunde. Die Herkunft und die Entwicklung bestimmter Begrifflichkeiten soll im historischen Zusammenhang beschrieben und gleichzeitig kritisch hinterfragt werden.
Verschiedene antike Autoren, Historiker und Geographen, in deren Werken Völkernamen wie Kelten, Skythen oder Germanen auftauchen, werden, wenn auch nur ansatzweise, auf ihre jeweilige Intention hin untersucht.
Im zweiten Teil der Arbeit wird der „Keltensturm“ von 387/6 v.Chr. als Grundereignis für die Entwicklung des späteren Verhältnisses beschrieben. Der Umgang mit dem verstärkt subjektiv verarbeiteten Germanen- bzw. Keltenbild zeigt sich deutlich im beispielhaften Vergleich der Werke von Polybios und Livius. Letzterer entwickelte und gebrauchte besonders intensiv den Gegensatz der wilden Barbaren aus dem Norden zu den zivilisierten Römern. Autoren wie er entfernten sich durch die politische Nutzbarmachung der Fremdheitsdarstellung besonders weit von der Realität. Dieses macht eine neutrale Betrachtung der tatsächlichen Kontakte aus heutiger Sicht besonders schwierig. Andererseits lassen sich aus der literarischen Verarbeitung wiederum Rückschlüsse auf die Sorgen und Ängste der antiken Römer bezüglich ihrer nördlichen Nachbarn nachvollziehen.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1. Die Grundlagen antiker ethnisch-geographischer Beschreibungen
Territorialprinzip / polygenetische Vorstellungen
„Barbaren“ am Rand der Oikumene
Hekataios
Herodotos
Anthropogeographische Theorie
2. Germanen als „neue“ ethnische Volksgruppe
Caesars Kategorie der Germanen
Strabon
Fremdbezeichnung / pseudoethnische Einteilung
3. Antike Beschreibungen Nordeuropas
Fabelvölker
Nordfahrt des Pytheas
Eratosthenes
4. Vermischung von griech. und röm. Weltanschauung
Polybios
Scipio Aemilianus
Poseidonios
5. Der „Keltensturm“ und die spätere Darstellung
Schlacht an der Allia / Eroberung Roms
Verarbeitung durch spätere Autoren
Livius
„Brennus“- Mythos
6. Das Keltenbild in der politischen Instrumentalisierung
Existenzangst der Römer
Aussehen und Auftreten der Kelten
Antithese „impetus“ - „patientia“
Spätere Beschreibung der Germanen auf gleicher Basis
Politischer Nutzen des Freund-Feind-Schemas
Zusammenfassung
Einleitung
Heutige Kenntnisse über das Verhältnis Roms zu den Völkern nördlich der Alpen entstammen neben archäologischen Funden, fast ausschließlich römischen Schriftquellen.
Diese geben im wesentlichen eine subjektive römisch-mediterrane Perspektive wieder und sind zudem oftmals nur fragmentarisch erhalten. Es stellt sich die Frage, woher die meist einseitige römische Darstellung und Charakterisierung ihrer nördlichen Nachbarn stammt, und aus welchen Gründen sich dieses Bild zunehmend in einen undifferenzierten, verallgemeinernden Bereich verschoben hat. Außerdem soll untersucht werden, ob diese Verschiebung aus Unwissenheit bestimmter antiker Autoren geschah, oder ob sich dahinter ein bestimmtes Motiv verbirgt.
Die zeitliche Eingrenzung des bearbeitenden Bereiches erstreckt sich von der Lebenszeit des Hekataios bis zu Titus Livius und Strabon, also etwa vom sechsten Jahrhundert vor, bis zum zweiten Jahrzehnt nach Christus. Dem methodischen Vorgehen dieser Arbeit liegt ein begriffsgeschichtlicher Ansatz zugrunde. Die Herkunft und die Entwicklung bestimmter Begrifflichkeiten soll im historischen Zusammenhang beschrieben und gleichzeitig kritisch hinterfragt werden.
Verschiedene antike Autoren, Historiker und Geographen, in deren Werken Völkernamen wie Kelten, Skythen oder Germanen auftauchen, werden, wenn auch nur ansatzweise, auf ihre jeweilige Intention hin untersucht. Im zweiten Teil der Arbeit wird der „Keltensturm“ von 387/6 v.Chr. als Grundereignis für die Entwicklung des späteren Verhältnisses beschrieben. Der Umgang mit dem verstärkt subjektiv verarbeiteten Germanen- bzw. Keltenbild zeigt sich deutlich im beispielhaften Vergleich der Werke von Polybios und Livius. Letzterer entwickelte und gebrauchte besonders intensiv den Gegensatz der wilden Barbaren aus dem Norden zu den zivilisierten Römern. Autoren wie er entfernten sich durch die politische Nutzbarmachung der Fremdheitsdarstellung besonders weit von der Realität. Dieses macht eine neutrale Betrachtung der tatsächlichen Kontakte aus heutiger Sicht besonders schwierig. Andererseits lassen sich aus der literarischen Verarbeitung wiederum Rückschlüsse auf die Sorgen und Ängste der antiken Römer bezüglich ihrer nördlichen Nachbarn nachvollziehen.
1. Antike Grundlagen ethnisch-geographischer Beschreibungen
Die mediterrane Bevölkerung der griechisch-römischen Antike sah sich als Zentrum der zivilisierten, bewohnbaren Welt. Der Ausgangspunkt für eine Einteilung der Menschen außerhalb des eigenen Machtbereiches war eine Art von Territorialprinzip, welches bestimmte Volkgruppen auf das von ihnen bewohnte Gebiet festlegte. In Verbindung mit der polygenetischen Vorstellung, dass die Menschen an verschiedenen Orten der Welt und unabhängig voneinander entstanden seien, ergab dieses somit eine unlösbare Verbindung des jeweiligen Volkes zu seinem angestammten Siedlungsraum.
Die antiken Hellenen bezeichneten den bewohnbaren Raum, welcher ihnen mehr oder weniger bekannt war als Oikumene. Dieser Bereich rund um das Mittelmeer erstreckt sich von den Säulen des Herakles im Westen, bis an den Taurus Indicus im Osten. Die Bewohner am Rand oder außerhalb der Oikumene wurden sowohl ethnisch als auch kulturell ausgegrenzt und als „barbaroi“ bezeichnet, was soviel heißt wie Lallende oder Stammler.
Die Herkunft dieses Begriffs bietet bereits einen Hinweis auf antike Verständigungsschwierigkeiten und einen Grund für die daraus resultierende ethnische Abgrenzung. -Ein Beispiel aus heutiger Zeit, das auf ähnliche Probleme im verbalen Austausch der Vergangenheit hinweist, ist die Bezeichnung der Deutschen in der russischen Sprache. Das Wort „nemci“ (freie Transskription aus dem Kyrillischen) bedeutet soviel wie „die Stummen“.
Aus hellenistischer Sicht war der Bereich nordwestlich der Oikumene das Land der Kelten und der nordöstliche das der Skythen. Im Überschneidungsbereich sprach man von Keltoskythen, welche eine Mischkategorie darstellen.1 Diese ethnisch-schematische Zweiteilung des nordeuropäischen Raumes ist wahrscheinlich zurückzuführen auf den griechischen Historiker und Geographen Hekataios von Milet (um 550 - 479 v.Chr.). Er schrieb die aus vier Büchern bestehenden „Genealogien“, von denen jedoch nur Fragmente bekannt sind. Seiner Erdkarte fügte er als erster eine ethnographisch-geographische Beschreibung bei. In den Mittelpunkt seines Interesses stellte er die Menschen und ihre jeweilige Lebensweise, wobei er sich nicht mehr allein von praktischen, sondern bereits von wissenschaftlichen Grundsätzen leiten ließ.2
Der griechische Historiker Herodotos aus Halikarnassos (um 484 - um 425 v.Chr.) baute seine aus neun Büchern bestehenden „Historien“ auf dem Werk des Hekataios auf. Vor dem Hintergrund der Perserkriege entwickelte er ein Kompositionsprinzip, in welchem die Beschreibung der Völker für die Historiographie eine bestimmte Funktion übernimmt. Es finden sich bei ihm die ersten Ansätze einer anthropogeographischen Theoriebildung.3 Diese Theorie führt spezifische menschliche Verhaltensweisen auf bestimmte geographische Eigenheiten des jeweiligen Siedlungsraums zurück.
In seinen geographischen Betrachtungen sieht er den Mittelpunkt der Erde in seiner eigenen Heimat Ionien. Es läge zwischen dem feucht-kalten Norden und dem trocken-heißen Süden und biete gemäß der polygenetischen Vorstellung somit die ausgewogensten klimatischen Verhältnisse für die Hervorbringung des idealen Menschen. Ein großer Teil seiner Ausführungen über das nördliche Europa beschäftigt sich mit den Skythen. Diese Beschreibungen über das Volk in dessen Gebiet fast ständig Winter herrsche, sind zum einen in klimatischer Hinsicht nicht korrekt, und zum anderen ist auch die anthropogeographische Einordnung widersprüchlich. Trotz der angeblich strengen Kälte, welche einen ausdauernden und tapferen Typus zur Folge hätte, werden die Skythen als faul und arbeitsscheu beschieben.4 Letztendlich ergab sich daraus weniger ein objektiv gemeinter Vergleich der Griechen mit ihren nördlichen Nachbarvölkern, als vielmehr ein erster Versuch der wissenschaftlichen Begründung für die Überlegenheit eines Volkes und die Minderwertigkeit der anderen.5
2. Germanen als „neue“ ethnische Volksgruppe
Die Zweiteilung des genannten Raumes in skythisch und keltisch wird erst durch G. I. Caesar (100 - 44. v.Chr.) zu einer Dreiteilung. Er fügt der hergebrachten Systematik die neue ethnische Kategorie der Germanen hinzu. Damit bestätigte er die Annahme, dass es zwischen den westrheinischen Kelten und den skythisch-sarmatischen Steppenvölkern östlich der Weichsel noch eine dritte Volksgruppe mit eigener ethnischer Identität gäbe.6 Die Germanen wurden von Caesar zwar im eigentlichen Sinne nicht entdeckt, aber er spezifizierte einige bis dahin vage Vorstellungen, die man in Rom hatte.
Die Kenntnis über einen sprachlichen Unterschied wird an einem Beispiel aus den Beschreibungen des „bellum gallicum“ lebensnah verdeutlicht. Caesar wusste über seinen Gegner, den Sueben-König Ariovist, dass dieser das Keltische als „Fremdsprache“ beherrschte. Kurz vor der entscheidenden Zurückdrängung der Sueben über den Rhein beschreibt Caesar diesbezüglich die Gründe für die Auswahl des Gesandten C. Valerius Procillus. Entscheidend war demnach „seine Kenntnis der gallischen Sprache, die auch Ariovist aus langer Gewohnheit häufig benutzte.“7
Der griechische Geograph Strabon aus Amasya (um 63 v. - 20 n.Chr.) verfasste eine aus 17 Büchern bestehende länderkundliche Erdbeschreibung, welche größtenteils erhalten geblieben ist. Seine Vermutung zum Ursprung des Germanenbegriffs bestand darin, dass Caesar mit „germanus“ die echten Kelten von den linksrheinischen hatte differenzieren wollen. Das lateinische Adjektiv hat die Bedeutung von „wirklich, wahr“ und „leiblich“.
Weitere Herleitungsversuche wurden bis heute aus den verschiedensten Sprachen wie z.B. Hebräisch, Ligurisch, Keltisch, Venetisch und Illyrisch gemacht.8 Eine hinreichende Erklärung der eigentlichen Herkunft des Begriffs ist jedoch bis heute nicht gelungen. Es ist hingegen unzweifelhaft, dass es sich beim Namen „Germanen“ nicht um eine Selbstbezeichnung einer oder mehrerer Volksgruppen des besagten Raumes handelte, sondern zu allen Zeiten eine Fremdbezeichnung von außen darstellte. Ein bis heute gültiges Beispiel für eine solche externe Bezeichnung ist der Name der Deutschen im englischen Sprachraum.
Die klare Einteilung von West nach Ost in Kelten, Germanen und Skythen ist nach heutigen Maßstäben objektiv nicht haltbar. Eine Eingrenzung der einzelnen Siedlungsräume wie sie inkl. der Germanen seit Caesar vorgenommen wurde, ohne dabei etwaige Überschneidungsräume oder Ausnahmen zu berücksichtigen, läuft Gefahr sich in pseudoethnischen Kategorien zu verlieren. In der Literatur werden oft auch heute noch die drei Völkernamen in allzu oberflächlicher Weise benutzt oder einander gegenübergestellt.
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1 Lund, A., Die ersten Germanen. Ethnizität und Ethnogenese, Heidelberg 1998, S. 86
2 Trzaska-Richter, C., Furor teutonicus. Das römische Germanenbild in Politik und Propaganda von den Anfängen bis zum 2. Jahrhundert n.Chr., Trier 1991, S. 27 f
3 Trzaska-Richter, Furor teutonicus. S. 29
4 Ebd., S. 32; Anm. 67
5 Ebd., S. 33
6 Wolfram, H., Die Germanen. München 1995, S.25
7 Caesar, Bell Gall. I, 47, 4
8 Wolfram, Die Germanen. S. 24
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- Andreas Büter (Author), 2003, Erste Kontakte zwischen Römern und Germanen - Die Herkunft und die Entwicklung der antiken römischen Sichtweise auf die Völker Nordeuropas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46859
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