Bei dem Gedicht „Verfall“ von Georg Trakl handelt es sich um ein Sonett, bestehend aus zwei Quartetten und zwei Terzetten. Er schafft ein fast vollkommen nach dem Muster Petrarcas gebautes Sonett: Verse mit fünf jambischen Takten, die alle weiblich enden. Allerdings variiert er das Reimschema leicht
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so dass er zwei Reime mehr benötigt. Die Reime aa („läuten“ – „Weiten“) sind nicht rein, alle anderen sind es. Die verlässige Form der geprägten Bindung gibt dem Gebilde im Zusammenhang mit den immer weich klingenden Endungen eine in sich ruhende Dynamik.
Trakl hat sich fast pedantisch an die „Philosophie des Sonetts“ gehalten: Das erste Quartett bietet das Thema, das im zweiten variiert wird. Allerdings nimmt schon in Zeile sechs die Antithese zwischen dem „dämmervollen Garten“ und „helleren Geschicken“ den Umschlag voraus, wie er dann in der neunten Zeile erfolgt. Das Oktett stellt die Harmonie oben dem Verfall unten im Sextett gegenüber. Beim Blick in den Himmel hinauf ist der Dichter das Subjekt, auf der Erde machen ihn Amsel, Pflanzen und Stein zum Objekt. Das zweite Terzett steigert seine Betroffenheit, wie sie im ersten Terzett geschildert ist, noch. Eine Synthese zwischen These und Antithese findet nicht statt, sondern das Gedicht endet mit der furchtbaren Niedergeschlagenheit des Dichters, der seinen „Aufblick“ der ersten Verse vergessen zu haben scheint.
Auf eine Gesamtzahl von 91 Wörtern kommen 24 Substantive. Während in der ersten Strophe noch sieben Substantive zu finden sind, so sind es in der zweiten und dritten Strophe nur noch sechs und schließlich nur noch fünf Substantive in der vierten und letzten Strophe. Die Verringerung der Substantive unterstreicht die sich steigernde Betroffenheit des Dichters: Die
Substantive der ersten beiden Strophen sind durchweg positiv konnotiert (Glocken, Frieden, Vögel, Flüge, Pilgerzüge, Weite ...). Auf der anderen Seite ist die Wortwahl der letzten beiden Strophen eher mit negativen Konnotationen verbunden (Verfall, Hauch, Zweige, Todesreigen ...). Die Wortwahl wird bei der späteren inhaltlichen Analyse eingehender behandelt werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Struktur
2 Inhalt
3 „Verfall“ und Trakls biographischer Hintergrund
4 Literatur
1. Struktur
Bei dem Gedicht „Verfall“ von Georg Trakl handelt es sich um ein Sonett, bestehend aus zwei Quartetten und zwei Terzetten. Er schafft ein fast vollkommen nach dem Muster Petrarcas gebautes Sonett: Verse mit fünf jambischen Takten, die alle weiblich enden. Allerdings variiert er das Reimschema leicht
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so dass er zwei Reime mehr benötigt. Die Reime aa („läuten“ – „Weiten“) sind nicht rein, alle anderen sind es. Die verlässige Form der geprägten Bindung gibt dem Gebilde im Zusammenhang mit den immer weich klingenden Endungen eine in sich ruhende Dynamik.
Trakl hat sich fast pedantisch an die „Philosophie des Sonetts“ gehalten: Das erste Quartett bietet das Thema, das im zweiten variiert wird. Allerdings nimmt schon in Zeile sechs die Antithese zwischen dem „dämmervollen Garten“ und „helleren Geschicken“ den Umschlag voraus, wie er dann in der neunten Zeile erfolgt. Das Oktett stellt die Harmonie oben dem Verfall unten im Sextett gegenüber. Beim Blick in den Himmel hinauf ist der Dichter das Subjekt, auf der Erde machen ihn Amsel, Pflanzen und Stein zum Objekt. Das zweite Terzett steigert seine Betroffenheit, wie sie im ersten Terzett geschildert ist, noch. Eine Synthese zwischen These und Antithese findet nicht statt, sondern das Gedicht endet mit der furchtbaren Niedergeschlagenheit des Dichters, der seinen „Aufblick“ der ersten Verse vergessen zu haben scheint.
Auf eine Gesamtzahl von 91 Wörtern kommen 24 Substantive. Während in der ersten Strophe noch sieben Substantive zu finden sind, so sind es in der zweiten und dritten Strophe nur noch sechs und schließlich nur noch fünf Substantive in der vierten und letzten Strophe. Die Verringerung der Substantive unterstreicht die sich steigernde Betroffenheit des Dichters: Die
Substantive der ersten beiden Strophen sind durchweg positiv konnotiert (Glocken, Frieden, Vögel, Flüge, Pilgerzüge, Weite ...). Auf der anderen Seite ist die Wortwahl der letzten beiden Strophen eher mit negativen Konnotationen verbunden (Verfall, Hauch, Zweige, Todesreigen ...). Die Wortwahl wird bei der späteren inhaltlichen Analyse eingehender behandelt werden.
Die innere Harmonie der beiden Quartette klingt aus den vollen, tiefen Lauten und wird noch stärker betont durch die zahlreichen Alliterationen, die in fast allen Versen – auch über die Zeilen hinweg, wie beim f-Laut – auftreten. Hypotaktische Satzfolgen tragen die träumerische Stimmung. Das weihevolle Gefühl kommt nicht nur akustisch zum Ausdruck, sondern auch in den Bildern von den Vogelzügen, dem Vergleich mit dem Wallen frommer Pilger und den freundlichen Attributen (wundervoll, fromm, klar, dämmervoll, heller). Besonders einprägsam ist der Stillstand der Zeit gestaltet, wie er fast eintritt: „der Stunden Weiser“, der „kaum mehr rückt“. Äußerlich scheint sich im Sextett nicht viel zu ändern. Und doch herrscht hier eine ganz andere Tonart: Die Vokale, die hörbar immer dunkler werden, geraten fast in Not, von den harten, scharfen Konsonanten erdrückt zu werden. Statt der vielen „Vögel“ oben klagt jetzt eine einzige „Amsel“ unten. Wein und Gitter sind kraftlos geworden und vom Tode bedroht. Besonders krass ist das abschließende Bild, das in einer umgedrehten Personifizierung die sterbenden Astern mit blassen, sterbenden Kindern vergleicht.
Inhalt
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten
Der erste Vers des Gedichtes beginnt mit den beiden Wörtern „Am Abend“. Die Alliteration, die Stellung der Wörter am Anfang des Verses und die Abtrennung durch das Komma geben den Wörtern eine besondere Gewichtung. Wenn man den Titel des Gedichtes außer Acht lässt, muss „Abend“ nicht unbedingt negativ konnotiert sein. Abend ist der Übergang vom Tage zur Nacht, und ist somit eigentlich etwas recht Unbestimmtes, Vages. Es ist nicht mehr taghell, aber auch noch nicht nachtdunkel. Abend ist ein Prozess, birgt Dynamik, Bewegung in sich. Auch der Lebensabend ist solch ein Prozess. Da das Gedicht jedoch in seinen weiteren Versen viele Begriffe der Natur aufgreift, gehe ich bei meiner weiteren Analyse eher von einem naturbezogenen Standpunkt aus. Die Konjunktion „wenn“ präzisiert einen Punkt in der Zeit und führt den Anfang des Verses fort. Die gleich lautenden Endungen der Wörter „Glocken“, „Frieden“, „läuten“ unterstützen deren positive Bedeutung. Glocken geben immer ein Signal, sie kündigen etwas an. In Trakls Gedicht wird explizit gesagt, dass sie „Frieden läuten“. Frieden wird meist als Kontrast zu Krieg gesehen, kann aber auch innere Ruhe und Zufriedenheit bedeuten. Wenn der Tag fast vorüber ist, tritt Ruhe unter den Menschen ein. Der Vers erstellt ein sehr bewegtes Bild, denn „läuten“ bringt viel Dynamik und Bewegung in den Vers: Glocken bewegen sich beim Läuten.
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die gleich lautenden f-Laute (folg, Vögel, wundervoll, Flüge) unterstreichen wieder das Angenehme. Der Vers ist die syntaktische und semantische Fortführung des ersten Verses und präzisiert das Geschehen, „wenn die Glocken Frieden läuten“. Es erscheint zum ersten Mal das lyrische „Ich“, das ich im weiteren Verlauf der Analyse mit dem Dichter Georg Trakl gleichsetzen werde. „Folgen“ und „Flüge“ sind wieder sehr dynamische Begriffe. „Folgen“ bedingt immer die Anwesenheit zweier Personen oder Dinge. Einer folgt dem anderen. Es handelt sich wieder um einen Prozess: einer bewegt sich und der andere folgt ihm. Trakl folgt mit seinen Blicken dem Flug der Vögel. Er möchte seinen derzeitigen Ort verlassen und ihnen folgen. Unterstützt wird das Bild von dem Attribut „wundervoll“.
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- Anonymous,, 2001, Georg Trakl: Verfall - Gedichtinterpretation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46692
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