„Bei der Struktur der deutschen Wirtschaft hätte ein Rohstoffplan, wie es der Vierjahresplan war, auf drei Wirtschaftszweigen aufgebaut sein müssen: Kohle, Eisen und Chemie. Tatsächlich war der Vierjahresplan ein IG-Plan. Die Kohle- und Eisenindustrie sowie die Chemische Industrie außerhalb der IG beteiligten sich nicht am Vierjahresplan. [...] Die IG hat sich jedoch mit ganzer Einsatzkraft in den Dienst des Vierjahresplanes gestellt. Sie hat darüber hinaus erreicht, dass das Amt des Vierjahresplanes fast ausschließlich mit IG-Leuten oder mit von der IG abhängigen Leuten besetzt wurde, und man erzählte sich, dass die IG diesen Leuten hohe Gehälter zahlte, um ihre IG-Treue zu sichern.“
Die Aussage Max Küglers im Nürnberger Prozess 1947 steht stellvertretend für einen der zentralen kontroversen Bereiche bei der Interpretation der nationalsozialistischen Herrschaft, nämlich der Frage nach der Beziehung zwischen dem Nationalsozialismus und den dominierenden deutschen Wirtschaftskräften. Die Diskussion dreht sich um den Aspekt, inwieweit das NS- Regime im Stande war, einen Grad an politischer Eigenständigkeit zu erreichen, der auf eine Vorrangstellung der ideologischen und politischen Ziele über die wirtschaftlichen Planziele und Interessen hinauslief. Kurzum kreist alles um die Frage „Primat der Politik“ oder „Primat der Wirtschaft“? Dieser Vereinfachung liegen zwei Modellvorstellungen des Dritten Reiches zugrunde. Auf der einen Seite charakterisiert das „Totalitarismus- Modell“ den NS- Staat als eine zentralisierte Kommandowirtschaft, die von Hitler und einer kleinen Gruppe radikaler Nationalsozialisten gelenkt wurde. Auf der anderen Seite wird das nationalsozialistische Deutschland als eine besonders ausgeprägte Form der Herrschaft des Finanzkapitals verstanden. Beide Modellvorstellungen haben allerdings ihre spezifischen Schwächen, weshalb die neuere Forschung diesem Modelldualismus entsagte und zunehmend alternative Konzepte entwickelte.
Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Interpretation von Peter Hüttenberger. Das NS- Regime wird hier als ein Pakt zwischen verschiedenen, sich aber gegenseitig beeinflussenden Machtblöcken innerhalb eines Machtkartells, bestehend aus dem Naziblock, der „Großwirtschaft“ und der Reichswehr, verstanden.
In diesem Zusammenhang ist auch der Vierjahresplan von 1936 zu sehen, der ohne die aktive Rolle der Wirtschaft in diesem Umfang wohl kaum zu realisieren gewesen wäre.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Die Situation 1935/36 oder: Weshalb Vierjahresplan?
- Die Implementierung des Vierjahresplans
- Die Zielsetzungen des Vierjahresplans
- Organisatorischer und institutioneller Aufbau der Vierjahresplan-Behörde
- Planungslogik und Planungsphasen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den nationalsozialistischen Vierjahresplan (1936-1940) und beleuchtet dessen Implementierung, Ziele und organisatorischen Aufbau im Kontext der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik. Die Analyse befasst sich mit den ideologischen und rüstungspolitischen Ursachen des Plans und dessen Verhältnis zu anderen wirtschaftspolitischen Institutionen. Die Arbeit untersucht auch den Stellenwert des Vierjahresplans bei der rüstungswirtschaftlichen Mobilisierung Deutschlands.
- Die ideologischen und rüstungspolitischen Hintergründe des Vierjahresplans
- Der organisatorische Aufbau und die Funktion der Vierjahresplan-Behörde
- Die Zielsetzungen des Vierjahresplans und deren Umsetzung
- Der Vierjahresplan im Kontext der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik
- Der Beitrag des Vierjahresplans zur rüstungswirtschaftlichen Mobilisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik des Vierjahresplans ein und stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Verhältnis zwischen nationalsozialistischem Regime und dominierenden Wirtschaftskräften in den Mittelpunkt. Sie diskutiert verschiedene Interpretationsmodelle des Dritten Reiches, insbesondere das „Totalitarismus-Modell“ und das Modell der Herrschaft des Finanzkapitals, und führt die Arbeit von Peter Hüttenberger an, die den NS-Staat als Machtkartell versteht. Die Einleitung umreißt die Forschungsfragen der Arbeit, welche sich um die ideologischen und rüstungspolitischen Gründe des Vierjahresplans, dessen Beziehung zu anderen Institutionen, seine Bedeutung für die NS-Wirtschaftspolitik und seinen Stellenwert bei der Rüstungsmobilisierung drehen.
Die Situation 1935/36 oder: Weshalb Vierjahresplan?: Dieses Kapitel untersucht die Ursachen für die Einführung des Vierjahresplans. Es betont den engen Zusammenhang mit Hitlers außenpolitischen Zielen, insbesondere der „raumpolitischen Expansion“ und der „Lebensraumgewinnung“. Die wachsende Aufrüstung und die damit verbundenen Rohstoffprobleme, die sich durch eine für Deutschland nachteilige Veränderung der „terms of trade“ verschärften, werden als entscheidende Faktoren hervorgehoben. Die Versorgungskrisen bei rüstungswichtigen Rohstoffen und Agrarprodukten sowie der Engpass bei Treibstoffen führten zu einer akuten wirtschaftlichen Krise, die die Implementierung des Vierjahresplans erforderlich machte. Der enorme Anstieg der Rüstungsausgaben Deutschlands im Vergleich zu anderen Großmächten wird ebenfalls beleuchtet.
Schlüsselwörter
Vierjahresplan, Nationalsozialismus, Wirtschaftspolitik, Rüstungspolitik, Autarkie, Rohstoffversorgung, Außenpolitik, „Lebensraum“, Machtkartell, IG Farben, Rüstungsmobilisierung, Wirtschaft und Politik im Dritten Reich.
Häufig gestellte Fragen zum nationalsozialistischen Vierjahresplan
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet eine umfassende Vorschau auf eine wissenschaftliche Arbeit über den nationalsozialistischen Vierjahresplan (1936-1940). Es beinhaltet ein Inhaltsverzeichnis, die Zielsetzung und Themenschwerpunkte der Arbeit, Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel und eine Liste von Schlüsselbegriffen. Der Fokus liegt auf der Implementierung, den Zielen und dem organisatorischen Aufbau des Vierjahresplans im Kontext der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungspolitik.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit untersucht die ideologischen und rüstungspolitischen Hintergründe des Vierjahresplans, den organisatorischen Aufbau und die Funktion der Vierjahresplan-Behörde, die Zielsetzungen des Plans und deren Umsetzung, den Vierjahresplan im Kontext der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik und schließlich dessen Beitrag zur rüstungswirtschaftlichen Mobilisierung Deutschlands. Es werden verschiedene Interpretationsmodelle des Dritten Reiches, wie das „Totalitarismus-Modell“ und das Modell der Herrschaft des Finanzkapitals, diskutiert.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Hauptteil mit Kapiteln zur Situation 1935/36 (die Ursachen des Vierjahresplans), zur Implementierung, den Zielsetzungen und dem organisatorischen Aufbau des Vierjahresplans, sowie ein Fazit. Der Hauptteil analysiert den engen Zusammenhang des Vierjahresplans mit Hitlers außenpolitischen Zielen, den Rohstoffproblemen und der wachsenden Aufrüstung.
Was sind die zentralen Forschungsfragen der Arbeit?
Die zentralen Forschungsfragen drehen sich um die ideologischen und rüstungspolitischen Gründe für die Einführung des Vierjahresplans, seine Beziehung zu anderen Institutionen der NS-Wirtschaftspolitik, seine Bedeutung für die Gesamt-Wirtschaftspolitik und seinen Stellenwert bei der Rüstungsmobilisierung im Dritten Reich. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Verhältnis zwischen dem nationalsozialistischen Regime und den dominierenden Wirtschaftskräften.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Vierjahresplan, Nationalsozialismus, Wirtschaftspolitik, Rüstungspolitik, Autarkie, Rohstoffversorgung, Außenpolitik, „Lebensraum“, Machtkartell, IG Farben, Rüstungsmobilisierung, Wirtschaft und Politik im Dritten Reich.
Welche Interpretationsmodelle des Dritten Reichs werden diskutiert?
Die Arbeit diskutiert das „Totalitarismus-Modell“ und das Modell der Herrschaft des Finanzkapitals, und bezieht sich auf die Arbeit von Peter Hüttenberger, der den NS-Staat als Machtkartell versteht.
Welche Rolle spielte der Vierjahresplan in der NS-Außenpolitik?
Der Vierjahresplan ist eng mit Hitlers außenpolitischen Zielen, insbesondere der „raumpolitischen Expansion“ und der „Lebensraumgewinnung“, verbunden. Die Arbeit untersucht, wie der Plan die Aufrüstung und die damit verbundenen Rohstoffprobleme bewältigen sollte.
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- Stephan Fischer (Author), 2004, Wirtschaftspolitik und -entwicklung: Der nationalsozialistische Vierjahresplan 1936- 1940., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46574