Im Grunde war Sigmund Freud – ohne es zu wissen – Kybernetiker, Systemtheoretiker und Konstruktivist. Seine binär codierten Psycho-Systeme ICH, ÜBER-ICH, ICH-IDEAL und ES, sprechen diesbezüglich eine ebenso eindeutige Sprache wie sein Strukturdeterminismus. Ganz zu schweigen davon, dass die Bedeutung der Psychoanalyse non modo in ihrer analytischen, sed etiam in ihrer synthetisch-kybernetischen Potenz liegt. Denn: „Nach der Analyse des kranken Seelenlebens muß die Synthese desselben folgen!“ (FREUD 1919/242) Vornehmliche Aufgabe der Psychoanalyse ist die Reintegration eines fragmentierten, zerrissenen Seelenlebens in ein kohärentes und konsistentes System.
Um den Leser in die interdisziplinäre Materie einzuführen, beginne ich mit einem kurzen Abriss verschiedener psychoanalytischer Schulrichtungen und skizziere dann die wesentlichen Grundlagen der Kybernetischen Systemtheorie. Deutlich gemacht wird unter anderem, dass Systeme, egal ob Gehirn, Psyche, Bewusstsein, Unterbewusstsein oder Körper
• erst durch Unterscheidung, Differenzierung, Abgrenzung von einer Umwelt ihre spezifische Identität erhalten, zugleich aber hochkomplexe Beziehungen zur Umwelt unterhalten. Systeme sind offen und geschlossen zugleich.
• auf zwei phänomenologischen Ebenen operieren: Struktur- und Prozessebene. Beide stehen zueinander in Kontiguität, wie Stabilität und Dynamik, Beständigkeit und Wandel.
• primär mit Eigenwerten/Eigenzuständen/Eigenerlebnissen: letztlich Eigeninformationen arbeiten.
• eigensinnige Informations-Verarbeitungs-Organisationen sind, die ihre eigene Welt konstruieren und mehr oder weniger rigoros stabilisieren.
• nicht direkt von außen beeinflussbar sind, sondern nur indirekt durch Störung und Irritation.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Psychoanalytische Theorien
- 3. Kybernetik und Konstruktivismus
- 4. Kybernetik und Psychoanalyse
- 5. Künstler - Kunstwerk - Kommunikation
- 6. Kunst-Wirkung und Konstruktivismus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Aufsatz befasst sich mit der Verbindung von Sigmund Freuds Psychoanalyse mit der Kybernetik und dem Konstruktivismus. Ziel ist es, aufzuzeigen, dass Freuds theoretische Konzepte, insbesondere seine Strukturtheorie, Elemente kybernetischen Denkens und konstruktivistischer Ansätze enthalten.
- Psychoanalytische Theorie und ihre verschiedenen Schulen
- Grundlagen der Kybernetischen Systemtheorie
- Übereinstimmungen zwischen psychoanalytischem und kybernetischem Denken
- Kunst, Kunstwerk und Kommunikation aus Sicht der Kybernetischen Psychoanalyse
- Konstruktivistische Aspekte der Kunst-Wirkung
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Dieses Kapitel stellt die These auf, dass Freud unbewusst kybernetische und konstruktivistische Prinzipien in seinen psychoanalytischen Theorien integriert hat. Es wird eine kurze Einführung in die Thematik der Kybernetik und Psychoanalyse gegeben und die Bedeutung der Reintegration eines fragmentierten Seelenlebens in ein kohärentes System hervorgehoben.
- Kapitel 2: Psychoanalytische Theorien: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über verschiedene psychoanalytische Schulen, darunter die Individualpsychologie von Alfred Adler, die analytische Psychologie von Carl Gustav Jung, die Kleinianische Psychoanalyse, die Trauma-Psychologie von Otto Rank, die Urschrei-Therapie von Arthur Janov, die Bioenergie-Lehre von Wilhelm Reich, die ICH-Psychologie, die Objektbeziehungstheorie und die Selbstpsychologie. Es werden die zentralen Thesen und Unterschiede der einzelnen Schulen beleuchtet.
- Kapitel 3: Kybernetik und Konstruktivismus: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den grundlegenden Prinzipien der Kybernetischen Systemtheorie und erklärt, wie Systeme, wie zum Beispiel das Gehirn, die Psyche, das Bewusstsein, das Unterbewusstsein und der Körper, ihre Identität durch Unterscheidung und Abgrenzung von der Umwelt erhalten. Die beiden Ebenen von Systemen, die Struktur- und die Prozessebene, werden näher erläutert.
- Kapitel 4: Kybernetik und Psychoanalyse: Anhand von Beispielen und Freud-Zitaten werden die erstaunlichen Übereinstimmungen zwischen psychoanalytischem und kybernetischem Denken aufgezeigt.
- Kapitel 5: Künstler - Kunstwerk - Kommunikation: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Begriffen Kunst, Kunstwerk, Kommunikation und Kunst-Wirkung aus Sicht der Kybernetischen Psychoanalyse. Es wird eine spezifische Betrachtung der Produktion, Ambition und Rezeption von Kunst vorgenommen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themen dieses Aufsatzes sind: Kybernetische Psychoanalyse, Sigmund Freud, Strukturdeterminismus, Psychoanalytische Schulen, Kybernetische Systemtheorie, Konstruktivismus, Kunst, Kunstwerk, Kommunikation, Kunst-Wirkung.
- Quote paper
- Dr. Volker Halstenberg (Author), 2005, "Gestatten: Sigmund Freud - Kybernetiker und Konstruktivist", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46484