Die „Deutsch-französische Erbfeindschaft“ bezeichnete die Idee der unausweichlichen, feindlichen Beziehung und gegenseitigen Rachebedürfnissen zwischen Frankreich und Deutschland. Diese Idee entstand im 16. Jahrhundert und wurde im Deutsch-Französischen Krieg von 1870-1871 populär. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Bildung eines deutschen Nationalstaates im 19. Jahrhundert sowie im Ersten Weltkrieg. Schriftsteller, Historiker und Politiker auf beiden Seiten tendierten dazu, diese Feindschaft rückblickend aufeinander zu projizieren, die ganze Geschichte als eine einzige, kohärente, ungebrochene Erzählung zu betrachten, und interpretierten die Geschichte neu, sodass sie in die Idee einer „Erbfeindschaft“ passte. Der Begriff sollte darlegen, dass die Konflikte nicht mit friedlichen Mitteln lösbar gewesen wären, sondern auf unüberwindbaren Ursachen (Vererbung) beruhten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden unter dem Einfluss des Kalten Krieges freundschaftliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland, die eine Schlüsselrolle bei der Europäischen Integration spielten.
Ernst Moritz Arndt, Wortführer des frühen deutschen Nationalismus, wertete das Fremde und das Andere grundlegend ab und sah es als Bedrohung, wie im Falle der Franzosen. Interkulturelle Beziehungen schwächten in Arndts Vorstellung nur das „Eigene“ und seine Entfaltungsmöglichkeiten. Dennoch war die Vorstellung von Franzosen und Frankreich bei vielen deutschen Intellektuellen seit dem 18. Jahrhundert lange Zeit von Faszination geprägt, sowohl in Bezug auf den französischen Lebensstil als auch auf die politische Ordnung Frankreichs, die als demokratischer und freiheitlicher galt. Auch das Deutschlandbild der Franzosen war sowohl von Distanz und Faszination geprägt.
Die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland lassen sich in drei Perioden einteilen: Feindschaft (1815-1945), Aussöhnung (1945-1963) und Freundschaft (ab 1963). Dies soll auch die Einteilung dieser Arbeit sein, mit der in chronologischer Reihenfolge die Ereignisse und Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland untersucht werden sollen, um zu verstehen, wie es zu einer „Deutsch-französischen Erbfeindschaft“ kam, und wie daraus eine „Deutsch-französische Freundschaft“ werden konnte. Untersuchungsgegenstand sollen dabei insbesondere die historischen Ereignisse, Feindbilder auf beiden Seiten, in Bild und Schrift geäußerte Meinungen voneinander, und die konkreten Projekte kultureller Verständigung sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Feindschaft (1815-1945)
- Aussöhnung (1945-1963)
- Freundschaft (ab 1963)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Ziel ist es, die Entstehung der „Deutsch-französischen Erbfeindschaft“ sowie die Transformation zu einer „Deutsch-französischen Freundschaft“ zu beleuchten. Dabei wird die Bedeutung von historischen Ereignissen, Feindbildern auf beiden Seiten und konkreten Projekten der kulturellen Verständigung untersucht.
- Die Entstehung der „Deutsch-französischen Erbfeindschaft“
- Die Rolle von historischen Ereignissen und Feindbildern in der Entwicklung der Beziehungen
- Der Prozess der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg
- Die Bedeutung der „Deutsch-französischen Freundschaft“ für die Europäische Integration
- Die Bedeutung von kulturellen Austauschprojekten für die Verständigung zwischen den Ländern
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Der Begriff „Deutsch-französische Erbfeindschaft“ wird eingeführt und seine Bedeutung in der Geschichte beider Länder erläutert.
Feindschaft (1815-1945): Die Arbeit untersucht die historischen Wurzeln der Feindschaft, beginnend mit dem Vertrag von Verdun im Jahr 843. Es werden wichtige Konflikte wie der Dreißigjährige Krieg, der Pfälzische Erbfolgekrieg und der Spanische Erbfolgekrieg behandelt. Weiterhin wird der Einfluss der französischen Kultur auf den deutschen Kulturkreis während dieser Zeit beleuchtet.
Aussöhnung (1945-1963): Dieses Kapitel behandelt die Entwicklung der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und die Herausforderungen der Aussöhnung.
Schlüsselwörter
Deutsch-französische Erbfeindschaft, Deutsch-französische Freundschaft, Feindbilder, kulturelle Verständigung, historische Ereignisse, Europäische Integration, Aussöhnung, Frankreich, Deutschland, Elsass-Lothringen, Napoleon, Code civil, Nationalismus
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- Thomas Weinreich (Author), 2018, "Deutsch-französische Erbfeindschaft" und "deutsch-französische Freundschaft". Von tief wurzelnden Konflikten hin zu freundschaftlicher Nähe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/464381