Inhalt und Ziel dieser Arbeit soll eine Untersuchung der von beiden Seiten geteilten Kernaspekte sein, um sie im Rahmen der unterschiedlichen Theorieverständnisse zu erläutern.
Dazu kläre ich zunächst die grundlegende dialektische Methode Marx' und die daraus folgende Theorie, insofern Adorno sie mit ihm teilt. Es finden sich bereits hier wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Autoren, die ich nachvollziehen und deren Zustandekommen ich erklären will.
Auf dieser Basis werden in Kapitel drei konkrete Einzelbegriffe erklärt, die in Marx' Theorie einen großen Stellenwert einnehmen, und die für das Adornosche Verständnis vom Kunstwerk eine wesentliche Bedeutung haben. Es handelt sich dabei um unmittelbare Residuen, die, wie ich zeigen werde, eine nahe Verwandtschaft zwischen beiden Theorien bedingen.
Im letzten Kapitel löse ich mich etwas von Marx' Theorie, um Aspekte des Kunstwerks zu erklären, die in Adornos Ästhetischer Theorie nur mittelbar über die erläuterten Begriffe von Marx abstammen.
In der abschließenden Zusammenfassung hoffe ich anhand der Ergebnisse der drei Kapitel eine konkrete Antwort auf die Frage geben zu können, wie groß Marx Einfluss auf Adornos Begriff des Kunstwerks eingeschätzt werden kann, und ob Marx' diesen Begriff wohl teilen würde.
Gliederung
1. Einleitung
2. Geteilte Grundlagen
2.1 Dialektik
2.2 Materialistische Gesellschaftskritik
3. Unmittelbare Residuen
3.1 Selbstzweck und Fetischismus
3.2 Wahrheit und Ideologie
4. Mittelbare Residuen
4.1 Der Künstler
4.2 Das gelingende Kunstwerk
5. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Erklärung
1. Einleitung
Adornos Ästhetische Theorie kann als der Versuch einer Zusammenfassung sämtlicher seiner Arbeiten in einem letzten Werk gesehen werden. Vor dem Tode nicht beendet, ist es ein zunächst unveröffentlichtes Fragment geblieben, das die Theorie einer Kunst unter dem Einfluss des den Menschen immer mehr verdinglichenden Kapitalismus dennoch vollständig darstellt. Das Kunstwerk kann laut der Ästhetischen Theorie keine Freiheit schaffen, sondern nur der Gesellschaft oppositionell gegenüberstehen und somit verhindern, dass das menschliche Widerspruchserleben gänzlich verschwindet. Es scheint dabei ein Kampf auf verlorenem Posten, denn um der unangenehm Veränderung fordernden Kritik durch das Kunstwerk zu entgehen, ziehen die Menschen freiwillig die gehaltlosen Produkte der Kulturindustrie vor, die sich unter kapitalistischer Hand befindet.
Dass Adorno und die anderen Vertreter der Frankfurter Schule wesentlichen Einflüssen Karl Marx' unterliegen, und seine dialektische Methode in Grundzügen teilen, ist gemeinhin bekannt.
„Zunächst erscheint dieser Versuch, mit der Marxschen Methode, mit der ihr innewohnenden Spannung zwischen allgemeiner Geschichtstheorie und konkreter Geschichtsentwicklung in Einklang zu sein[...]. Der Unterschied liegt aber darin, daß für Adorno und Horkheimer die theoretische bzw. philosophische Seite maßgebend bleibt.“[1]
Es ist von daher kein Wunder, dass sich auch in Adornos Ästhetischer Theorie viele Marxsche Residuen finden, die jedoch dem praktischen Aspekt größtenteils fremd geworden sind. Inhalt und Ziel dieser Arbeit soll eine Untersuchung der von beiden Seiten geteilten Kernaspekte sein, um sie im Rahmen der unterschiedlichen Theorieverständnisse zu erläutern.
Dazu kläre ich zunächst die grundlegende dialektische Methode Marx' und die daraus folgende Theorie, insofern Adorno sie mit ihm teilt. Es finden sich bereits hier wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Autoren, die ich nachvollziehen und deren Zustandekommen ich erklären will.
Auf dieser Basis werden in Kapitel drei konkrete Einzelbegriffe erklärt, die in Marx' Theorie einen großen Stellenwert einnehmen, und die für das Adornosche Verständnis vom Kunstwerk eine wesentliche Bedeutung haben. Es handelt sich dabei um unmittelbare Residuen, die, wie ich zeigen werde, eine nahe Verwandtschaft zwischen beiden Theorien bedingen.
Im letzten Kapitel löse ich mich etwas von Marx' Theorie, um Aspekte des Kunstwerks zu erklären, die in Adornos Ästhetischer Theorie nur mittelbar über die erläuterten Begriffe von Marx abstammen.
In der abschließenden Zusammenfassung hoffe ich anhand der Ergebnisse der drei Kapitel eine konkrete Antwort auf die Frage geben zu können, wie groß Marx Einfluss auf Adornos Begriff des Kunstwerks eingeschätzt werden kann, und ob Marx' diesen Begriff wohl teilen würde.
2. Geteilte Grundlagen
Zur kritischen Theorie der Frankfurter Schule:
„[Das Modell] verbindet verschiedene Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften; seine normative Begründungsinstanz ist das Interesse an der Abschaffung gesellschaftlich verursachten Leids. Die Grundthese wurde von Karl Marx inspiriert: Die Entfaltung technisch-wissenschaftlicher Produktivkräfte erlaubt zwar eine autonome, zugleich freie und gerechte Organisation sozialer Beziehungen; diese wird aber durch die private Aneignung des gesellschaftlich erarbeiteten Mehrprodukts verhindert, das weder durch Vernunftgründe noch moralisch zu rechtfertigen ist.“[2]
2.1 Dialektik
Dialektik ist die „Identität von Identität und Nicht-Identität“ - so lautet die Hegelsche Formel, nach der Marx seine Theorie produktiv gestaltete, und zwar nicht nur methodisch sondern auch dem Inhalt nach. Hundert Jahre später, bei Adorno, findet sich Dialektik jedoch nur in einer negativen Form, die bestehende Identitäten durch Kritik der Widersprüche auflöst, ohne eine akzeptable Alternative zu setzen.[3]
Diese offensichtliche Kluft zwischen den beiden Autoren ist durch die historische Desillusionierung zu erklären, die in der Zwischenzeit stattgefunden hatte. Während Marx in der Zeit des industriellen Aufschwungs schreibt, hat Adornos Generation das Trauma zweier Weltkriege und die tiefen Abgründe der NS-Zeit zu verarbeiten. Sie ist darüber hinaus Zeuge gewesen, wie Marx' dialektisch begründete Prognose einer Revolution des Wirtschaftssystems über den Sozialismus hin zum Kommunismus nicht zugetroffen hatte: Der Versuch dazu war in Russland gescheitert; und inzwischen hatte sich in Europa und Amerika der Kapitalismus enorm gesteigert. Das wäre sicherlich Grund genug, um den geschichtlichen Gehalt und die methodische Leistungsfähigkeit der Dialektik[4] als falsifiziert zu erachten.
Doch so weit will Adorno trotz seines offensichtlichen Pessimismus nicht gehen. Wie viele zeitgenössische Philosophen, hält er an der dialektischen Methode fest, weil sie als einzige geeignet erscheint, eine ganzheitliche Betrachtungsweise zu eröffnen:
„Weder durch bloße Wahrnehmung und Subsumierung der einzelnen Tatsachen unter allgemeine Begriffe noch durch die Suche nach einem versteckten Wesen, sondern durch die Konstruktion der Zusammenhänge zwischen und hinter den Tatsachen, durch die die Tatsachen ihre Bedeutung als Teile eines wirklichen Ganzen erhalten, ist die Aufgabe der philosophischen Deutung zu erfüllen.“[5]
Vonstatten geht diese Verganzheitlichung mittels eines Grundrhythmus´ aus Widerspruch und Auflösung des Widerspruchs zu einer neuen Einheit, die sich letztlich selbst zum Widerspruch entwickelt.[6] In der Ästhetischen Theorie ist diese Funktionsweise allgegenwärtig. Adorno unterstellt Kunst ein generelles Spannungsverhältnis zwischen Zwecklosigkeit und Zweckmäßigkeit, durch das sich letztlich ihr ästhetischer Gehalt niederschlägt.[7] Die paradoxe Formulierung Kants, der Adorno an dieser Stelle explizit folgt, ist offenkundig dialektisch; an anderen Stellen der Ästhetischen Theorie finden Verweise auf weitere Dialektiker, zwischen deren Thesen Adorno die seinigen wiederfindet.
Marx ist in dieser Hinsicht allerdings eine Sonderstellung einzuräumen. Adornos Ideen sind seinen nicht zufällig ähnlich, sondern im Rahmen der Frankfurter Schule klarerweise von ihnen abstammend.[8] Von daher ist es auch nicht nur die Dialektik im Allgemeinen, die sich in der Ästhetischen Theorie ebenso findet, wie bei Marx. Die beiden Autoren teilen viele Annahmen. Besonders hervorgehoben sei hier der Marxsche Materialismus, von dem Adorno sich trotz gescheiterter Prognosen gar nicht erst zu distanzieren versucht. Letztlich hat er das auch nicht nötig; eine ästhetische Theorie verfolgt doch offensichtlich eine von jeglicher Wirtschaftstheorie grundverschiedene Absicht. So könnte man zumindest meinen.
Indem Adorno sich zum historischen Materialismus nicht all zu klar positioniert, bringt er sich auch nicht in die Situation, sich von Marx' materialistisch begründeter Gesellschaftskritik distanzieren zu müssen. Dies wäre ihm mit Sicherheit auch nicht möglich.
2.2 Materialistische Gesellschaftskritik
Adorno folgt der von Marx angewandten dialektischen Methode, und in einem gewissen Maße stimmt er sicher auch deren materialistischer Ausdeutung zu, dernach einer ideellen Veränderung stets eine sachliche zugrunde liegt. Marxist ist er jedoch nur in recht abgehobener Form – das Bewusstsein der Arbeiterklasse zu teilen, ist ihm durch sein eigenes kulturelles Elitedenken von vorneherein verweigert.[9] So spricht Adorno in der Ästhetischen Theorie durchaus von gesellschaftlichen Kämpfen und Klassenverhältnissen[10], erläutert sie jedoch allein im Rahmen ihrer Manifestation durch das Kunstwerk.
Marx selbst enthält sich der Frage nach dem Stellenwert der Kunst weitestgehend, nicht zuletzt deshalb, weil sie seinen Materialismus zu überfordern scheint. Schließlich zeigt Kunst sich stets in einer Art, die dem sonstigen Überbau in Form sozialer, politischer und geistiger Lebensprozesse widerspricht. Also entzieht sie sich scheinbar der Bedingtheit durch die materielle Produktionsweise und stellt auf diese Weise die determinierenden Kraft des Unterbaus in Frage.[11]
Die Marxsche Geschichtsauffassung und Gesellschaftsanalyse dienen Adorno jedoch nur als Ausgangspunkt für die kritische Theorie.[12] Anders als bei Marx liegt der Fokus der Frankfurter Schule auf dem Subjekt, das bei äußerem Konformismus unter den inneren Konflikten mit der herrschenden Autorität leidet, darüber aber ganz im Sinne des Marxschen Materialismus kein Bewusstsein hat.[13]
„Denn wenn das allgemeine Bewußtsein nur als die theoretische Gestalt dessen gelten kann, wovon das reelle Gemeinwesen die lebendige Gestalt ist, wenn also Inhalt und Form des Bewußtseins abhängen von der Ordnung der materiellen Lebensbedingungen, dann ist zumindest jene Fähigkeit des Menschen in Frage gestellt, die es ihm gestattet, sich als Erkennender der Welt gegenüber sachlich zu verhalten.“[14]
[...]
[1] Fracchia 1987: 327
[2] Schweppenhäuser 2009: 154
[3] Vgl. Holz 2009: 66f.
[4] Vgl. Ebd. 67
[5] Fracchia 1987: 326
[6] Vgl. Heiss 1963: 393
[7] Vgl. Adorno 1973: 209
[8] Vgl. Schweppenhäuser 2009: 154
[9] Vgl. Fracchia 1987: 318
[10] Adorno 1973: 344
[11] Vgl. Barth 1961: 149
[12] Vgl. Fracchia 1987: 321
[13] Vgl. Schweppenhäuser 2009: 155
[14] Barth 1961: 156
- Quote paper
- Raven E. Dietzel (Author), 2016, Fetischismus und andere Marxsche Residuen im Kunstwerk nach Adornos Ästhetischer Theorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/463589
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