Massenmedien nehmen im Alltag der Menschen, die sich in der Metamorphose zu einer digitalen Informationsgesellschaft befinden, eine immer größere Rolle ein. Die Überflutung mit Informationen erfolgt dabei nicht ausschließlich in textualisierter Form. In allen Medien werden vermehrt Bilder eingesetzt, sei es zur bloßen Illustration oder auch zum Zweck der gezielten Auslösung von Emotionen. Die Wirkung visuell vermittelter Informationen wurde bisher nur in eingeschränktem Maße wissenschaftlich untersucht, obwohl feststeht, dass Bilder sich im persönlichen und kulturellen Gedächtnis auf andere Weise festsetzen als Textinformationen.
Ziel der vorliegenden Hausarbeit, die im Rahmen des Seminars „Kulturtheorien I“ im Sommersemester 2005 am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft entstand, ist die Veranschaulichung der Methodik einer visuellen Medienanalyse am Beispiel eines konkreten Bildes (siehe Anhang a), wobei die Vorgehensweise induktiv und die praktische Ebene der Schwerpunkt sein wird. Theoretische wie methodische Basis der Betrachtung bildet das Lehrbuch „Grundlagen der visuellen Kommunikation“ von Marion G. Müller. Das exemplarische Foto Gerhard Schröders entstammt einem Artikel des Magazins „Cicero“2. Die Analyse folgt weitgehend dem dreiteiligen Schema des Kunsthistorikers und Begründers der Ikonologie Erwin Panofsky aus vorikonografischer Beschreibung, ikonografischer Bedeutungsanalyse und ikonologischer Interpretation, beziehungsweise der Version Marion G. Müllers (siehe Anhang b). Diese bleibt im Gegensatz zu Panofskys Ikonologie nicht auf Kunstwerke beschränkt, sondern ist auf alle Bildergenres anwendbar. Realistisch betrachtet überschneiden sich die drei Ebenen bei der Bildbetrachtung, diese Arbeit wird sie allerdings zur Veranschaulichung getrennt behandeln. Im Anschluss an die praktisch-theoretische Interpretation zeigt die Schlussbetrachtung mögliche Fortentwicklungen der Analyse auf.
Das analysierte Bild sowie weitere Darstellungen zur Illustration der Motivgeschichte finden sich im Anhang, sie sind allerdings aus technischen Gründen nicht völlig farbgetreu.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bildbeschreibung als forensische Methode
3. Bedeutungszuweisung in der Bildanalyse
4. Erweiterte Interpretation unter Einbeziehung des Kontextes
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
a. Analyseobjekt: Fotografie Gerhard Schröders
b. Schautafel: Die Sinnesebenen der Bildinterpretation
c. Bilder zur Motivgeschichte: Kaiser Karl V., Reichskanzler Otto von Bismarck, Ludwig XV., Adolf Hitler
„Bilder werden nicht gelesen, sondern gesehen oder geschaut.“
(Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation. Konstanz 2003. S.9)
1. Einleitung
Massenmedien nehmen im Alltag der Menschen, die sich in der Metamorphose zu einer digitalen Informationsgesellschaft befinden, eine immer größere Rolle ein. Die Überflutung mit Informationen erfolgt dabei nicht ausschließlich in textual-isierter Form. In allen Medien werden vermehrt Bilder eingesetzt, sei es zur bloßen Illustration oder auch zum Zweck der gezielten Auslösung von Emotionen. Die Wirkung visuell vermittelter Informationen wurde bisher nur in eingeschränktem Maße wissenschaftlich untersucht, obwohl feststeht, dass Bilder sich im persönlichen und kulturellen Gedächtnis auf andere Weise festsetzen als Textinformationen.
Ziel der vorliegenden Hausarbeit, die im Rahmen des Seminars „Kulturtheorien I“ im Sommersemester 2005 am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kultur-wissenschaft entstand, ist die Veranschaulichung der Methodik einer visuellen Medienanalyse am Beispiel eines konkreten Bildes (siehe Anhang a), wobei die Vorgehensweise induktiv und die praktische Ebene der Schwerpunkt sein wird. Theoretische wie methodische Basis der Betrachtung bildet das Lehrbuch „Grund-lagen der visuellen Kommunikation“ von Marion G. Müller[1]. Das exemplarische Foto Gerhard Schröders entstammt einem Artikel des Magazins „Cicero“[2].
Die Analyse folgt weitgehend dem dreiteiligen Schema des Kunsthistorikers und Begründers der Ikonologie Erwin Panofsky aus vorikonografischer Beschreibung, ikonografischer Bedeutungsanalyse und ikonologischer Interpretation, bezie-hungsweise der Version Marion G. Müllers (siehe Anhang b). Diese bleibt im Gegensatz zu Panofskys Ikonologie nicht auf Kunstwerke beschränkt, sondern ist auf alle Bildergenres anwendbar. Realistisch betrachtet überschneiden sich die drei Ebenen bei der Bildbetrachtung, diese Arbeit wird sie allerdings zur Veran-schaulichung getrennt behandeln. Im Anschluss an die praktisch-theoretische Interpretation zeigt die Schlussbetrachtung mögliche Fortentwicklungen der Analyse auf.
Das analysierte Bild sowie weitere Darstellungen zur Illustration der Motiv-geschichte finden sich im Anhang, sie sind allerdings aus technischen Gründen nicht völlig farbgetreu.
2. Bildbeschreibung als forensische Methode
Die quadratische Schwarzweißfotografie zeigt eine offenbar gehende männliche Person mittleren Alters, die einen Hund an der Leine hält. Beide sind dem Betrachter frontal zugewandt. Der Mann, das größte Objekt in der Bild-komposition, befindet sich, aus der Perspektive des Betrachters, mittig rechts. Über seiner dunklen Kleidung trägt er einen hellen Mantel. Sein legeres schwar-zes Poloshirt mit den weißen Knöpfen sowie der geöffnete, in der Gehbewegung schwingende Mantel verstärken den sportlichen Eindruck. Der Mann blickt den Betrachter direkt an. Seinen Hund hält er mit der rechten Hand an der kurzen Leine, die er mehrfach um seine Finger geschlungen hat. Das Tier ist offenbar ebenfalls in Bewegung, es scheint nach vorne zu drängen, befindet sich bereits ein Stück vor seinem Herrn. Mann und Hund befinden sich auf einem schlammig wirkenden, mit Laub bedeckten Waldweg, der untere Teil des Hintergrundes erscheint daher dunkel. Rechts und links von den beiden dominiert ein lichter Wald den Hintergrund, die kahlen Bäume lassen die obere Bildhälfte hell wirken. Der gesamte Hintergrund ist durch die grobe Rasterung des Bildes leicht ver-schwommen, auch der Hund erscheint nicht ganz klar. Der Mann ist das am deutlichsten erkennbare Objekt der Darstellung. Die Fotografie wirkt insgesamt wie nachbearbeitet, Kontraste sind stärker als sie in Natura sein dürften.
Die Beschreibung eines zu analysierenden Bildes zielt darauf ab, in einer objek-tivierbaren Darstellung die erste Sinnesebene, sprich den Phänomensinn zu erfassen. Sie hat den Anspruch, für Außenstehende überzeugend, nicht subjektiv zu sein. Um das betrachtete Bild beschreiben zu können, benötigt der Analysierende nichts weiter als Lebenserfahrung; der Vergleich mit analogen Motiven oder Darstellungsweisen dient als Korrektiv.
In der Praxis bedeutet das zunächst, erste Impressionen noch vor Beginn der eigentlichen Beschreibung aufzuzeichnen, jede Einzelheit zählt. Die Deskription selber sollte über Format, Motiv, Komposition, Technik und Qualität, Blick- und Aufmerksamkeitslenkung, Größenverhältnisse sowie Farbigkeit des Analyseob-jektes informieren. Interpretation ist in diesem ersten Analyseschritt fehl am Platze, der eigene Blick auf das Bild sollte neutralisiert werden. Die an dieser Stelle notierten Details müssen im Endeffekt nicht unbedingt in der Interpretation aufgegriffen werden. Sie sind dennoch von Bedeutung, da sie als mögliche Indizien zur späteren Belegung oder Entkräftung der These(n) des Bildana-lysierenden fungieren, denn „Bildbeschreibung ist eine forensische Methode.“[3], vergleichbar mit der polizeilichen „Spurensicherung“[4] in Folge eines Verbrechens.[5]
3. Bedeutungszuweisung in der Bildanalyse
Die quadratische, exklusiv für das Magazin „Cicero“ aufgenommene Schwarz-weiß-Fotografie zeigt den amtierenden deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Hündin Holly im Wald von Hannover.[6] Sie dient als Illustration für Verena Auffermanns Artikel „Hunde an die Macht“, in dem sich die Autorin mit der spezifischen „Kommunikationsstrategie“[7] der bildlichen Darstellung Herrschender mit ihren Hunden beschäftigt. Sie stellt fest, dass sich „[d]ie Ikonografie der Macht […] über die Jahrhunderte hinweg […] des Hundes [bedient].“[8]. Ein Grund für diese Tatsache ist möglicherweise, dass Haustiere, insbesondere Hunde, Inhabern von Machtpositionen einen menschlicheren Anschein verleihen. Eine solche Darstellung zeigt sie als nicht ausschließlich politische, sondern ebenso private Personen mit sozialen Fähigkeiten.
Schröders Bild belegt dies anschaulich: Der Kanzler, leger gekleidet und offenbar gehend wirkt mit seinem Borderterrier Holly[9] an der Leine sportlich und entspannt. Er präsentiert sich als ‚normaler’ Mensch, der außerhalb des poli-tischen Umfeldes, in dem wir ihn gewohnt sind, ohne Anzug und Krawatte Waldspaziergänge mit dem Hund der Familie unternimmt. Das Tier wird als Sympathiefaktor eingesetzt . Auch der Hintergrund, ein herbstlich-lichter Wald, kommuniziert die private Ebene der Aufnahme, signalisiert Naturverbundenheit.
Die wesentliche, offensichtliche Aussage des Fotos – ‚Bundeskanzler Gerhard Schröder führt neben seinem beruflichen auch ein privates Leben wie jeder andere’ – provoziert eine Identifizierung mit dem Regierungschef unseres Staates, sowie eine Sympathiesteigerung. Verstärkt wird beides durch die frontale Dar-stellung Schröders sowie seinen freundlichen Blick unmittelbar in Richtung des Betrachters. Hinzu kommt die Gestaltung des Hintergrundes, der in grober Rasterung leicht verschwommen erscheint und die Aufmerksamkeit des Be-trachters verstärkt auf das Hauptmotiv Kanzler mit Hund lenkt.
In der zweiten Sinnesebene geht es um Bedeutungszuweisung mit Hilfe litera-rischer Quellen. Als Korrektiv fungiert die Typengeschichte. Es gilt, Quelle und Kontext des Objektes zu recherchieren, eventuell vorhandene analoge Bildmotive zu finden sowie die konkrete Kommunikationsebene des Bildes zu erkennen.
Beschreibung und Analyse fließen unter normalen Umständen in der ‚analy-tischen Beschreibung’ zusammen, die die essentiellen Aussagen und besonderen Merkmale der Abbildung erfasst. Die rein objektive Deskription ohne Bedeutung-szuweisung wurde hier dennoch als eigenständiger Schritt offen gelegt, da sie eine nützliche Übung darstellt und es sich bei dieser Arbeit, wie in der Einleitung erläutert, um eine Veranschaulichung der Methodik handelt.[10]
4. Erweiterte Interpretation unter Einbeziehung des Kontextes
Visuelle Kommunikation findet auf drei Ebenen statt. Bei der ‚Produktions-analyse’ ist die Frage, wann, wie und aus welchem Grund das Bild entstand, unter welchen Bedingungen es produziert wurde. Methodisch empfehlen sich zum Beispiel Fragebögen mit den Bildproduzenten. Die ‚Produktanalyse’ untersucht die „bildimmanenten Bedeutungen“[11], das heißt sowohl Materialität und Motiv, als auch Vorbilder des Objektes und die Ikonografie seines Motivs. Die Methodik dieser Ebene wird im Anschluss an die Interpretation der hier analysierten Fotografie aufgezeigt, da die Produktanalyse deren Schwerpunkt darstellt. Die dritte Ebene der visuellen Kommunikation ist die ‚Wirkungsanalyse’. Sie erforscht Rezeption und Wirkung des Bildes sowie seine Adressaten und Rezipienten. Für eine Einzelperson ist dieses Vorhaben kaum praktizierbar, da man entweder über bereits erhobene Daten verfügen oder eine eigene Befragung durchführen muss. Der Entwurf eines Interviewbogens und dessen Anwendung ist zeitlich wie personell extrem anspruchsvoll.[12]
[...]
[1] Marion G. Müller: Grundlagen der visuellen Kommunikation. Konstanz 2003.
[2] Verena Auffermann: Hunde an die Macht. In: Cicero, Januar 2005, S. 114-123.
[3] Müller 2003, S. 39.
[4] Carlo Ginzberg: Spurensicherung. Über verborgene Geschichte, Kunst und soziales Gedächtnis. München 1988. Zitiert nach Müller 2003, S. 39.
[5] Vgl. Müller 2003, S. 33-42.
[6] Vgl. Auffermann 2005, S. 5.
[7] Ebd. S. 114.
[8] Ebd.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. Müller 2003, S. 42-45.
[11] Ebd. S. 16.
[12] Vgl. ebd. S. 14-17.
- Arbeit zitieren
- Laura Geyer (Autor:in), 2005, Visuelle Medienanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46242
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