In dieser Arbeit wird das Werk "Weiblicher Narzissmus. Der Heißhunger nach Anerkennung" von Bärbel Wardetzki prägnant zusammengefasst.
In ihrem Werk setzt sich die Autorin mit dem Phänomen des weiblichen Narzissmus auseinander. Sie zeigt auf, wie Frauen darunter leiden und gibt Anleitung zur Selbsthilfe.
„Weiblicher Narzissmus“ – Wardetzky
Literaturzusammenfassung
von Johanna Kottek
Die Autorin eröffnet den Text mit einer Begriffserklärung. So weist sie darauf hin, dass ‚Narzissmus‘ bzw. ‚narzisstisch‘ allgemein ‚die Selbstliebe betreffend‘ bedeuten. Im psychologischen bzw. psychotherapeutischen Bereich wird der Begriff gewöhnlich im Kontext von Selbstwertstörungen verwendet. Er beschreibt damit „[…] einen grundlegenden Mangel, der das Leben einschränkt und liebevolle, tragende Beziehungen zum großen Teil unmöglich macht.“ (Wardetzky 2008, S. 18). Die Verwendung des Störungsbegriffes impliziert, dass es einen störfreien Zustand gäbe, was nicht der Fall ist. Selbstliebe und Selbsterleben sind nie statisch, somit unterliegt der Störungsbegriff der Qualität und Stärke der Schwankung. Menschen, die ein gestörtes Selbsterleben und eine gestörte Selbstliebe haben, reagieren auf Kritik oder Ablehnung mit großer Verunsicherung und stellen ihre gesamte Daseinsberechtigung in Frage. Das Selbstwertgefühl dieser Menschen ist in hohem Maße abhängig vom Gegenüber. Daher versuchen Betroffene, ihr Selbst aufzuwerten, indem sie sich besonders attraktiv oder leistungsfähig präsentieren. Niemand darf einen Blick hinter die Fassade werfen, da damit – so die Befürchtung – die totale Ablehnung einhergeht. Den Grund für die Entstehung des (weiblichen) Narzissmus, bzw. der narzisstischen Persönlichkeitsstörung sieht Wardetzky in der Kindheit. Sie beschreibt die große Bedeutung des bedingungslosen Annehmens des Kindes durch seine engsten Bezugspersonen. Ist dies nicht der Fall – wird das Kind nicht so akzeptiert, wie es ist – so beginnt es, eine Fassade aufzubauen, um das Wohlwollen seiner Bezugspersonen zu erlangen, und so sein Überleben zu sichern. Sie zieht hierbei das Märchen ‚Schneewittchen‘ für einen Vergleich heran: die Mutter hat präzise Erwartungen dahingehend, wie ihre Tochter auszusehen hat. Diese Erwartungen müssen von dem Kind erfüllt werden. Dies lässt sich übertragen auf Eigenschaften oder Leistungen, die Eltern von ihren Kindern gegebenenfalls erwarten. In diesem Kontext wichtige Begriffe sind die ‚narzisstische Ausbeutung‘ und die ‚narzisstische Erweiterung‘. Eine ‚narzisstische Ausbeutung‘ liegt dann vor, wenn das Kind sich den Erwartungen seiner Bezugspersonen unterwerfen soll, auch wenn dies seinen Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zuwiderläuft. „Narzisstisch gestörte Erwachsene werden andere Menschen ebenso ausbeuten, wie sie als Kinder ausgebeutet wurden.“ (Wardetzky 2001, S. 37). Von einer ‚narzisstischen Erweiterung‘ ist die Rede, wenn die Bezugsperson sich um das Kind ‚erweitert‘ und das Lob und die Bewunderung für dessen positive Eigenschaften ‚übernimmt‘ (beispielsweise werden Komplimente an das Kind dann als eigene narzisstische Aufwertung empfunden). Neben dem bedingungslosen Annehmen des Kindes spielt auch das Spiegeln seiner Emotionen eine wichtige Rolle. Die Bezugspersonen müssen dafür feinfühlig die Signale und Verhaltensweisen des Kindes erkennen, entschlüsseln und sie ihm verbal und nonverbal vermitteln. Die muss frei von eigenen Introjekten und möglichen Projektionen auf das Kind sein. Werden Gefühle nicht oder falsch gespiegelt oder sogar geleugnet, so spaltet das Kind diese ab und ersetzt sie durch angepasstes, erwünschtes Verhalten. „Werden Gefühle beim Kind unterbunden, verleugnet oder nicht gespiegelt, dann entsteht in ihm eine Gefühlsverunsicherung. […] Später wird das Mädchen oder die Frau ihre Gefühle ebenso übergehen, abwerten oder viel zu schnell wegrationalisieren, weil sie gelernt hat, ihnen keinen Raum zu geben.“ (Wardetzky 2001, S. 39) Eine große Rolle kann hierbei auch die Sozialisation hinsichtlich der Geschlechterrollen spielen. So wird beispielsweise von Jungen oftmals erwartet, keinen Schmerz zu zeigen und hart zu bleiben. Sie können also nicht ihr wahres Ich, mit all seinen Facetten zeigen, sondern müssen ein Abbild generieren, das von den Bezugspersonen akzeptiert und gewollt ist. Sie verlieren dadurch den Kontakt zu sich selbst, zu ihrem Erleben und ihren Gefühlen, und definieren sich nur noch so, wie es von ihnen erwartet wird. Als Erwachsene ist ihr Dasein dann geprägt von der „[…] Unfähigkeit zu wissen, wer sie wirklich sind. […] Sie sind sich selbst fremd und leiden unter Selbstentfremdung.“ (Wardetzky 2008, S. 20). Das ist insofern besonders tragisch, da auch die Umwelt ihnen nicht spiegeln kann, wer sie sind, da sie nach außen lediglich die Maske präsentieren, die sie sich über Jahre hinweg angelegt haben. Wird diese Maske nun durch irgendetwas gefährdet, wie etwa einer Kündigung (die Leistung wird ‚aberkannt‘) oder einer Gewichtszunahme (die Attraktivität ‚schwindet‘), geht dies mit enormen Selbstwertproblemen für den*die Betroffene*n einher. „Es ist sozusagen ihre Lebensbasis, schön, erfolgreich und bewundernswert zu sein. […] Beim Ausbleiben […] von Bewunderung, Anerkennung und Lob kann es zu schweren Depressionen kommen.“ (Wardetzky 2008, S. 26). Das größte Problem der narzisstischen Persönlichkeitsstörung liegt in der Absolutheit des Denkens: ‚Wenn ich nicht X leiste, werde ich nicht geliebt.‘ / ‚Wenn ich nicht so oder so aussehe, werde ich nicht geliebt.‘. Wie hier gut zu erkennen ist, wird Bewunderung mit Liebe verwechselt. Das ist eine Tragik in sich, denn „Bewunderung ist an besondere Merkmale gebunden, Liebe dagegen richtet sich auf den ganzen Menschen mit seinen Stärken und Schwächen.“ (Wardetzky 2008, S. 29). Wie bereits beschrieben ist jedoch dieser Mensch mit seinen Stärken und Schwächen nicht ersichtlich, weder für das Gegenüber noch – zumindest in den meisten Fällen – für den*die Betroffene*n selbst. Die Bewunderung erfüllt vermeintlich das Bedürfnis nach Liebe – fehlt sie, so wird ein großer seelischer Mangel offenbar, mit dem Betroffene nur schwer umgehen können. Hier kommt es zu einem großen Problem in der Beziehungsgestaltung: einerseits ist die*der Betroffene auf der verzweifelten Suche nach Nähe und Zuwendung, kann aber andererseits nur schwer damit umgehen. Dies zeigt sich besonders deutlich bei vermeintlichen Entwertungen durch das Gegenüber, wie etwa beim Zu-spät-kommen, welches für Betroffene eine narzisstische Kränkung darstellt. Hier ist es den Betroffenen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung oftmals nicht möglich, den Konflikt in Beziehung auszutragen. Sie streben in den meisten Fällen nach einem Ausgleich der Kränkung in dem Sinne, dass sie ihr Gegenüber im gleichen Ausmaß verletzen wollen. „Die narzisstische Wut ist nicht identisch mit Ärger auf jemanden, da sie immer auf Zerstörung gerichtet ist.“ (Wardetzky 2008, S. 33). Die Autorin betont hierbei die Heftigkeit der Wut, die sie auf existenzbedrohende Erfahrungen aus der Kindheit zurückführt. Diese „[…] können Spuren hinterlassen, die mit dem Gefühl der Bedrohung, des hilflosen Ausgeliefert-seins und Sich-nicht-wehren-Könnens verbunden sind. […] Aus dieser Hilflosigkeit kann es zu einem Um-sich-Schlagen kommen.“ (Wardetzky 2008, S. 34). Hervorzuheben ist hier besonders auch die ‚dysfunktionale Wut‘ (nach Bowlby), die entsteht, wenn der Wunsch nach Nähe und Kontakt zu lange unerfüllt bleibt. Sie vereint zwei Signale in sich; ‚Komm mir nicht zu nahe, ich hasse dich.‘ und ‚Komm in die Nähe, ich brauche dich.‘. Dieser Nähe-Distanz-Konflikt ist bei Betroffenen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung auch im Erwachsenenalter noch vorhanden. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat immer einen Beziehungsaspekt, der maßgeblich auf die Urbeziehung – also auf die ursprünglichsten Bindungserfahrungen in der Kindheit – zurückgeht. „Ist die Urbeziehung gestört, so befindet sich das Kind in einer Situation, die »im Zeichen des Hungers (steht), des Schmerzes, der Leere und Kälte, der Ohnmacht und des völligen Ausgeliefertseins an die Einsamkeit, des Verlustes jeder Sicherheit und Geborgenheit, sie ist der Absturz in das Verlassensein und die Angst in einem bodenlosen Nichts«. Die gestörte Selbstentwicklung führt zu Selbstentfremdung, Angst, Unsicherheit, mangelndem Selbstvertrauen, Beziehungsschwierigkeiten, Rückzugstendenzen, Sucht und vielen neurotischen Symptomen wie Depressionen, Phobien, Zwängen und vielem mehr.“ (Wardetzky 2008, S. 45). Neben den frühkindlichen Bindungserfahrungen spielen aber auch das Familienklima, sowie die Persönlichkeit des Kindes, als auch der restlichen Familienmitglieder eine Rolle bei der Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls. Auch bei frühen negativen Erfahrungen ist durch spätere positive Erfahrungen noch ein Richtungswechsel möglich.
Grundsätzlich gibt es zwei Formen von Narzissmus: den grandiosen, offenen Narzissten und den hypervigilanten, verdeckten Narzissten. Die Autorin unterscheidet außerdem den männlichen und weiblichen Narzissmus. Männliche Narzissten sind bestrebt, ihre größtmögliche Autonomie zu erhalten (oftmals indem sie Distanz herstellen), während weibliche Narzissten versuchen über Anpassung die bis zur Selbstaufgabe reichen kann, Anerkennung zu erlangen. Der weibliche Narzisst zeichnet sich durch Anklammerung aus, während der männliche Narzisst vermeidet. Der männliche Narzisst betont die Grandiosität und wertet sich auf. Er kämpft um Anerkennung und bleibt auf Distanz, was sich auch in der Vermeidung von Beziehung zeigt. Er gibt sich in Beziehungen nicht auf und identifiziert sich mit dem Idealbild, welches die Partnerin von ihm entwickelt. Aggressionen werden offen gezeigt; Kränkungen werden durch Rückzug oder Beziehungsabbruch abgewehrt. Der weibliche Narzisst im Gegenteil fühlt sich minderwertig und macht sich klein. Er passt sich bis zur Selbstaufgabe hin an und kompensiert Schwäche durch Leistung und Attraktivität. In Beziehungen ist er sehr anklammernd und unterwirft sich dem Partner. Dieser wird idealisiert und im Zuge dessen kommt es über die Identifikation mit dem Partner auch zu einer Aufwertung des eigenen Selbst. Aggressionen werden passiv gezeigt, in Form von Verweigerung oder interner Abwehr. Kränkungen werden durch Harmonisierung und Anpassung abgewehrt. Grundsätzlich können auch Frauen eine männlich-narzisstische Persönlichkeitsstörung haben und umgekehrt. Art und Ausprägung ist wesentlich von den Sozialisationserfahrungen abhängig.
Die Autorin weist darauf hin, dass Essgestörte oftmals auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben, was mit Minderwertigkeitsproblemen einhergeht. Aber auch Personen ohne Essstörung benutzen manchmal das Essen, um eine innere Leere auszufüllen und eine Ersatzbefriedigung herzustellen. „Auch sie leiden beispielsweise unter Hungergefühlen, die eigentlich keine sind und mit mehr essen nicht stillbar sind, weil es sich nicht um einen körperlichen, sondern um einen seelischen Hunger handelt.“ (Wardetzky 2008, S. 23). Die Gründe der inneren Leere lassen sich oftmals in den oben geschilderten Kindheitserfahrungen finden.
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- Quote paper
- Johanna Kottek (Author), 2018, Zusammenfassung des Werks "Weiblicher Narzissmus" von Wardetzki, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/461786