Obwohl Brasilien über die notwendigen rechtlichen und institutionellen Mittel zur Wahrung der Menschenrechte verfügt, ist der Alltag vieler Bürgerinnen und Bürger durch diverse Formen der Verletzung dergleichen geprägt. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf das enorme Gefälle zwischen arm und reich. So kontrollieren die reichsten 20 Prozent der brasilianischen Bevölkerung etwa 64 Prozent des nationalen Vermögens, während dem ärmsten Fünftel lediglich 2,5 Prozent davon verbleiben. Privilegiert sind hierbei vor allem die Weißen. Um einen genaueren Überblick über die Lage der Menschenrechte in Brasilien präsentieren zu können, werde ich im Folgenden zunächst deren wichtigste Aspekte einzeln fokussieren und näher beleuchten.
Anschließend sollen verschiedene rechtliche und institutionelle Grundlagen zum Schutz der Menschenrechte vorgestellt werden. Nationalstaatliche Beiträge sind dabei ebenso von Interesse wie interamerikanische oder globale. Zusammen stellen sie eine viel versprechende Perspektive dar. Dennoch ist das Engagement gegen soziale Missstände im Lande noch immer mit einem gewissen Risiko verbunden. So laufen viele MenschenrechtlerInnen Gefahr, Opfer staatlich legitimierter Gewalt zu werden. Ausschlaggebend hierfür sind neben der mangelnden Kooperationsbereitschaft Brasiliens mit internationalen Organisationen, zahlreiche tief verwurzelte Vorurteile innerhalb der Bevölkerung sowie der unklare rechtliche Status der AktivistInnen. Mit diesen Defiziten werde ich mich im dritten Abschnitt auseinandersetzen.
Inhaltsverzeichnis:
A) Einführung
B) Die Verteidigung der Menschenrechte in Brasilien
1 Zur Lage der Menschenrechte in Brasilien
1.1 Kinderarbeit
1.2 Frauen und Mädchen als Opfer des Sextourismus
1.3 Sklavenarbeit
1.4 Rassismus
1.5 Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung
1.6 Situation in den Gefängnissen
1.7 Folter
1.8 Gewalt, Korruption und fehlende Strafverfolgung durch Polizei und Justiz
1.9 Todesschwadronen
1.10 Ungleiche Verteilung von Land
1.11 Situation der indigenen Bevölkerung
2 Rechtliche und institutionelle Grundlagen zum Schutz der Menschenrechte
2.1 Brasiliens staatlicher Beitrag: Das Sondersekretariat für Menschenrechte (SEDH)
2.2 Das Interamerikanische Menschenrechtssystem
2.3 Brasilien und das Menschenrechtsschutzsystem der Vereinten Nationen
3 Gefahren und Hindernisse bei der Verteidigung der Menschenrechte
3.1 Die Haltung Brasiliens gegenüber dem internationalen Menschenrechtsschutz
3.2 Vorherrschendes Meinungsbild innerhalb der Bevölkerung
3.3 Rechtliche Stellung von MenschenrechtlerInnen
C) Schlussbetrachtung
D) Literatur- und Quellenverzeichnis
A) Einführung
Obwohl Brasilien über die notwendigen rechtlichen und institutionellen Mittel zur Wahrung der Menschenrechte verfügt, ist der Alltag vieler Bürgerinnen und Bürger durch diverse Formen der Verletzung dergleichen geprägt. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf das enorme Gefälle zwischen arm und reich. So kontrollieren die reichsten 20 Prozent der brasilianischen Bevölkerung etwa 64 Prozent des nationalen Vermögens, während dem ärmsten Fünftel lediglich 2,5 Prozent davon verbleiben. Privilegiert sind hierbei vor allem die Weißen.[1]
Um einen genaueren Überblick über die Lage der Menschenrechte in Brasilien präsentieren zu können, werde ich im Folgenden zunächst deren wichtigste Aspekte einzeln fokussieren und näher beleuchten.
Anschließend sollen verschiedene rechtliche und institutionelle Grundlagen zum Schutz der Menschenrechte vorgestellt werden. Nationalstaatliche Beiträge sind dabei ebenso von Interesse wie interamerikanische oder globale. Zusammen stellen sie eine viel versprechende Perspektive dar.
Dennoch ist das Engagement gegen soziale Missstände im Lande noch immer mit einem gewissen Risiko verbunden. So laufen viele MenschenrechtlerInnen Gefahr, Opfer staatlich legitimierter Gewalt zu werden. Ausschlaggebend hierfür sind neben der mangelnden Kooperationsbereitschaft Brasiliens mit internationalen Organisationen, zahlreiche tief verwurzelte Vorurteile innerhalb der Bevölkerung sowie der unklare rechtliche Status der AktivistInnen. Mit diesen Defiziten werde ich mich im dritten Abschnitt auseinandersetzen.
B) Die Verteidigung der Menschenrechte in Brasilien
1) Zur Lage der Menschenrechte in Brasilien
1.1) Kinderarbeit
Das Phänomen der Kinderarbeit ist in Brasilien von langer und trauriger Tradition. Bereits während des Feudalismus, der lange Zeit das Land prägte, wurden Kinder intensiv eingespannt und mussten vor allem in der Landwirtschaft oder im Haushalt mitarbeiten.
Im Zuge des sozioökonomischen Wandels, durch Migrationsprozesse und aufgrund der zunehmenden Urbanisierung haben sich die Einsatzfelder stark verändert. Heute findet sich ein Großteil der arbeitenden Kinder im Dienstleistungsbereich wieder und auch in der Textilindustrie werden sie weiterhin zu Niedrigstlöhnen eingesetzt. Andere wiederum sind auf Tätigkeiten wie Drogenhandel oder Prostitution angewiesen[2] – doch allesamt sind sie Ausdruck der existenziellen Nöte vieler Familien: obwohl in Brasilien so viele Nahrungsmittel produziert werden, dass 150 Prozent der Bevölkerung versorgt werden könnten, sind 7 Prozent aller Kinder unterernährt.[3]
Nach Angaben des Nationalen Statistikinstituts IBGE (Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística) war so im Jahre 1998 beinahe jedes fünfte Kind im Alter von 5 bis 17 Jahren in den Arbeitsprozess integriert, darunter 0,5 Millionen Kinder unter 9 Jahren.
Daraus wiederum resultiert die hohe Zahl an Analphabeten. Rund 20 Prozent aller Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren können weder lesen noch schreiben – vor allem jene nicht, die aus einer der unzähligen bettelarmen Familien Amazoniens stammen. Extrem lange Arbeitszeiten machen ihnen den regelmäßigen Besuch einer Schule unmöglich.[4]
1.2) Frauen und Mädchen als Opfer des Sextourismus
Einer aktuellen Schätzung zufolge sind in Brasilien tagtäglich etwa 500.000 Mädchen unter 18 Jahren der Gewalt von Prostitution und sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Verbunden ist dies oftmals mit schwerwiegenden psychischen Problemen, Drogenkonsum und dem akuten Risiko, sich mit dem HI-Virus zu infizieren.[5]
Dennoch sehen viele Frauen und Mädchen – überwiegend im Alter von 14 bis 26 Jahren – keine Alternative zu dieser unmenschlichen Lebensweise. Die meisten von ihnen kommen aus ärmlichen Verhältnissen und waren innerhalb der Familie bereits sexueller Gewalt ausgesetzt. Im Zusammenhang dazu stehen patriarchale Gesellschaftsstrukturen, die Frauen als minderwertig kategorisieren und ihnen jegliche Art der Selbstverwirklichung versagen.
Viele Brasilianerinnen empfinden ihre Landsmänner daher als „gewalttätig, untreu, hinterhältig und vorurteilsbeladen“[6] und träumen von einem glücklicheren Dasein im wohlhabenden Europa – an der Seite eines liebevollen Mannes. Ihre Hoffnungen setzen sie in den Sextourismus, der quasi als Pforte zu einem neuen Leben fungieren soll. Diverse Heiratsagenturen tragen dabei ebenso zur Entstehung derartiger Illusionen bei wie die potentiellen Traumprinzen. Doch haben die Mädchen ihre Heimat dann erstmal verlassen, so kommt vielfach recht schnell das böse Erwachen: sobald nämlich das dreimonatige Touristenvisum abgelaufen ist, so treten an die Stelle von Freiheit und Sicherheit schnell Illegalität sowie erneute Ausbeutung und Prostitution.[7]
1.3) Sklavenarbeit
Diese Kombination aus resignierender Verzweiflung und bewusst missbrauchter Hoffnungen tritt auch bei dem Phänomen der Sklavenarbeit zutage, welches in Brasilien noch immer sehr verbreitet ist. Es ist vor allem die wirtschaftliche Misere der Arbeiter und ihrer Familien, also Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit, die sie in fremde Gegenden treibt.
Ohne über die tatsächlichen Bedingungen vor Ort – beispielsweise bezüglich Arbeitszeiten, Klima oder Qualität der Unterbringung – bescheid zu wissen, werden die Arbeiter dabei von Vermittlern angeworben und mit dem Versprechen auf adäquate Bezahlung in entfernte, meist in der Amazonas-Region gelegene Gebiete verfrachtet. Bereits der Transport dahin ist mit enormen Qualen verbunden und erfolgt unter unzumutbaren Bedingungen. Die Kosten, die dem Arbeiter dafür berechnet werden, sind ebenso wie jene für Unterkunft und Verpflegung maßlos überzogen. Entstehende Schulden erfordern eine Rückzahlung und werden vom Lohn abgezogen. Ferner üben sie einen beachtlichen moralischen Druck aus.
So wird der moderne Sklave zwar nicht mehr als Marktware gehandelt, dafür besitzt er jedoch keinerlei Bürgerrechte und fungiert mehr oder weniger als Arbeitsobjekt. Darüber, was er isst oder wo er schläft, darf er nicht entscheiden und auch das Verlassen der Arbeitsstätte ist untersagt. Nicht selten werden so genannte Revolvermänner eingesetzt, um Betroffene mit Gewalt und Einschüchterung zur Arbeit zu nötigen. Will man nun dieser Situation entfliehen, so bleiben im Prinzip nur zwei Arten der Befreiung: Zunächst liegt natürlich die Rückzahlung der so genannten Schulden nahe, was allerdings aufgrund der horrenden Preistreiberei kaum zu verwirklichen ist. Ein Fluchtversuch hingegen geht mit dem Risiko einher, eingefangen und zurückgebracht oder ermordet zu werden.
Im Jahre 2003 führte ein mobiles Inspektionsteam im Auftrag des Arbeitsministeriums zahlreiche Operationen auf diversen Großgrundbesitzen durch. Etwa 40% der vorgefundenen Arbeitskräfte wurden dabei als Sklaven identifiziert und konnten befreit werden.
Auch Präsident Luiz Inácio Lula hatte bereits kurz nach seiner Amtsübernahme im Jahre 2005 die Bekämpfung der Sklavenarbeit als eines der wichtigsten Ziele seiner Regierung erklärt[8].
1.4) Rassismus
Auch bezüglich der Gleichstellung von schwarzen Frauen und Männern gibt es einige Anstrengungen von Seiten der Regierung, insbesondere seit der Ernennung Lulas zum brasilianischen Präsidenten. Ein durchgreifendes antirassistisches Programm ist jedoch bisher leider nicht gelungen. Es scheitert vor allem daran, dass es den verfilzten Polizeiapparat nicht durchdringen kann. So kommt es fast täglich zu brutalen Übergriffen auf die schwarze Bevölkerung durch staatliche Ordnungskräfte. Innerhalb der Öffentlichkeit erregt ein solches polizeiliches Vorgehen allerdings nur dann Interesse, wenn der Betroffene einer gehobenen sozialen Schicht angehört.
Einer Anzeige wegen Rassismus wird nur in äußerst seltenen Fällen nachgegangen. Exemplarisch dafür steht der Bundesstaat Pará, wo zwischen 1998 und 2003 annähernd 300 Vorfälle mit rassistischem Hintergrund registriert und bis zum heutigen Tage niemand verurteilt wurde.[9]
1.5) Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung
Ganz ähnlich verhält es sich mit Übergriffen auf Transvestiten, Transsexuelle und Homosexuelle. Auch hier findet kaum eine strafrechtliche Verfolgung statt, obwohl Attentate alles andere als selten sind. Immerhin sind mehr als 40% aller Transvestiten und Transsexuellen, sowie etwa 17% der homosexuellen Männer und 10% der homosexuellen Frauen bereits Opfer körperlicher Gewalt geworden. Brasilien gehört ferner zu den Ländern mit der höchsten Mordrate an Homosexuellen.
Betrachtet man das allgemeine Meinungsbild innerhalb der Bevölkerung so verheißt auch dies nichts Gutes. Gemäß einer Studie der größten Tageszeitung Brasiliens, der „O Estado de São Paulo“, stehen 80% aller Brasilianerinnen und Brasilianer Homosexuellen abfällig gegenüber. Diese von der hegemonialen Norm abweichende Form der sexuellen Begierde wird außerdem als nicht-brasilianisch eingestuft und als schandvoller ausländischer Import betrachtet.[10]
[...]
[1] Vgl ASW – Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (Hrsg.): Paradiesische Zustände?
Menschenrechtsverletzungen im Urlaubsland Brasilien. Berlin, 2002. S. 14.
[2] Vgl Sven Hilbig: Kinderarbeit in Brasilien: Schwierigkeiten und Herausforderungen. Berlin, 2002.
[3] Vgl ASW – Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (Hrsg.): Paradiesische Zustände?
Menschenrechtsverletzungen im Urlaubsland Brasilien. Berlin, 2002. S. 17.
[4] Vgl Sven Hilbig: Kinderarbeit in Brasilien: Schwierigkeiten und Herausforderungen. Berlin, 2002.
[5] Vgl ASW – Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt e.V. (Hrsg.): Paradiesische Zustände?
Menschenrechtsverletzungen im Urlaubsland Brasilien. Berlin, 2002. S. 11.
[6] Ebenda, S. 13.
[7] Vgl ebenda, S. 12f.
[8] Vgl Justiça Global: Sklavenarbeit und Ausbeutung. Berlin und Rio de Janeiro, 2004.
[9] Vgl Justiça Global: Rassismus in Brasilien: Fortschritte und Hindernisse. Berlin und Rio de Janeiro, 2004.
[10] Vgl Justiça Global: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle in Brasilien. Berlin und Rio de Janeiro, 2004
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