Im Rahmen der weltweiten Lockerung von Handelsschranken ist ein globaler Markt entstanden, der von transnationalen Unternehmen (transnational corporations, TNCs) vorangetrieben, genutzt und dominiert wird. Verheerende ökologische und soziale Folgen in manchen Produktionsländern der Dritten Welt riefen Anfang der 90er Jahre bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen massive Kritik hervor. Der Ruf nach mehr Verantwortung, nach Balance von Rechten und Pflichten der transnationalen Konzerne konnte auch auf staatlicher Ebene nicht auf Dauer ignoriert werden. Nachdem jedoch 1992 Verhandlungen der Vereinten Nationen über einen weltweiten Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen gescheitert waren, waren in der Folge nur noch soft-law-Ansätze möglich – d.h. freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, bestimmte Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtstandards einzuhalten. Unter öffentlichem Druck verankerten die Konzerne eigene Verhaltenskodizes (Code of Conduct) in ihren Firmenzielen.
INHALTSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Verzeichnis des Anhangs
1 Einleitung
1.1 Kontext und Ausgangsposition
1.2 Die Fragestellung und ihre Relevanz
1.3 Aufbau
2 Diffusionsforschung - Begrifflichkeiten und Abgrenzungen
2.1 Das Phänomen
2.2 Die theoretischen Konzepte
2.2.1 Policy-Transfer
2.2.2 Lesson-drawing
2.2.3 Norm life cycle
2.2.4 Institutioneller Isomorphismus
2.3 Die Mechanismen
2.4 Die Bestimmungsfaktoren
2.4.1 Die Charakteristik der Norm und des zu lösenden Problems
2.4.2 Die Kommunikationskanäle
2.4.3 Die geographische Nähe
2.4.4 Das Umfeld
2.4.5 Das soziale System und seine Ressourcen
2.5 Die Motivation
2.5.1 Normübernahme als Risikomanagement
2.5.2 Normübernahme als Reputationsmanagement und Legitimitätsmotor
2.5.3 Normübernahme aus ethischen Gründen
2.6 Die Akteure
2.7 Das Diffusionskonzept dieser Arbeit
3 Transnationale Konzerne im Diffusionsprozess
3.1 Potential
3.2 Ziele
3.3. Erfolg
4 Fallbeispiel: Die BASF AG
4.1 Vorstellung des Unternehmens
4.1.1 Eckdaten
4.1.2 Institutionalisierungsgrad
4.1.2.1 Einbindung in Initiativen, Verbänden und Organisationen
4.1.2.2 Verhaltensstandards
4.1.2.3 Organisationsstruktur
4.1.2.4 Überprüfung und Transparenz
4.2 Gemeinwohlorientierte Aktivitäten
4.3 Die BASF als Normentrepreneur - das Beispiel Espaço Eco
4.3.1 Vorstellung des Projektes
4.3.1 Erfolgsaussichten einer Normdiffusion
4.3.1.1 Die Charakteristik der Norm und des zu lösenden Problems
4.3.1.2 Die Kommunikationskanäle
4.3.2.3 Die geographische Nähe
4.3.2.4 Das Umfeld
4.3.2.5 Das soziale System und seine Ressourcen
5 Transnationale Konzerne als NormEntrepreneurs? Fazit und Ausblick
6 Literatur
7 LINKLISTE
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Diffusionskonzepte im Überblick
Abb. 2: Die Rolle transnationaler Konzerne im Normdiffusionsprozess
Abb. 3: Nachhaltigkeitsmanagement der BASF
Abb. 4: Bewertung des Risikopotentials
Abb. 5: Anzahl der Audits pro Jahr und Standort
Abb. 6: Sicherheitsmatrix für den Rohstoffeinkauf
VERZEICHNIS DES ANHANGS
- Fragebogen des Interviews vom 06.02.2005 mit Annette Kunde, Sustainability Center, BASF
- Email-Korrespondenz Peter Saling / Beate Bernstein
- Email-Korrespondenz Brigitte Dittrich-Krämer / Beate Bernstein
- Tabelle der gemeinwohlorientierten Aktivitäten der BASF
1 Einleitung
1.1 Kontext und Ausgangsposition
Im Rahmen der weltweiten Lockerung von Handelsschranken ist ein globaler Markt entstanden, der von transnationalen Unternehmen (transnational corporations, TNCs) vorangetrieben, genutzt und dominiert wird.[1] Verheerende ökologische und soziale Folgen in manchen Produktionsländern der Dritten Welt riefen Anfang der 90er Jahre bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen massive Kritik hervor. Der Ruf nach mehr Verantwortung, nach Balance von Rechten und Pflichten der transnationalen Konzerne konnte auch auf staatlicher Ebene nicht auf Dauer ignoriert werden. Nachdem jedoch 1992 Verhandlungen der Vereinten Nationen über einen weltweiten Verhaltenskodex für transnationale Unternehmen gescheitert waren, waren in der Folge nur noch soft-law-Ansätze möglich – d.h. freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, bestimmte Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtstandards einzuhalten. Unter öffentlichem Druck verankerten die Konzerne eigene Verhaltenskodizes (Code of Conduct) in ihren Firmenzielen.[2]
Hinzu kamen zwischenstaatliche Initiativen, wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen[3], die 1976 von den Regierungen unterzeichnet, fortlaufend bis 2000 verändert wurden oder der Global Compact (GC), ein 1999 von Kofi Annan ins Leben gerufenes freiwilliges Übereinkommen zwischen den Vereinten Nationen und privatwirtschaftlichen Unternehmen.[4] Im Jahre 2001 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Union ein Grünbuch zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR)[5], das in den Gesamtrahmen der Europäischen Strategie für nachhaltige Entwicklung einzuordnen ist. Auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (2002) einigten sich die Regierungsdelegationen darauf , corporate responsibility and accountability (Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht) durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, internationale Initiativen und nationale Regulierungen zu fördern.[6] Darüber hinaus agieren TNCs und zivilgesellschaftliche Akteure gemeinsam in sog. Multistakeholder-Initiativen, sowohl auf globaler Ebene als auch mit regionalen Nichtregierungsorganisationen (nongovernmental organizations, NGOs) am Produktionsstandort.[7]
All diesen Initiativen ist gemein, dass sie Verhaltensstandards durchsetzen wollen, die international anerkannten Normen unterliegen. Mit der Institutionalisierung dieser Normen im Rahmen von Selbstverpflichtungsinitiativen konnten die Akteure, die sich für deren Durchsetzung engagieren, einen ersten Erfolg verbuchen. Aber nicht alle Normen, die von engagierten Akteuren, den sog. „Normentrepreneurs“ (Normunternehmern[8] ) vertreten werden, verbreiten sich auch erfolgreich.[9]
Ein theoretischer Ansatz, der die Verbreitung oder Nichtverbreitung von Normen, Ideen, Innovationen oder Politikinhalten erklärt, ist die Diffusionstheorie. Sie ist daran interessiert, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen Diffusion stattfindet, aus welchen Gründen manche Innovationen diffundieren und andere nicht, wie und in welcher Geschwindigkeit dieser Diffusionsprozess vonstatten geht und welche Akteure involviert sind.
Die politikwissenschaftliche Diffusionsforschung präsentierte sich lange Zeit sehr staatszentriert und öffnete sich erst in der letzten Dekade anderen Akteuren. Internationale Organisationen, transnationale Netzwerke, Think Tanks und Nichtregierungsorganisationen rücken nun als Agents of diffusion immer mehr in den Fokus der Untersuchungen (z.B. Stone 2000, 2003, Dolowitz/Marsh 2000). Wirtschaftliche Akteure spielen in der Diffusionsforschung im Grunde nur eine Rolle als externe oder interne Faktoren für coercive diffusion, also die Adaption einer Innovation unter Zwang oder Druck. Durch die Androhung von Kapitalentzug werden in diesen Fällen Staaten zu einem Regulierungswettbewerb nach unten, einem race to the bottom, in der Regulation von Arbeitsrechts- Umwelt- und Menschenrechtsstandards gezwungen (Stone 2001, 2003, Dolowitz/Marsh 1996). Mitunter werden TNCs auch unter dem Netzwerkbegriff subsumiert (Dolowitz/Marsh 1996) oder als nichtstaatliche Akteure erwähnt; eine isolierte Untersuchung von transnationalen Konzernen im Diffusionsprozess ist bisher jedoch nur unzureichend erfolgt.
1.2 Die Fragestellung und ihre Relevanz
Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zur Bereicherung der politikwissenschaftlichen Diffusionstheorie leisten, die sich bisher noch unzureichend mit der Rolle transnationaler Konzerne beschäftigt hat.
Es wird die These aufgestellt, dass die in der Diffusionstheorie identifizierten Mechanismen übertragbar sind auf privatwirtschaftliche Akteure (TNCs) und TNCs somit eine Rolle als Normentrepreneur wahrnehmen können.
Um die Einbindung transnationaler Akteure als Normentrepreneurs in die Diffusionstheorie zu rechtfertigen, sind untergeordnete Fragestellungen zu integrieren. Es muss geklärt werden, ob eine Funktion als Normentrepreneur mit den Zielen eines privatwirtschaftlichen Akteurs korrespondieren kann und unter welchen Bedingungen TNCs im Normdiffusionsprozess erfolgreich sein können.
Die Normen, auf die Bezug genommen wird, sind jene, die im Global Compact vertreten werden: Umweltschutz, Arbeitsstandards, Menschenrechte und Antikorruptionsverhalten.
Das Forschungsinteresse an der Teilhabe nichtstaatlicher Akteure an politischer Steuerung nimmt im Rahmen der Global Governance Debatte in den letzten zehn Jahren stetig zu. Das Konzept der Global Governance räumt transnationalen Akteuren wie internationalen Nichtregierungsorganisationen (international nongovernmental organisations, INGOs) und transnationalen Konzernen (transnational corporations, TNCs) einen gewichtige Rolle bei der Beeinflussung internationaler politischer Entscheidungen ein - wie es auch Thomas Risse prägnant formuliert: „we cannot even start theorizing about the contemporary world system without taking their influence into account” (Risse 2002: 255). Auch Kofi Annan machte schon zu Beginn seines Amtsantrittes als Generalsekretär der Vereinten Nationen auf die Bedeutung von nichtstaatlichen Akteuren aufmerksam: „The United Nations once dealt only with Governments. By now we know that peace and prosperity cannot be achieved without partnerships involving Governments, international organizations, the business community and civil society. In today’s world, we depend on each other.”[10] Die Untersuchung transnationaler Diffusionsprozesse ist somit auch Teil der Global Governance Forschung.
Der Einfluss von zivilgesellschaftlichen Akteuren (vor allem INGOs) und von internationalen Organisationen auf Normsetzung, Normverbreitung und Normeinhaltung ist kaum umstritten (Nuscheler 2001), und soll hier nicht behandelt werden. Indes wird davon ausgegangen, dass privatwirtschaftliche transnationale Unternehmen sowohl die Ressourcen als auch die Motivation besitzen, eine Funktion als ‚Normunternehmer’ in transnationalen Diffusionsprozessen wahrzunehmen.[11]
Die Diffusion von Normen wird in der Literatur zumindest komplementär zu Politikinstrumenten, Strukturen und Praktiken als notwendig erachtet. „Attention is drawn to ‘soft’ forms of transfer – such as the spread of norms – as a necessary complement to the hard transfer of policy tools, structures and practices” (Stone 2003: 2). In der vorliegenden Arbeit wird das Augenmerk auf die Diffusion von Normen gelegt als Ursprung für Innovationen in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Arbeitsrechte; die Einführung von entsprechenden Policies, Programmen und technischen Innovationen wird hingegen als Umsetzung genau dieser Normen betrachtet. Die Überlegung, die zu dieser Betrachtungsweise führt, ist die Tatsache, dass zwar nicht jedem Policy-Transfer zwingend eine Norm[12] vorausgeht, Innovationen in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Arbeitsrechte und Antikorruptionsverhalten sich jedoch auf international anerkannte Normen stützen, die sich in von nahezu allen Ländern dieser Welt ratifizierten Konventionen wieder finden.[13] Wenn im Weiteren von Innovationen die Rede ist, sind demnach ausschließlich solche Innovationen gemeint, die normative Standards setzen oder erfüllen und zwar in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Arbeitsrechte und Antikorruptionsverhalten.
Die Frage, ob TNCs unter dem Dach privatwirtschaftlicher Selbstverpflichtung als „Normunternehmer“ agieren können, wird im Rahmen eines Forschungsprojektes von Klaus Dieter Wolf an der Technischen Universität Darmstadt unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht.[14] Dabei ist es auch relevant, verschiedene Theorien hinsichtlich des zu beobachtenden Phänomens der privatwirtschaftlichen Selbstregulierung auf ihre Erklärungskraft hin zu untersuchen. Die Ansätze der politikwissenschaftlichen Diffusionstheorie können sowohl Prozesse der zwischenstaatlichen Übernahme von Politikinnovationen erklären, als auch das Einflusspotential von nichtstaatlichen Akteuren wie INGOs, epistemischen Gemeinschaften (epistemic communities[15] ) oder transnationalen Netzwerken (transnational advocacy coalitions[16] ) auf den Übernahmeprozess von Normen. Transnationale Unternehmen spielen jedoch bislang in der Diffusionsforschung keine relevante Rolle. Durch die Entwicklung, die auf dem Sektor der privatwirtschaftlichen Selbstregulierung in den letzten fünfzehn Jahren stattfand, kann man transnationale Unternehmen als Forschungsgegenstand im Normverbreitungsprozess jedoch nicht mehr ignorieren.
Interessant ist, dass die soziologische Organisationstheorie im Rahmen des institutionellen Isomorphismus Prozesse von Nachahmung, Adaption unter Zwang oder aufgrund struktureller Isomorphie untersucht und dies auch auf Unternehmen anwendet, ohne jedoch von Diffusionsprozessen zu sprechen. Der Ansatz verwendet strukturelle Faktoren als Erklärungsvariablen und vernachlässigt die Agentenseite. In der vorliegenden Arbeit werden darum politikwissenschaftliche Diffusionstheorien mit Annahmen aus dem institutionellen Isomorphismus angereichert, um so eine theoretische Grundlage für die Verifizierung der den Argumentationsgang dieser Arbeit leitenden Hypothese zu erstellen.
Transnationale Unternehmen, die im Rahmen ihrer Aktivitäten innerhalb von Selbstverpflichtungsinitiativen oder ihrer firmeneigenen Codes of Conduct, international verankerte Normen übernehmen, erfüllen zunächst einmal eine Rolle als ‚Normadapteur’ (Normübernehmer) im Diffusionsprozess. Um als Agent für eine Verbreitung dieser Normen jenseits ihrer Firmentore zu sorgen, müssen die Unternehmen darüber hinaus aktiv werden.
Die Adressaten dieser Aktivitäten, also die potentiellen Normübernehmer, können sowohl andere privatwirtschaftliche Akteure sein als auch Individuen oder Staaten. Die politikwissenschaftliche Diffusionsforschung hat sich auch hier bisher nur auf Staaten konzentriert, was zweifelsohne auch ihr originäres Forschungsgebiet darstellt. Da im Zuge der fortschreitenden Globalisierung die politische Steuerungsfähigkeit der Staaten infrage gestellt wird und Governance-Instrumente nichtstaatlicher Akteure eine immer größere Rolle spielen, müssen auch transnationale Konzerne als Adressaten von Normdiffusion in den Fokus der Untersuchung rücken - insbesondere, wenn man die wirtschaftliche Macht und die Ressourcen dieser Akteure berücksichtigt.
Gleichzeitig mit der Normübernahme durch ein Unternehmen sind auch die Mitarbeiter dieses Unternehmens von der Norm betroffen und werden so auch individuell zu potentiellen Adapteuren - mehr noch: sie können die Träger sein, mittels derer die Norm auch in andere Unternehmen hinein weiter verbreitet wird. Auch wenn Individuen eine wichtige Rolle innerhalb des Unternehmens spielen, werden sie in dieser Arbeit in den kollektiven Akteur Unternehmen integriert.
Gleichwohl alle drei Dimensionen untersuchungswürdig sind, wird hiermit die Analyseebene des Individuums ausgegrenzt und auch die Normübernahme durch den Staat nicht weiter untersucht, um das Spektrum der Arbeit nicht zu überlasten. In dieser Arbeit stehen demnach transnationale Unternehmen und die Diffusion von Normen innerhalb dieser Gruppe im Mittelpunkt.
1.3 Aufbau
Zunächst wird in Kapitel 2 die Literatur der Diffusionsforschung aufgearbeitet und der Übersicht halber verschiedenen funktionalen Kategorien zugeordnet. Hier wird sich zeigen, dass sich die Theorien mehr überlappen bzw. ergänzen als ausschließen, indem sie vorwiegend unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
Die Auswahl der theoretischen Konzepte erschließt sich aus der Fragestellung: Da Akteure und Normen im Mittelpunkt der Untersuchung stehen, werden zum einen Konzepte verwendet, die Diffusionsmechanismen, Schlüsselakteure und Transfermotivationen untersuchen und zum anderen Normen und Unternehmen in den Mittelpunkt stellen, um aus der Synthese dieser Ansätze ein für diese Arbeit geeignetes Diffusionskonzept zu erstellen. Hierzu eignen sich das Policy-Transfer Konzept, der Lesson-drawing Ansatz, die Idee des Norm life Cycle und der Institutionelle Isomorphismus. Die theoretischen Konzepte stammen sowohl aus der Policy-Forschung als auch aus dem Forschungsbereich der Internationalen Beziehungen. Aufgrund der bereits erwähnte Staatszentriertheit der meisten diffusionstheoretischen Ansätze ist es sinnvoll, das für diese Arbeit verwendete Diffusionskonzept mit Annahmen aus der soziologischen Organisationstheorie anzureichern, um die Theorie auf transnationale Unternehmen anwenden zu können.
Die Ansätze werden aufgeschlüsselt in ihre verschiedenen Bestandteile - zum einen zugunsten der Übersichtlichkeit, zum anderen aber auch, um zu prüfen, ob eine Übertragbarkeit auf transnationale Konzernen möglich ist. Die untergeordneten Fragestellungen nach der Motivation und den Erfolgsbedingungen werden zunächst theoretisch konzeptualisiert, indem Handlungslogiken und Bestimmungsfaktoren aus der Diffusionstheorie isoliert werden.
In Kapitel 3 wird dann eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen, indem die erweiterte Diffusionstheorie auf transnationale Unternehmen angewendet wird, geleitet von den Überlegungen, ob TNCs das Potential besitzen, im Rahmen der Selbstverpflichtungsinitiativen als Normentrepreneurs funktionieren zu können, ob ihre originären Ziele mit dieser Funktion vereinbar sind und welche institutionelle Ausgestaltung die Selbstverpflichtung haben muss, um wirkungsvoll sein zu können.
Als Fallbeispiel wird in Kapitel 4 die BASF AG vorgestellt. Der empirische Teil der Arbeit enthält zunächst die Prüfung des Konzerns hinsichtlich der zuvor erarbeiteten Prämissen, die notwendig sind, um als Normentrepreneur agieren zu können, bevor nach Aktivitäten der BASF mit normverbreitender Wirkung gesucht wird.
Anschließend wird ein konkretes Projekt der BASF - Espaço Eco - auf die Bestimmungsfaktoren hin geprüft werden. Da das Projekt erst am 23.06.2005 offiziell startete, ist die Untersuchung eines Erfolges oder Nichterfolges nicht möglich. Stattdessen werden die theoretischen Erfolgsaussichten einer Diffusion der Norm Ökoeffizienz abgeschätzt.
Für die Beantwortung der hier vorliegenden Fragestellung, nämlich ob transnationale Unternehmen grundsätzlich in der Praxis als Normunternehmer agieren können, genügt es zunächst, dies anhand eines einzigen Falles darzustellen. Weitere Fallstudien, auch in vergleichender Form und hinsichtlich der Verbreitung und Effizienz, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden können, könnten jedoch die Bedeutung transnationaler Unternehmen im Diffusionsprozess weiter herausarbeiten.
2 Diffusionsforschung - Begrifflichkeiten und Abgrenzungen
Die Verbreitung und Übernahme von Ideen, Innovationen, Normen und / oder Politikinhalten beschäftigt einen eigenen, disziplinübergreifenden Forschungszweig – die Diffusionsforschung.
Sozialwissenschaftler begannen sich Mitte des letzten Jahrhunderts im Rahmen der agrarwirtschaftlichen Innovationsausbreitung in den Vereinigten Staaten von Amerika mit dem Phänomen der Diffusion auseinanderzusetzen (Ryan/Gross 1947). Wenig später schlossen sich in den 60er Jahren Politikwissenschafter dieser Forschungsrichtung an (Walker 1969, Gray 1973), wenn auch mit unterschiedlichen Fragestellungen. Während Politikwissenschaftler den Innovationsgrad in verschiedenen Staaten der USA verglichen, interessierten sich die Soziologen mehr für die Innovateure und ihr soziales Profil, sowie für die Kommunikationswege, über die sich die Innovation ausbreiteten (Kern 2000, Orenstein 2004).[17]
Wirtschaftswissenschaftliche Ansätze sind eher an der Technologiediffusion interessiert, aber auch am Prozess des Lernens von Individuen, Institutionen und Organisationen. Anthropologen wiederum führen die Diffusions-Debatte schon über hundert Jahre als Kernkonzept für die Erklärung von Änderungen innerhalb der Gesellschaft.[18] Kommunikationswissenschaftler untersuchen die Diffusion von Informationen, im Marketing interessiert vor allem die Diffusion von Verbraucherverhalten (z.B. energiesparendes Verhalten).
Die politikwissenschaftliche Diffusionsforschung hat in der letzten Dekade neuen Auftrieb bekommen, nicht zuletzt durch die Internationalisierung von Lösungsansätzen zur Bekämpfung grenzüberschreitender Probleme. Innerhalb dieses „increasing flow of policy ideas between countries“ (Orenstein 2004: 2) interessiert Politikwissenschaftler wie, wann und warum eine neue Idee, Policy oder Innovation von Staaten adaptiert wird - also Bestimmungsfaktoren, Mechanismen, Akteure und Motivation einer Diffusion, aber auch der Ausbreitungsgrad und die Ausbreitungsgeschwindigkeit (Tews 2002: 1).
Die Tatsache, dass mehrere Staaten Innovationen und Politikinhalte zu einem annähernd gleichen Zeitpunkt einführen, beschäftigt zugleich Forscher/Innen der Internationalen Beziehungen und der Vergleichenden Politikwissenschaft als auch Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler.
Da dementsprechend hierbei eine Vielzahl an Termini kursiert, wird im Folgenden ein kurzer Überblick über die verschiedenen Begriffe gegeben. Die in der Diffusionsliteratur verwendeten Begrifflichkeiten beschreiben unterschiedliche theoretische Konzepte, werden aber auch in Abhängigkeit zueinander verwendet, sowohl als abhängige als auch als unabhängige Variable. Um eine Struktur in die Begriffsvielfalt zu bringen, wird eine Unterscheidung hinsichtlich des Phänomens, der Konzepte, Mechanismen, Bestimmungsfaktoren, Motivation und Akteure getroffen.
2.1 Das Phänomen
Im Allgemeinen wird Diffusion als apolitisch und neutral betrachtet und wird definiert als „any pattern of successive adoptions of a policy innovation” (Eyestone zitiert nach Stone 2001: 4). Eine mehr prozessorientierte Definition findet man bei Rogers (1995: 5), der Diffusion versteht als “the process by which an innovation is communicated through certain channels over time among members of a social system” (siehe auch Berry/Berry 1999: 171).
Eine Innovation kann sowohl zwischen einzelnen Staaten diffundieren (horizontale Diffusion) als auch zwischen Staaten und nichtstaatlichen Akteuren oder internationalen Organisationen (vertikale Diffusion). Zwischen transnationalen Akteuren ist sowohl eine vertikale Diffusion möglich (z.B. durch Druck von Nichtregierungsorganisationen auf transnationale Konzerne) als auch eine horizontale (z.B. durch gemeinsames Lernen von transnationalen Konzernen). Diffusion ist auch ein Thema im Diskurs um neue Formen politischer Steuerung geworden. „Governance by diffusion“ ist z.B. in einem Mehrebenensystem dann möglich, wenn es genügend Einzelstaaten gibt, die die Innovation freiwillig adaptieren und so eine zentralstaatliche Regelung überflüssig machen (Kern 2000: 46). Diese Art von Selbstregulierung findet man auch auf der wirtschaftlichen Ebene, in Form von Selbstregulierungsinitiativen oder firmeneigenen Codes of Conducts. Diffusion kann hier ein Capacity-Building[19] bewirken, was wiederum eigendynamisch zu einer Ausdehnung der Diffusion führen kann. Je breiter die Diffusion stattfindet, desto eher kann dies zur politischen Steuerung beitragen.
Bei einer horizontalen Diffusion unterscheidet Kern (2000: 48), ob ein direkter Politiktransfer oder ein institutionalisierter Transfer stattfindet. Beim direkten Transfer bestehen deutliche bilaterale Kommunikationskanäle zwischen Innovateur und potentiellen Adapteuren, was eine Ausbreitung der Politikinnovationen „in konzentrischen Kreisen“ zur Folge hat, beginnend vom Innovationszentrum und zunächst auf die unmittelbaren Nachbarstaaten übergreifend. Multilaterale Kommunikationsnetzwerke und vertikaler Informationsaustausch zwischen Staaten und nationalen Netzwerken führen zu einer Institutionalisierung der Diffusion (zu Kommunikationskanälen siehe auch Kptl. 2.4.2).
Vertikale Diffusion kann in einem top-down Prozess stattfinden, bei dem die Innovation von einer zentralen Institution (Regierung) ausgeht und von den einzelnen Teilen (Bundesstaaten) übernommen wird oder in einem bottom-up Prozess, wenn die Zentralregierung dezentrale Innovationen einzelner Staaten übernimmt. Bezogen auf transnationale Konzerne bedeutet dies, dass Innovationen, die von einem Branchenverband oder von einer supranationalen Institution initiiert und von einzelnen Unternehmen übernommen werden (z.B. der Global Compact), einen top-down Prozess darstellen. In umgekehrter Weise wäre ein bottom-up Prozess festzustellen, wenn Innovationen, die von einem Unternehmen ausgehen (z.B. ein Code of Conduct) von der Branche oder branchenübergreifend übernommen werden würden.
2.2 Die theoretischen Konzepte
Als Erklärungskonzepte werden in der politikwissenschaftlichen Diffusionstheorie am häufigsten Policy-Transfer (Dolowitz/Marsh 1996, 2000) und Lesson Drawing (Rose 1993) genannt. Aus der soziologischen Organisationstheorie ist der institutionelle Isomorphismus ein weiteres Erklärungskonzept, das die Organisation in den Mittelpunkt stellt und somit direkt auf Unternehmen anwendbar ist.[20] Das Konzept des Norm life cycle (Finnemore/Sikkink 1998) veranschaulicht die dynamische Verbreitung von Normen unter schwerpunktmäßig sozialkonstruktivistischer Sicht.
2.2.1 Policy-Transfer
Policy-Transfer wird verstanden als „a process by which knowledge about how policies, administrative arrangements, institutions and ideas in one political setting (past or present) is used in the development of policies, administrative arrangements, institutions and ideas in another political setting” (Dolowitz/Marsh 2000: 5). Der Gegenstand des Transfers kann sowohl Politikinhalte als auch Institutionen, Ideologien, Ideen, Einstellungen und negative Lernergebnisse beinhalten (Stone 2004: 545). Das Konzept ist zwar originär konzipiert worden, um es auf Staaten anzuwenden, aber da zum einen der Transfergegenstand nicht nur staatliche Bereiche betrifft und zum anderen die Mechanismen des Transfers auch auf Unternehmen angewendet werden können (siehe Kptl. 2.3), kann es ohne weiteres für die Theoriebildung verwendet werden. Überdies werden, wie bereits erwähnt, in nahezu allen theoretischen Konzepten in der Diffusionstheorie Staaten als Adressaten von Diffusionsprozessen zugrunde gelegt - was bereits eingangs als Defizit dieser Theorien identifiziert wurde.
Diane Stone (2003: 3) beschreibt Policy-Transfer als einen theoretischen Rahmen, mit welchem Diffusion erklärt wird. Es gibt aber auch Autoren, die Policy-Transfer nicht als Erklärungskonzept innerhalb der Diffusionsforschung, sondern als eigenes Forschungskonzept definieren (Tews 2002, Kern 2000). Kerstin Tews konzediert zwar Überlappungen in den beiden Konzepten, nennt aber als maßgeblichen Unterschied divergierende Analyseebenen. Während die Diffusionsforschung sich auf den „Prozess der Verbreitung einer politischen Innovation in einem gegebenen sozialen, politischen oder internationalen System“ (Tews 2002: 2) auf der Makroebene konzentriere, gehe es der Policy-Transfer Forschung mehr um den Transfer von Wissen auf der individuellen Ebene und rücke dabei die Rolle der „Agents of Transfer“ stärker in den Mittelpunkt, was das Konzept für diese Arbeit insbesondere interessant macht.
Für Kristine Kern (2000) liegt der zentrale Unterschied gleichfalls in den Analyseebenen, wobei sie internationale Politik diffusion der Makroebene zuordnet und Politik transfe r auf Innovationen und Politikwandel in einzelnen Ländern (Mikroebene) bezieht.[21]
Dolowitz und Marsh (1996) subsumieren unter Policy-Transfer sowohl freiwillige als auch zwanghafte Diffusion (coercive diffusion). Freiwilliger Transfer geschieht auf der Basis von Lern- und Anpassungsprozessen. Zwanghafter Transfer wird nochmals unterschieden in direct coercive transfer und indirect coercive transfer. Die direkte Druckausübung findet auf horizontaler staatlicher Ebene wohl eher selten statt. Ein Beispiel sei die Adaption amerikanischer Kartell-Regeln bei der Gründung der Montanunion unter massiver Druckausübung von amerikanischer Seite (Majone 1991: 85f in Dolowitz/Marsh 1996: 348). Anders ist es auf vertikaler Ebene zwischen unterschiedlichen Institutionen. Transnationale Konzerne können vor allem Regierungen wirtschaftsschwacher Staaten mit der Drohung von Investitionsabzug dazu bringen, ihre Politik wirtschaftsfreundlich zu gestalten. Umgekehrt können natürlich auch Staaten mittels gesetzlicher Regelung Innovationen in der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft erzwingen. Indirekte Druckausübung entsteht über wirtschaftliche Zwänge, teils auch über Interdependenz oder über die Angst, den Anschluss an Innovationen zu verpassen und dadurch Nachteile für das eigene Land zu riskieren - auch das kann direkt auf Unternehmen übertragen werden. Dolowitz und Marsh (2000) betonen, dass in dem meisten Fällen sowohl Anteile von zwanghafter als auch freiwilliger Diffusion in einem Policy-Transfer Prozess enthalten sind. Zum Beispiel hätten Regierungen selbst unter dem Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds einen gewissen Grad an Freiheit in der Wahl der Instrumente für die wirtschaftlichen Anpassungen, und Nichtregierungsorganisationen würden sowohl Lernprozesse anbieten als auch gesellschaftlichen Druck ausüben (ibid: 11).
Policy-Transfer ist insofern ein Konzept, das den Diffusionsprozess entlang eines Kontinuums zwischen den Polen Lernen und Zwang konzeptualisiert. Lernen kann, muss aber nicht zu Politiktransfer führen (negative lessons), was insbesondere das Konzept des Lesson-drawings beschreibt, auf das sich Dolowitz und Marsh (1996, 2000) in ihrer Arbeit berufen.
2.2.2 Lesson-drawing
Policy-Transfer und Lesson-drawing werden oftmals synonym verwendet (z.B. Rose 1993) im Sinne eines zeitlichen und/oder räumlichen Prozesses von Wissenstransfer auf freiwilliger Basis. Dolowitz und Marsh (1996: 344) interpretieren Lesson-drawing jedoch als den inklusiveren Begriff, da auch ‚lessons’ gelernt werden können, aus denen keine Politikinnovation resultiert, aber dennoch ein Lernprozess (z.B. dass die Innovation eines anderen Landes keine Lösung für die eigenen Probleme ist).
Diane Stone (2001) sieht viele Ähnlichkeiten in den beiden Konzepten, der Schwerpunkt sei aber unterschiedlich. Während die Policy-Transfer Forschung die Prozesse des Transfers erklären wolle mit Einbezug der Akteure und Entscheidungsprozesse, untersuche die Lesson-drawing Forschung „conditions under which policies or practices operate in exporter jurisdictions and whether and how the conditions which might make them work in a similar way can be created in importer jurisdictions” (ibid: 8).
Lesson Drawing rekurriert entweder auf eigenen früheren Erfahrungen oder auf Erfahrungen anderer Staaten, um die bestmöglichen Lösungen für eigene, aktuelle nationale Probleme zu eruieren. Lessons in diesem Sinne sind “tools that guide actions” (Rose 2001: 5) und bieten eine Alternative zu der Entwicklung völlig neuer Programme.
Richard Rose (1993, in Page 2000: 9) definiert vier Phasen, die nötig sind, um von Erfahrungen anderer Staaten zu profitieren: 1) das Suchen von Quellen für mögliche ‚lessons’ - d.h. Staaten, die unter ähnlichen Umständen das gleiche Problem zu lösen hatten (searching), 2) der Entwurf eines Modells, das auf den nationalen Kontext angepasst ist (making a model), 3) die Beurteilung, welche Teile des fremden Modells zu übernehmen sind (creating a lesson), und 4) die Abschätzung der nötigen Anpassungen und der zu erwartenden Effektivität des Models (prospective evaluation).
Das Konzept des Lesson-drawing kommt der best-practice Methode sehr nahe, wie sie in privatwirtschaftlichen Selbstverpflichtungsinitiativen häufig angewendet wird. Über das Vorstellen der eigenen Implementierungsaktivitäten und Anwendungen stellen Unternehmen dem Netzwerk einen Pool an Alternativen zur Verfügung. Die Teilnehmer können dann die bereits gemachten Erfahrungen auf ihr Unternehmen übertragen und prüfen, ob eine Adaption sinnvoll ist.
2.2.3 Norm life cycle
Bei diesem Ansatz von Finnemore/Sikkink (1998) geht es nicht in erster Linie um die Verhaltensänderung von Staaten in Bezug auf ihre Politiken, sondern um die Entstehung, Verbreitung und Verinnerlichung von Normen, die dann zu einer Verhaltensänderung führen können - also mithin der selbe Gedankengang, wie er in dieser Arbeit verfolgt wird. Allerdings ist auch hier der Adressat der Staat.
Normen entstehen nicht in einem ‚normativen Vakuum’, sondern stehen mit anderen Normen und Interessenswahrnehmungen im Wettbewerb – den Prozess dieses Durchsetzungswettbewerbs nennen Martha Finnemore und Kathryn Sikkink (1998: 896) Norm life cycle und teilen ihn in drei Phasen ein:[22]
Normentstehung → Normkaskade → Internalisierung
Phase 1 „Tipping Phase 2 Phase 3
point“
Das Interessante dieses Ansatzes ist, dass jede Phase von unterschiedlichen Akteuren, Motiven und Mechanismen charakterisiert wird.
In Phase 1, der Entstehung einer Norm, agieren Normentrepreneurs (Normunternehmer) innerhalb einer organisatorischen Plattform, um als Agenten für die Norm wirken zu können (auch Finnemore/Sikkink nennen hier nur NGOs, Advocacy Networks, internationale Organisationen). Die Agenten einer Norm haben eine ganz bestimmte Vorstellung von angemessenem Verhalten und sorgen für öffentliche Aufmerksamkeit, benennen, interpretieren und dramatisieren Themen. Mit dieser kognitiven Einrahmung fordern sie bisher eingebettete Normen heraus. Zwischen Phase 1 und 2 liegt der so genannte ‚tipping point’: der Punkt, an dem eine kritische Masse an Normbefolgern gewachsen ist und der zur Normkaskade überleitet. Finnemore/Sikkink sehen diesen Punkt erreicht, wenn 1/3 der Akteure die Norm angenommen haben.[23] Danach breitet sich die Norm auch ohne erheblichen Druck weiter aus – hier kommt das konstitutive Moment ins Spiel – Normbefolger identifizieren sich mit der Norm, bestimmen die Angemessenheit des Verhaltens; Normverletzer schließen sich somit von dieser Gruppe aus. Phase 3 ist die Phase der ‚Automatisierung’ (Internalisierung). Die Adapteure der Norm stellen diese nicht mehr in Frage und befolgen sie automatisch – die Norm ist internalisiert und geht in die Lebensgewohnheit über.
Mit dieser Konzeptualisierung übernehmen Finnemore/Sikkink die Annahme einer wellenförmigen Ausbreitung in Form einer S-Kurve aus der frühen Diffusionsforschung (Rogers 1971, Gray 1973, Mahajan/Peterson 1985).[24] Zu Beginn gibt es wenige Adapteure, dann beschleunigt sich die Ausbreitung, bevor sie wieder langsamer wird, nachdem die Hälfte der potentiellen Übernehmer die Innovation oder Norm übernommen hat. Bei Finnemore/Sikkink folgt dann die Phase der Internalisierung.
2.2.4 Institutioneller Isomorphismus
Institutionalistische Ansätze in der Organisationstheorie gehen davon aus, dass Organisationen und deren Umwelten sich gegenseitig beeinflussen und weiterentwickeln. Organisationen adaptieren institutionalisierte Elemente ihrer Umwelten und entwickeln sich parallel zu diesen weiter bis sie weitgehend isomorph (strukturgleich) sind (Walgenbach 2001: 330). Dies geschieht nicht nur, wenn die Adaption für die Organisation mehr Effizienz verspricht, sondern auch weil die betroffenen institutionalisierten Elemente extern legitimiert sind: „organisations compete not just for resources and customers, but for political power and institutional legitimacy“ (DiMaggio/Powell 1991: 66). Ab einer kritischen Masse von Nachahmern nimmt die Performance einer Innovation ab, die Legitimität nimmt jedoch zu. Alleine ihre „normative Billigung“ durch die Gruppe erhöht die Wahrscheinlichkeit weiterer Adapteure. Isomorphismus hat so zur Folge, dass sich über den Prozess der Homogenisierung die organisationale Diversität reduziert (Meyer/Rowan 1977).
Der Prozess des institutionellen Isomorphismus findet auf der Ebene organisationaler Felder (oder gesellschaftlichen Sektoren) statt.[25] Damit sind Gruppen von Organisationen gemeint, die „in der Aggregation einen deutlich abgrenzbaren Bereich institutionellen Lebens darstellen“ (wie z.B. Unternehmen einer Branche) und die mit den gleichen Umweltbedingungen konfrontiert sind (Walgenbach 2001: 333ff). Die Zugehörigkeit der Organisationen zu einem Feld wird mittels vier Indikatoren bestimmt, die den Grad der Institutionalisierung bestimmen sollen: die Zunahme der Interaktionen zwischen den Mitgliedern, die Entstehung klarer interorganisationaler Abhängigkeits- und Koalitionsstrukturen, die Zunahme der „Informationslast“, die die Mitglieder bewältigen müssen und die Kenntnisnahme und Wahrnehmung dieses gemeinsamen organisationalen Feldes (DiMaggio/Powell 1991: 65).
DiMaggio und Powell (1991: 67ff) unterscheiden analytisch drei Mechanismen der Homogenisierung, auch wenn diese empirisch kaum voneinander abzugrenzen sind.[26]
a. Coercive isomorphism: Isomorphismus durch Zwang (Druck über staatliche Gesetzgebung, andere Organisationen oder durch kulturell bedingte Erwartungen in einer Gesellschaft)
b. Mimetic isomorphism: Isomorphismus durch mimetische Prozesse (Imitation von erfolgreichen Organisationen um Unsicherheiten in der Umwelt zu reduzieren und um die Legitimität zu erhöhen)
c. Normative isomorphism: Isomorphismus durch normativen Druck (Definition und Verbreitung normativer Regeln des organisationalen und professionellen Verhaltens durch z.B. Ausbildungsstätten, Verbände, Netzwerke)
Offe (1992: 21) untersuchte mimetische Prozesse bei der Entwicklung neuer Institutionen und kommt zu dem Ergebnis, dass institutionelle Designs typischerweise Kopien schon bestehender Institutionen sind und dies auch häufig so proklamiert werde. Das Kundmachen einer neuen Institution als Nachahmung sei strategisch sinnvoll, da das Entwickeln gänzlich neuer Institutionen-Designs den Verdacht erwecken könne, dass der Innovateur versuche, „to impose his particular interest or normative point of view upon the broader community“ (Radaelli 1997[27] ) und dies dem Ansehen der neuen Institution schaden könne.
2.3 Die Mechanismen
Auch wenn nach Diane Stone der Begriff Diffusion suggeriert, dass Normen und Innovationen einer Ansteckung gleich auf andere Akteure übergreifen, „something that is contagious rather than chosen“ (Stone 2003: 3), sind doch Mechanismen zu identifizieren, mittels derer eine Diffusion stattfindet.
Die Mechanismen, die zu Diffusionsmustern führen, sind vielfältig und von Akteuren, Motivation dieser Akteure und den Bestimmungsfaktoren abhängig Tews 2002). Insofern ist auch eine Varianz in den unterschiedlichen Konzepten zu finden. Die Mechanismen reichen von Zwang, Nachahmung, Lernen, Überzeugung über Sozialisierung, Habitualisierung bis zur Institutionalisierung. Auffällig ist jedoch, dass viele Mechanismen an eine bestimmte Phase der Diffusion gebunden und somit nicht exklusiv, sondern chronologisch zu verstehen sind.
Das Konzept des Policy-Transfer umfasst die Mechanismen Zwang (coercion) und Lernen (lesson-drawing), die beide weiter unten auch als Bestandteil der anderen Konzepte auftauchen und näher erklärt werden.
Die Mechanismen des institutionellen Isomorphismus (Zwang, Nachahmung, normativer Druck) lassen sich gut auf Unternehmen übertragen, da diese aus organisationstheoretischer Sicht klassische Beispiele sind für „Systeme von impliziten und expliziten Regeln, die auf einen (oftmals unausgesprochenen) Zweck gerichtet sind und Erwartungen sowohl an Organisationsmitglieder als auch an Nichtmitglieder kommunizieren, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten“ (Scherer 2001: 1).
Isomorphismus durch Zwang lässt sich an vielen Beispielen in der Wirtschaft beobachten. Ob es das Anwenden neuer Umweltschutztechnologien, das Einrichten einer Stelle oder einer Abteilung im Unternehmen ist, die fortan für Umweltfragen verantwortlich ist (um der Umweltgesetzgebung genüge zu leisten) oder das Anwenden eines Verhaltenskodex durch Tochterfirmen und Lieferanten (um den Forderungen des Mutterkonzerns bzw. Auftraggebers genüge zu leisten) - direkte Abhängigkeitsverhältnisse führen häufig zu einer erzwungenen Homogenisierung von Organisationsstrukturen.
Es ist aber nicht auszuschließen, dass dieser Mechanismus dennoch mit Lernprozessen verbunden sein kann - diese freilich nachgeschaltet. Mit entsprechenden Informations- und Schulungsangeboten könnten beispielsweise eine staatliche Verregelung von Umweltstandards oder auch Vorgaben über Verhaltensstandards von einem Mutterkonzern, nachdem sie erzwungen wurden, zur Überzeugung, Verinnerlichung und Institutionalisierung einer Norm führen und damit auch zu potentiellen neuen Normentrepreneurs. Sind Investitionen erst mal getroffen worden, um z.B. höhere Standards anderer Länder zu erfüllen, „[companies] now have a stake in encouraging their home markets to strengthen their standards as well, in part because their exports are already meeting those standards“ (Vogel 1997: 562). Finnemore/Sikkink (1998) gehen sogar davon aus, dass über Wiederholung, Habitualisierung und Institutionalisierung die Norm gleichsam „automatisch“ internalisiert wird - ganz abgesehen davon, welcher Mechanismus die Übernahme ausgelöst hat.
Auch zivilgesellschaftlicher Druck kann dazu führen, dass sich Innovationen in der Wirtschaft ausbreiten. Nachdem Shell 1995 aufgrund massiver Kampagnen von Greenpeace auf das Versenken der Brent Spar verzichtet hat, suchen auch andere Ölgesellschaften nach alternativen Entsorgungsmöglichkeiten für Ölplattformen - nicht zuletzt wegen des generellen Versenkungsverbotes für Stahlplattformen, auf das die OSPAR-Meeresschutz-Konferenz sich 1998 im Anschluss an den Brent Spar Fall einigte. Zunehmend hat sich auch ein wirtschaftliches Interesse der Unternehmen am umweltgerechten Abbau von Industrieanlagen entwickelt: „Abandonment is one of the few ‘new markets’ to emerge in the UKCS Oil and Gas Industry, and together with future subs developments […] offers the chance to offset the job losses due to the downturn in the conventional fixed structures development markets” (Brindley 1995[28] ). Auch hier führte Druck letztlich zur Überzeugung.
Isomorphismus durch mimetische Prozesse ist geprägt durch Unsicherheiten sowohl innerhalb der Organisation als auch in der Umwelt. Nachahmung oder Kopieren kann intendiert geschehen, z.B. über Beratungsfirmen oder Wirtschaftsverbände, aber auch unbewusst durch den Transfer von Mitarbeitern, die ihre Problemlösungserfahrungen in das Unternehmen einbringen. DiMaggio/Powell (1991) stellen die These auf, dass je größer der Kundenkreis und die Zahl der Mitarbeiter einer Organisation ist, desto eher wird sie sich genötigt sehen, „to provide the programs and services offered by other organizations“ (ibid: 70), um glaubwürdig zu beweisen, dass sie an Verbesserungen interessiert ist und um so die eigene Legitimität zu erhöhen.
Normativer Druck als Mechanismus für Isomorphie ist auf eine zunehmende Professionalisierung zurückzuführen (Walgenbach 2001: 335). In Ausbildungsstätten und Universitäten, aber auch in Berufs- und Wirtschaftsverbänden werden Prozeduren, Modelle und Konzepte gelehrt, sowie eine gemeinsame Denkhaltung geschaffen, die sich in dem Maße in den Managementebenen verbreitet, wie sich die Rekrutierung von Personal aus den selben akademischen Disziplinen und Institutionen speist. Auch die Vernetzung zwischen den genannten Organisationen trägt dazu bei, dass ein Pool von nahezu „interchangeable individuals“ geschaffen wird, „who occupy similar positions across a range of organizations and possess a similarity of orientation and disposition“ (DiMaggio/Powell 1991: 71). Verstärkt wird der Homogenisierungsprozess durch die einheitliche Einstellungspraxis („filtering of personnel“) von Organisationen eines Feldes, was das Anheuern von Personal, das aus der gleichen Branche stammt, genauso beinhaltet, wie identische Anforderungs-Profile für bestimmte Positionen (ibid: 71).[29]
Das Konzept des Lesson-drawing funktioniert im Gegensatz zum institutionellen Isomorphismus nicht durch Nachahmungsprozesse, sondern durch Lernen und Anpassen des Erlernten an den eigenen Kontext. Lernen kann in unterschiedlichen Ausprägungen stattfinden und durch unterschiedliche Akteure unterstützt werden. Einfaches Lernen (Haas 1990) oder first order learning (Hall 1993) beinhalten das Einsetzen von Instrumenten zur Verwirklichung der eigenen Ziele. Second order learning bezieht sich auf das Einführen von neuen Prozessen unter mehr strategischen Gesichtspunkten. Third order learning oder bei Haas komplexes Lernen bezeichnet einen Prozess der Weiterentwicklung und Veränderung der normativen und kognitiven Ideen. Lernprozesse schaffen ein Konsenswissen und bilden eine gemeinsame Identität, die über die Diffusion von Ideen, Überzeugung und Normen zu Homogenisierungen führen kann (Stone 2001: 8f). Hier greift das Konzept auf die konstruktivistische Lerntheorie von Ernst Haas (1990) und Peter Haas (1992) zurück, die gleichfalls Lernprozesse als kausale Faktoren für die Änderung von Ideen und Normen ansehen. Manche Diffusionsforscher übernehmen die Annahme von epistemic communities (Expertenzirkel), die über die Beeinflussung staatlicher Akteure politische Entscheidungsprozesse prägen (z.B. Richard Rose 1993). Sabatier spricht stattdessen von advocacy coalitions - Akteure, “who share […] a set of basic values, causal assumptions, and problem perceptions – and who show a non trivial degree of co-ordinated activity over time”, was der Definition von epistemic communities recht nahe kommt, allerdings auch Journalisten, politische Akteure und Bürokraten mit einbezieht (Sabatier 1988: 139).
Im Vergleich zu erzwungenen Innovationen führt der Mechanismus des Lernens und der Sozialisierung eher dazu, dass die Normen auch verinnerlicht werden und Präferenzänderungen bewirken können. Garcia (2004) ist der Ansicht, dass persönlicher Einsatz von Normentrepreneurs, Überzeugung und Sozialisierung gar die wichtigsten Mechanismen für Normdiffusion und Präferenzänderung seien.
Desgleichen charakterisieren auch Finnemore/Sikkink (1998: 914) Überzeugung als die wichtigste Mission der Normentrepreneurs: „Persuasion is the process by which agent action becomes social structure, ideas become norms, and the subjective becomes the intersubjective“. Umso erstaunlicher ist es, dass Finnemore/Sikkink den Lernmechanismus in ihrem Konzept gar nicht aufgreifen. In der ersten Phase des Norm life cycle agieren Normentrepreneurs zwar mit dem Mechanismus der „persuasion“ (Finnemore/Sikkink 1998: 896ff). Die Instrumente mittels derer die Normunternehmer überzeugen können, werden jedoch reduziert auf zivilen Ungehorsam, Protest, Hungerstreiks oder soziale Ausgrenzung. Hier ist kritisch anzumerken, dass diese Aktionen in isolierter Form eher zu einem Agenda-Setting beitragen, denn direkt zur Überzeugung, wie auch die NGO-Literatur ausreichend belegt.[30] Von dieser Annahme geleitet, kommen Finnemore/Sikkink zu dem Ergebnis, dass aufgrund der hohen Kosten des Einsatzes solcher Instrumente, die Akteure nur altruistische bzw. ideologische Motivationen haben können (siehe 2.5).
Mechanismen, die in der zweiten und dritten Phase wirken, decken sich zum Teil wieder mit anderen Konzepten. Die Normkaskade wird ausgelöst durch den aktiven Prozess der Sozialisierung - mittels Lob und Tadel oder - anders ausgedrückt - Anreizen und Sanktionen (wobei hier versteckt der Zwangsmechanismus integriert wird) bringen die Staaten, die die Norm bereits adaptiert haben, andere dazu, ihnen zu folgen. Auch zivilgesellschaftliche Akteure sind hier wieder involviert und üben gesellschaftlichen Druck aus. Haben genügend Staaten die Norm adaptiert, wirkt sie konstituierend für die Identität der Beteiligten.[31] Durch die Institutionalisierung der Norm wird ihre Legitimität gefestigt, aber auch die Legitimität derer, die sie befolgen. Erreicht die Norm eine „taken-for-granted“ Qualität, ist der Prozess der Normdiffusion erfolgreich abgeschlossen. Die Norm ist internalisiert und wird, ohne hinterfragt zu werden, befolgt (z.B. wird kein westlicher Unternehmer das Verbot der Kinderarbeit infrage stellen). Der Mechanismus, der quasi automatisch zu diesem Stadium führt, ist der der Habitualisierung und fortschreitenden Institutionalisierung (Finnemore/Sikkink 1998).
In transnationalen Unternehmen finden Lernprozesse zumindest der beiden erstgenannten Ausprägungen statt, was man am Beispiel der Einführung eines Verhaltenskodexes illustrieren kann. First order learning beginnt, wenn das Unternehmen feststellt, dass es mit einem Verhaltenskodex sich abzeichnende Umsatzeinbrüche und Skandalisierungen abwenden oder mildern kann (instrumentell). Second order learning findet statt, wenn das Unternehmen durch Diskurse und Kommunikationskanäle lernt, dass es strategisch sinnvoll ist, sich um die Durchsetzung der eigenen Kodizes zu bemühen, indem man beispielsweise Monitoring Prozesse etabliert, um bei Rating-Agenturen eine Chance auf gute Bewertung zu erlangen, keine Angriffsfläche für NGOs zu bieten oder auch die eigenen Kunden zufrieden zu stellen. Third order learning wäre das Ergebnis aus einer konsequenten Durchsetzung und Institutionalisierung der in den ersten beiden Phasen erlernten Elemente. Die Weiterentwicklung und Veränderung der normativen und kognitiven Ideen wäre daran zu prüfen, ob eine Präferenzänderung zugunsten der Norm stattgefunden hat.
2.4 Die Bestimmungsfaktoren
Unter welchen Bedingungen Diffusion stattfindet, mit welcher Geschwindigkeit und wie sich der Ablauf gestaltet, unterliegt bestimmten Faktoren. In der Literatur variieren die Determinanten je nach Konzept. Wenn Diffusion als abhängige Variable, als das zu erklärende Phänomen betrachtet wird, werden häufig auch Determinanten, die die Diffusion bestimmen oder begrenzen, genannt (wie bei Policy-Transfer, Lesson-Drawing und dem Norm Life Cycle). Ist Diffusion allerdings als unabhängige Variable konzipiert, um ein anderes Phänomen zu erklären (wie das Phänomen der Konvergenz beim Isomorphismus), wird hierauf gar nicht oder weniger ausführlich eingegangen. Die Policy-Transfer Literatur bezieht auch Determinanten ein, die sich auf das nationale politische System beziehen - wie z.B. Wahlen, Parteien oder vorhandene politische Programme. Da diese für die Untersuchung von transnationalen Akteuren im Diffusionsprozess nicht relevant sind, werden sie hier ausgeschlossen.
Weitgehend übereinstimmend genannt und für diese Arbeit verwertbar, werden in der Literatur inter- bzw. transnationale Kommunikationskanäle (Stone 2003, Jörgens 2003, 2003; Mahajan/Peterson 1985: 7, Rogers 1971, Busch et al. 2004) und die Charakteristik der Innovation (Jörgens 2003, 2003; Mahajan/Peterson 1985, Dolowitz/Marsh 1996, 2000, Garcia 2004) genannt. Des Weiteren sind bestimmend die geographische Nähe (Stone 2003, Rogers 1971), die „Leader States“, bzw. die Agenten der Innovation (Stone 2003, Busch et al. 2004, Garcia 20032004), die Struktur des Problems, welches die Innovation lösen soll (Dolowitz/Marsh 1996, 2000) und die vorhandenen nationalen Kapazitäten, um die Innovation einzuführen (Gray 1973, Jörgens 2003, Rose 2001). Für Rogers (1971) und Mahajan/Peterson (1985: 7) ist das soziale System ein zusätzlicher wichtiger Faktor, was Busch et al. (2004) unter domestic factors fassen. Der zeithistorische Kontext hat laut Finnemore/Sikkink (1998) und Garcia (2004) gleichfalls einen Einfluss.
Wie weiter oben ausgeführt, gehört zu den Bedingungen, unter denen ist ein institutioneller Isomorphismus auftritt, Unsicherheit und das Verhalten externer Akteure. Beides ist aber unter die genannten Bestimmungselemente nicht zu subsumieren. Als zusätzlicher Faktor, der beides umfasst, ist demnach das Umfeld einzuführen. Rose (2001: 18) nennt die Bedingungen des Umfeldes constraints und subsumiert hierunter wirtschaftliche Faktoren und den nationalen Kontext. Da der zeithistorische Kontext auch durch das Handeln externer Akteure bestimmt wird, werden diese beiden Faktoren hier zusammengefasst.
Normentrepreneurs sind bei manchen Autoren unter Bestimmungsfaktoren (Garcia 2004, Stone 2003) zu finden, bei anderen sind sie Mechanismen der Diffusion. In dieser Arbeit werden sie unter Akteure gefasst, die sich bestimmter Mechanismen bedienen und damit zwar direkt den Erfolg oder Nichterfolg der Diffusion mitbestimmen, dennoch keine Determinanten in dem Sinne sind, dass sie vorgegebene, eingrenzende Einflussfaktoren darstellen.
Es wird häufig nach exogenen und endogenen Faktoren unterschieden. Stone trifft die Zuordnung von exogenen Faktoren bei Adaption unter Zwang und endogenen Faktoren bei einer freiwilligen Adaption (Stone 2001: 19). Auf der Untersuchungsebene des Staates hieße dies entweder inter- bzw. supranationale oder nationale Einflussfaktoren. Bei transnationalen Diffusionen bezieht sich diese Unterscheidung jedoch jenseits von Staatsgrenzen auf extraorganisationale bzw. intraorganisationale Faktoren. Weyland (2002: 2) stellt fest, dass die Staaten, die eine Innovation adaptieren, mehr Varianz als Kohärenz aufweisen und schließt daraus, dass „external factors clearly make a major contribution to policy diffusion“. Es ist jedoch schwierig, Determinanten immer trennscharf nach ihrer exogenen oder endogenen Quelle zu unterscheiden, da sie manchmal auch beides integrieren können, wie z.B. Kommunikationskanäle. Außerdem müsste noch eine dritte Kategorie hinzugefügt werden, die weder endogene noch exogene Quellen hat, sondern sich auf das Problem selbst bezieht und die Innovation bzw. Norm, mittels derer eine Verhaltensänderung hervorgerufen werden soll - sozusagen die „Inhärenz“ des ganzen Sachverhaltes.
Im Folgenden werden die in den theoretischen Konzepten auftauchenden Bestimmungsfaktoren genauer erläutert, ohne sie jedoch in die vorgenannten Kategorien einzuteilen. Da die Bestimmungsfaktoren gleichsam als Erfolgsindikatoren betrachtet werden können, werden sie in Kptl. 4.3 nochmals aufgegriffen, um die Erfolgschancen eines konkreten Beispiels abzuschätzen.
2.4.1 Die Charakteristik der Norm und des zu lösenden Problems
Eine Innovation ist jede Idee, jedes Objekt oder jedes Verfahren, das von einer Gruppe des sozialen Systems als neu wahrgenommen wird (Mahajan/Peterson 1985: 7). Entscheidend ist demnach nicht, ob die Idee objektiv gesehen neu ist, sondern ob sie als neu wahrgenommen wird: „The perceived newness of the idea for the individual determines his or her reaction to it. If the idea seems new to the individual, it is an innovation“ (Rogers 1995: 11). Wie bereits erwähnt, interessieren in dieser Arbeit nur Innovationen, die normative Standards setzen oder erfüllen.
Ein Faktor für die Übernahme der Innovation bzw. Norm ist ihre inhärente Beschaffenheit. Sie muss deutliche Vorteile gegenüber dem Status quo haben, gut sichtbare Veränderungen bringen und sollte trotzdem möglichst einfach strukturiert, klar und präzise formuliert sein (Kern 2000: 257, Finnemore/Sikkink 1998: 906f). Des Weiteren hätten universalistische Normen eher Chancen zu diffundieren als partikulare, von denen nur ein Teil aller Menschen profitieren kann (Garcia 2004). Normen, die die körperliche Unversehrtheit von Unschuldigen bzw. Nichtverursachern betreffen, haben zusätzlich ein hohes Diffusionspotential - “research has shown that norms that are directly connected to prohibiting bodily harm to innocent bystanders are extremely powerful in mobilizing transnational support“ (ibid: 25). So hat z.B. die Norm des Verbotes von Landminen einen lebenserhaltenden und damit direkt sichtbaren Effekt, ist klar und einfach strukturiert und ist somit auf breiter Basis anerkannt. Bei diesem Beispiel wird deutlich, dass moralische und emotionale Faktoren bei der Verbreitung von gemeinwohlorientierten Normen eine wichtige Rolle spielen (so auch Nadelmann 1990). Allerdings dürfen auch ökonomische oder politische Gewinne nicht außer Acht gelassen werden (siehe Kpt. 2.5 bzgl. der Motivationen).
Der Inhalt der Norm hängt selbstverständlich auch mit der Charakteristik des zu lösenden Problems zusammen. Je sichtbarer dies ist und je unmittelbarer die Wirkung des Problems auf das soziale System ist und eine Lösung als dringend empfunden wird, desto schneller wird eine Norm oder Innovation übernommen werden (Jörgens 2003: 11, Dolowitz/Marsh 1996).
[...]
[1] P. Dicken definiert TNCs als „ a firm which has the power to co-ordinate and control operations in more than one country, even if it does not own them“ (Dicken 1998: Global Shift. Transforming the World Economy. 3. Auflage. New York, London, 177).
[2] Levi Strauss war das erste transnationale Unternehmen, das sich 1991 mit seinen „Business Partner Terms of Engagement“ eigene Verhaltenskodizes setzte. Siehe auch www.levistrauss.com/responsibility/condcut/guidelines.htm.
[3] Ursprünglich waren die OECD-Leitsätze verabschiedet worden, um „hard-law“ zu verhindern.
[4] Der Global Compact beinhaltet 10 Prinzipien, die grundlegende Normen in den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Arbeitsrechte und Korruption definieren. Die teilnehmenden Unternehmen werden ersucht, mindestens einmal jährlich auf der Website des Global Compact einen Bericht zu veröffentlichen, der über die von ihnen ergriffenen konkreten Maßnahmen zur Verwirklichung der zehn Prinzipien im eigenen Unternehmen und die daraus resultierenden Lernerfolge berichtet. Außerdem wird erwartet, dass die Unternehmen sich in Partnerschaftsprojekten und Gesprächsrunden beteiligen. Mitglieder des GC sind auch Nichtregierungsorganisationen (http://www.unglobalcompact.org/Portal/Default.asp?).
[5] www.europa-web.de/europa/03euinf/48ARBEIT/gruenbuc.htm
[6] UN Dokument A/Conf.199/20
[7] Bei Multistakeholder-Initiativen sind die teilnehmenden Mitgliedern i.d.R. staatliche Vertreter, Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsunternehmen oder -verbände.
[8] Es gibt in der Literatur differierende Bezeichnungen für diese Akteure. Rogers (1971, auch Ellickson 1999) nennt Akteure, die sich zugunsten einer Innovation engagieren, change agents, Tews (2002) dagegen nennt sie agents of transfer. Ähnlich spricht Diane Stone (2004) von transfer agents, bei Mintron sind es policy-entrepreneurs und bei Finnemore/Sikkink norm entrepreneurs. Nadelmann (1990) spricht sogar von transnational moral entrepreneurs. In dieser Arbeit ist es am treffendsten, von Normentrepreneurs oder Normunternehmern zu sprechen, entsprechend dem Transfergegenstand.
[9] Rogers (1971: 2ff) gibt das Beispiel eines peruanischen Dorfes, wo die Innovation des Wasserkochens (um Krankheiten vorzubeugen) scheiterte. Gründe hierfür waren zum einen soziokulturelle Normen, wie z.B. die Verbindung der Eigenschaft „heiß“ mit Krankheit, die gekochtes Wasser nur für Kranke erlaubt; zum anderen versäumte der Normentrepreneur, die Personen mit dem höchsten Status im Dorf zu überzeugen.
[10] Press Release SG/SM/6448 vom 31.12.1998, zitiert aus Wolf (2003: 226).
[11] Nach der Definition von Keohane und Nye ist eine Beziehung immer dann transnational, wenn sie über nationale Staatsgrenzen hinausgeht und mindestens ein nichtstaatlicher Akteur darin involviert ist (Keohane/Nye, 1971: xii-xvi).
[12] Während Ideen individuellen Ursprung haben - "beliefs held by individuals" (Goldstein/Keohane 1993: 3) - sind Normen „intersubjektiv geteilte, wertegestützte Erwartungen angemessenen Verhaltens“ (Boekle/Rittberger/Wagner 1998: 3) - also sozialer Natur.
[13] Hierzu gehören z.B. die UN-Charta (Mitgliedschaftspflicht sämtlicher 194 UN-Mitglieder), die Universelle Menschenrechtscharta (151 Staaten), im Umweltbereich die Deklaration von Stockholm 1972 (112 Staaten) und die Agenda 21, verabschiedet auf dem sog. Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 (178 Staaten).
[14] „Unternehmen als Normunternehmer? Grenzen und Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Selbstregulierung im Rahmen von Global Governance“, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinde (DFG). Vgl. auch Wolf 2005.
[15] Epistemic Communities sind Experten auf einem Fachgebiet aus unterschiedlichen Disziplinen und Nationen, die über ähnliche Überzeugungen, Werte, Annahmen über kausale Zusammenhänge und gemeinsame Bewertungsmaßstäbe zur Beurteilung konkreter Sachverhalte verfügen. Durch bessere Informationen, Lernen und Überzeugung ist es wahrscheinlich, dass in den Staaten, aus denen die Experten kommen, sich ähnliche Meinungen bilden und eine Präferenzänderung der Staaten möglich ist. Epistemic communities tragen also zu Konsenswissen, Präferenzänderung und Agenda-Setting bei (Haas 1992).
[16] Begriff für einen Zusammenschluss von NGOs, die sich für einen bestimmten Bereich von Gemeinwohl einsetzen (z.b. Menschenrechte, Frieden, Umwelt oder Frauenrechte). Sie zeichnen sich durch eine freiwillige und horizontale Kommunikation, gemeinsame Werte und einen gemeinsamen Diskurs aus (Keck/Sikkink 1998).
[17] Ein umfassender Überblick über die sozialwissenschaftliche Forschung zur Innovationsdiffusion findet sich bei Rogers (1971, 1995).
[18] Vgl. Orenstein 2004.
[19] Capacity Building meint die Unterstützung und Förderung der Wissensgrundlagen von Individuen, Organisationen, Staaten oder Gesellschaften, derer es bedarf, um Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Der Begriff wird vorwiegend in den Bereichen Umwelt, Handel und Entwicklung im Nachhaltigkeitskontext verwendet.
[20] Die Angabe der theoretischen Konzepte hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Auswahl wurde bezüglich der Relevanz für die Fragestellung getroffen. Weitere Konzepte, die hier nicht beschrieben werden und einen Transfer auf freiwilliger Basis bezeichnen, sind u.a. policy band-wagoning (Ikenberry, 1990), policy borrowing (Cox, 1999), policy shopping (Freeman, 1999) und systematically pinching ideas (Schneider/Ingram 1988) (vgl. auch Stone 2003).
[21] Da die Policy-Transfer Forschung, die sich erst Anfang der 90er Jahre entwickelte, aus der Diffusionsforschung hervorgegangen ist und zwar an einer anderen Analyseebene ansetzt, aber dennoch das selbe Phänomen untersucht – nämlich die Übernahme einer Innovation (seien es Politikinstrumente, Institutionen oder Programme), die von anderen Akteuren entwickelt wurde - wird für die vorliegende Arbeit der Begriff der Diffusionsforschung übergreifend beibehalten, das Konzept der Policy-Transfer Forschung aber in die Theoriebildung integriert werden.
[22] Die folgenden Ausführungen sind, soweit nicht anders gekennzeichnet, aus Finnemore/Sikkink 1998.
[23] Diese Zahl für die Definition der kritischen Masse erscheint jedoch recht willkürlich und ist empirisch nicht gesichert. Finnemore/Sikkink berufen sich auf die Tatsache, dass internationale Verträge häufig eine Klausel beinhalten, dass sie in Kraft treten, nachdem 1/3 der beteiligten Staaten sie ratifiziert hat. Allerdings konzedieren sie auch, dass es eine Rolle spielt, welche Staaten die Norm adaptieren, da sie unterschiedliches „normatives Gewicht“ haben, was sich sowohl darauf bezieht, welche Beziehung sie zu der Norm haben (sind sie Betroffene?), als auch auf ihren Status innerhalb der Staatengemeinschaft.
[24] Eine S-förmige Ausbreitung zeigt sich bei einer kumulativen Abbildung. Bei einer Abbildung der Übernahme pro Jahr ergibt sich eine glockenförmige Kurve (vgl. Rogers 1971).
[25] Di Maggio und Powell sprechen von zwei Typen eines Isomorphismus: dem institutionellen und dem konkurrenzbetonten. Letzterer ist hier nicht von Bedeutung, da er Organisationen unter der Bedingung einer freien und offenen Marktwirtschaft untersucht und ihren Blickwinkel nicht auf andere Akteure erweitert. „Given certain environmental conditions that a population of organizations needs to face, open and competitive markets will favour the emergence and diffusion of the most rational and efficient solutions to environmental challenges” (Radaelli 1997).
[26] In 2.3 werden die Mechanismen im Einzelnen beschrieben.
[27] Keine Seitenangabe möglich, da Internetquelle.
[28] Keine Seitenangabe möglich, da Internetquelle.
[29] Die Liste der Isomorphie unterstützenden Kräfte kann ausgedehnt werden auf Rhetorikkurse, Manager- und Führungsseminare, brancheninterne Stellenausschreibungen und Schulungen, die von Verbänden und Netzwerken angeboten werden.
[30] Z.B. Arts, Bas 1998: The Political Influence of Global NGOs. Case Studies on the Climate and Bioversity Conventions, Utrecht.
[31] Ein sozialkonstruktivistisches Argument, das besagt, dass Akteur und Struktur sich gegenseitig konstituieren (Wendt 1987).
- Arbeit zitieren
- Beate Bernstein (Autor:in), 2005, Normdiffusion durch transnationale Unternehmen? Möglichkeiten und Grenzen privatwirtschaftlicher Normentrepreneurs am Beispiel der BASF, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46032
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