Die Geschichte des Pygmalion aus den "Metamorphosen" von Publius Ovidius Naso (im Folgenden: Ovid) und Mary Shelleys "Frankenstein: Oder der moderne Prometheus" trennen zwar fast 1800 Jahre, aber trotzdem behandeln sie dasselbe Thema: Die Erschaffung eines künstlichen Menschen, der durch wundersame Geschehnisse zum Leben erweckt wird. Das Thema selbst ist schon bei Ovid nicht neu (vgl. z.B. Hephaistos- oder Prometheus-Mythos), verweist es doch auf den Glauben der Menschheit an eine höhere Instanz, die in der Lage ist, Lebewesen zu erschaffen (und wieder zu vernichten.) Verschiedene Religionen und Theoretiker nahmen und nehmen als selbstverständlich an, dass der Mensch auf einen göttlichen oder gottähnlichen Schöpfer zurückzuführen ist. In diese Deutungstradition reihen sich nicht nur Ovid, sondern auch Heinrich Cornelius Agrippa, Paracelsus, Albertus Magnus, Jacques de Vaucansons, Julien Offray de La Mettrie, Mary Shelley und viele andere ein.
Trotz der gemeinsamen Voraussetzungen, die die Schöpfer Pygmalion und Frankenstein teilen, soll diese Arbeit auf die Unterschiede zwischen ihnen hinweisen. Es soll dargestellt werden, wie sich aus dem positiven Pygmalion-Mythos der gegensätzliche, negative Frankenstein-Roman entwickelt hat und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die im Fokus dieser Arbeit stehende Kunst der Aufklärung hatte. Dabei wird vor allem die These verfolgt, nach der Pygmalion und Frankenstein als antagonistische Konzeptionen angesehen werden können, da eine Umdeutung vom Positiven (Liebe und Zeugung) zum Negativen (Hass und Zerstörung) stattgefunden hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Genese des Pygmalion-Mythos
- Pygmalion bei Ovid
- Pygmalion in der Aufklärung
- Die Entmythisierung des Pygmalion-Mythos
- Die Transformation des Pygmalion-Mythos in das Zeitverständnis der Aufklärung
- Pygmalion in der Kunst der Aufklärung
- Jean Raoux: Pygmalion (1717)
- François Lemoyne: Pygmalion (1729)
- Étienne-Maurice Falconet: Un groupe de marbre, représentant Pygmalion aux pieds de sa statue, à l'instant où elle s' anime (1763)
- Louis-Jean-François Lagrenée: Pygmalion, dont Vénus anime la statue (1777); Pygmalion (1781)
- Pygmalion in der Literatur der Aufklärung
- Einflüsse auf die Entstehung von „Frankenstein: Oder der moderne Prometheus“
- Literatur und Schauerromantik
- Der Galvanismus
- Die Umkehrung des Pygmalion-Mythos in „Frankenstein“
- Liebe und Hass als Leitmotive
- Die autonom gewordene Schöpfergestalt
- Beziehung der zum Leben erweckten Figuren zu ihren Schöpfern
- Rezeption von „Frankenstein“ in der Kunst
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung des Pygmalion-Mythos und seiner Umdeutung im Roman "Frankenstein: Oder der moderne Prometheus" von Mary Shelley. Es wird analysiert, wie sich aus der positiv besetzten Figur des Pygmalion, die in Ovids "Metamorphosen" eine lebensbejahende und liebevolle Schöpfung vollzieht, die antagonistische Figur des Frankenstein entwickelt hat, die durch ihre Schöpfung Angst und Zerstörung verursacht. Die Arbeit untersucht die Auswirkungen dieser Entwicklung auf die Kunst der Aufklärung und beleuchtet die wichtigen Themen der Schöpfung, der Macht und Verantwortung des Menschen sowie der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf.
- Die Genese des Pygmalion-Mythos von der Antike bis zur Aufklärung
- Die Entmythisierung und Transformation des Pygmalion-Mythos im 18. Jahrhundert
- Die Umdeutung des Pygmalion-Motivs in Mary Shelleys "Frankenstein: Oder der moderne Prometheus"
- Die Bedeutung der Liebe und des Hasses als Leitmotive in beiden Werken
- Die Rezeption des Frankenstein-Motivs in der Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Vergleich zwischen Ovids "Metamorphosen" und Mary Shelleys "Frankenstein" her und zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Texten auf. Sie hebt die Bedeutung des Themas der künstlichen Menschenschöpfung in beiden Werken hervor und führt in die Fragestellung der Arbeit ein, die sich mit der Entwicklung des Pygmalion-Mythos vom Positiven zum Negativen auseinandersetzt.
Die Genese des Pygmalion-Mythos
Dieses Kapitel beleuchtet die Entstehung des Pygmalion-Mythos in Ovids "Metamorphosen" und dessen Rezeption in der Aufklärung. Es wird die positive Interpretation des Mythos als Ausdruck der Liebe und des Schöpfungswillens herausgestellt. Zudem wird die Entmythisierung und Transformation des Mythos im Kontext der Aufklärung behandelt, die den Fokus auf die Natur des Menschen und seine Erziehung lenkte.
Einflüsse auf die Entstehung von „Frankenstein: Oder der moderne Prometheus“
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den Einflüssen, die zur Entstehung von Shelleys "Frankenstein" beitrugen. Es werden die literarischen und wissenschaftlichen Strömungen der Zeit beleuchtet, insbesondere die Schauerromantik und der Galvanismus. Diese Einflüsse prägten die Atmosphäre des Romans und trugen zur Entstehung der zentralen Figuren und Themen bei.
Die Umkehrung des Pygmalion-Mythos in „Frankenstein“
Dieses Kapitel analysiert, wie sich der Pygmalion-Mythos in Mary Shelleys "Frankenstein" umkehrt. Es wird gezeigt, wie der Frankenstein-Roman die Liebe und die Hoffnung auf ein harmonisches Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf in Hass und Zerstörung verwandelt. Die autonom gewordene Schöpfergestalt Frankenstein und ihre ambivalente Beziehung zu ihrem Geschöpf werden im Detail betrachtet.
Schlüsselwörter
Schlüsselwörter der Arbeit sind: Pygmalion-Mythos, Frankenstein, Aufklärung, künstliche Menschenschöpfung, Schöpfer, Geschöpf, Liebe, Hass, Entmythisierung, Transformation, Schauerromantik, Galvanismus.
- Quote paper
- Stephanie Keunecke (Author), 2014, Pygmalion und Frankenstein. Als antagonistische Konzeptionen desselben Mythos, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/459968