Der Fokus dieser Arbeit liegt darauf, wie Männlichkeiten in fiktionalen Fernsehformaten konstruiert werden. TV-Serien haben mittlerweile vor allem im US-Markt riesige Budgets, locken renommierte und etablierte SchauspielerInnen und FilmemacherInnen und haben durch ihre Lauflänge von bis zu 60 Minuten pro Folge einen Spielraum für die Entwicklung der Charaktere und Storylines, der Spielfilmen verweigert wird. Außerdem haben TV-Serien mittlerweile eingeschworene Fangemeinden, die mit großen Hollywood-Produktionen mithalten können und einen riesigen Einfluss auf die (Pop)kultur. Der Hype um viele TV-Sendungen wird auf Social-Media-Kanälen weiter ausgelebt und verstärkt.
Eine TV-Serie, die in den letzten Jahren unbestritten als Highlight des Quality-TV gefeiert wurde, ist „True Detective“ (Pizzolatto, 2014). Das TV-Krimidrama sicherte sich schnell Lob. Besonders die erste Staffel von „True Detective“ wurde nach ihrer Ausstrahlung von Kritikern und Publikum für Plot, Drehbuch und die schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Woody Harrelson gefeiert. Sie wurde unter anderem mit einem Primetime Emmy Award ausgezeichnet und sowie Matthew McConaughey als auch Woody Harrelson waren bei den Golden Globe Awards in der Kategorie „Best Actor – Miniseries or Television Film“ nominiert. Trotz des Erfolgs taten sich viele Kritiker und Kritikerinnen schwer mit der Serie in Hinblick auf ihren Umgang mit Männlichkeit und der Darstellung weiblicher Charaktere (wie etwa Emily Nussbaum von dem New Yorker). Die männlichen Protagonisten Rustin „Rust“ Cohle (Matthew McConaughey) und Martin „Marty“ Hart (Woody Harrelson), die im ländlichen Louisiana den Mord an einer Prostituierten ermitteln, stehen im Fokus der Erzählung. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Staffel bildet das Konzept der Männlichkeit ein Schlüsselmotiv. Aus der Dichotomie der Serie als ein auf der einen Seite von der Kritik gefeiertes (zahlreiche Award-Nominierungen, IMDb-Rating von 9,1/10, große Fangemeinde) und auf der anderen Seite für seine Männlichkeitsrepräsentation gerügtes Fernsehformat entspringt das Forschungsinteresse dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Men's
2.1 Entwicklung, Fokus und Stand der Miinnerforschung
2.2Exkurs:Der weiBe Heteromann als Angriffsfliiche
3 Mannlichkeit(en) theoretisieren: Entscheidende Konzepte
3.1 Miinnlichkeit " Weiblichkeit
3.2 Miinnlichkeit" Miinnlichkeit
3.3 MiinnlichkeMit acht
4 Zwischenfazit Mannlichkeit(en)
5 Die mediale Konstruktion von Mannlichkeit(en)
5.1 Gender Media Studies
5.2 Konstruierte Miinnlichkeiten im Fokus der Forschung
5.3 Miinnlichkeitskonstruktionen und die Rolle der populiiren Medien
5.4 ,The male-centered serial" (Lotz, 2014)
6 Untersuchungsgegenstand
6.1 ,True Detective" (2014, Pizzolatto)
6.2 Das Polizei- und Krimidrama als maskulines Genre
7MethodischesVorgeheno
8 Analyse ,True Detective" (Pizzolatto, 2014)
8.1 Staffell (2014)
8.2 Staffel 2 (2015)
8.3 AbschlieBender Vergleich
9.Fazit
10 Quellenverzeichnis
Anhang
I. Transkriptionssystem
II. Einstellungsprotokolle
III. Screenshots
1. Einleitung
Am 18. Oktober diesen Jahres wurde auf allen wichtigen Social-Media-Kaniilen ein Video von einem jungen Mann namens Crispin Booker in einer New Yorker U-Bahn geteilt. Auf die Frage eines anderen Mitfahrers, wer im Zug etwas zu feiern hiitte, antwortet Booker (2016): ,Just about a month ago, I'd be considered a scary guy with a hoodie: black, beard. But just a month ago on Netflix, Luke Cagemade it cool!" Nach ersten ermutigendem Jubel der anderen Menschen urn ihn herum erziihlt er weiter von seiner Arbeit fiir einen Hedge-Fonds in Manhattan und verkiindet letztendlich, er sei ,that new face of the black, tall, dark fellow in a hoodie". Booker bezieht sich auf die Netflix-Serie ,Luke Cage" (Cheo Hodari Coker, 2016), die die Geschichte des schwarzen Marvel-Superhelden Luke Cage (Mike Colter), der iibermenschliche Kriifte besitzt und Verbrechen in New York bekiimpft, erziihlt. Das Video zeigt die kulturelle Macht des Medium Fernsehens. Charaktere in TV-Serien sind eine Orientierungshilfe dafiir, wer wir uns selbst und andere wahrnehmen, wer wir sein wollen und glauben sein zu kiinnen. Im Fall von ,Luke Cage", ist das ein Superheld in einem Hoodie, der schwarzer Miinnlichkeit ein neues Gesicht und einen neuen Referenzpunkt gibt. Miinnlichkeiten bzw. unsere Vorstellungen davon werden medial ausgehandelt. Dabei sind es vor allem populiire TV-Serien, die Reprilsentationen von Weiblichkeit und Miinnlichkeit auf spezifische Art und Weise herstellen.
Milestone & Meyer isolieren das Fernsehen seit den 1970er Jahren als das beliebteste kulturelle Medium (2012, S. 135) auf Grund der Vielfalt und Qualitiit der TV Programme, die den Zuschauerinnen und Zuschauern zur Auswahl stehen. Seit dem Anfang des 21. Jahrhunderts wird das ,Golden Age of Television" postuliert. Hierbei hat vor allem der US- Fernsehprogrammanbieter HBO (Home Box Office), der mit dem Slogan ,It's NOT TV, it's HBO" wirbt, eine wichtige Rolle gespielt. HBO Produktionen wie die TV- Serien ,The Sopranos" (David Chase, 1999-2007) oder ,The Wire" (David Simon, 2002-2008) gelten als Paradebeispiele des ,Quality Television". Wie Janet McCabe und Kim Akass schreiben: ,Subscription-based cable networks arrived without the burden of advertising pressure, viewers subscribed based on the quality of programming. This simple notion changed the television landscape forever, suddenly 'quality' drama had a home again (...)" (2007, S. 106). Die Popularitiit und Bedeutung des Mediums hat in den letzten zwei Jahrzehnten weiter durch neue technologische Entwicklungen zugenommen, die das Medium Fernsehen immer flexibler fiir Rezipientinnen und Rezipienten gestalten (Milestone & Meyer, 2012, S. 135). Hinzu kommt, class aktuelle Video-Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime, Apple iTunes oder Watchever das Fernsehen weiter umgestalten und revolutionieren. ,Content is king" und die Auswahl an priimierten und qualitativ aufwiindig produzierten TV-Serien ist griiBer dennje, vor allem auf dem US-Markt.
Unter anderem aus diesen GrUnden liegt der Fokus dieser Arbeit liegt darauf, w1e Miinnlichkeiten in fiktionalen Fernsehformaten konstruiert werden. TV-Serien haben mittlerweile vor allem im US-Markt riesige Budgets, Iocken renommierte und etablierte Schauspielerlnnen und Filmemacherlnnen und haben durch ihre Laufliinge von his zu 60 Minuten pro Folge einen Spielraum fiir die Entwicklung der Charaktere und Storylines, der Spielfilmen verweigert wird. AuBerdem haben TV-Serien mittlerweile eingeschworene Fangemeinden, die mit groBen Hollywood-Produktionen mithalten kiinnen und einen riesigen Einfluss auf die (Pop)kultur. Der Hype urn viele TV Sendungen wird auf Social-Media-Kaniilen weiter ausgelebt und verstiirkt.
Eine TV-Serie, die in den letzten Jahren unbestritten als Highlight des Quality-TV gefeiert wurde, ist ,True Detective" (Pizzolatto, 2014). Das TV-Krimidrama sicherte sich schnell Lob. Besonders die erste Staffel von ,True Detective" wurde nach ihrer Ausstrahlung von Kritikern und Publikum fiir Plot, Drehbuch und die schauspielerischen Leistungen der Hauptdarsteller Matthew McConaughey und Woody Harrelson gefeiert. Sie wurde unter anderem mit einem Primetime Emmy Award ausgezeichnet und sowie Matthew McConaughey als auch Woody Harrelson waren bei den Golden Globe Awards in der Kategorie ,Best Actor - Miniseries or Television Film" nominiert. Trotz des Erfolgs taten sich viele Kritiker und Kritikerinnen schwer mit der Serie in Hinblick auf ihren Umgang mit Miinnlichkeit und der Darstellung weiblicher Charaktere (wie etwa Emily Nussbaum von dem New Yorker). Die miinnlichen Protagonisten Rustin ,Rust" Cohle (Matthew McConaughey) und Martin ,Marty" Hart (Woody Harrelson), die im liindlichen Louisiana den Mord an einer Prostituierten ermitteln, stehen im Fokus der Erziihlung. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Staffel bildet das Konzept der Miinnlichkeit ein Schliisselmotiv. Aus der Dichotomie der Serie als ein auf der einen Seite von der Kritik gefeiertes (zahlreiche Award-Nominierungen, IMDb-Rating von 9,1110, groBe Fangemeinde) und auf der anderen Seite fiir seine Miinnlichkeitsreprilsentation geriigtes Fernsehformat entspringt das Forschungsinteresse dieser Arheit. ,True Detective" wurde zwar in (Online )Zeitschriften, auf (Film-)Blogs und von Fans auf Social-Media-Kaniilen analysiert, allerdings steht eine ausfiihrliche akademische Auseinandersetzung mit der Darstellung von Miinnlichkeit in der Serie auf Grund ihrer relativen Neuheit noch aus. 2015 wurde die zweite Staffel der Anthologieserie mit einer komplett neuen Storyline sowie einer neuen hochkariitigen, wieder iiherwiegend miinnlichen Besetzung ausgestrahlt. Auch diese Staffel folgt einer iihnlichen Forme! wie der Vorgiinger und stellt gequiilte, miinnliche Charaktere in den Mittelpunkt. Da es sich hei ,True Detective" urn eine Anthologieserie handelt und die hisher ausgestrahlten Staffeln als voneinander losgeliiste Entitiiten hehandelt werden kiinnen, hietet sich eine komparative Untersuchung hier an. Ziel ist es dahei, die mediale Darstellung von Miinnlichkeit in ,True Detective" genau zu ergriinden. Angeregt durch die Kritik, auf die ich aher nicht genauer eingehen will, miichte ich erforschen, inwiefern ,True Detective" veraltete Miinnlichkeitshilder her- und in Frage stellt. Interessant ist hierhei auch, wie sich die heiden Staffeln in ihrer Inszenierung unterscheiden hzw. welche Gemeinsarnkeiten in Hinhlick auf die prilsentierten Miinnlichkeitshilder finden lassen. Die zielfiihrende Leitfrage lautet hierhei:
Wie wird Mannlichkeit in ,True Detective" (Pizzolatto, 2014) inszeniert?
Forschungsfragen, die im Zuge emer qualitativen Film- und Fernsehanalyse nach Keppler (2006) heantwortet werden solien, sind folgende:
- Inwiefern werden konventionelle Miinnlichkeitshilder m ,True Detective" restituiert und prohlematisiert?
- Zeichnet sich in den heiden Staffeln ein dominantes Miinnlichkeitshild ah?
- Welche Konflikte stellen sich den (miinnlichen) Hauptcharakteren?
- Priisentiert die Serie plurale oder stereotypisierte Formen von Miinnlichkeiten?
- Wie verhiilt es sich mit der Reprilsentation weihlicher Charaktere?
- Wie wird Weihlichkeit im Vergleich zu Miinnlichkeit definiert und positioniert?
- Fiirdert die Serie die Ordnung der hegemonialen Miinnlichkeit oder stellt sie diese in Frage?
Diese Arbeit ist w1e folgt gegliedert: die Kapitel 2-5 erliiutern die theoretischen Grundlagen der Arbeit. Der theoretische Teil liisst sich wiederum in zwei Teile teilen: der erste Teil (Kapitel 2 und 3) befasst sich allgemein mit dem Konzept der Miinnlichkeit und legt den theoretischen Grundstein. Neben entscheidenden Entwicklungen in der Miinnerforschung (Men's Studies) wird Miinnlichkeit als kulturelles Konstrukt beleuchtet und relevante Theorien wie die Performativitiit von Gender sowie das Konzept der hegemonialen Miinnlichkeit (Connell, 1995) eriirtert. Der zweite Teil fokussiert- nach einem Zwischenfazit zum Thema Miinnlichkeit(en) (Kapitel 4) - die mediale Konstruktion und Reprilsentation von Miinnlichkeit (Kapitel 5). Das 6. Kapitel (Untersuchungsgegenstand) sowie das 7. Kapitel (Methodisches Vorgehen) dienen als Vorbereitung fur den Kern der Arbeit: die qualitative Analyse der Miinnlichkeitskonstruktion in den ersten heiden Staffeln von ,True Detective" sowie ein Vergleich und Reflexion der Ergebnisse (Kapitel 8). Zum Abschluss folgt in Kapitel 9 das Fazit und am Ende steht das Quellenverzeichnis (Kapitel I 0). Der beigefugte Anhang beinhaltet die verwendeten methodischen Hilfsmittel fur die Analyse: das Transkriptionssystem und die darauf basierenden Einstellungsprotokolle sowie die besprochenen Screenshots.
2. Men's Studies
Bevor sich eine fundierte Analyse medial inszenierter Miinnlichkeitsbilder durchfuhren liisst, gilt es sich dem Fokus dieser wissenschaftlichen Arbeit Stuck fur Stuck auf theoretischer Ebene anzuniihern. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem umfassenden Thema der Miinnlichkeit(en), ein komplexes und nicht trennscharfes Konzept, kommt dabei urn die Beleuchtung der Men's Studies nicht herum. Ziel dieses Kapitels ist es, die relevanten Aspekte der Entwicklung der Men's Studies aufzuzeigen. Da es sich hierbei - wie bereits angedeutet - urn ein breites, interdiszipliniires Themenfeld handelt, kiinnen aus GrUnden der Verstiindlichkeit sowie dem Volumen dieser Arbeit nicht aile relevanten Bewegungen, Konzepte, Autoren sowie Autorinnen etc. beriicksichtigt werden.
2.1 Entwicklung. Fokus und Stand der Miinnerforschung
Bei den Men's Studies - im englischsprachigen Raum auch (The) New Men's Studies oder einfach Gender Studies, im deutschen Miinnerforschung, Miinnlichkeitsforschung oder Geschlechterforschung (vgl. Walter, 2006, S. 91)- handelt es sich erstmal urn eine ,Vielzahl von hiichst unterschiedlichen Ansiitzen und Definitionen" (ebd.). Die SozioIogie der Miinnlichkeit(en) ist dabei eine recht kiirzliche Entwicklung (White & Barrett, 2001, S. 2). Wiihrend sich feministische Theorien ins 18. Jahrhundert zuriickverfolgen lassen (ebd.), haben sich die ersten Miinnerstudien in den USA ,ab Mitte der 70er Jahre in Auseinandersetzung mit der feministischen Theoriebildung, den entstehendenGay Studiesund mit derGeschlechterrollentheorie"(Walter, 2006, S. 91) entwickelt. Die USA spielen bei der Entwicklung der Men's Studies als interdiszipliniire Wissenschaft eine entscheidende Rolle: ,the USA has proved to be an especially fertile ground for research into men(...)" (Whitehead & Barrett, 2001, S. 2). Die Entwicklung der Men's Studies fand nicht als Gegenreaktion auf die politische Arbeit der Frauenbefreiungsbewegung statt, sondern ist vie!mehr aus dieser entstanden: ,The study of men and masculinities has its roots in second wave feminism and its twin manifestations in theory and activism" (Spieler, 2015, S. 21). Die friihe feministische Frauenforschung war ,stark diszipliniir gebunden: Es ging darum, innerhalb des jeweiligen Faches die blinden Flecken aufzudecken, d.h. die Lebensrealitiit von Frauen, ihr Sprachverhalten oder ihre Leistungen als Literatinnen, Filmemacherinnen oder Kiinstlerinnen sichtbar zu machen" (Bohle & Brusberg-Kiermeier, 2015, viii). Ziel der Forschung war anfangs ,die Emanzipation von patriarchal geprilgten Weiblichkeitsbildern sowie die Sichtbarmachung und Wiirdigung weiblicher Vorbilder" (ebd., x). Die feministische Forschung wurde jedoch bald dafiir kritisiert, ,class so eine verstandene Emanzipation lediglich weiBe, heterosexuelle Mittelschichtsfrauen erfasse. Vor diesem Hintergrund iiffnete sich die Frauenforschung in zweifacher Hinsicht" (ebd., xi):
Zum einen wurden Frauen nicht mehr als ,das andere Geschlecht", d.h. als Abweichung von einer als Norm gesetzten Miinnlichkeit aufgefasst sondern auch Manner bzw. Miinnlichkeit(en) riickten zunehmend in den Fokus. Zum anderen wurde Geschlecht im Zusammenspiel mit anderen Differenzkategorien wie Ethnie, Klasse und Sexualitiit untersucht. Damit einher geht eine Verschiebung von der diszipliniir verankerten Frauen- und Geschlechterforschung zu den interdiszipliniiren, stark kulturwissenschaftlich geprilgten Gender Studies. (ebd.) Angeregt durch die Weiterentwicklung der Frauenforschung riickten also zunehmend auch Manner und Mannlichkeiten explizit in den Fokus der Forschung und soziologischen Theorie (vgl. Hearn & Morgan, 1990, S. 6), womit die ,relative invisibility of men" (ebd.) endete. Catano und Novak fassen die Problematik passend zusammen: ,being the focus of attention and being the subject of analysis, being the assumed the content and being the object of interpretation are not the same thing" (2011, S. 1). Die mannliche Prasenz war zwar durchgehend dominant im akademischen Umfeld (und weit dariiber hinaus), dennoch wurden Mannlichkeiten nie analytisch und kritisch hinterfragt, sondern das Mannliche blieb als ,die Norm" mehr oder weniger unangetastet. Mit diesem Umstand wollten die Men's Studies brechen. Whitehead und Barrett beschreiben den Feminismus als den einflussreichsten politischen Diskurs des 20. Jahrhunderts, dessen Bedeutung im 21. Jahrhundert nur zunimmt und nennen eine Neuorientierung im Nachdenken iiber Manner und Mannlichkeiten - die sich auch in den Men's Studies widerspiegelt - als eine direkte Folge dessen: ,it can only be good that men recognize they have a gender, rather than perceive gender to be about women (...)" (2001, S. 3-4). Craig hierzu: ,Men's studies is clearly the offspring of not only feminist theory, but also the social awareness brought on by the women's movement. As a result, men's studies is largely pro-feminist in it approach" (S. 2, 1992).
Im Zuge des radikalisierten Feminismus der 1970er Jahre zeigte sich dann letztendlich eine ,emergence of critical masculinities studies" (Roberts, 2014, S. 2) und in der Frauenforschung entwickelte Werkzeuge zur Analyse wurden kritisch und reflektiert auf mannliche Entitaten angewendet. Das Interesse an ,der Kategorie ,Miinnlichkeit'" (Fenske, 2012, S. 11) wurde immer starker:
Sowohl in Deutschland als auch in den USA erschienen schon in den 1970er Jahren einzelne kritische wissenschaftliche Pionierarbeiten, die dem Bereich der Miinnerstudieren zuzuordnen sind: Fiir Deutschland sind dieMannerphantasien(1977) von Klaus Theweleit als maBgeblich zu nennen, fiir die USA das von Pleck/Swayer herausgegebene BuchMen and Masculinity(1974). (ebd.)
Neben Plecks und Sawyers Men und Masculinity (1974) gehiirte hier auch das
Berkeley's Men Center Manifesto (1973) zu der ersten Welle der kritischen Miinnerstudien (vgl. Poole, 2012, S. 8). Zu weiteren wichtigen Werken der Men's Studies, die in den 1980er und 1990er Jahren erschienen sind, gehiiren: Michael KimmelsChanging Men(1987), Michael KaufmansBeyond Patriarchy(1987), Lynne SegalsChanging Men(1990), Kaja SilvermansMale Subjectivity at the Margins(1992) oder Steve CraigsMen, Masculinity, and the Media(1992) (ebd. ff.). Auch Raewyn Connells Masculinites (1995), auf das ich zu einem spilteren Zeitpunkt genauer eingehen werde, sollte an dieser Stelle erwiihnt werden.
In den USA liisst sich eine noch stiirkere ,universitiire Institutionalisierung der Miinner und Miinnlichkeitsforschung" (Fenske, 2012, S. 11) im Vergleich zu Deutschland feststellen, dennoch sind auch in Deutschland zahlreiche Publikationen zu der Thematik erschienen. Wie Poole bemerkt, halten Whitehead und Barrett in ihrem 2011 erschienenen Sammelwerk The Sociology of Masculinity fest, ,class nicht nur in den USA, sondern auch in Europa eine feministisch-inspirierte Miinnerforschung sichtbar wird" (ebd., S. 11) bzw. geworden ist. Whitehead und Barrett hierzu: ,Whereas only two decades ago critical insights into masculinities were relatively few, today there are no areas of men's activities, that have not been subject to some research and debate by both women and men" (2001, S. 1).
Zusammengefasst versteht die Miinnlichkeitsforschung oder Men's Studies ,Manner und Miinnlichkeiten als Ergebnis von sozio-politischen, historischen, narrativen und symbolischen Prozessen und nimmt diese kritisch in den Blick (Horlacher 2011, Martschukat/Stieglitz 2005)" (Fense, 2012, S. 12). Die Men's Studies widersetzen sich
,der einseitigen Zuschreibung, class Geschlecht weiblich ist und der darnit verbundenen Konzeption, nach der der weiBe heterosexuelle Mann als allgemeinmenschliche Norm verstanden wird" (ebd.). Fenske fiihrt weiter aus: ,Sie verstehen Miinnlichkeit vielmehr als relationale Kategorie, die sowohl in ihrer Beziehung zur Weiblichkeit als auch in Relations zur eigenen Genusgruppe analysiert wird" (ebd.).
Nach Spieler hat sich die Miinnlichkeitsforschung in den letzten Jahren weiter geiiffnet, als Beispiel nennt sie die Veriiffentlichung von Judith Haberstam's Female Masculinity(1998) (2015, S. 22), die fiir einen fluiden Miinnlichkeitsbegriff und ein allgemein flexibleres und offenes Verstiindnis von Gender jenseits von Binaritiit und Stereotypen spricht. Weiter ist zu erkennen, class ,seit Mitte der 1990er Jahre ein plurales Verstiindnis von Miinnlichkeiten und Weiblichkeiten ins Zentrum des Interesses geriickt [ist]" (Fense, 2012, S. 12). Es herrscht in den Men's Studies weitgehender Konsens dariiber, class die Rede von Miinnlichkeiten - auf Grund der Vielschichtigkeit des Begriffes - im Plural sein muss, dadie eineMiinnlichkeit nicht existiert. Poole zitiert Brittan hierzu:
»[that] we cannot talk of masculinity, only masculinities. [...]Those people who speak of masculinity as an essence, as an inborn characteristic are confusing masculinity with masculinism, the masculine ideology. Masculinism is the ideology that justifies and naturalizes male domination. As such, it is he ideology of patriarchy« (2012, S. 12 zitiert nach Brittan, 2001, S. 51)
Auch das Konzept der Intersektionalitiit spielt eme immer wichtigere Rolle in den Men's Studies: ,All the major social parameters - gender, race, class, among others - interact in various ways and cannot be fully understood separately" (Spieler, 2015, S. 26). Der Begriff derintersectionality wurde 1989 von der US-amerikanischen Juristin Kimberle Crenshaw eingefiihrt, die darnit die mehrdimensionale Unterdriickung, der Women of Color ausgesetzt sind, beschrieb (ebd., S. 27). Mit dem Intersektionalitiitsbegriff ,werden die Uberschneidungen, das Zusammenwirken und die jeweiligen Unterschiede verschiedener Diskriminierungsformen untersucht" (Di Blasi, 2013, S. 11). Im Gegensatz zu Women of Color kiinnen Manner nie doppelt von rassistischen und sexistischen Strukturen betroffen sein (Spieler, 2015, S. 27). Dennoch spielt der Begriff derintersectionality fur die Analyse von Miinnlichkeiten als intersektionale Konstrukte eine Rolle, da die miinnliche Subjektivitiit bzw. Identitiit ebenfalls von anderen Kategorien wie Alter, Sexualitiit, Ethnizitiit oder der sozialen Klasse beeinflusst wird (ebd.).
Es ist wichtig fiir den weiteren Verlauf dieser wissenschaftlichen Abhandlung festzuhalten, class es sich bei den Men's Studies urn ein weites, heterogenes Feld handelt. Spieler erkennt: ,Owing to the disciplinary nature of the field, reaching a consensus is very likely impossible and may indeed not even be desirable" (2015, S. 22). Whitehead & Barrett kommen zu folgendem Fazit: ,masculinity is complex, dynamic, powerful, multiple and, not least, political" (2001, S, 10). Also halten wir zu diesem Zeitpunkt fest, class es sich bei dem Forschungsschwerpunkt der Miinnlichkeit(en) nicht urn eine ,single and stable entity" (Spieler, 2015, S. 27) handelt. Dennoch bietet sich die Thematik auch gerade auf Grund ihrer Flexibilitiit und Komplexitiit als Untersuchungsgegenstand an.
2.2 Exkurs:Der weiBe Heteromann als Angriffsfliiche
Wir haben soeben folgendes iiber die Men's Studies festgehalten: sie widersetzen sich ,der einseitigen Zuschreibung, class Geschlecht weiblich ist und der damit verbundenen Konzeption, nach der der weiBe heterosexuelle Mann als allgemeinmenschliche Norm verstanden wird" (Fense, 2012, S. 12). Bezogen auf den aktuellen Stand der Gender Studies liisst sich diese Aussage weiter ausbauen: diese widersetzen sich der einseitigen Zuschreibung, class Geschlecht weiblich ist und der damit verbundenen Konzeption, class der weiBe cisgender heterosexuelle Mann als allgemeinmenschliche Norm verstanden wird (bewusst angelehnt an ebd.). Des Weiteren wurde der Intersektionalitiitsbegriff eingefiihrt, der das Zusammenwirken verschiedener Faktoren wie Geschlecht, Ethnizitiit, Sexualitiit, Klasse, Religion etc. auf unsere Identitiiten beschreibt und aufzeigt, wie unterschiedlich Miinnlichkeiten erlebt werden kiinnen auf Grund dieser Parameter. Majors schreibt iiber das Verhiiltnis von strukturellem Rassismus und traditionellen Miinnlichkeitsbildern in den USA: ,However, American society has prevented black males from achieving many aspects of this masculinity by restricting their access to education, jobs, and institutional power" (Majors, 2001, S.210). Er fiihrt weiter aus: ,(...)the dominant goals of hegemonic masculinity have been sold to black males, but access to the legitimate means to achieve those goals has been largely denied black males (Staples, 1982)" (ebd.). Majors macht darauf aufmerksam, wie rassistische Strukturen dazu fiihren, class dominante Miinnlichkeiten nicht nur Frauen, sondern auch andere Miinnlichkeiten unterdriicken kiinnen. Da es sich bei den Miinnlichkeiten, die im Zuge dieser Arbeit analysiert werden sollen, zum GroBteil urn weiBe heterosexuelle cisgender Miinnlichkeiten und damit privilegierte Miinnlichkeiten handelt, soli an dieser Stelle die problematisierte und polarisierte Stellung des weiBen Heteromannes in unsere Gesellschaft zur Kenntnis genommen werden.
Luca Di Blasi hat dem weiBen Mann ein gauzes Buch gewidmet. In ,Der weiBe Mann: Ein Anti-Manifest" (2013) stellt er sich sie die Frage, wie weiBe Manner iiber sich selbst nachdenken kiinnen und warum sich das so schwierig gestaltet (S. 7). Er stellt fest: ,Gerade weil mit den weiBen Mannern eine spezifische Geschichte der Dominanz verbunden ist, erscheint jede Selbstreflexion, die sich nicht auf eine Selbstkritik beschrankt, per se problematisch und verdachtig" (S. 7). Di Blasi argumentiert, dass so eine Selbstreflexion - wenn auch nicht unproblematisch - dennoch tiberfallig ist (S. 8). Di Blasi erkennt, dass mit den US-Prasidentschaftswahlen von 2012, in denen sich Barack Obama gegen Mitt Romney durchsetzte und als US-Prasident wiedergewahlt wurde und dabei ,die groBe Mehrzahl der Frauen sowie der Nicht-WeiBen und anderer Minderheiten fUr sich gewann" (S. 7), eine ,neue Runde der (Selbst-)Hysterisierung weiBer Manner" (S. 7) einherging. Die Zukunft des weiBen Mannes wurde im Anschluss an die US-Wahl von 2012 medial vielseitig diskutiert. Am 15. November 2012 schrieb DIE ZEIT in dem Artikel ,Macho, weiB, von gestern" tiber die scheinbare Bedrohung des weiBen Mannes. Einen Tag zuvor, am 14. November 2012, fragte Spiegel Online: ,WeiBer Mann, was nun?" und eruierte ebenfalls das Schicksal des weiBen Mannes.
Auch 2016 - und das nicht ohne Zufall wieder im Zusammenhang mit den anstehenden US-Wahlen - war der weiBe Mann nach wie vor vielseitiges Diskussions- und Streitthema [Anmerkung: das Kapitel wurde vor den 58. US-Prasidentschaftswahl am 8. November 2016 verfasst]. In seiner Kolumne ,Dumme weiBe Manner" fUr den Onlineauftritt der Tageszeitung kommt Lalon Sander Anfang des Jahres - mit Donald Trump im Titelbild - zu dem Schluss, dass ,die Zeit des weiBen Mannes nicht mit der US-Wahl 2012 beendet wurde" und auch 2015 wieder das Jahr des weiBen Mannes war. Im August 2016 geht Peter Richter in der Stiddeutschen Zeitung dem Hashtag #weiBealtemanner und dem Feinbild , weiBer alter Mann" weiter auf den Grund. Richter stellt fest: , WeiBe, alte Manner sind zu einem Schimpfwort geworden". Hintergrund dieser Ressentiments ist, dass der weiBe Heteromann in vieler Hinsicht Sinnbild fUr strukturelle Macht, Dominanz und Privileg ist. Im Gegensatz zu Sander steht Richter demBashingdes weiBen Mannes kritisch gegentiber: ,Aber es ist auch erschreckend, weil die Inkriminierung einzelner Bevolkerungsgruppen aufgrund pauschal zugeschriebener Einstellungen und Verhaltensweisen eigentlich geachtet wird oder werden sollte".
Es ist nicht das Ziel zu diesem Zeitpunkt ein Urteil tiber den weiBen Heteromann als dominantes Mannlichkeitsbild zu treffen. Ziel dieses Exkurses war es vielmehr in Vorbereitung auf die anstehende Analyse anzuerkennen, class es sich bei den zu untersuchenden Miinnlichkeiten urn eme durchaus polarisierende Form von Miinnlichkeit handelt. Der weiBe Heteromann zeichnet sich in Anlehnung an den Intersektionalitiitsbegriff ,gerade durch die Abwesenheit, der jeweils miichtigsten Diskriminierungsformen" (Di Blasi, 2003, S. 17) aus. Dennoch wird diese Form der Miinnlichkeit - weiB und heterosexuell - dadurch nicht wissenschaftlich uninteressant. Gerade in Zeiten, in denen der Berechtigungsanspruch des weiBen Heteromannes angezweifelt wird, wird dieser als Figur wieder interessant und eine genauere Analyse der medialen Darstellung dessen relevant. Wichtig ist hier aber festzuhalten, class die weiBe heterosexuelle Miinnlichkeit im Zuge dieser Arbeit in keiner Hinsicht als eine Norm suggeriert werden soli und zahlreiche Formen von unter anderem schwuler, bisexueller, trans*, weiblicher und/oder nicht-weiBer Miinnlichkeiten koexistieren. Im niichsten Kapitel wollen wir uns nun weiter dem komplexen Forschungsschwerpunkt der Miinnlichkeiten iiber theoretische Konzepte aus den Gender Studies weiter anniihern.
3.Mannlichkeit(en) theoretisieren: Entscheidende Konzepte
,Incoming to an understanding of masculinity we are, in fact, coming to some understanding of the human condition." (Whitehead&Barrett, 2011,S.14)
Das Forschungsinteresse dieser Arbeit bildet die mediale Darstellung und Inszenierung von Miinnlichkeit in fiktionalen Fernsehformaten und zwar speziell in der TV-Serie ,True Detective". Damit diese Analyse theoretisch begriindet und intersubjektiv nachvollziehbar ist, muss das Konzept und die Konstruktion von Miinnlichkeit sowie das damit verbundene Verstiindnis von Gender vorerst beleuchtet werden.
3.1 Miinnlichkeit " Weiblichkeit
Spieler schreibt iiber das Forschen im Bereich der Miinnlichkeiten: ,(...) every interrogation of masculinity has to begin with a process of uncovering the invisible, of challenging common sense, and demystifying myth of the genderless man" (2015, S.18). Urn diese Entmystifizierung des Miinnlichen geht es in diesem Kapitel. Eine Betrachtung von Miinnlichkeit bedeutet gleichzeitig immer auch eine Betrachtung von Weiblichkeit, da sich das eine im Verhiiltnis zum anderen definiert. Vor allem traditionelle Miinnlichkeitsbilder zeichnen sich dabei besonders durch einen Faktor aus: class sie nicht weiblich sind. Die Konzepte von Miinnlichkeit und Weiblichkeit fungieren in unserer Gesellschaft zum GroBteil immer noch als ein biniires Muster (ebd., S. 19): ,Since in Western thought gender is conceptualized as a binary opposition of masculinity and femininity, one of the most dominant and stable characteristics of masculinity is its inherent non-femininity" (ebd., S. 25). Connell argumentiert entsprechend: ,A culture which does not treat women and men as bearers of polarized character types, at least in principle, does not have a concept of masculinity in the sense of modern European/American culture" (1995, S. 68). Dieses Verstiindnis von Geschlecht als eine Gegeniiberstellung biniirer Polaritiiten - miinnlich auf der einen, weiblich auf der anderen Seite - findet sich in Ansiitzen schon im antiken Griechenland (Whitehead & Barrett, 2001, S. 22).
Den Prozess der Abgrenzung emer gesellschaftlichen Gruppe im Verhiiltnis ihrer Andersartigkeit zu einer anderen Gruppe beschreibt man als Othering: ,(...) m patriarchal societies, the male subject position is negotiated through the process of 'othering' the female" (ebd., S. 26). In ihrem erstmals 1949 erschienen Werk ,Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau" widmet sich die franziisische Philosophin Simone De Beauvoir ausfiihrlich dem Othering. De Beauvoir schreibt in der Einleitung ihres feministischen Werkes (1968):
Die Menschheit ist miinnlich, und der Mann definiert die Frau nicht an sich, sondern in Beziehung auf sich; sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen. [... ] Jedenfalls ist sie nichts anderes, als was der Mann befindet; so spricht man auch von ihr als vom «anderen Geschlecht», worin sich ausdriickt, daB sie dem Mann in erster Linie als Sexualwesen erscheint: da sie es fiir ihn ist, ist sie es ein fiir allemal. Sie wird bestimmt und unterschieden mit Bezug auf den Mann, dieser aber nicht mit Bezug auf sie; sie ist das Unwesentliche angesichts des Wesentlichen. Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: sie ist das Andere. (S. lO ll)
De Beauvoir befasst sich an dieser Stelle mit der auch von Spieler erwahnten scheinbaren Unsichtbarkeit des Mannes, da dieser als gesellschaftliche Norm angesehen wird, das Weibliche hingegen als das Andere. Diese Unsichtbarkeit des mannlichen Geschlechts zu entlarven und zu beenden, war wie bereits erwahnt einer der Hauptziele der feministisch inspirierten Men's Studies (vgl. Kapitel2.1).
Fiir die kulturelle Definition von Mannlichkeit und Weiblichkeit existieren Stereotype: das Geschlecht einer Person client ,als Merkmal, aufgrund dessen den Menschen unterschiedliche Rollen und Verhaltenweisen zugeschrieben und zugestanden werden" (Weiderer, 1993, S. 11). Allerdings ist ein solches binares Gender-Verstandnis, das Menschen in zwei Kategorien unterteilt und Mannlichkeit in Abgrenzung zu Weiblichkeit definiert hierarchisch organisiert: ,The male side of the equation is generally coded as the positive one, and so becomes the standard by which all the others are judged; in effect it becomes the norm" (Cranny-Francis eta!., 2003, S. 2). Weiderer fiihrt hierzu aus: ,In unserer Gesellschaft sind zwar beide Geschlechter mit stereotypen Rollen- und Eigenschaftsbildern ausgestattet, aber es ist das Stereotyp der Frau, das mit negativeren Bewertungen versehen wird" (1993, S. 13). Da Mannlichkeit in Abgrenzung zu Weiblichkeit definiert wird, bedeutet dies, class wenn man das dominante, hegemoniale Mannlichkeitsbild etwa als stark, eigensinnig, beherrschend, entschlossen und kompetent definiert, Weiblichkeit als zerbrechlich, inkompetent, engelsgleich und wertvoll definiert werden muss (Whitehead & Barrett, S. 22). Bei solchen Gender-Stereotypen lasst sich auch von Gender-Ideologien sprechen (vgl. Milestone & Meyer, 2012, S. 19). Gender-Ideologien suggerieren, class es eme ,richtige" Form von Mannlichkeit sowie Weiblichkeit gibt. Connell (1987, 1995) hat hierfiir das Konzept der hegemonialen Mannlichkeit eingefiihrt, auf das ich noch genauer eingehen werde. Diese hegemoniale bzw. traditionelle Mannlichkeit ist dabei mit verschiedenen Eigenschaften verkniipft, die Mannern von Natur aus zugeschrieben werden. Milestone & Meyer fassen die Merkmale des traditionellen, dominanten Mannlichkeitsbildes zusammen (2012, S. 19-20): Manner werden dabei in der Regel als rational, effizient und intelligent dargestellt. Mannsein geht mit Starke und Kraft einher: auf physischer, mentaler und sozialer Ebene. Dariiber hinaus sind Manner aktiv, ehrgeizig, hartnackig, kompetitiv, durchsetzungsfahig und aggressiv. Besonders wohl fiihlt sich der Mann nach diesem Bild im iiffentlichen Lebensbereich, wo er arbeitet und soziale Kontakte kniipft. Die mannliche Sexualitat zeichnet sich durch einen natiirlichen und starken Sexualtrieb aus, der befriedigt werden muss. Das weibliche Gegenstiick zu der hegemonialen Miinnlichkeit ist bei Connell (1987) die ,emphasized femininity" (Milestone & Meyer, 2012, S. 20): denmach sind Frauen von Natur aus liebenswert und fiirsorglich, was sie dazu auszeichnet sich urn Kinder und Manner zu kiimmern. Am wohlsten fiihlt sich die Frau im Privaten und die Familie steht an erster Stelle. Frauen werden weiter als zerbrechlich und schwach dargestellt, dariiber hinaus sind sie friedlich und meiden Konfrontationen. Weiter wird diese Form der Weiblichkeit als irrational, emotional und kognitiv inkompetenter verstanden. Milestone & Meyer erkennen die Gefahr solcher Stereotypisierungen: ,As a consequence of these violent hierarchies, women appear as inferior to men in the things that matter: they are positioned as weaker, less intelligent and cognitive, less rational, less competitive" (S. 22).
Gender-Ideologien stellen also Miinnlichkeit und Weiblichkeit als polare Gegensiitze gegeniiber. Dabei wird das Miinnliche als positiv, aktiv, dominant dargestellt, das Weiblich hingegen als negativ, passiv und unterwiirfig: ,whatever men are, women are not" (ebd., S. 21). Dariiber hinaus suggerieren solche Ideologien eine Natiirlichkeit bestimmter Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensmuster, die mit Miinnlichkeit und Weiblichkeit einhergehen. Dabei handelt es sich hierbei jedoch urn soziale Konstruktionen, die vorgeben natiirlich zu sein (ebd. ). Solche Vorstellungen von Stereotypisierungen aufzudecken und deren vermeintliche ,Natiirlichkeit" zu negieren, ist eines der Hauptziele der Gender Studies.
3.2 Miinnlichkeit" Miinnlichkeit
Wir haben soeben festgehalten, class Miinnlichkeit in westlichen Gesellschaften traditionsgemiiB oft durch ihre Nicht-Weiblichkeit definiert wurde und auch heute sind die Vorstellungen von Geschlecht immer noch von Binaritiit und Miinnlichkeit und Weiblichkeit als polare Unterschiede geprilgt. Man nehme als Beispiel unter anderem die Aussage ,Typisch Mann/Frau", die im Volksmund allgegenwiirtig zu sein scheint. Des Weiteren wurden Merkmale und Eigenschaften genannt, die Miinnern natiirlich zugeschrieben werden und Frauen im Umkehrschluss aberkannt werden. Solche Stereotypisierungen verkennen allerdings den komplexen, pluralen und fluiden Charakter des Konzeptes der Miinnlichkeit.
Der Begriff Gender wurde von friihen Feministinnen eingefiihrt, urn zu verdeutlichen, classes sich bei Miinnlichkeit und Weiblichkeit nicht urn Biologie oder ,Natur" handelt, sondern urn soziale Konstrukte (Milestone & Meyer, 2012, S. 12). Diese Entwicklung des Konzeptes von Gender liisst sich in ihrem Ursprung als etwas Radikales verstehen, da es die etablierte Vorstellung in Frage stellt(e), class Frau- oder Mannsein oder zumindest die Wahrnehmung dessen kein Naturzustand ist, sondern zum GroBteil ein gesellschaftliches Produkt (ebd.). Wie Simone de Beauvoir schon in ,Das andere Geschlecht" schrieb: ,Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Kein biologisches, psychisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im SchoB der Gesellschaft annimmt" (1968, S. 265). Hier nimmt de Beauvoir bereits eine Trennung von Sex (englisch fiir Geschlecht) und Gender vor und macht auf den fabrizierten Aspekt von Gender aufmerksam. Eine Unterteilung in Sex und Gender, die die soziale Dimension von Geschlecht betonen sollte, wurde von Feministinnen der zweiten Welle vorangetrieben (Milestone & Meyer,2012, S. 14). Mittlerweile hat sich eine so klare Trennung von Sex als biologische Komponente und Gender als soziale und kulturelle Komponente allerdings als durchaus problematisch erwiesen und gilt als iiberholt, da es die Vorstellung von nur zwei existierenden Geschlechtern bekraftigt (vgl. ebd.).
Dennoch war die Erkenntnis, class unser Gender durch verschiedene soziale und kulturelle Komponenten beeinflusst wird, entscheidend. In ihrem 1990 erschienen Werk ,Das Unbehagen der Geschlechter" widmet sich die Philosophin Judith Butler dem performativen Charakter von Gender. Butler spricht jedoch eher von performativen Konstrukten als von einer tatsiichlichen Performance (ebd., S. 13): ,Individuals habitually do gender through a series of practices or performances, but, as a post structuralist, Butler does not believe that there is a performer behind the performance" (ebd.). Obwohl Butler die Produktion von geschlechtsspezifischem Verhalten als Performance beschreibt, geschieht dies nicht wissentlich: ,Performance pre-exists the performer in the sense that culture has already determined which acts and characteristics count as masculine or feminine" (ebd., S. 13-14). Gender ist also etwas, das wir stiindig unbewusst (re)produzieren: ,According to Butler, doing gender is a mandatory and compulsory practice that we are forced to repeat increasingly throughout our lives" (Spieler, 2015, S. 29). Bei Butler wird ,der Kiirper zu einem Schauplatz der Inszenierung von Gender, wobei der geschlechtliche Kiirper erst im Vollzug dieser Inszenierung hervorgebracht wird" (Rausch, 2004, S. 241). Gender ist bei Butler also etwas, das wir tun und nicht etwas, das wir sind.
Diese Auffassung des ,doing gender" soli auch in dieser Arbeit vertreten werden. Spieler fasst passend zusammen: ,Gender is something wedorather than something weare,and it is dynamic rather than static" (2015, S. 27). Mit so einer dynamischen Vorstellung von Gender geht auch ein dynamischer Miinnlichkeitsbegriff einher. Will man also Miinnlichkeit untersuchen, muss man festhalten, class wir es auch wenn sich bestimmte Merkmale und Eigenschaften als miinnlich kodiert durchgesetzt haben (vgl. Kapitel 3.2), mit einem Konstrukt zu tun haben: ,Furthermore, Masculinity is an interactive construct continually produced in specific circumstances" (ebd., S. 25). Auch Whitehead & Barret pliidieren dafiir, class Miinnlichkeiten nicht festgelegt sind: ,(... ) masculinities are not fixed; they change over time, over space, and, not least, during the lives of men themselves" (2001, p. 8). Whitehead & Barrett definieren Miinnlichkeit(en) wie folgt: ,(...) masculinities are those behaviours, languages and practices, existing in specific cultural and organizational locations, which are commonly associated with males and thus culturally defines as not feminine" (2001, p. 15-16). Dabei reflektiert das Konzept der Miinnlichkeit tatsiichlich vie! mehr soziale und kulturelle Erwartungen an als miinnlich kodierte Verhaltensweisen als irgendwelche genetische Dispositionen (ebd., S. 16). Diese Erwartungen an Miinnlichkeit sind nicht fix, sondern verlagern und veriindern sich im Laufe der Zeit: ,By going back in time and by looking at definitions of what a man used to be, it becomes clear very quickly that masculinity has a history that does not always affirm our modern ideas about what a man is" (Reeser, 2010, S. 2). Begreift man Geschlecht als soziales Konstrukt, ,miissen wir es als ein Produkt der Geschichte begreifen, aber ebenso als einen Produzenten von Geschichte" (Connell, 2015, S. 135). Vorstellungen von Miinnlichkeiten veriindern sich und Miinnlichkeit als Konzept ist - wie bereits erwiihnt - dynamisch und nicht statisch wird standig reproduziert: ,(...) it is constantly created and challenged in numerous ways" (Reeser, 2010, S. 18) und ist ,as a social and cultural construct, (...) always subject to change" (Spieler, 2015, S. 24). Bei den Miinnlichkeiten, denen wir tagtiiglich m unserem persiinlichen oder beruflichen Umfeld sowie in den Medien begegnen, handelt es sich dabei wiederum urn Hybridformen, die sich aus verschiedenen vorangegangen Mannlichkeiten zusammensetzen (Reeser, 2010, S. 19). Die eineMannlichkeit gibt es nicht.
Es ist an diesem Punkt auch festzuhalten, class wenn man von Gender als ein soziales Konstrukt ausgeht und den performativen Charakter dessen berucksichtigt, der Mannlichkeitsbegriff nicht nur auf Manner angewendet werden kann und muss: ,And when something is about masculinity, it is not always "about men" (Kosofky Sedgwick,1995, S. 12). Sie fuhrt weiter aus: ,As a woman, I am a consumer of masculinities, but I am not more so than men are; and, like men, I as a woman am also a producer of masculinities and a performer of them" (ebd., S. 13). Sie pladiert weiter dafur, class Mannlichkeit und Weiblichkeit nicht entgegengesetzt sondern orthogonal zueinander angeordnet sind (ebd., S. 15-16). Wiibrend Manner zwar in griiBeren Stucken vom Konzept der Mannlichkeit profitieren kann der mannliche Kiirper nicht als direkter,,naturlicher" Ursprung dieser angesehen werden (Reeser, 2010, S. 18). Sowohl Manner als auch Nicht-Manner kiinnen Mannlichkeiten (re)produzieren.
Ziel dieses Unterkapitels war es aufzuzeigen, class unsere Vorstellungen von Mannlichkeit historisch und kulturell bedingt und somit variabel sind. Spieler halt jedoch fest: ,One aspect has nonetheless remained fairly stable over time, namely the strong ties between masculinity and power" (2015, S. 24). Das Verhaltnis von Mannlichkeit und Macht soli im nachsten Unterkapitel genauer beleuchtet werden.
3.3 MannlichkeitMacht
Das Konzept der ,hegemonialen Mannlichkeit" der australischen Soziologin Raewyn Connell betont ,die gesellschaftliche Verknupfung von Mannlichkeit und Macht bzw. Herrschaft" (Meuser & Muller, 2015, S. 10) und hat ,das Nachdenken uber Mannlichkeiten innerhalb derGender StudiesmaBgeblich beeinflusst" (Fenske, 2012, S.17). Dariiber hinaus bildet es einen entscheidenden theoretischen Bezugspunkt bei der Untersuchung medialer Miinnlichkeitskonstruktionen (vgl. Lunenborg & Maier, 2013, S. 110) und eine wichtige theoretische Grundlage dieser wissenschaftlichen Arbeit. Meuser & Muller beschreiben das bekannteste Werk Connells ,Masculinities" (1995,2005) als ,die am haufigsten rezipierte Monographie der Mannlichkeitsforschung" (2015, S. 9). Connells Forschungsarbeit im Bereich der Mannlichkeiten lasst sich unschwer - auch wenn nicht kritiklos - als wegbereitend fiir die Men's Studies anerkennen (vgl. Roberts, 2004; Fesnke, 2012; Meuser & Muller, 2015; Liinenborg & Maier, 2013; Milestone & Meyer, 2012 et al.).
Connell bezieht sich in ihrem Begriff der Hegemonie ,auf den marxistischen Philosophen Antonio Gramsci und stellt damit heraus, class Macht und Herrschaft immer auch unter Mitarbeit der Beherrschten stattfindet" (Liinenborg & Maier, 2013, S. 110). Connell iibernimmt das Hegemoniekonzept von Gramsci, urn die dominante Position von Miinnern innerhalb westlicher Gesellschaften zu ergriinden. Wie bereits festgehalten, gibt es nicht die eine Miinnlichkeit, sondern plurale Formen von Miinnlichkeiten koexistieren in unserer Gesellschaft. Dennoch halt Connell fest: ,At any given time, one form of masculinity rather than others is culturally exalted" (1995, S. 77). Hegemoniale Miinnlichkeit beschreibt Connell dann wie folgt:
Hegemonic masculinity can be defined as the configuration of gender practice which embodies the currently accepted answer to the problem of patriarchy, which guarantees (or is taken to guarantee) the dominant position of men and the subordination of women" (ebd.).
Connell ,begreift Miinnlichkeit auch nicht als Rolle, die von Gesellschaft vorgegeben ist, sondern als Produkt sozialer Praxis" (Fense, 2012, S. 15). Connells Verstiindnis entspricht dabei dem des ,doing gender" (vgl. Kapitel 3.2). Die Konstruktion von Miinnlichkeit geschieht nach Connell ,zwischen Miinnern und Frauen als auch zwischen Miinnern und Miinnern und wird durch Institutionen wie Familie, Staat und Okonomie verfestigt" (ebd.). Miinnlichkeiten definieren sich also bei Connell nicht nur im Kontrast zu Weiblichkeiten (vgl. Kapitel 3.1), sondern auch iiber andere, untergeordnete Miinnlichkeiten. Urn dieses Verhiiltnisse zwischen Miinnlichkeiten zu beschreiben, fiihrt Connell neben der hegemonialen Miinnlichkeit, die Konzepte der Unterordnung (Subordination), Komplizenschaft (Complicity) und Marginalisierung (Marginalization) ein (1995, S. 76 ff.).
Wie das obige Zitat zeigt, bezieht sich der Begriff der hegemonialen Miinnlichkeit bei Connell also auf die Struktur bestimmter sozialer Praktiken, die die Macht des Patriarchats sichern. Die hegemoniale Miinnlichkeit bezieht sich auf ein Kollektiv, indem die sichtbarsten Trager dieser hegemonialen Miinnlichkeit nicht automatisch iiber die meiste Macht verfiigen miissen, da es sich hier urn Schauspieler oder sogar fiktive Figuren handeln kann (Connell, 1995, S. 77). Dennoch ist eine Ubereinstimmung zwischen dem derzeitigen ,,kulturellen Ideal" und der institutionellen Macht wahrscheinlich, damit sich eine bestimmte Form von Miinnlichkeit als hegemonial durchsetzt (ebd. ). So reprasentieren beispielsweise Managementspitzen, das Militar oder die Regierung ,a fairly convincing corporate display of masculinity, still very little shaken by feminist women or dissenting men" (ebd. ). Es ist wichtig festzuhalten, class es sich bei der hegemonialen Miinnlichkeit urn eine ,'currently accepted' strategy" (ebd.) und somit eine historisch und kulturell flexible Kategorie handelt.
Hegemonie bezieht sich auf allgemeine kulturelle Dominanz in emer Gesellschaft (Connell, 1995, S. 78). Damit gehen bestimmte Geschlechterbeziehungen von Dominanz und Unterordnung einher: als eine der wichtigsten Beziehungen in europaischen und amerikanischen Gesellschaften nennt Connell die Dominanz heterosexueller Manner und die Unterordnung homosexueller Manner (ebd. ). Connell beschreibt, wie diese Form der Unterordnung weit iiber die Stigmatisierung schwuler Identitaten hinausgeht: hierbei handelt es sich urn konkrete Praktiken wie dem Ausschluss aus kulturellen und politischen Raumen, kulturellem Missbrauch (z. B. durch rechte religiose Gruppierungen), rechtliche und staatliche Gewalt (z. B. in Form von diskriminierenden Gesetzgebungen), gewaltvolle Ubergriffe, wirtschaftlicher Benachteiligung oder persiinlicher Boykott (ebd.). Diese Form der Unterdriickung zeigt, class homosexuelle Identitaten am unteren Ende der Gender-Hierachie angeordnet sind (ebd.). Innerhalb emer patriarchal-ideologisch ausgerichteten hegemonialen Mannlichkeitsvorstellung wird Schwulsein mit Weiblichkeit und somit Nicht Mannlichkeit gleichgesetzt (vgl. Kapitel3.1). Homosexuelle Miinnlichkeit gilt dabei als die auffalligste Form untergeordneter Mannlichkeit, jedoch nicht als die einzige (S. 79). Connell nutzt diese vier Relationen als einen ,framework in which we can analyse specific masculinities" (1995, S. 81).
Ein wichtiger Baustein der hegemonialen Mannlichkeit ist das Konzept der Komplizenschaft (Connell, 1995, S. 79-80): Connell halt fest, class nur ein kleiner Teil der Manner tatsachlich normativen Definitionen von Miinnlichkeit entspricht und die damit einhergehenden Elemente und Merkmale erfiillt. Dennoch profitiert die Mehrheit der Manner von der Vorherrschaft des Patriarchats und dem allgemeinen Vorteil, der aus der Unterordnung von Frauen entsteht. Diesen Zustand beschreibt Connell als die ,patriarchale Dividende" bzw. ,the patriarchal dividend" (S. 79). Damit steht der GroBteil der Manner - auch wenn sie der aktuellen Norm nicht geniigen - in Komplizenschaft mit der hegemonialen Miinnlichkeit.
Hegemonie, Unterordnung und Komplizenschaft sind Beziehungen, die der Geschlechterordnung nach Connell innewohnen (1995, S. 80). Das Zusammenwirken von Gender mit anderen Strukturen wie Ethnizitiit und Klasse beeinflusst die Beziehung zwischen Mannlichkeiten weiter (S. 80; vgl. Intersektionalitiitsbegriff in Kapitel 2.1). Connell nennt vor allem Ethnizitiit als wichtigen Faktor in Hinblick auf die Dynamik zwischen Miinnlichkeiten und beschreibt, wie schwarze Miinnlichkeiten z. B. eine symbolische Bedeutung fiir die Konstruktion weiBer Geschlechterrollen haben (ebd.). Sie geht weiter darauf ein, wie sich in den USA etwa die durch die hegemoniale Miinnlichkeit unter WeiBen gefiirderte institutionelle Unterdriickung von Schwarzen auf die Konstruktion schwarzer Mannlichkeiten auswirkt (ebd.). Mit dem Konzept der Marginalisierung bezieht sich Connell damit auf die Unterdriickung nicht-weiBer Miinnlichkeiten.
Zusammenfassend liisst sich sagen, ,Connell begreift hegemoniale Miinnlichkeit nicht als ein starres Gebilde, sondern als eine historisch-gesellschaftliche variable Konfiguration vergeschlechtlichter Praktiken, die mit immer neuen Herausforderungen konfrontiert ist und sich in Auseinandersetzung damit bestandig neu formiert" (Meusel & Muller, 2015, S. 12). Das Konzept der hegemonialen Miinnlichkeit wurde vielseitig rezipiert und reproduziert, aber auch kritisiert. Fenske fasst die wichtigsten Kritikpunkte zusammen:
Die Unschiirfe des zugrunde liegenden Miinnlichkeitsbegriffes; die Ungewissheit, wer die Reprilsentanten der hegemonialen Miinnlichkeit seien bzw. die Frage, ob in unserer differenzierteren Gesellschaft nicht eher von hegemonialen Miinnlichkeiten ausgegangen werden miisse; das Problem der Reifikation der Macht sow1e die Frage nach dem Verhiiltnis von Gesellschaftsstruktur und Subjekt (2012, S. 17).
Wiihrend die Kritik zwar anerkannt werden soli, liegt es nicht im Interesse und Volumen dieser Arbeit das Konzept der hegemonialen Miinnlichkeit zu dekonstruieren oder neu zu orientieren.
4. Zwischenfazit Mannlichkeit(en)
Ziel des vorherigen Kapitel war es sich dem Konzept der Miinnlichkeit - dem Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit - auf theoretischer Ebene fiir ein besseres Verstiindnis anzuniihern. Zu diesem Zeitpunkt solien die wichtigsten Punkte in einem kurzen Uberblick wiederholt werden.
Die Men's Studies haben sich ab Anfang der 1970er Jahre als pro-feministische, interdiszipliniire Wissenschaft in Anlehnung an die Frauen- und Schwulenbewegung entwickelt (vgl. Kapitel 2.1). Bei der Etablierung emer eigenstiindigen Miinnlichkeitsforschung spielte die US-amerikanische Forschung eine entscheidende Rolle. Ziel der Men's Studies ist eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit Miinnlichkeiten, damit bilden sie einen integralen Teil der Gender Studies.
In Kapitel 3 wurden Miinnlichkeiten genauer beleuchtet. Ein entscheidender Faktor von Miinnlichkeit ist ihre mutmaBlich eingeschriebene Nicht-Weiblichkeit bzw. Miinnlichkeit existiert nur im Kontrast zu Weiblichkeit (vgl. Kaptitel3.1): Weiblichkeit wird im Zuge biniirer Gender-Ideologien in ihrer Andersartigkeit und ihrem Abweichen von der miinnlichen Norm definiert (Othering). Dabei werden Miinnern und Frauen bestimmte polare Merkmale zugeschrieben, wobei der weibliche Teil als unterlegen erscheint. Diesen Merkmalen entspringen Stereotype, wie die Frau als gliickliche Mutter oder Hausfrau oder der Mann als alleiniger Versorger. Solche Gender Ideologien verkennen den performativen Charakter von Gender als ein historisch und kulturell bedingtes Konstrukt (vgl. Doing Gender in Kapitel 3.2): Nach so einem fluiden Verstiindnis von Geschlecht handelt es sich auch bei Miinnlichkeiten urn dynamische Konstrukte, die immer wieder neu gesellschaftlich (re)produziert und ausgehandelt werden. Obwohl es also nichtdie eineMiinnlichkeit gibt, gibt es dennoch ein aktuelles, kulturelles Ideal (vgl. Kapitel 3.3 hegemoniale Miinnlichkeit) und damit einhergehend werden bestimmte Verhaltensmuster als miinnlich oder unmiinnlich definiert. Uber dieses Konzept der hegemonialen Miinnlichkeit beschreibt Connell die Legitimierung der miinnlichen Vormachtstellung und die Machtbeziehungen zwischen Miinnern und Nicht-Miinnern auf der emen sow1e zwischen iiber- und untergeordneten Miinnlichkeiten auf der anderen Seite. Miinnlichkeiten sind demnach auch unter sich hierarchisch angeordnet (vgl. Kapitel 3.3 Unterordnung und Marginalisierung bei Connell, 1995). Darnit einhergehend wird deutlich, class es sich bei Miinnlichkeit urn ein intersektionales Konzept handelt, das von weiteren Faktoren wie Ethnizitiit, Sexualitiit, Klasse oder Religion maBgeblich beeinflusst ist. Damit werden auch Manner in einer patriarchalischen Gesellschaft, die von einer weiBen, heterosexistischen, biirgerlichen Norm abweichen, untergeordnet, stigmatisiert und marginalisiert (Hearn & Morgan, 1990, S. 11). Dieses Zusammenspiel hegemonialer und untergeordneter Miinnlichkeiten (ebd.) betont den komplexen, heterogenen Charakter des Forschungsschwerpunktes.
Angelehnt an das etablierte Verstiindnis von Gender als soziales Konstrukt soli nun im niichsten Kapitel die Bedeutung der Medien fiir die Konstruktion von Miinnlichkeitsbildern in den Fokus riicken: ,Wird Geschlecht als kontingente, kulturelle Konstruktion sowie als soziale Struktur verstanden, so sind Medien und Offentlichkeit ganz unmittelbar relevant dafiir" (Liinenborg & Maier, 2013, S. 26).
5. Die mediale Konstruktion von Mannlichkeit(en)
,Of the many influences on how we view men and women, media are the most pervasive and one of the most powerful." (Wood, 1994,S.231)
Da nun ein nachvollziehbares Konzept von Miinnlichkeit etabliert wurde, niihern wir uns der Analyse weiter an. Das Forschungsinteresse dieser Arbeit befasst sich mit der medialen Konstruktion von Miinnlichkeitsbildern in dem populiiren Serienformat ,True Detective". Urn die Relevanz einer solchen Analyse zu begriinden und diese zu kontextualisieren, muss vorerst gekliirt werden, in welchem Verhiiltnis die Medien und Gender stehen. Das folgende Kapitel widmet sich daher der medialen Konstruktion von Gender bzw. Miinnlichkeit.
5.1 Gender Media Studies
Die Gender Media Studies bilden emen wichtigen Teil der Kommunikations- und Medienwissenschaft (vgl. Liinenborg & Maier, 2013, S. 26 ff.). An dieser Stelle soli nicht der genaue Verlauf der Gender Media Studies detailliert aufgezeichnet werden, da es das Volumen dieser Arbeit iiberschreiten wiirde. Es geht vielmehr urn das dem Forschungsbereich zu Grunde liegende Verstiindnis des Verhiiltnisses von Medien und der Konstruktion von Gender. Die Gender Media Studies gehen davon aus, class zum ,Verstiindnis der gesellschaftlichen Bedeutung von Medien und iiffentlicher Kommunikation (...) die Untersuchung von Geschlechterverhiiltnissen unverzichtbar" (ebd.) ist. Den Medien wird also eine entscheidende Rolle bei der Konstruktion von Gender zugeschrieben, da sie als ,Motor und Agent von Geschlechterstrukturen und - konstruktionen" (ebd.) angesehen werden, da sie uns ,Bilder und Erziihlungen vom >Mannsein< und >Frausein<" (ebd.) liefern: ,In der Zeichenhaftigkeit des Bildes und der Schrift konstruieren Medien die symbolische Ordnung der Geschlechter" (ebd.). Dabei sind die Gender Media Studies so vielseitig wie die Media Studies selbst und untersuchen unter anderem die Reprilsentation von Gender im Kinofilm, in Videospielen, den Nachrichten, auf Social Media oder im Reality-TV.
Die wichtigsten Arbeitsfelder der Gender Media Studies teilen sich m Medienproduktion, Medientexte sowie das Medienhandeln des Publikums (ebd., S. 73 ff.) auf. Medientextanalysen - welche auch im Zuge dieser Arbeit durchgefiihrt wird - fragen dabei unter anderem danach, welche Bilder von Miinnern und Frauen die aktuellen Medien zeigen, wen sie sichtbar machen, wer ungesehen bleibt, wie Medienbilder und -diskurse Vorstellungen von Weiblichkeiten und Miinnlichkeiten konstruieren und ob Medien stets die Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit fiirdern (ebd., S. 97). In Inhalts- und Diskursanalysen wird unter anderem die stereotype Darstellung von Miinnern und Frauen, die Reprilsentation ,neuer" Frauenbilder oder der Zusammenhang von Genre und Gender untersucht (ebd.).
5.2 Konstruierte Miinnlichkeiten im Fokus der Forschung
Ein GroBteil der Studien im Bereich der Gender Media Studies befasst sich mit der Darstellung von Frauen im Fernsehen: ,it will come as no surprise to find that existing research on representations of gender on television is dominated by work seeking to expose or unmask the depiction of women on the small screen" (Feasey, 2008, S. 1). Hier muss man sich vor allem daran erinnern, wie jung die Men's Studies als Wissenschaft und das damit verbundene Interesse an dem Konzept Miinnlichkeit allgemein sind. Feasey reflektiert: ,although such research provided valuable insights into the depiction of femininity, feminism and a woman's role, it also meant that male heterosexuality continued to be understood as fixed, stable, unalterable and therefore beyond inquiry" (ebd., S. 2). Mittlerweile wiichst das medien- und kommunikationswissenschaftliche Interesse ,an Miinnern" aber stetig. Zwar widmet sich der GroBteil der Studien im Bereich der Gender-Konstruktion durch die Medien der Darstellung von Frauenbildern, so wird aber in ,aktuellen Textanalysen (...), wenn auch nicht in gleichem MaBe, das Spektrum von Miinnlichkeitskonstruktionen analysiert" (Liinenborg & Maier, 2013, S. 110). Angelehnt an u. a. das Konzept der hegemonialen Miinnlichkeit von Connell (vgl. Kapitel 3.3) ,analysieren die Gender Media Studies die (De)Konstruktion der hegemonialen Miinnlichkeit und die Reprilsentation der untergeordneten Miinnlichkeiten in der Medienkultur" (ebd., S. 110). Bei Feasey (2008) findet sich eine Sammlung relevanter Studien, die die Darstellung von Miinnlichkeiten im Hollywood-Film (Fradley, 2004), bei muskuliisen Action-Stars (Huffer, 2003), bei auf Manner ausgerichteten Lifestyle-Magazinen (Benwell, 2003), in der Werbung (Hakala, 2006) oder im Sport (Whannel, 2002) untersuchen.
Gerade in dem Bereich der Television Studies - emem Gebiet, das seit semen Anfangen in den 1970er und 1980er Jahren von den Themen Geschlechterrollen und Gender-Stereotypisierungen beeinflusst ist (Feasey, 2008, S.1) - wiichst das Interesse an der Darstellung und Inszenierung von Miinnlichkeiten. Rebecca Feasey etwa befasst sich in dem 2008 erschienen ,Masculinity and Popular Television" mit der Darstellung verschiedener Miinnlichkeiten in einer Reihe von fiktionalen und faktischen Fernsehgenres. Katie Milestone und Anneke Meyer erkunden in ,Gender and Popular Culture" (2012) wie Gender und die populiiren Medien untrennbar miteinander verbunden sind. Ein weiteres wichtiges und kiirzlich erschienenes Werk ist ,Cable Guys: Television and Masculinities in the Twenty-First Century" von Amanda D. Lotz (2014). In einer nicht vergleichbaren Ausfiihrlichkeit widmet sich die US amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin der aktuellen Lage von Miinnlichkeiten im US-Fernsehen und stellt trotz einer wachsenden Forschung fest: ,It is revealing that so little has been written about men on television" (S. 7). Gerade in der deutschsprachigen Forschung fehlen umfassende Studien zu Konstruktion von Miinnlichkeit durch das Fernsehen. Als wichtiges Werk liisst sich- obwohl bereits iiber 20 Jahre alt - ,Das Frauen- und Miinnerbild im Deutschen Fernsehen: Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL plus" von Monika Weiderer aus dem Jahre 1993 nennen.
5.3 Miinnlichkeitskonstruktionen und die Rolle der populiiren Medien
Medien sind Teil unseres Alltags und ihre Bedeutung ist ,m Hinblick auf die Verbreitung und Verfestigung gesellschaftlich geprilgter Vorstellungen, Bewertungen und Leitbilder [...] weithin unbestritten" (Miihlen Achs, 1995, S. 57). Tiiglich rezipieren wir medial - meist unbewusst - multiple Formen von Weiblichkeiten sowie Miinnlichkeiten. Dabei formen die Medien unsere Vorstellungen davon, was wir als weiblich und miinnlich wahrnehmen, zeigen uns stereotype Geschlechterdarstellungen oder stellen patriarchalische, biniire Vorstellungen von Gender in Frage: ,Media representations tell us who we are, who we should be, and who we should avoid" (Kimmel, 1992, xii). Brooks & Hebert hierzu:
Much of what audiences know and care about is based on the images, symbols, and narratives in radio, television, film, music, and other media. How individuals construct their social identities, how they come to understand what it means to be male, female, black, white, Asian, Latino, Native American-even rural or urban-is shaped by commodified texts produced by media for audiences that are increasingly segmented by the social constructions of race and gender. Media, in short, are central to what ultimately come to represent our social realities. (2006, S. 297)
Wenden wir also das dieser Arbeit zu Grunde liegende Prinzip an, class es sich bei Geschlecht urn eine soziale Konstruktionen handelt, werden die komplexen Strukturen unserer von Geschlecht geprilgten Medienkultur umso interessanter (ebd., S. 297-298). Wenn Miinnlichkeiten niimlich wie bereits dargelegt sozial konstruiert sind, liisst sich die Rolle der Massenmedien hierbei nicht leugnen: ,If masculinity is socially constructed, one of the primary elements in that construction is the representations of manhood that we see daily in the mass media" (Kimmel, 1992, xii). Hier ist es vor allem entscheidend anzuerkennen, class Medien ,Manner und Frauen nicht bloB dar[stellen], sondern sie produzieren auch Vorstellungen dariiber, wie Manner und Frauen ,sind"" (Foster, 1995, S. 57).
Milestone & Meyer erkunden w1e Gender und die drei kulturellen Prozesse der ,production, consumption and representation" (2012, S. 1) miteinander verbunden sind. Bei allen drei Praktiken handelt es sich urn ,gendered practice[s]" (ebd., S. 2). Vor allem der Prozess der Reprasentation (,representation") als soziale Praxis ist entscheidend fiir die folgende Arbeit. Der Begriff der Reprasentation starnmt aus der Disziplin der Cultural Studies und geht auf die Vorstellung zuriick, class mediale Texte symbolisch sind, da sie Bedeutung enthalten: ,Popular-cultural products, or texts, are symbolic because they carry meanings. These meanings are produced through linguistic and visual representations" (ebd. ). So ein kultureller Text kann ein Zeitungsartikel, eine TV-Sendung oder ein Popsong sein (ebd., S. 3). Die Bedeutung des Textes hat innerhalb der Cultural Studies eine weiter greifende Bedeutung als im allgemeinen Sprachgebrauch:
The word 'text' has a wider meaning in the discipline of cultural studies that it has in everyday life: it refers not only to written or spoken words but to any aspect of culture whose predominant purpose it is to signify, i.e. to produce meanings. (ebd.)
Ob wires nun mit einem Zeitungsartikel, einem Popsong oder einem TV-Drama zu tun haben, Medientexte konstruieren bestimmte Bedeutungen, vermitteln spezielle Botschaften und prasentieren ein Narrativ (ebd., S. 4). Der Soziologe und Pionier der Cultural Studies Stuart Hall hat die Praxis der Reprilsentation als entscheidendes Element fiir die Produktion von Bedeutung durch Sprache etabliert (1997): In seinem konstruktivistisch-semiotischen Ansatz angelehnt an Ferdinand de Saussure ergriindet Hall, wie Reprasentation Bedeutung und Sprache mit Kultur verbindet. Nach Hall geht es bei Kultur urn ,shared meanings" (S. 1). Dabei ist Sprache ist das bevorzugte Medium, urn Zusammenhange zu verstehen, durch Sprache wird Bedeutung produziert und ausgetauscht (ebd.).
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2016, "Bad cop/bad cop?" Zur Darstellung von Männlichkeit in "True Detective" (Pizzolatto, 2014), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/458779
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