„Wenn es auf den ersten Blick auch scheint, als sei die Continuatio nur eine anekdotische Weiterführung der Simplicianischen Lebensgeschichte, so läßt die eingehende Untersuchung etlicher Episoden noch eine spezielle Bewandtnis erkennen. Die scheinbar einfache Erzählung abenteuerlicher Geschehnisse und Taten erweist sich als durchsetzt mit poetologischen Motiven. Diese sind so in die Ereigniserzählung integriert, daß sie kaum wahrgenommen werden können, wenn man nicht beachtet, daß es sich um traditionelle, d.h. vom Mittelalter bis ins Barock bekannte Deutbilder und Gleichnismotive der Poetik und Hermeneutik handelt.“
Das Thema der vorliegenden Arbeit beschreibt die Stellung des viel diskutierten sechsten Buches, der Continuatio, in Grimmelshausens ‘Simplicissimus Teutsch’, welches sich bei näheren Untersuchungen durch Form, Inhalt und Funktionsdifferenzen von der scheinbar abgeschlossenen Konzeption des Romans abgrenzt.
Wurde die Continuatio in der bisherigen Grimmelshausenforschung häufig als ein rein kommerzielles Produkt betrachtet, gestützt durch die ungewöhnlichen Publikationsumstände, die bereits im fünften Buch abgeschlossenen thematischen Rundungen und der häufig auftretenden Widersprüche und Wiederholungen im sechsten Buch, versucht Hubert Gersch mit seiner „Geheimpoetik“, auf dessen Werk ich meine Arbeit stütze, mittels der Tradition der spirituellen Auslegungskraft des Mittelalters, einer Allegorisierung analog zur Bibel, die Continuatio als ein vom Autor verschlüsselter Kommentar, mit der Funktion eines erläuternden und rechtfertigenden Nachwortes zum gesamten Simplicissimus Roman, zu beschreiben.
Daher soll zu Anfang dieser Hausarbeit das sog. ‘Continuatio-Problem’, welches die Grimmelshausenforschung seit Jahrzehnten beschäftigt, aufgegriffen werden, um einen neuen Forschungsansatz herauszustellen. Es sollen unter anderem die, wie Gersch beweisen kann, zu unrecht ausgesprochenen Vorwürfe des plagiierens gegenüber dem Autor mittels inhaltlicher und strukturanalytischer Betrachtungen im zweiten Kapitel exemplarisch aufgeklärt und erläutert werden.
Die Continuatio soll hier aus einer allegorischen Perspektive betrachtet werden und so soll im Verlauf dieser Arbeit, mittels zahlreicher Beispiele und unter Hilfenahme des ‘sensus spiritualis’ in Anlehnung an die Bibelexegese, die Funktion der Continuatio aus einem anderen, auf den ersten Blick nicht zu erkennenden, Blickwinkel beurteilt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das 'Continuatio-Problem'
- Die besondere Stellung der Continuatio
- Strukturanalytische Betrachtungen
- Die Stellung der Poetik im 17. Jahrhundert
- Das Piller-Gleichnis
- Der Hülser-Vergleich
- Die Baldanders-Episode
- Pflaumen und Kerne
- Das Höhlen-Gleichnis
- Schlußbetrachtungen
- Anhang
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der „Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi“ in Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch“ und analysiert deren besondere Stellung innerhalb des Romans. Ziel ist es, die Funktion des sechsten Buches als einen verschlüsselten Kommentar zu den ersten fünf Büchern des Romans zu beleuchten und die Intention des Autors bei der Konstruktion dieser vermeintlichen „Unstimmigkeiten“ und „Wiederholungen“ zu ergründen. Die Arbeit stützt sich dabei auf die „Geheimpoetik“ von Hubert Gersch, der mittels der Tradition der spirituellen Auslegungskraft des Mittelalters die Continuatio als einen allegorischen Schlüsseltext interpretiert.
- Das „Continuatio-Problem“ und die Frage nach dem Verhältnis zwischen Continuatio und Simplicissimus Teutsch
- Die besondere Stellung der Continuatio als ein integraler Bestandteil des Romans, gekennzeichnet durch formale und funktionale Differenzen zu den ersten fünf Büchern
- Die Analyse von Strukturlinien und Motiven, die auf eine bewußte Gestaltung der Continuatio als einen Kommentar zum Simplicissimus Teutsch hindeuten
- Die Bedeutung der Poetik im 17. Jahrhundert und die Verwendung traditioneller Deutbilder und Gleichnisse in der Continuatio
- Die Funktion der Continuatio als eine pädagogische und moralische Reflexion, die durch den allegorischen Charakter des Textes vermittelt wird
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet das „Continuatio-Problem“ und stellt den Forschungsansatz der Arbeit vor, der sich auf die Interpretation der Continuatio als einen verschlüsselten Kommentar zu den ersten fünf Büchern des Romans konzentriert. Die Arbeit stützt sich dabei auf die „Geheimpoetik“ von Hubert Gersch.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der besonderen Stellung der Continuatio innerhalb des Simplicissimus Teutsch. Es werden bibliographische Fakten, die Verlautbarungen Grimmelshausens sowie die Diskrepanz in der Erzählfiktion analysiert, um die enge Verbindung zwischen den beiden Teilen des Romans zu beleuchten.
Im dritten Kapitel werden die in der Continuatio erkennbaren Strukturlinien und Motive untersucht, die auf eine bewußte Gestaltung der Continuatio als einen Kommentar zum Simplicissimus Teutsch hindeuten. Das Kapitel analysiert die beiden Gewässerkataloge, die Erwähnung der Borametz-Pflanze und die Baldanders-Episode, um die Funktion der Wiederholung und Variation als ein Mittel der Desillusionierung und Enthüllung zu ergründen.
Das vierte Kapitel analysiert die Stellung der Poetik im 17. Jahrhundert und die Verwendung traditioneller Deutbilder und Gleichnisse in der Continuatio. Es werden das Pillen-Gleichnis, der Hülser-Vergleich, die Pflaumen- und Kerne-Allegorie sowie das Höhlen-Gleichnis untersucht, um die Funktion dieser Motive als Mittel der pädagogischen und moralischen Reflexion zu beleuchten.
Die Schlussbetrachtungen fassen die Ergebnisse der Arbeit zusammen und betonen die Bedeutung der Continuatio als einen integralen Bestandteil des Simplicissimus Teutsch. Die Arbeit zeigt, dass die Continuatio nicht als ein Anhängsel oder ein Produkt von Geschäftssinn zu betrachten ist, sondern als ein Kommentar, der den Leser zu einer tieferen und allegorischen Lektüre des Romans anleitet.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die „Continuatio des abenteuerlichen Simplicissimi“, den „Simplicissimus Teutsch“, die „Geheimpoetik“ von Hubert Gersch, die allegorische Interpretation, die Tradition der spirituellen Auslegungskraft des Mittelalters, die Poetik des 17. Jahrhunderts, die Funktion des Kommentars, die Wiederholung und Variation als Mittel der Desillusionierung und Enthüllung sowie die pädagogische und moralische Reflexion.
- Quote paper
- Steffi Funnekötter (Author), 1998, Die verschlüsselten Kommentare in der Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4583
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