Mit Rechnitz (Der Würgeengel) legt Elfriede Jelinek einen Botenbericht vor, der die Grenzen der konventionellen Form überschreitet. Ein Blick auf die spezifische Form des Botenberichtes ausgehend von der antiken Tragödie soll als Folie dienen, um die Besonderheiten des Jelinekschen Botenberichtes zu verdeutlichen. Hierzu werden im Text einzelne Aspekte der Botenrede gezielt untersucht: die Position des Sprechers beziehungsweise der Sprechenden, der mittels des Botenberichtes Angesprochene, die zeitliche Dimension der Rede sowie der Inhalt und Status der Botschaft.
Tritt in der antiken Tragödie und in späteren dramatischen Formen der Bote als Nebenfigur auf und berichtet von einem außerhalb des Bühnengeschehens und zeitlich zurück liegenden Ereignis, wodurch der Fortgang der Handlung maßgeblich beeinflusst, wenn nicht sogar eine Wende erreicht wird, rückt er in Rechnitz (Der Würgeengel) in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit; alleine durch die Rede des beziehungsweise der Boten konstituiert sich der gesamte Text. Aus diesem Grund ist das Botendasein in Jelineks Theatertext problematisch, denn die ansonsten im Drama übliche Verortung und die somit eigentliche Funktion des Boten entfällt. Die fehlende Einbettung in den Bezugsrahmen einer kausal-logischen Handlungsfolge oder zumindest einer ersichtlichen Kommunikationssituation trägt darüber hinaus dazu bei, dass sich die berichtenden Boten jedweder Verantwortung im Hinblick auf das Berichtete entziehen.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen zeigen, dass der Bote in Rechnitz (Der Würgeengel) auf Grund dieses fehlenden Rahmens ein Wesen der Zwischenzeit und des Zwischenraumes ist und sich seine Rede im Text dadurch verselbständigt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Untersuchung des Botenberichtes: Vorgehensweise und Ziele.
- II. „Ich soll berichten...“. Zum Status des Boten in Elfriede Jelineks Rechnitz (Der Würgeengel).
- 1. Form und Funktion des Botenberichtes seit der griechischen Tragödie
- 2. Analyse des Theatertextes Rechnitz (Der Würgeengel) von Elfriede Jelinek
- 2.1. Das Verhältnis der Boten zu ihrem Sprechen
- 2.2. Das Verhältnis der Boten zum Angesprochenen
- 2.3. Zur zeitlichen Dimension des Botenberichtes
- 2.4. Zur Botschaft und wie sie durch die Boten überbracht wird
- 3. Der Bote als Wesen der Zwischenzeit und des Zwischenraums
- III. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Botenbericht in Elfriede Jelineks Theatertext „Rechnitz (Der Würgeengel)“ im Kontext der antiken Tragödie. Sie untersucht, wie der Bote in Jelineks Text die konventionelle Form und Funktion des Botenberichts transzendiert und zu einem zentralen Element des Dramas wird. Dabei werden die spezifischen Merkmale des Jelinekschen Botenberichts im Vergleich zur antiken Form herausgestellt und die Folgen für die Interpretation des Textes beleuchtet.
- Der Status des Botenberichts in der antiken Tragödie im Vergleich zu Jelineks Rechnitz
- Die Rolle der Botenrede in der Konstitution des Textes
- Die zeitliche und räumliche Dimension des Botenberichts
- Die Bedeutung des Boten als „Wesen der Zwischenzeit und des Zwischenraums“
- Die Auswirkungen der Botenrede auf die Interpretation des Dramas
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Vorgehensweise und die Ziele der Untersuchung. Es wird dargelegt, dass Jelineks „Rechnitz (Der Würgeengel)“ ein ungewöhnlicher Botenbericht ist, der die konventionelle Form sprengt. Die Botenrede ist in Jelineks Text der zentrale Bestandteil, während der Bote in der antiken Tragödie als Nebenfigur agiert.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Form und Funktion des Botenberichts seit der griechischen Tragödie. Es wird die traditionelle Funktion des Boten als Überbringer von Nachrichten aus der Vergangenheit erläutert und seine Rolle bei der Weiterentwicklung der Handlung in den Mittelpunkt gestellt. Der Bote als Ich-Erzähler, der gleichzeitig aktiv handelnde Figur ist, und seine Beziehung zum Angesprochenen werden ebenfalls thematisiert.
Im dritten Kapitel erfolgt eine Analyse von „Rechnitz (Der Würgeengel)“ in Bezug auf die spezifischen Eigenschaften des Jelinekschen Botenberichts. Die Position des Sprechers und des Angesprochenen, die zeitliche Dimension des Berichts sowie die Bedeutung und der Status der Botschaft werden im Detail untersucht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselbegriffe dieser Arbeit sind: Botenbericht, antike Tragödie, Elfriede Jelinek, Rechnitz (Der Würgeengel), Theatertext, zeitliche Dimension, Zwischenzeit, Zwischenraum, Botschaft, Interpretation.
- Quote paper
- Ina Hemmelmann (Author), 2010, "Ich soll berichten...". Zum Status des Boten in Elfriede Jelineks "Rechnitz (Der Würgeengel)", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457980