Ziel dieser Masterarbeit mit dem Titel „Kooperationen von Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen - Eine Analyse von möglichen Kooperationsmodellen“ ist es darzustellen, welche Kooperationsmodelle für Krankenhäuser existieren, sowie anhand selbst ausgewählter Parameter Praxisbeispiele zu analysieren und zu vergleichen. Nach der thematischen Einleitung wird zunächst ein Überblick über die Grundlagen des stationären Sektors in Deutschland gegeben. Auf die Besonderheiten des Krankenhauswesens anderer Länder wird in den jeweiligen Kapiteln eingegangen. Anschließend werden einige Begriffsdefinitionen vorgenommen, sowie die rechtlichen Aspekte, die auf Krankenhauskooperationen Einfluss haben, durchleuchtet. Die Kapitel 3.3. und 3.4. dienen der Darstellung der Gründe beziehungsweise Vorzüge von Kooperationen und sollen ebenso auf die negativen Aspekte und möglichen Hindernisse eingehen. Nach der Analyse der verschiedenen Phasen des Kooperationsprozesses wird noch ein kurzer Einblick in den Aufbau und Inhalt eines Kooperationsvertrages gegeben. In Kapitel 4 wird zunächst der Aufbau und Zweck eines Kooperationsmodells erläutert und anschließend die Parameter festgelegt, die der Analyse der verschiedenen Beispiele dienen sollen. Als Untersuchungsobjekte dienen Krankenhauskooperationen aus Deutschland, der Schweiz, den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Kanada.
Die Untersuchungsobjekte unterscheiden sich vor allem bezüglich der Größe der Kooperation (von zwei Partnern bis hin zu großen Netzwerken mit mehreren Partnern) und des Zweckes der Kooperation (ökonomische Aspekte oder Versorgungsaspekte). Nach der Beurteilung der Praxisbeispiele wird in Kapitel 5 ein Überblick über empirische Erhebungen zu Krankenhauskooperationen gegeben und auf Auswirkungen derer für die Bevölkerung und andere Sektoren des Gesundheitswesens eingegangen. Beispielhaft lässt sich hier die Erhöhung von Interhospitaltransfers für die Rettungsdienste, die mit der Spezialisierung und Kooperation von Krankenhäusern einhergeht, nennen. Bevor ein abschließendes Fazit gezogen wird, werden noch einmal die Ergebnisse der Analysen der Praxisbeispiele und die theoretischen Grundlagen von Kooperationen kritisch betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Thematische Einführung
2. Grundlagen zum stationären Sektor in Deutschland
3. Horizontale Kooperationen zwischen Krankenhäusern
3.1. Begriffsdefinitionen
3.2. Rechtliche Aspekte zur Kooperation zwischen Krankenhäusern
3.3. Gründe für Kooperationen
3.4. Mögliche Schwierigkeiten
3.5. Der Weg zur Kooperation
3.5.1. Phasen des Kooperationsprozesses
3.5.2. Der Kooperationsvertrag
4. Kooperationsmodelle
4.1. Grund- und Regelversorger mit höherer Versorgungsstufe
4.1.1. Aufbau und Zweck der Kooperation
4.1.2. Praxisbeispiele
4.1.2.1. Uniklinik Bern und Bezirksspital Grosshöchstetten
4.1.2.2. Faulkner und Brigham and Women’s Hospital
4.1.2.3. Heidelberger Netzwerkmodell
4.1.2.4. Brustzentrum Mittelrhein
4.1.2.5. Chatham-Kent Health Alliance
4.1.3. Kapitelzusammenfassung
4.2. Kooperation zur Versorgung von spezifischen Tracerdiagnosen
4.2.1. Aufbau und Zweck der Kooperation
4.2.2. Praxisbeispiele Netzwerke
4.2.2.1. Das Traumanetzwerk der DGU
4.2.2.2. Netzwerke zur Versorgung von Schlaganfällen
4.2.3. Kapitelzusammenfassung
5. Aktueller Kenntnisstand über Kooperationen und deren Auswirkungen
6. Kritische Auseinandersetzung mit den Kooperationsmodellen
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Thematische Einführung
Der stationäre Sektor in Deutschland musste in den letzten Jahren starke strukturelle Veränderungen über sich ergehen lassen. Die Verschiebung von einem Kostendeckungsprinzip zu einem DRG-System mit festen Fallpauschalen ging bei vielen Krankenhäusern mit gravierenden Auswirkungen einher. Für einige Krankenhäuser bedeuteten diese Änderungen einen stetigen Kampf um ihre Existenz. Ein Grund hierfür ist die immer weiter auseinander gehende Schere zwischen Kosten und Erlösen. Während die Erlöse durch die DRG’s seit Jahren größtenteils stagnieren, steigen die Kosten immer weiter an und dies bei einer stetig steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen.1 Dies liegt unter anderem an den Besonderheiten des Krankenhaussektors. Hohe Kostenbereiche, wie zum Beispiel das Personalwesen (ca. 70% des Umsatzes) können nicht, wie in anderen Bereichen der Wirtschaft möglich, durch Entlassungen kompensiert und verringert werden. Auch eine Anpassung der erbrachten Leistungsmenge nach unten ist, aufgrund in vielen Fällen lebensnotwendiger Maßnahmen, nicht möglich, da juristische Konsequenzen hieraus entstehen könnten und dies zudem den Wertevorstellungen und Leitbildern von Krankenhäusern widerspricht.2
Doch nicht nur finanzielle Aspekte erhöhen den Wettbewerbsdruck auf Krankenhäuser. Die Patientensouveränität nimmt immer mehr zu. Patienten informieren sich über ihre Krankheiten, holen Informationen über Qualität und Image der Krankenhäuser ein und wählen vor allem bei Elektivbehandlungen das Krankenhaus anhand dieser Kriterien aus.3 Die zusätzliche Freiheit der Arzt- und Krankenhauswahl lässt dann, in Kombination mit der hinzugewonnenen Patientensouveränität, die Leistungserbringer um die Patienten konkurrieren.4 Der Konkurrenzkampf im stationären Sektor setzt sich im Bereich des Personalwesens, bei Planbetten oder staatlichen Fördermitteln ebenfalls fort.5
Die Folge dieser Entwicklungen ist eine zunehmende Anzahl an Verbundstrukturen im Krankenhauswesen. Diese können vollkommen unterschiedlich aussehen und teilen sich beispielsweise auf in: Konzernbildungen, Kooperationsverbünde mit und ohne Kapitalverflechtung oder Filialsysteme.6 Diese Zunahme an Verbünden lässt sich nicht nur in Deutschland beobachten. In vielen Ländern weltweit wächst der Kostendruck der Krankenhäuser. Eine Konsequenz ist die Zunahme an Partnerschaften, um diesem Kostendruck bestmöglich zu begegnen. Gab es bis Mitte der 90er Jahre noch eher die Tendenz zu Fusionen und Konglomeraten, so stehen mittlerweile eher strategische Allianzen und Kooperationen im Fokus, die eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Partnern darstellen, um für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation zu schaffen.7
Unterstützt wird diese Entwicklung in Deutschland durch Maßnahmen wie der Implementierung des Strukturfonds im Krankenhausstrukturgesetz, das am 01.01.2016 in Kraft trat. Dieser Strukturfonds stellt Fördermittel für Kooperationen zur Verfügung, die aus den Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds generiert werden.8 Auf die Maßnahmen und Ziele des Gesetzestextes wird in einem späteren Kapitel genauer eingegangen.
Kommt es zu einer Kooperation, obliegt die Ausgestaltung derer den beteiligten Partnern. Ein nicht unwesentlicher Aspekt dieser Konstellation ist, dass die Kooperationsteilnehmer rechtlich selbstständig bleiben. Dies ist einer der Gründe, weshalb viele Krankenhäuser eine Kooperation der Fusion vorziehen. Durch die Zusammenarbeit werden auch diverse Ziele verfolgt. Zu nennen sind hier unter anderem die Steigerung der Wirtschaftlichkeit, die Verbesserung der strategischen Wettbewerbsposition und zuletzt auch die Verbesserung der Versorgungsqualität.9 Hierbei unterscheiden sich die Hauptziele teilweise nach den unterschiedlichen Versorgungsstufen der Krankenhäuser. Universitätskliniken bzw. Maximalversorger haben zum Beispiel häufig mit schlechten Kostenstrukturen zu kämpfen, da hier andere diagnostische Gerätschaften zur Verfügung stehen, als es in kleineren Krankenhäusern der Fall ist und ergo die Kosten pro Behandlungsfall höher sind.
Dies wirkt sich vor allem auf jene Bagatellfälle negativ aus, die wenig Erlöse mit sich bringen und in einem Krankenhaus mit niedrigerer Versorgungsstufe behandelbar wären. Folglich steigt hier der Druck, wirtschaftlich zu arbeiten.10 Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung wiederum haben häufig mit niedrigeren Auslastungen, Mitarbeitergewinnung und –bindung oder der gesetzlichen Mindestmengenregelung zu kämpfen.11 Eine Kooperation von einem Maximalversorger mit einem Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung könnte hier für beide Partner einen Benefit bringen. Das größere Krankenhaus kann leichtere Behandlungsfälle, die nicht unbedingt dort behandelt werden müssen, an das kleinere Krankenhaus outsourcen und somit dessen Auslastung erhöhen. Im Gegenzug werden die schweren Fälle des kleineren Krankenhauses an den Maximalversorger überwiesen und dort optimal medizinisch versorgt. Auf die weiteren Vorzüge dieser Konstellation und Praxisbeispiele wird in dieser Arbeit ebenfalls später eingegangen.
Ziel dieser Masterarbeit mit dem Titel „Kooperationen von Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen - Eine Analyse von möglichen Kooperationsmodellen“ ist es darzustellen, welche Kooperationsmodelle für Krankenhäuser existieren, sowie anhand selbst ausgewählter Parameter Praxisbeispiele zu analysieren und zu vergleichen. Nach der thematischen Einleitung wird zunächst ein Überblick über die Grundlagen des stationären Sektors in Deutschland gegeben. Auf die Besonderheiten des Krankenhauswesens anderer Länder wird in den jeweiligen Kapiteln eingegangen. Anschließend werden einige Begriffsdefinitionen vorgenommen, sowie die rechtlichen Aspekte, die auf Krankenhauskooperationen Einfluss haben, durchleuchtet. Die Kapitel 3.3. und 3.4. dienen der Darstellung der Gründe beziehungsweise Vorzüge von Kooperationen und sollen ebenso auf die negativen Aspekte und möglichen Hindernisse eingehen. Nach der Analyse der verschiedenen Phasen des Kooperationsprozesses wird noch ein kurzer Einblick in den Aufbau und Inhalt eines Kooperationsvertrages gegeben. In Kapitel 4 wird zunächst der Aufbau und Zweck eines Kooperationsmodells erläutert und anschließend die Parameter festgelegt, die der Analyse der verschiedenen Beispiele dienen sollen. Als Untersuchungsobjekte dienen Krankenhauskooperationen aus Deutschland, der Schweiz, den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Kanada.
Die Untersuchungsobjekte unterscheiden sich vor allem bezüglich der Größe der Kooperation (von zwei Partnern bis hin zu großen Netzwerken mit mehreren Partnern) und des Zweckes der Kooperation (ökonomische Aspekte oder Versorgungsaspekte). Nach der Beurteilung der Praxisbeispiele wird in Kapitel 5 ein Überblick über empirische Erhebungen zu Krankenhauskooperationen gegeben und auf Auswirkungen derer für die Bevölkerung und andere Sektoren des Gesundheitswesens eingegangen. Beispielhaft lässt sich hier die Erhöhung von Interhospitaltransfers für die Rettungsdienste, die mit der Spezialisierung und Kooperation von Krankenhäusern einhergeht, nennen. Bevor ein abschließendes Fazit gezogen wird, werden noch einmal die Ergebnisse der Analysen der Praxisbeispiele und die theoretischen Grundlagen von Kooperationen kritisch betrachtet.
2. Grundlagen zum stationären Sektor in Deutschland
Dieses Kapitel dient dem Zweck, einen kurzen Überblick über den stationären Sektor in Deutschland zu geben. Der Fokus liegt auf den Trends, die sich seit Beginn der 90er Jahre eingestellt haben (Anzahl an Krankenhäusern, Verweildauerentwicklung, Fallzahlentwicklung und Kostenentwicklung), der Unterteilung der Krankenhäuser nach Trägerschaft und Versorgungsstufen, sowie der Darstellung der Finanzierung und der wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser in Deutschland.
In Abbildung 1 sind die Trends und Entwicklungen der Kosten, Fallzahlen und Verweildauer aus den Jahren 1991 - 2016 zusammengefasst. Es wird deutlich, dass die vielen politischen Eingriffe und Veränderungen der letzten Jahre auf dem Krankenhausmarkt Wirkung zeigten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zahlen zum stationären Sektor in Deutschland (eigene Darstellung in Anlehnung an Statistisches Bundesamt (2018), o.S.)
Die stationären Fallzahlen nehmen seit einigen Jahren konstant zu. Gegenüber dem Jahr 2007 stiegen die Behandlungen im Krankenhaus von 17,18 Mio. auf mittlerweile 19,53 Mio. Dies bedeutet eine Steigerungsrate von 13,67%. Damit einhergehend nehmen folglich auch die Kosten des stationären Sektors konstant zu. Mit mittlerweile 87,8 Mrd. € sind die bereinigten Kosten (nach Abzug von nichtstationären Kosten) auf einem neuen Hoch angekommen und entsprechen fast einem Viertel der gesamten Gesundheitsausgaben in Deutschland (ca. 356 Mrd. €). Die durchschnittliche Verweildauer ist, wie auch die Anzahl der Krankenhäuser, seit Jahren rückläufig. Während sich die Anzahl an stationären Leistungsanbietern von 2411 (1991) auf 1951 (2016) reduzierte, halbierte sich auch die durchschnittliche Verweildauer in diesem Zeitraum beinahe (von 14,0 Tagen auf 7,3 im Jahr 2016). Im gleichen Zeitraum verschlechterte sich allerdings die Bettenauslastung für die Krankenhäuser, was ein wesentlicher Aspekt für die Wirtschaftlichkeit im stationären Bereich ist. Lag die durchschnittliche Auslastung im Jahr 1991 noch bei 84,1%, sank sie bis zum Jahr 2016 auf 77,9%. Ein Bereich, in dem es seit 2007 relativ wenige Schwankungen gibt (maximal: 77,9% (2016), minimal: 77,2% (2007).12
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass erst eine Auslastung von 85% als wirtschaftlich rentabel gilt.13
Krankenhäuser werden in Deutschland anhand von diversen Kriterien unterschieden (u.a. die Bettenzahl, Rechtsform). In dieser Arbeit soll vor allem die Unterscheidung im Hinblick auf die Trägerschaft und den Versorgungsstatus eines Hauses im Vordergrund stehen, da dies für die unterschiedlichen Ziele bei Kooperationen die vorrangigsten Differenzen darstellt.
Die Inhaber der qualifizierten Kapital- und Stimmenmehrheit stellen den Träger eines Krankenhauses dar. Hier werden drei Typen unterschieden. Zum einen können die Träger öffentlich sein. Hierunter fallen unter anderem der Bund, die Länder, Kreise und auch Gemeinden. Weiterhin wird auch noch in freigemeinnützige Krankenhäuser abgegrenzt, die häufig unter kirchlicher Schirmherrschaft stehen, aber auch von nichtkonfessionellen Trägern wie beispielsweise dem Deutschen Roten Kreuz geführt werden. Als dritte Möglichkeit gibt es weiterhin die privaten Träger. Hierzu gehören große Klinikketten, wie beispielsweise Sana, Asklepios, Helios oder die Rhön-Klinikum AG. Je nach Trägerschaft unterscheiden sich auch die Ziele der Krankenhäuser. In den öffentlichen und freigemeinnützigen Krankenhäusern stehen eher die Sachziele im Vordergrund, also die qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung, Forschung und Lehre und teilweise die religiös geprägten Leitbilder. Bei den privaten Trägern, die eine Gewerbekonzession nach § 30 Gewerbeordnung nachweisen müssen, stehen zumeist die Formalziele im Vordergrund. Hierzu zählen unter anderem die Gewinnabsicht und die Liquidität des Unternehmens.14 Stand 2016 waren von den 1951 aktuell existierenden Krankenhäusern 34,5% in freigemeinnütziger, 29,2% in öffentlicher und 36,2% in privater Trägerschaft. Zu beachten ist, dass der Anteil der privaten Träger seit 1991 rapide angestiegen ist, von vormals 14,8% (1991) auf die heutigen 36,2%.15
Die Abgrenzung nach Versorgungsstufen ist eine zweite Möglichkeit Krankenhäuser voneinander zu differenzieren. Einen Überblick soll Abbildung 2 bieten, die eine schematische Darstellung der Versorgungsstufen nach Vorgabe des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege wiedergibt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Versorgungsstufen (eigene Abbildung in Anlehnung an Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (2018), o.S.)
Krankenhäuser der Versorgungsstufe 1 dienen der Grund- und Regelversorgung der Bevölkerung. In der Regel werden hier Fachrichtungen, wie die Innere Medizin und die Chirurgie vorgehalten, teilweise auch Gynäkologie und/oder eine Geburtshilfe. Krankenhäuser der Versorgungsstufe 2 erfüllen auf unterschiedliche Fachabteilungen spezialisierte, überregionale Aufgaben und halten bspw. zusätzlich eine Pädiatrie oder eine Neurochirurgie vor. Zu den Krankenhäusern der Versorgungsstufe 3 gehören die Kliniken, die ein umfassendes Leistungsangebot nachweisen können und ein sehr großes, zumeist überregionales Einzugsgebiet haben. In den Bereich der Maximalversorger gehören auch die Universitätskliniken, die weiterhin noch die Aufgabe der Forschung und Lehre zu erfüllen haben.16 Fachkrankenhäuser als letzte Differenzierung konzentrieren sich in der Regel auf die Behandlung einer spezifischen Erkrankung bzw. der Abdeckung eines bestimmten medizinischen Ressorts, wie zum Beispiel psychiatrische Fachkliniken.
In der Literatur wird häufig auch noch zwischen Grund- und Regelversorgern differenziert, womit es folglich dann vier Versorgungsstufen gibt. Unterschiede bestehen hierbei am meisten in der Anzahl der Betten und in einigen Fällen auch im Leistungsangebot.17 Da die Zuordnung zu den jeweiligen Versorgungsstufen landesspezifisch unterschiedlich ist, wird in dieser Arbeit die Definition des Bayerischen Staatsministeriums angewandt und die Grund- und Regelversorgung zusammengefasst.18
Die aktuelle Finanzierung von Krankenhäusern ist im 1972 eingeführten Krankenhausfinanzierungsgesetz geregelt. In Deutschland wird in diesem Bereich eine duale Finanzierung angewandt. Das heißt, dass die Bundesländer, private Krankenkassen und gesetzliche Krankenkassen die Krankenhausfinanzierung aufteilen, da dies als öffentliche Aufgabe gilt. Die Bundesländer sind in diesem System für die Investitionskosten zuständig, wohingegen die Krankenkassen die Betriebskosten für Krankenhäuser übernehmen.19 Die Betriebskosten werden anhand von sogenannten Diagnosis Related Groups, kurz DRG’s, erstattet. Der Patientenfall wird in diesem Erstattungssystem zunächst einer Hauptdiagnose zugeordnet, die anhand des ICD-10-Kataloges kodiert wird. Zusätzlich werden alle durchgeführten Prozeduren, sowie Nebendiagnosen, Komplikationen und Entlassungsart erfasst und ein Schweregrad in Abhängigkeit der Nebendiagnosen erstellt. Der zu erstattende Betrag durch die Kostenträger wird dann festgelegt, indem ein vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) definierter Basiswert mit dem Relativgewicht multipliziert wird, welches von der Fallschwere abhängt.20 Das InEK überarbeitet diesen Landesbasisfallwert jährlich, sodass regelmäßige Änderungen bei der finanziellen Vergütung und Klassifizierung Usus sind.21 Ein Krankenhaus kann zudem auch Zusatzentgelte für besondere oder teure Leistungen erhalten. Darunter fallen Behandlungen wie die Bluttransfusion oder ein Implantateinsatz. Die Verweildauer des Patienten ist ebenfalls von hoher Relevanz. Jeder DRG wird eine mittlere Verweildauer zugeordnet. Unterschreitet ein Krankenhaus diese, werden Abschläge bei der Kostenerstattung vollzogen. Wird sie überschritten, erhält es Zuschläge, die allerdings nicht komplett kostendeckend sind.
Beachtet werden müssen auch die Fallzusammenführungen und Abschläge durch Verlegung in ein anderes Krankenhaus, die ebenfalls Auswirkungen auf den Erstattungsbetrag einer DRG haben.22 Die Folge dieser Erstattungsmethodik mit DRG‘s ist, dass eine effiziente Leistungsgestaltung durch die Krankenhäuser besonders wichtig wird, da die Kosten nur noch pauschal und nicht, wie vorher beim Selbstkostendeckungsprinzip üblich, komplett vergütet werden.23
Die Investitionskosten werden durch die Bundesländer getragen. Diese Investitionen sollen vor allem dem Ausbau und Erhalt der Infrastruktur gelten, das heißt also zum Beispiel der Modernisierung der Krankenhäuser, der Anschaffung neuer diagnostischer Gerätschaften oder dem Ausbau von Stationen. Allerdings ist die Höhe der Investitionen seit Jahren rückläufig, im Jahr 2000 betrug das staatliche Investitionsvolumen noch 3,4 Mrd. €. Im Jahr 2013 hingegen wurden nur noch 2,7 Mrd. € zur Verfügung gestellt.24 Dadurch ist über die Jahre hinweg ein sogenannter Investitionsstau entstanden, also ein Fehlbetrag für Krankenhäuser, der benötigt werden würde, um die Infrastrukturen auf neuesten Stand zu bringen oder den aktuellen Status quo zumindest zu erhalten. Eine Erhebung des Deutschen Krankenhaus Instituts (DKI) aus dem Jahr 2015 nennt für den Zeitraum von 2016 bis 2020 ein Investitionsvolumen von insgesamt 33,9 Mrd. € als erforderlich (ca. 6,8 Mrd. € pro Jahr).25 Für viele Krankenhäuser bedeuten diese fehlenden Investitionen, dass sie selbst investieren und gegebenenfalls dafür Kredite aufnehmen müssen. Dies ist jedoch seit der Einführung der internationalen Bankenregulierungsregelung Basel Ⅱ nur noch schwer umsetzbar. Seit der Implementierung ist eine risikoadjustierte Eigenkapitalhinterlegung erforderlich. Das heißt, wirtschaftlich angeschlagene Krankenhäuser erhalten nur teure Kredite mit hoher Verzinsung oder im Worst-Case-Szenario keinen Kredit für notwendige Investitionen.26
Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation für die Jahre 2007 bis 2016. Der grüne Anteil der Balken repräsentiert in dieser Grafik ein ausgeglichenes Jahresendergebnis, der rote steht für einen Verlust und der blaue Teil für einen positiven wirtschaftlichen Outcome.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Ergebnis der Jahresbilanzen für die Jahre 2007 bis 2016 (eigene Darstellung in Anlehnung an DKI (2008) - DKI (2017), S.1 ff.)
Diese Grafik verdeutlicht, wie schwer es den Krankenhäusern fällt, Gewinne zu erwirtschaften. Seit 2007 hat in jedem Erhebungsjahr mindestens ein Drittel der durch das DKI befragten Krankenhäuser keinen Gewinn erzielt. Eine relativ prekäre Situation, die den Krankenhäusern auch die Kreditaufnahme bei Banken erschwert, da die Bonität folglich als schlecht eingestuft wird. Noch deutlicher wird diese diffizile Situation, wenn ein Blick auf die Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser geworfen wird (Abbildung 4). Die roten Balken stehen in dieser Abbildung für eine schlechte Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, die grünen für eine ausgeglichene und die blauen für eine gute finanzielle Situation. Zwar bezeichnet über die Jahre hinweg eine relativ hohe Anzahl an Krankenhäusern die eigene wirtschaftliche Situation als ausgeglichen, aber seit dem Jahr 2007 wurde nur in drei Fällen die 30%-Marke von Krankenhäusern übertroffen, die ihre wirtschaftliche Situation als gut einschätzen.27 Auch hier sind die Ergebnisse nicht erfolgsversprechend, wenn die Krankenhäuser eine Kreditaufnahme beantragen und die wirtschaftliche Situation in die Vergabe mit einbezogen wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser in Prozent (eigene Abbildung in Anlehnung an DKI (2008) – DKI (2017), S.1 ff.)
Um unter diesem Finanzierungssystem im Wettbewerb bestehen zu können, muss das Krankenhausmanagement eine intensive Auseinandersetzung in Bezug auf die strategische Ausrichtung betreiben.28 Die Folge ist eine Konzentrationsbewegung auf dem deutschen Krankenhausmarkt. Diese kann durch Fusionen von zwei oder mehr Krankenhäusern oder auch durch Kooperationsbewegungen entstehen. Ein Index, der die Marktkonzentration widerspiegelt, ist der Herfindahl Hirschman Index (HHI). Definiert ist er als die Summe der quadrierten Marktanteile aller relevanten Wettbewerber eines Marktes.29 Untersuchungen auf dem deutschen Krankenhausmarkt haben ergeben, dass der Wert zwischen 2000 und 2007 von 0,14 auf 0,17 gewachsen ist. Ab einem HHI-Wert von 0,18 gilt der Literatur nach ein Markt als stark konzentriert.30 Diese Veränderungen auf dem stationären Markt sind ein starkes Indiz dafür, dass viele Krankenhäuser in der Konzentration (durch Kooperation oder Fusion) einen Ausweg aus ihrer prekären finanziellen Situation sehen und durch diese strategische Ausrichtung ihre Existenz sichern wollen.
3. Horizontale Kooperationen zwischen Krankenhäusern
3.1. Begriffsdefinitionen
Bevor auf die rechtlichen Aspekte von Kooperationen sowie deren Vor- und Nachteile eingegangen werden kann, müssen zunächst noch einige Abgrenzungen vorgenommen und Begrifflichkeiten definiert werden.
Bei einer Fusion streben zwei oder mehr Partner eine gemeinsame neue Identität an. Die rechtliche Selbstständigkeit geht verloren und es wird ein neues Unternehmen gegründet. Folglich herrscht eine sehr große Bindungsintensität.31 Selten gehen solche Fusionsbestrebungen ohne Probleme einher. Es ist schwer eine geeignete Rechtsform zu finden. Es müssen Abstimmungen mit Ministerien und Kostenträgern erfolgen, Personalfragen geklärt (hier besonders arbeitsrechtliche Aspekte z.B. durch unterschiedliche Tarifvereinbarungen) und steuerrechtliche Bedingungen dürfen nicht vernachlässigt werden.32 Oftmals werden auch die Angleichungen der Unternehmenskulturen unterschätzt. Die Folge ist, dass ca. 45 – 80% der Fusionen scheitern.33 Dies alles sind Gründe, weshalb viele Krankenhausmanagements mittlerweile den Weg von Kooperationen beschreiten, die ohne Aufgabe der rechtlichen Eigenständigkeit einhergehen.
Der Begriff Kooperation ist als freiwillige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen zur Durchführung von Großprojekten definiert. Weiterhin wird das Ziel verfolgt, gemeinschaftliche wirtschaftliche Interessen gegenüber Dritten durchzusetzen.34 Der Kooperationsbegriff wird als Überbegriff für viele verschiedene Arten der Zusammenarbeit genutzt. Eine dieser Möglichkeiten sind sogenannte Joint Ventures. Zwei oder mehr Unternehmen kaufen oder gründen in diesem Fall ein rechtlich selbstständiges Unternehmen. Die Zusammenarbeit ist in dieser Konstellation auf lange Frist ausgelegt.35
Als weitere Option können Kartelle gegründet werden, um marktbeherrschende Stellungen einzunehmen, indem Absprachen zwischen den beteiligten Unternehmen getroffen werden.36 Allerdings verstoßen Kartelle gegen das Wettbewerbsrecht und werden sehr schnell durch behördliche Anweisungen aufgelöst.
Weitere Begrifflichkeiten, die im Zusammenhang mit Kooperationen fallen, sind die strategische Allianz und das Netzwerk. Eine strategische Allianz ist ein Zusammenschluss von wirtschaftlich und rechtlich selbstständigen Unternehmen zu einer größeren Wirtschaftseinheit. Dieser Zusammenschluss ist zumeist auf ein strategisches Geschäftsfeld begrenzt. Für Netzwerke gibt es in der Literatur keine einheitliche Definition. Grundsätzlich sind es Systeme, deren zugrundliegende Struktur mathematisch modellierbar ist.37 In einem Netzwerk befinden sich mindestens drei und maximal zehn zuvor eigenständig operierende Unternehmen.38 Diese Arten von Kooperationen entstehen entweder dadurch, dass sich Unternehmen aus strategischen Gründen hierfür entscheiden oder durch Druck von außen. Letzterer kann zum Beispiel seitens der Politik ausgeübt werden.39
Kooperationen im Krankenhaus können auf verschiedenen Ebenen stattfinden (siehe Abbildung 5). Zum einen bieten sich Kooperationsmöglichkeiten mit Unternehmen an, die außerhalb der Gesundheitsbranche tätig sind, um zum Beispiel preisgünstiger an diagnostische Gerätschaften zu gelangen oder anderweitig im Bereich der Produktentwicklung und -forschung tätig zu werden. Diese Kooperationsform wird als diagonale Kooperation bezeichnet. Vertikale Kooperationen erfolgen mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Darunter fallen Rehabilitationskliniken oder ambulante Arztpraxen. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der dritten Kooperationsform. Horizontale Kooperationen erfolgen zwischen Partnern derselben Branche, also in diesem Fall zwischen mindestens zwei Krankenhäusern.40
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Kooperationsformen (eigene Darstellung in Anlehnung an Quante (2006), S.61)
Im Zusammenhang mit Kooperation fällt häufig auch der Begriff der „Coopetition“. Das bedeutet, dass zwischen Partnern gleichzeitig eine Existenz von Kooperation und Wettbewerb vorherrscht. Zum Beispiel können zwei Krankenhäuser im Bereich der Onkologie kooperieren, aber gleichzeitig im orthopädischen Bereich wieder Konkurrenten in der Patientengewinnung sein. Legt in diesem Fall ein Partner den Fokus zu sehr auf den Wettbewerb, kann dies zu Dissonanzen in der Unternehmensbeziehung führen und die Partnerschaft auf eine harte Probe stellen.41
Insgesamt lassen sich Allianzen bzw. Kooperationen auch anhand ihrer Ziele klassifizieren. In der englischsprachigen Literatur werden hierfür drei Arten unterschieden. Zunächst die „Learning Alliance“, deren Ziel die Reduktion der Informationsassymetrien der beteiligten Partner ist. Der Fokus liegt auf der partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Die „Business Alliance“ zielt auf Gewinngenerierung ab. Hierunter fallen häufig Netzwerke, die sich einem gewissen Trend widmen und in der Tendenz auf Ausbeutung des Marktes aus sind.
Die dritte Form ist die „Hybrid Alliance“. Wie der Name schon aussagt, stellt sie einen Hybriden der beiden vorhergehenden Varianten dar und verbindet Zusammenarbeit und Marktausbeutung. Aus existierenden Werten sollen so viele Gewinne wie möglich erzielt und gleichzeitig durch Lerneffekte neue Märkte erschlossen und gute finanzielle Ergebnisse erzielt werden.42
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es viele unterschiedliche Begrifflichkeiten im Bereich der Kooperationsforschung gibt. Für diese Arbeit sollen die Begriffe „Kooperation“, „strategische Allianz“ und „Netzwerk“ als Synonym gelten. Auf die strukturellen Unterschiede der Praxisbeispiele wird in den jeweiligen Kapiteln eingegangen. Kooperationen befinden sich immer in einem dynamischen Zustand, sodass sich Rollen, Aufgaben und Interaktionsmuster stetig an Veränderungen der Umwelt im Gesundheitswesen anpassen müssen. Dadurch unterliegen sie immer wieder Umformungsprozessen und Allianzen werden angeregt, erweitert oder gegebenenfalls aufgelöst.43
3.2. Rechtliche Aspekte zur Kooperation zwischen Krankenhäusern
In diesem Kapitel sollen zunächst einige gesetzliche Grundlagen des Krankenhauswesens erläutert werden, bevor anschließend auf kartellrechtliche Vorgaben in Bezug auf Kooperationen eingegangen wird. Des Weiteren wird ein Blick auf die Neuerungen des Krankenhausstrukturgesetzes und deren Auswirkungen auf die Kooperationsbewegungen in Deutschland geworfen.
Jeder Bürger in Deutschland hat nach Art. 2 Abs. 2 GG das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Eine andere Definition bezüglich der Gesundheit ist im Grundgesetz nicht verankert. Einen wichtigen Faktor für die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland stellt der stationäre Sektor dar.
Ein Krankenhaus ist nach § 2 Nr. 1 KHG als eine Einrichtung definiert, in der durch „ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können“.44 Nach § 39 Satz 1 SGB V darf eine stationäre Aufnahme allerdings nur dann durchgeführt werden, wenn das Ziel der Behandlung auf ambulantem oder teil-, vor- und nachstationärem Weg nicht erreicht werden kann. Für die Behandlung durch das Krankenhaus gilt das Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Das heißt, die Maßnahmen dürfen „das Maß des Notwendigen“ nicht überschreiten.45 Krankenhäuser müssen, um eine Abrechnung der Leistungen durchführen zu können, nach § 108 SGB V zugelassen sein. Um als zugelassen zu gelten, muss ein Krankenhaus in einen bundeslandspezifischen Landeskrankenhausplan aufgenommen werden. Der Detaillierungsgrad dieses Planes obliegt hierbei nach § 6 KHG den einzelnen Bundesländern. Die Aufgabe des Landeskrankenhausplanes liegt darin, festzulegen, wie die Versorgungsgebiete definiert werden sowie eine Bedarfsanalyse für die Bevölkerung zu erstellen, als auch bestehende Krankenhäuser zu analysieren und eine Verteilung des Bedarfs auf bestehende oder neue Krankenhäuser vorzunehmen.46
Ein großer Kritikpunkt an der Umsetzung ist, dass die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung in keinem Gesetz konkret festgelegt ist und jedes Bundesland eine spezifische Umsetzung verfolgt. Folglich gibt es große Unterschiede je nach Region und Bundesland.47 Ist ein Krankenhaus in den Krankenhausplan des entsprechenden Bundeslandes aufgenommen worden, besteht ein sogenannter Kontrahierungszwang. Dies bedeutet, Krankenkassen müssen die erbrachten stationären Leistungen abrechnen.48
Für einige vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegte Krankheiten gibt es seit mehreren Jahren Mindestmengenvorgaben, die Krankenhäuser vorweisen müssen, um die entsprechende Leistung weiterhin im Leistungskatalog führen zu dürfen. Den gesetzlichen Rahmen hierzu bildet § 136b SGB V. Unter die Mindestmengen fallen folgende Prozeduren: Lebertransplantation inklusive Teilleber-Lebendspende (20 Durchführungen pro Standort und Jahr), Nierentransplantation inklusive Lebendspende (25 Eingriffe), komplexe Eingriffe am Ösophagus (10 Eingriffe), komplexe Eingriffe an der Pankreas (10 Eingriffe), Stammzellentransplantation (25 Eingriffe), Kniegelenk-Totalendoprothesen (50 Eingriffe), koronarchirurgische Eingriffe (vorerst keine zahlenmäßige Festlegung) und die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g (14 Eingriffe).49 Während dieser Umstand für größere Krankenhäuser weniger Probleme mit sich bringt, sind kleinere und vor allem ländlich gelegene Krankenhäuser mit einer naturgemäß kleineren Patientenklientel stark benachteiligt. Ohne Verbundmöglichkeiten droht für diese Krankenhäuser die Kürzung des Leistungskataloges und bei großen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Performance die Schließung.50 Folglich spezialisieren sich die betroffenen Kliniken entweder auf ein bestimmtes medizinisches Fachgebiet oder suchen sich einen geeigneten Kooperationspartner, um die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Kooperationsabsprachen, die eine Abdeckung der Mindestmengenregelung betreffen, stehen dann nicht unter Kartellverdacht, wenn ohne die Kooperation eine Versorgung der Bevölkerung gefährdet wäre, weil die betreffende Leistung nicht mehr in einem für die Bevölkerung akzeptablen Reise- oder Transportaufwand erbracht werden könnte.51
Insgesamt gilt, dass sich auch Krankenhauskooperationen nicht in einem kartellrechtsfreien Raum bewegen.52 Folglich bedarf jede Kooperation vor Unterzeichnung eines Kooperationsvertrages einer ausführlichen juristischen Prüfung, ob diese gegen geltende nationale oder internationale Vorschriften verstoßen könnte.53 Eine horizontale Kooperation gilt so lange als kartellrechtlich unbedenklich, wie der Marktanteil der betreffenden Krankenhäuser beim sachlich und räumlich relevanten Markt nicht die 10%-Marke überschreitet.54
Der sachlich relevante Markt betrifft sämtliche medizinische Dienstleistungen, die Krankenhäuser gegenüber Patienten erbringen. Ausgenommen sind hiervon Rehabilitationseinrichtungen, Alten- und Pflegeheime, private Kliniken, die nicht im Krankenhausplan geführt werden, sowie psychiatrische Fachabteilungen, da diese nicht zum somatischen Krankenhausmarkt gezählt werden.55 Grundsätzlich findet keine Unterscheidung nach medizinischen Disziplinen statt. Das heißt, dass zum Beispiel die Abteilung Orthopädie mit der Abteilung Urologie gleichgestellt ist, aber in Ausnahmefällen kann der zur Beurteilung herangezogene Bereich sich auch nur auf Teilbereiche beschränken.56
Der räumlich relevante Markt verfolgt das Ziel einer Raumfestlegung. Hierfür wird analysiert, welche Krankenhäuser durch die Bewohner eines bestimmten Gebietes aufgesucht werden. In die kartellrechtliche Entscheidung werden dann alle betroffenen Nachfrager von stationären Leistungen miteinbezogen, die durch Kooperation in der Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden könnten. Da die Patienten ihre medizinischen Leistungen häufig wohnortnah nachfragen, resultiert aus diesen Analysen in vielen Fällen ein relativ kleiner Markt und die Folge ist, dass die 10%-Marke des Marktanteils schnell überschritten wird.57
Verstößt eine Kooperationsvereinbarung gegen die kartellrechtlichen Bestimmungen, tritt ein Verbot der Vereinbarung nach § 1 GWB in Kraft. Die Folge ist dann die Nichtigkeit des Kooperationsvertrages nach § 134 BGB. Das Kartellverbot des § 1 GWB ist unmittelbar anwendbar und bedarf keines Behördenentscheides.58
Allerdings gibt es auch Freistellungsmerkmale für Kooperationen. Diese sind in § 2 GWB geregelt. Freigestellt sind zum einen Kooperationen, die bspw. eine maßgebliche Steigerung der Behandlungsqualität mit sich bringen. Weiterhin solche, die eine einseitige oder gegenseitige Spezialisierung oder eine gemeinsame Produktion als Ziel haben. Dies gilt allerdings nur unter der Prämisse, dass eine Marktanteilsschwelle von 20% nicht überstiegen wird und der Kooperationsvertrag keine gegenseitige Zuweisung von Patienten beinhaltet. Die Beweislast für den Freistellungsantrag liegt bei den Krankenhausträgern.59
Am 01.01.2016 wurde das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) in Deutschland eingeführt. Eine Maßnahme, die dieses Gesetz vorsah, war die Einführung eines Strukturfonds. Dieser Fonds stellte 500 Mio. € aus den Liquiditätsreserven des Gesundheitsfonds zur Verfügung, sowie weitere 500 Mio. € als Fördermittel, sodass insgesamt 1 Mrd. € für Umstrukturierungsmaßnahmen zur Verfügung standen. Ziel dieses Strukturfonds war es, drei konkrete Vorhaben zeitlich befristet zu fördern:
- ein Krankenhaus oder Teile der akutstationären Versorgung werden dauerhaft geschlossen (mindestens eine Abteilung eines Krankenhauses)
- standortübergreifende Konzentration von akutstationären Versorgungskapazitäten (Voraussetzung: mindestens eine Abteilung muss betroffen sein, Versorgungskapazitäten müssen abgebaut oder Vorhaltungsaufwand gesenkt werden)
- ein Krankenhaus oder Teile davon werden in bedarfsnotwendige andere Fachrichtungen oder in eine nicht akutstationäre Einrichtung umgewandelt (ambulante Einrichtung, stationäre Pflegeeinrichtung oder stationäre Rehabilitationseinrichtung)60
Die Voraussetzung für die Zuteilung der Fördermittel war, dass das Vorhaben nicht schon vor dem 01.01.2016 begonnen wurde und dass die Anträge auf die Fördergelder bis zum 31.07.2017 beim Bundesversicherungsamt eingegangen waren.61 Anträge, die nach dem Stichtag eingingen wurden nicht mehr finanziell berücksichtigt.
Abbildung 6 zeigt, wie viele Anträge gestellt wurden und wie die Verteilung auf die drei geförderten Vorhaben ausgesehen hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Anzahl beantragter Projekte und deren Anteil am Fördervolumen (eigene Darstellung in Anlehnung an Augurzky et al. (2017), S.159 f.)
Die Darstellung verdeutlicht, dass der Fokus weniger auf Umwandlung oder Schließung von Kapazitäten lag, sondern eher auf Kapazitätskonzentration ausgerichtet war. Dreiviertel der bereitgestellten Fördermittel fließen in insgesamt 89 Umstrukturierungsmaßnahmen in Hinblick auf Konzentration von Leistungen.62 Diese Tatsache verdeutlicht, dass die Rechtsprechung in punkto Kooperationsfördermaßnahmen und der kartellrechtlichen Bewertung von Kooperationen nicht im Einklang ist. Auf der einen Ebene werden Fördergelder zur Konzentration bereitgestellt, auf der anderen Ebene werden Kooperationen aufgrund von Wettbewerbseinschränkungen verboten.
Hier ist die Politik gefordert, zukünftig andere Lösungswege anzubieten und diese Widersprüche bestmöglich aufzulösen.63 Insgesamt wird von vielen Seiten eine Änderung im Wettbewerbsrecht in Hinblick auf den stationären Sektor gefordert. Denn zum einen bestehen schon seit Jahren natürliche Monopole (vor allem in ländlichen Bereichen), zum anderen existieren auch keine Preisnachteile durch die pauschale Vergütung durch die DRG’s. Vor allem für ländliche Krankenhäuser ist eine Lockerung der Kooperationsvorgaben von Vorteil, um eine koordinierte Versorgung der Bevölkerung jetzt und auch in Zukunft sicherstellen zu können.64
3.3. Gründe für Kooperationen
Die Gründe, warum Kooperationen zwischen Krankenhäusern entstehen, sind sehr vielschichtig. Zum einen kann es einen politischen Druck von außen geben. Dies liegt daran, dass Krankenhäuser in ihrer Region wichtige Arbeitgeber sind und eine Schließung negative ökonomische Faktoren für die regionale Wirtschaft mit sich bringt.65 Folglich setzen sich politische Entscheidungsträger dafür ein, dass die Krankenhäuser weiter bestehen bleiben. Die Kooperation mit einem Partner bietet sich hierbei als ein möglicher Lösungsansatz an. Ein weiterer Grund ist, dass das Krankenhaus selbst aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen einen Partner sucht. Die Treiber für eine solche Entscheidung sollen in diesem Kapitel vorgestellt werden.
Hierfür muss abgegrenzt werden, welcher Nutzen für ein Krankenhaus aus einer Kooperation entstehen könnte. Ein direkter Nutzen ist eine objektiv messbare positive Wirkung (z. B. weniger Patientenverlegungen durch telemedizinische Vernetzung). Des Weiteren kann sich ein intangibler Nutzen ergeben, der sich mittel- oder langfristig auf die Gesellschaft oder das Gesundheitssystem auswirkt (z.B. niedrigere Kosten für Krankenkassen durch Kooperation). Als dritter Aspekt kann ein indirekter Nutzen für die Partner entstehen, die als subjektiv erfassbare positive Effekte definiert sind (z.B: Know-How-Zugewinne durch Kooperation).66
Die Kooperationsgründe lassen sich nach theoretischen Ansätzen aufgliedern.
Der industrieökonomische Ansatz kann als wichtigster Faktor für Kooperationsbewegungen angesehen werden. Ihm liegt eine gewöhnliche Gewinnfunktion zugrunde, bestehend aus der Umsatzkomponente (Menge x Preis) und der Kostenkomponente (fixe + variable Kosten). Die Preisvariable ist durch die DRG-Vergütung nicht und die Mengenvariation durch die Budgetdeckelung ebenfalls nur bedingt beeinflussbar, deshalb liegt der primäre Fokus auf den Kosten.67 Dazu dient die Bezeichnung Economies of Scope als Überbegriff. Durch die Kooperation entstehen Kosten- und Verbundsynergien, da die Produktion verschiedener Güter im Verbund kostengünstiger ist als eine individuelle Produktion.68 Das geschieht zum Beispiel, indem diagnostische Ressourcen gemeinsam genutzt werden, was zu einer höheren Auslastung dieser führt oder indem betriebliche Aktivitäten zusammengelegt und so die Fixkosten dezimiert werden. Ebenso kann es im Bereich der Warenbeschaffung Einsparungen geben. Durch einen Zusammenschluss von Krankenhäusern steigt die Verhandlungsmacht gegenüber den Lieferanten. Das kann bessere Einkaufskonditionen für Medikamente, administrative Beschaffungen, Laborbedarf und weiteren medizinischen Gebrauchsgegenständen nach sich ziehen. So können im Bereich des Materialeinkaufs Einsparungen von 10 – 30% erzielt werden.69
Trotz der Einschränkung der Budgetdeckelung darf auch der Einfluss der Mengenvariation nicht vernachlässigt werden, welche im Allgemeinen als Economies of Scale bezeichnet werden. Es wird angenommen, dass durch eine häufige Anwendung spezieller Behandlungskonstanten ein Lernkurveneffekt eintritt und der Ressourceneinsatz auf Dauer sinkt, sowie die Auslastung (bspw. der OP-Säle) steigt. Dies bringt dann einen Kostendegressionseffekt mit sich. Folglich sinken hier die Kosten pro Behandlungsfall, was sich positiv auf den betriebswirtschaftlichen Outcome auswirkt.70
Ein zweiter Ansatz, der Gründe für die Kooperation liefert, ist der Transaktionskostenansatz. Diese Kosten entstehen bei jeder Transaktion am Markt. Hierzu zählen alle Kosten, die zur Beschaffung von Gütern oder Dienstleistungen notwendig sind.71 Beim Transaktionskostenansatz wird zwischen vier Arten unterschieden. Die Anbahnungskosten, die bspw. anfallen, weil Informationen über das eigene Krankenhaus oder mögliche Partner eingeholt werden müssen. Des Weiteren gibt es die Vereinbarungskosten, deren Höhe sich nach der Intensität und zeitlichen Expansion von Verhandlung und Einigung richtet. Die Kontrollkosten fallen zur Sicherstellung von Termin-, Preis- und Qualitätsvereinbarungen an und zu guter Letzt treten Anpassungskosten auf, wenn sich die Umweltbedingungen für die beteiligten Krankenhäuser ändern. Ein Krankenhaus entscheidet sich völlig rational für die Konstellation mit den günstigsten Transaktionskosten. Gegenüber der vollkommenen Eigenerstellung von Leistungen (hierarchische Form) oder dem Fremdbezug dieser (marktbezogene Form), bietet hier die Kooperation die insgesamt günstigste Alternative.72
Ein dritter Grundgedanke ist der Resource-Dependency-Ansatz. Die Knappheit von Ressourcen und die sich ständig verändernden Bedingungen im Gesundheitswesen, stellen die Krankenhäuser vor große Herausforderungen. Die Einbindung in eine Kooperationsgemeinschaft vermindert das Umweltrisiko für einzelne Häuser, da das Risiko auf alle Partner aufgeteilt wird. Zudem ist es als Gemeinschaft leichter an Kredite für Investitionen zu gelangen, die zwingend notwendig sind, um die gegebenen Infrastrukturen zu erhalten bzw. auszubauen.73 ’74 Doch nicht nur angesichts einer Kreditvergabe lässt sich eine Risikoaufteilung feststellen. Auch bei der Risikodiversifizierung im Bereich der Leistungserbringung lassen sich Vorteile erkennen. Die Kooperation führt insgesamt zu einer verbesserten Rendite-Risiko-Kombination für die beteiligten Partner.75
Neben den bisher erörterten theoretischen Ansätzen gibt es weitere Aspekte, die für eine Kooperation sprechen. Zu nennen ist hier der Know-How-Zugewinn durch die Partner. Durch telemedizinische Vernetzung können in kürzester Zeit Zweitmeinungen zu Diagnosen und Behandlungen eingeholt werden.76
Der Austausch von Ärzten zwischen den Kliniken kann zu positiven Effekten in der Fort- und Weiterbildung führen. Dass dieser Austausch rege stattfindet, zeigt eine Untersuchung von Westra et al. aus dem Jahr 2017. Abbildung 7 verdeutlicht, wie hoch der Anteil an Fachärzten war, die nicht nur im eigenen Krankenhaus oder in der eigenen Praxis tätig waren, sondern ihre Kompetenzen und ihr Wissen an mindestens einem weiteren Kooperationsstandort weitergaben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Zahl der Ärzte, die ebenfalls in anderen Einrichtungen tätig sind (n=4277) (eigene Darstellung in Anlehnung an Westra et al. (2017), S.47)
Ein ITC (Independent Treatment Center) entspricht in Deutschland einer ambulanten Praxis, deswegen soll dieser Bereich vernachlässigt werden. Die Untersuchung von Westra et al. zeigte außerdem, dass von den 1761 im Allgemeinkrankenhaus tätigen Ärzten 574 in einem Krankenhaus der gleichen strategischen Ausrichtung arbeiteten. Von den 1614 Ärzten aus den Lehrkrankenhäusern wurden 500 in einer anderen medizinischen Einrichtung eingesetzt. Auch bei den Universitätskliniken zeigte sich, dass die Ärzte für andere Krankenhäuser tätig wurden. Hier fand ein regelmäßiger Austausch von 93 der 543 befragten Ärzte statt.77 Gerade kleinere Krankenhäuser haben durch diese Kollaboration die Chance, personelle Defizite zu beheben, nicht nur im ärztlichen, sondern auch im pflegerischen Bereich. Durch gemeinsame Fort- und Weiterbildungen können hier Kosten eingespart werden und insgesamt wird so ein höheres Qualitätslevel der Versorgung erzielt, das ebenfalls nicht unwesentliche positive Aspekte mit sich bringt.
Denn die Qualität der Behandlung wird als Differenzierungsfaktor gegenüber anderen Wettbewerbern noch mehr an Bedeutung gewinnen, als es bisher der Fall ist.78 Für Patienten ist gerade bei Elektivfällen die Nähe zum Wohnort eher weniger relevant. Die Wahl des Krankenhauses zur Behandlung der eigenen Krankheit richtet sich am meisten nach der Empfehlung und Überweisung des Hausarztes. Folglich stellen die einweisenden Hausärzte einen wichtigen Erfolgsfaktor für den ökonomischen Erfolg eines Krankenhauses dar.79 Da die Ärzte ihre Entscheidung am häufigsten anhand der subjektiven Beurteilung der Qualität des Krankenhauses treffen, ist es wichtig, dass eine gute Behandlungsqualität nachgewiesen werden kann, was für Krankenhäuser in Kooperationen häufig leichter ist als für individuell agierende Häuser. Auch das Image eines Krankenhauses hat hier große Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung der ambulanten Ärzte.80 Je größer die Allianz ist, umso größer wird auch das relevante Einzugsgebiet. Für die Krankenhäuser ist das positiv, da dieser Umstand die Patientenzahl erhöht.81
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Zusammenfassung der Gründe für Kooperationen (eigene Darstellung)
Abbildung 8 fasst noch einmal mit kurzen Stichworten die wichtigsten Gründe zusammen, die für Kooperationsbestrebungen genannt werden können.
Bei einer Umfrage der Healthcare Financial Management Association (HFMA) in den USA wurden Krankenhäuser nach den Gründen befragt, weshalb sie Kooperationen oder Fusionen eingehen. Mit 58% waren hier die Economies of Scale führend vor der Verbesserung der Wettbewerbsposition mit 51%. Eher weniger bedeutend sind bei den befragten Kliniken ein Aus- und Aufbau eines Ärztenetzwerkes (31%) oder der Zugang zu Kapital (23%).82
Der Erfolg für ein einzelnes Krankenhaus, das an einem Netzwerk oder einer Kooperation partizipiert, ist insgesamt davon abhängig, wie groß der Umfang der aktiven Teilnahme in der Partnerschaft ist. Die bloße Teilnahme ohne Beteiligung an Projekten oder Anpassung der Strukturen, bringt keine positiven Effekte für die medizinische Einrichtung mit sich.83
3.4. Mögliche Schwierigkeiten
Neben den positiven Möglichkeiten, die sich durch die Kooperation mit anderen Krankenhäusern eröffnen, gibt es auch Aspekte, die Schwierigkeiten mit sich bringen und die Kooperation negativ beeinflussen können.
Schon bei der Zielsetzung in der Kooperationsvereinbarung müssen wichtige Dinge beachtet werden. Die Ziele einer Allianz sollten realistisch formuliert und festgelegt und darüber hinaus müssen auch die Unterschiede der verschiedenen Träger miteinbezogen werden. Ein kirchlicher Träger hat andere Ziele und Wertvorstellungen als bspw. ein privater Träger. Hier muss ein Konsens für die gesamte Allianz gefunden werden, ohne Benachteiligung eines Einzelnen. Denn wenn die Ziele nicht kongruent sind, droht die Partnerschaft schon bei kleinen Meinungsverschiedenheiten zu scheitern.84 Bei öffentlichen Trägern sollten noch ganz andere Aspekte berücksichtigt werden. Hier sind Führungsgremien häufig mit einem politischen Entscheidungsträger besetzt. Dies kann zu Konflikten führen, wenn es bspw. um Kapazitätsabbau im betroffenen Krankenhaus geht.
Keiner der Politiker möchte Wählerstimmen verlieren und ein Kapazitätsabbau, der zumeist als negativ durch die Bevölkerung wahrgenommen wird, schadet dem Image eines Bürgermeisters oder beeinflusst politische Ambitionen. Deswegen können Zusammenschlussprozesse mit öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern häufig langwierig und schwierig sein und bedürfen großes Verhandlungsgeschick.85
Eine weitere Problematik bezieht sich auf den in Kapitel 3.1. erläuterten Begriff der Coopetition.86 Zwar kann es sein, dass Krankenhäuser in einem bestimmten medizinischen Bereich kooperieren, in einem anderen können sie wiederum Konkurrenten um die Patientenklientel sein. Dies kann sich negativ auf die Beziehung auswirken. Abhängig sind die negativen Auswirkungen vor allem von der zwischenmenschlichen Kommunikation. Ist diese nicht gegeben oder sind die Werte der Führungsebene nicht vereinbar, kann kein positives Resultat aus der Kooperation hervorgehen.87 Je nach Größe des Netzwerkes ändert sich die Herausforderung, verschiedene Charaktere zu integrieren und bei Entscheidungen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. In den Partnerschaften werden meistens fünf unterschiedliche Arten von Charakteren beobachtet:
- der kooperative Typ: möchte den Outcome der Kooperation maximieren, arbeitet gut mit allen Partnern zusammen und sieht die Win-Win-Situation der Allianz
- der quasi-kooperative Typ: zieht für sich den maximalen Gewinn aus der Kooperation, jedoch gerade so viel, um sie nicht zu verlassen, präferiert die Kooperation gegenüber anderen Möglichkeiten
- der indifferente Typ: wenig an strategischer Ausrichtung interessiert, der Fokus liegt auf den Interessen des eigenen Unternehmens
- der wettbewerbsfähige Typ: der Benefit der anderen ist ein Verlust für das eigene Unternehmen, bei asymmetrischer Gewinnverteilung werden Probleme auftreten
- der rachsüchtige Typ: gibt alles, dass die Partner Verluste machen; Charaktereigenschaft entwickelt sich häufig nach einiger Zeit durch Probleme in der Kooperation und negative Emotionen.88
[...]
1 Vgl. Quante (2017), S.162
2 Vgl. Rocke (2002), S.533
3 Vgl. Lohmann (2011), S.114
4 Vgl. Kumpmann (2008), S.219
5 Vgl. Bohle (2009), S.645
6 Vgl. Behar (2009), S.113 f.
7 Vgl. Boer (2013), S.42
8 Vgl. Mareck (2017), S.59 ff.
9 Vgl. Quante (2017), S.163 ff.
10 Vgl. Harris et al. (2015), S.2
11 Vgl. Fleßa (2014), S.53 ff.
12 Vgl. Statistisches Bundesamt (2018), o.S.
13 Vgl. Sozialministerium Baden-Württemberg (2000), S.29
14 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.21 ff.
15 Vgl. Statistisches Bundesamt (2016), S.8
16 Vgl. StmGP (2018), o.S.
17 Vgl. Jörres (2014), S.106
18 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.25
19 Vgl. Oberender und Zerth (2010), S.215
20 Vgl. Schmola und Rapp (2014), S.34 ff.
21 Vgl. Schürrmeyer (2013), S.23
22 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.235 ff.
23 Vgl. Vera (2009), S.e14
24 Vgl. Blum (2015), S.12
25 Vgl. Blum et al. (2015), S.22
26 Vgl. Riedel und Schmieder (2015), S.504
27 Vgl. DKI (2018), o.S.
28 Vgl. Vera (2009), S.e15
29 Vgl. Schmid und Ulrich (2013), S.303
30 Vgl. Schmid und Ulrich (2012), S.19 f.
31 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.111
32 Vgl. Scherff (2005), S.33
33 Vgl. Rocke (2002), S.534
34 Vgl. Quante (2006), S.59
35 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.111
36 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.111
37 Vgl. Quante (2006), S.58 f.
38 Vgl. Schlüchtermann (2013), S.111
39 Vgl. Zajac et al. (2010), S.327
40 Vgl. Quante (2006), S.61 ff.
41 Vgl. Fang et al. (2011), S.776
42 Vgl. Sudarsanam (2010), S.248
43 Vgl. Messer und Reilley (2015), S.66 f.
44 Vgl. § 2 Nr. 1 KHG (2017), o.S.
45 Vgl. § 12 Satz 1 SGB V (2017), o.S.
46 Vgl. Schmola und Rapp (2014), S.21
47 Vgl. Neubauer (2017), S.156
48 Vgl. Malzahn et al. (2011), S.38
49 Vgl. G-BA (2017), S.8 ff.
50 Vgl. Neubauer (2017), S.159
51 Vgl. Bohle (2006), S.263
52 Vgl. Bohle (2006), S.262
53 Vgl. Heller (2011), S.181
54 Vgl. Mareck (2017), S.64
55 Vgl. Mareck (2017), S.65 f.
56 Vgl. Grave (2010), S.51
57 Vgl. Mareck (2017), S.66 f.
58 Vgl. Mareck (2016a), S.984
59 Vgl. Mareck (2016a), S.987 f.
60 Vgl. Mareck (2016b), S.1111 f.
61 Vgl. Augurzky et al. (2017), S.157
62 Vgl. Augurzky et al. (2017), S.162
63 Vgl. Mareck (2016b), S.1113
64 Vgl. Fleßa und Gieseler (2016), S.57
65 Vgl. Holmes et al. (2006), S.477
66 Vgl. Bönisch (2017), S.35 ff.
67 Vgl. Raible und Leidl (2004), S.709 f.
68 Vgl. Panzar und Willig (1981), S.268 ff.
69 Vgl. Voegele und Goette (1997), o.S.
70 Vgl. Seidel-Kwem (2016), S.157
71 Vgl. Oberender und Zerth (2010), S.231
72 Vgl. Raible und Leidl (2004), S.710 f.
73 Vgl. Kapitel 2
74 Vgl. Plamper und Pflugmacher (2010), S.81
75 Vgl. Raible und Leidl (2004), S.712 f.
76 Vgl. Raible und Leidl (2004), S.708
77 Vgl. Westra et al. (2017), S.46 f.
78 Vgl. Penter et al. (2014), S.48
79 Vgl. Eichhorn et al. (2017), S.630
80 Vgl. Dobbelstein (2008), S.212
81 Vgl. Boer (2013), S.48
82 Vgl. ohne Autor (2014), S.71
83 Vgl. Proenca et al. (2005), S.1254
84 Vgl. Zajac et al. (2010), S.333
85 Vgl. Beivers (2010), S.169
86 Vgl. Kapitel 3.1.
87 Vgl. Zippel-Schultz und Schultz (2005), S.249 f.
88 Vgl. Zajac et al. (2010), S.338 f.
- Arbeit zitieren
- Julian Torlutter (Autor:in), 2018, Kooperationen von Krankenhäusern unterschiedlicher Versorgungsstufen. Eine Analyse von möglichen Kooperationsmodellen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457893
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