In dieser Abhandlung wird der Frage nachgegangen, ob der Auftrag der Schule begrenzt ist auf die Vermittlung von Schulwissen ohne jeglichen Rekurs auf einen Bildungsauftrag. Ist das Thema Schule als Bildungsanstalt überhaupt noch zeitgemäß und sollte man sich des ohnehin schwierigen Begriffs "Bildung" nicht ersatzlos entledigen? Die zentrale These, Schule sei Lehr- und Lernanstalt und nicht Bildungsanstalt, soll hier kritisch beleuchtet und besprochen werden.
Mit der Einführung von Leistungsvergleichsstudien muss Schule neu gedacht werden. Ähnlich wie schon Ende der 50er- und Anfang der 60er- Jahre mit dem "Sputnik- Schock" und dem Ausruf der "Bildungskatastrophe" von Georg Picht ist mit den Schulleistungstests TIMSS und PISA erneut der Bildungsnotstand in der Bundesrepublik ausgerufen worden. Als die Ergebnisse des ersten veröffentlichten PISA- Tests (2000) bekannt wurden, sprach man sogleich aufgrund der überraschend schlechten Ergebnisse vom PISA- Schock. Der einhellige Grundtenor der vielfältigen Bewertungen und Kommentare zu den Studien lautet zusammengefasst: Deutschland ist kein Bildungsland mehr und mit unserem Bildungssystem stimmt etwas nicht.
Ein recht häufiger Einwand gegen die PISA- Studie lautet, sie messe nur Regelwissen, Kompetenzen und Kulturtechniken, aber keine Bildung. Wenn die Leistungstests also Kompetenzdefizite und Wissensmängel offenbaren, dann muss man sich darum kümmern. Die Frage lautet dann nicht, wie lässt sich in Zukunft mehr Bildung erreichen, sondern wie kann das Wissens- und Kompetenzniveau der Schüler angehoben werden. Ein Weg, die Qualität und Quantität des Schulwissens zu optimieren, besteht dann darin, dass Schulen sich Schulleistungstests unterwerfen, eine wirksame Evaluationskultur aufbauen, unmissverständliche Leistungsanforderungen formulieren und forciert Förderprogramme zum Ausgleich für Milieunachteile anbieten. Es geht also um die Qualität des Lehrens und Lernens im Kontext schulischer Tätigkeiten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ballauffs Bildungstheorie
- These: Schule ist eine Lehr- und Lernanstalt, und keine Bildungsanstalt.
- Konsequenzen der These
- Der Homo oeconomicus
- Leistung, Leistung, Leistung
- Orientierung durch Ballauffs Bildungstheorie
- Was Bildung ist
- Die Begründung von Bildung
- Die Aufgabe der Pädagogik
- Das Deutungsmonopol des Bildungsbegriffs
- Exkurs: Humboldts Bildungstheorie
- Die Effizienz von Lehren und Lernen
- Bildung als konstitutives Element von Unterricht
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Frage, ob die Schule als Lehr- und Lernanstalt oder als Bildungsanstalt betrachtet werden sollte. Der Autor analysiert die These von Jürgen Oelkers, der Schule als Lehr- und Lernanstalt definiert und die Bedeutung von Bildung in der schulischen Praxis in Frage stellt.
- Der Bildungsbegriff und seine Interpretationen
- Die Rolle von Lehren und Lernen in der Schule
- Die Folgen der Betonung von Leistung und Wettbewerb
- Die Bedeutung von Bildung für die Selbstbestimmung des Menschen
- Der Zusammenhang von Bildung und Unterricht
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Problematik des Bildungswesens in Deutschland anhand von internationalen Vergleichsstudien wie PISA und TIMSS dar. Sie führt die These von Jürgen Oelkers ein, die Schule sei keine Bildungs- sondern eine Lehranstalt, und stellt die zentrale Frage der Arbeit: Kann die Position Oelkers einer näheren Analyse standhalten?
- Ballauffs Bildungstheorie: Dieses Kapitel stellt die wichtigsten Aspekte der Bildungsphilosophie von Michael Ballauff vor. Es werden seine Definition von Bildung, die Begründung von Bildung und die Aufgabe der Pädagogik im Sinne der Bildungstheorie dargestellt.
- These: Schule ist eine Lehr- und Lernanstalt, und keine Bildungsanstalt: Dieses Kapitel beleuchtet die These von Jürgen Oelkers und führt eine erste Kritik an ihr durch. Es werden die Argumente und die Intentionen von Oelkers dargestellt und diskutiert.
- Konsequenzen der These: Dieses Kapitel analysiert zwei wichtige Konsequenzen aus der These, dass Schule eine Lehr- und Lernanstalt sei. Zum einen wird der Homo oeconomicus als neues Ideal vorgestellt, welches sich aus der Verzweckung von Lernen ergibt. Zum anderen wird die Bedeutung des Leistungsgedankens im Schulsystem kritisch beleuchtet.
- Orientierung durch Ballauffs Bildungstheorie: Dieses Kapitel widmet sich der Relevanz von Ballauffs Bildungstheorie und ihrer Anwendung auf die Praxis des Lehrens und Lernens. Es wird beleuchtet, wie Bildung als konstitutives Element von Unterricht verstanden werden kann und welche Bedeutung Bildung für die Selbstbestimmung des Menschen hat.
- Das Deutungsmonopol des Bildungsbegriffs: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Problematik des Bildungsbegriffs und seinen verschiedenen Interpretationen. Es wird ein Exkurs über Humboldts Bildungstheorie gemacht und die Effizienz von Lehren und Lernen in Bezug auf Bildung diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen der Pädagogik und der Bildungstheorie. Wichtige Schlüsselwörter sind: Bildung, Lehren und Lernen, Bildungsanstalt, Lehr- und Lernanstalt, Homo oeconomicus, Leistung, Selbstbestimmung, Unterricht, und Bildungsphilosophie. Die Arbeit beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen und Anwendungsfelder dieser Begriffe im Kontext der schulischen Praxis.
- Quote paper
- Rainer Witzisk (Author), 2003, Schule zwischen Lehranstalt und Bildungsanstalt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/457538