In dieser Arbeit soll erforscht werden, inwieweit die deregulierten Finanzmärkten und die dadurch ermöglichte Spekulation mit Grundnahrungsmitteln für die steigenden Grundnahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt mitverantwortlich sein könnten und wie diese extremen Preisentwicklungen die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern beeinflussen. Für die Beantwortung dieser Fragen stützt sich die Arbeit auf verschiedene wirtschafts-, sozial- und ethikwissenschaftliche Literatur wie auch auf wissenschaftliche Arbeiten und Berichte, wie z. B. das Buch „Option, Derivate und Strukturierte Produkte“ von Marc Oliver Rieger (2009) oder die Arbeit von Anna Zuber (2017) „Nahrungsmittelspekulation und Ernährungssicherheit“.
In Kapitel 2 wird hauptsächlich auf die Grundnahrungsmittel im Rohstoffhandel eingegangen. Es wird geklärt, was Grundnahrungsmittel sind, welche Fundamentalfaktoren Preise von Grundnahrungsmitteln beeinflussen (Spekulation ausgeschlossen) und wie sich diese im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 entwickelt haben. Abschließend wird aufgezeigt, wie sich der Rohstoffhandel historisch entwickelt hat.
In Kapitel 3 sollen die Charakteristiken und die Entwicklung des Welthungers beschrieben werden. Zudem wird in diesem Kapitel dargelegt, was Ernährungssicherheit als Ziel der UNO bedeutet. Dabei fokussieren sich die Analysen vor allem auf die Preisschwankungen und -spitzen der Jahre 2007 — 2008 und zeigen auf, wie unterschiedlich die Auswirkungen auf Entwicklungs- und Industrieländer sein können.
Im vierten Kapitel wird die Spekulation genau definiert, damit der Leser nachvollziehen kann, was die klassische Spekulation von einer Indexspekulation unterscheidet. Dabei wird die Entwicklung des Marktes für Derivate ebenso beleuchtet wie die Deregulierungswelle anfangs des 20. Jahrhunderts. Abrundend werden danach Studien einander gegenübergestellt, die bezüglich des Einflusses der Spekulation auf die Preisbildung zu gegensätzlichen Resultaten kommen. Da ein allfälliger Anteil der Spekulation auf steigende Preise mit den zugänglichen Daten nicht abschließend beantwortet werden kann, belässt es der Autor bei einem kurzen Abschnitt über seine persönliche Einschätzung der gewonnenen Erkenntnisse.
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
IVABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
2. GRUNDNAHRUNGSMITTEL IM ROHSTOFFHANDEL
2.1. WAS SIND GRUNDNAHRUNGSMITTEL?
2.2. FUNDAMENTALFAKTOREN – WAS BEEINFLUSST DIE WELTMARKTPREISE VON GRUNDNAHRUNGSMITTELN?
2.2.1.AngebotundNachfrage
2.2.2.BevölkerungswachstumundzunehmenderWohlstand
2.2.3.US-Dollar
2.2.4.Rohöl
2.2.5.Bioethanol
2.2.6.WetterschocksundKlimaerwärmung
2.2.7.ExportverbotevonGrundnahrungsmitteln
2.2.8.Erkenntnisse
2.3. DER ROHSTOFFHANDEL UND SEINE BÖRSEN
3. WELTHUNGER UND NAHRUNGSMITTELKRISE 2007/08
3.1. ENTWICKLUNG DES WELTHUNGERS UND DER GLOBALEN ERNÄHRUNGSSICHERHEIT
3.2. AUSWIRKUNGEN DER PREISSPITZEN FÜR GRUNDNAHRUNGSMITTEL DER JAHRE 2007/08 AUF DIE ERNÄHRUNGSSICHERHEIT
4. SPEKULATION MIT GRUNDNAHRUNGSMITTELN
4.1. GÜTERMARKT VS. FINANZMARKT
4.2. DERIVATEHANDEL IM AGRARMARKT
4.2.1.Börsenhandel,OTC-HandelundHochfrequenzhandel
4.2.2.DefinitionundInteraktionzwischenKassamarktundTerminmarkt
4.2.3.UnbedingteundbedingteTermingeschäfte
4.2.3.1. Forwards
4.2.3.2. Futures
4.2.3.3. Optionen
4.2.4. Deregulierungen des Derivatemarktes gegen Ende des 20. Jahrhunderts und Kapitalzuflussauf Rohstoffmärkten
4.2.4.1. Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems
4.2.4.2. Gramm-Leach-Bliley-Act und der Commodity-Futures-Modernisation-Act
4.2.4.3. Dotcomblase und Investments auf den Rohstoffmärkten
4.3. ÖKONOMISCHE DEFINITION VON SPEKULATION UND INDEXSPEKULANTEN
4.3.1. Definition von Spekulation
4.3.2. Indexspekulanten
4.4. NAHRUNGSMITTELSPEKULATION „PRO UND CONTRA“
4.4.1. „PRO“
4.4.2. „CONTRA“
4.5. ERKENNTNISSE
5. ANALYSE DER JÜNGSTEN PREISSPITZEN VON MAIS AM BEISPIEL TANSANIA (2007/08)
5.1. MAIS IN TANSANIA
5.1.1. Charakteristiken des tansanischen Maismarktes
5.1.2. Produktion, Konsum, Export und Import zwischen 2006 und 2010
5.2. TRANSMISSION VOM WELTMARKTPREIS ZUM INLANDPREIS UND FOLGEN FÜR DIE ERNÄHRUNGSSICHERHEIT IN TANSANIA (2007/08)
6. FAZIT
LITERATURVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Reisproduktion 2016
Abbildung 2: Produktionsanteil von Mais nach Regionen (2005 -2012)
Abbildung 3: Weltweite Maisproduktion in Millionen Tonnen (2005- 2016)
Abbildung 4: Maispreise (pro t) und Wert des Dollars von 2005-2012.
Abbildung 5: Mais- und Rohölpreise von 2005-2012 (pro t und pro Fass)...
Abbildung 6: Maispreis vs. Mais-Bioethanol von 2005-2012.
Abbildung 7: Exportverbot von Mais in Argentinien...
Abbildung 8. Exportverbot von Reis in Vietnam und Indien...
Abbildung 9: Exportverbot von Weizen in Argentinien und Russland.
Abbildung 10: GHI Severity Scale.
Abbildung 11: Entwicklungen Lebensmittelpreis-Index (1998-2010).
Abbildung 12: Preisentwicklung von Mais, Reis und Weizen (1998-2010)
Abbildung 13: Grobe Unterteilung des Finanzmarktes..
Abbildung 14: Verhältnis OTC zu BIP –Volumen in USD (stand 2011)..
Abbildung 15: Volumen von OTC-Derivate vs. börsengehandelten Derivate
Abbildung 16: Anzahl der Trades, die in der „Thickson Reuters Tick History-Datenbank“ nach Rohstoffen erfasst wurden, 1996-2011...
Abbildung 17:Preisentwicklung von Mais-Futures (1993-2018)
Abbildung 18:Spotpreisentwicklung von Mais (1993-2018)..
Abbildung 19:Globale Lagerhaltung von Weizen, 1960–2012...
Abbildung 20:Payoff von Forward Kontrakten
Abbildung 21:Rohölpreis vor und nach Deregulierungen (WTI, Daily 1990-2009)..
Abbildung 22:Wichtigste Maismärkte der verschieden Regionen.
Abbildung 23:Maispreise in verschiedene Regionen: Vergleich zwischen Songea, Daressalam und Mwanza.
Abbildung 24: Produktion, Export und Import von Mais in Tansania.
Abbildung 25:Weltmarktpreis vs. Preis in Daressalam
Abbildung 26:Entwicklung GHI-Score von 2005-2010..
Abbildung 27:Vergleich Import vs. Produktion der Grundnahrungsmitteln Mais, Weizen und Reis..
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:3 - Jahres - Durchschnitt (2007-2009) ausgewählter Länder in denen Mais als Grundnahrungsmittel bezeichnet werden kann
Tabelle 2: Definition Hauptindikatoren des GHI..
Tabelle 3: Reis Produktion 2016...
Tabelle 4: Forwards vs. Futures...
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
„Die Preise für Lebensmittel steigen. Die Bedrohung durch Hunger und Unterernäh- rung wächst. Millionen von Menschen in der Welt sind gefährdet.“ schrieb der ehema- lige Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), Ban Ki-Moon, in einem Bericht zur Lage des Welthungers und der Ernährungssicherheit im Jahre 2008. Zehn Jahre später ist der Welthunger, auch wenn durch grosse internationale Anstrengungen Fortschritte erzielt wurden, immer noch eine der grössten humanitären Krisen.
Seit September 2015 ist das Ende des Hungers und die Ernährungssicherheit als eines der 17 neuen „Sustainable Development Goals“ der UNO aufgeführt. Trotzdem nahm gemäss Welthungerindex die Zahl der weltweit Hungernden 2017 erstmals seit zehn Jahren wieder zu. Dieser Bericht beziffert die Zahl auf 815 Millionen Menschen, dies entspricht im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme von 38 Millionen (Resetarits, 2017).
Es gibt etliche Gründe für den zunehmenden Hunger und die steigenden Grundnah- rungsmittelpreise des letzten Jahres, wie beispielsweise anhaltende Bürgerkriege in Syrien, Myanmar, Jemen und Sudan, klimatische Veränderungen, die zu schlechten Ernten führen, eine durch die exponentiell zunehmende Bevölkerung stetig wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, schwankende Energiepreise etc.. Verschiedene NGOs und Ökonomen sind nun der Meinung, dass die exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln und die Deregulierung und Finanzialisierung der Rohstoffmärkte seit vielen Jahren zu einem grossen Teil für den weltweiten Hunger mitverantwortlich sind.
Die NGOs „Brot für alle“ und „Fastenopfer“ sind davon überzeugt, dass die Nah- rungsmittelspekulation, die seit 2003 exponentiell angestiegen sei, einen beträchtli- chen Einfluss auf die Preise der auf dem Weltmarkt gehandelten Grundnahrungsmit- tel habe (Maillard Ardenti & Schnyder, 2013, S. 2).
Die Meinungen bezüglich des Einflusses der Nahrungsmittelspekulation auf die Weltmarktpreise von Grundnahrungsmitteln gehen indes weit auseinander. Viele Ak- teure aus der Finanz- und Rohstoffbranche sehen in der Nahrungsmittelspekulation kein Problem, da für sie ein klarer Zusammenhang zwischen Spekulation und steigen- den Nahrungsmittelpreisen nicht erwiesen sei. Sie behaupten sogar, dass die Nah- rungsmittelspekulation eine preisstabilisierende Wirkung habe und für das Funktio- nieren des Rohstoffmarktes notwendig sei.
In dieser Arbeit soll deshalb erforscht werden, inwieweit die deregulierten Finanz- märkten und die dadurch ermöglichte Spekulation mit Grundnahrungsmitteln für die steigenden Grundnahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt mitverantwortlich sein könnten und wie diese extremen Preisentwicklungen die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern beeinflussen. Für die Beantwortung dieser Fragen stützt sich die Arbeit auf verschiedene wirtschafts-, sozial- und ethikwissenschaftliche Literatur wie auch auf wissenschaftliche Arbeiten und Berichte, wie z. B. das Buch „Option, Derivate und Strukturierte Produkte“ von Marc Oliver Rieger (2009) oder die Arbeit von Anna Zuber (2017) „Nahrungsmittelspekulation und Ernährungssicherheit“.
In Kapitel 2 wird hauptsächlich auf die Grundnahrungsmittel im Rohstoffhandel ein- gegangen. Es wird geklärt, was Grundnahrungsmittel sind, welche Fundamentalfakto- ren Preise von Grundnahrungsmitteln beeinflussen (Spekulation ausgeschlossen) und wie sich diese im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 entwickelt haben. Abschliessend wird aufgezeigt, wie sich der Rohstoffhandel historisch entwickelt hat.
In Kapitel 3 sollen die Charakteristiken und die Entwicklung des Welthungers be- schrieben werden. Zudem wird in diesem Kapitel dargelegt, was Ernährungssicherheit als Ziel der UNO bedeutet. Dabei fokussieren sich die Analysen vor allem auf die Preisschwankungen und -spitzen der Jahre 2007 — 2008 und zeigen auf, wie unter- schiedlich die Auswirkungen auf Entwicklungs- und Industrieländer sein können.
Im vierten Kapitel wird die Spekulation genau definiert, damit der Leser nachvollziehen kann, was die klassische Spekulation von einer Indexspekulation unterscheidet. Dabei wird die Entwicklung des Marktes für Derivate ebenso beleuchtet wie die De- regulierungswelle anfangs des 20. Jahrhunderts. Abrundend werden danach Studien einander gegenübergestellt, die bezüglich des Einflusses der Spekulation auf die Preisbildung zu gegensätzlichen Resultaten kommen. Da ein allfälliger Anteil der Spekulation auf steigende Preise mit den zugänglichen Daten nicht abschliessend be- antwortet werden kann, belässt es der Autor bei einem kurzen Abschnitt über seine persönliche Einschätzung der gewonnenen Erkenntnisse.
Ursprünglich wollte der Verfasser am Beispiel des Entwicklungslands Tansania auf- zeigen, bis zu welchem Grad die Spekulation einen Einfluss auf die dortige Ernäh- rungssicherheit hat. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Fragestellung in dieser Form nicht zu beantworten ist und wenig Sinn ergibt, da ein direkter Zusammenhang zwischen Spekulation und Ernährungssicherheit nicht verlässlich nachgewiesen wer- den kann. Vielmehr muss die Fragestellung in zwei einzelne Fragen aufgeteilt werden:
1. Beeinflusst die Spekulation die Weltmarktpreise von Grundnahrungsmitteln?
2. Inwiefern haben sich die Weltmarktpreise auf lokale Preise in einem Entwick- lungsland wie Tansania übertragen und wie hat diese Transmission die Ernäh- rungssicherheit dort beeinflusst?
Die erste Frage wird, soweit möglich, bereits in Kapitel 4 beantwortet. Bei der zwei- ten Fragestellung wird der Fokus auf ein einziges Land gelegt, um eine tiefgründige und fundierte Analyse erstellen zu können. Im vorletzten Kapitel 5 wird daher am Beispiel von Tansania und dem Grundnahrungsmittel Mais aufgezeigt, ob die Preis- spitzen der Weltmarktpreise von Mais in den Jahren 2007/2008 die inländischen Preise beeinflusst haben, und ob die Ernährungssicherheit im untersuchten Land durch die Turbulenzen auf dem globalen Markt tangiert wurde. Um dies zu beurtei- len, wurden verschiedene Arbeiten und Studien ausgewertet. Mit dem letzten Kapitel werden die aus der wissenschaftlichen Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zusammenge- fasst und beurteilt.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Prof. Dr. Marc Chesney für die Vorlesung „Verantwortung der Finanzmärkte“ bedanken. Auch wenn das Thema der Nahrungsmittelspekulation in dieser Vorlesung nur am Rande besprochen wurde, haben mich die eindrücklichen Bilder über die durch die Finanzwelt geschaffenen Ungleichheiten dazu bewegt, mich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen und meine Bachelorarbeit über dieses Thema zu verfassen.
2. Grundnahrungsmittel im Rohstoffhandel
2.1. Was sind Grundnahrungsmittel?
Grundnahrungsmittel sind diejenigen Nahrungsmittel, die den Hauptteil der Energie und Nährstoffe liefern, die für das Überleben der Menschen benötigt werden. Je nach der geografischen Lage, dem Klima, dem Handel und den kulturellen Gegebenheiten, sind die konsumierten Grundnahrungsmittel verschieden. Normalerweise werden Grundnahrungsmittel täglich oder sogar mehrmals täglich verzehrt. In Südostasien, wie z. B. in Myanmar, macht Reis als Grundnahrungsmittel ca. 90 % der Energie- und Nährstoffzufuhr der armen Bevölkerungsschicht aus (Pariona, 2017). Oft nehmen diese Hauptnahrungsmittel wie beispielsweise Mais bei der Hochkultur der Mayas einen wichtigen kulturellen Stellenwert ein (Schirz, o.D.). Herkömmlicherweise sind Grundnahrungsmittel (relativ zum Wohlstand eines Landes) nicht teuer und einfach zu bekommen (Oltersdorf, o.D).
Die wichtigsten Grundnahrungsmittel sind: Mais, Reis, Weizen sowie Wurzel- und Knollengemüse. Die drei erstgenannten sind für ca. 51 % der weltweiten Kalorienzu- fuhr verantwortlich (Mais: 19.5 % / Reis: 16.5 % / Weizen: 15 %) (Pariona, 2017). Bevor auf die Bedeutung der hohen Preisanstiege eingegangen wird, werden in den folgenden Abschnitten diese drei Lebensmittel anhand einiger Eckdaten, ihrer Histo- rie und ihrer Bedeutung für die Ernährungssicherheit erläutert. Der Autor wird sich in seinen Beschreibungen der Spekulation auf dem Agrarmarkt bis zu Kapitel 5 auf diese drei spezifischen Grundnahrungsmittel konzentrieren.
Mais:
Die ursprüngliche Maissorte kam aus Zentralmexiko und wurde anfangs des 16. Jahr- hunderts von den spanischen Konquistadoren nach Europa gebracht. Weniger als ein halbes Jahrhundert später verbreitete sich der Mais durch die portugiesische Expan- sion auch in weiten Teilen Asiens. Die erste chinesische Dokumentation einer Maispflanze stammt aus dem Jahr 1555. Der Mais wurde in Zentraleuropa aber erst seit dem 17. Jahrhundert flächendeckend kultiviert und verdrängte traditionell angebaute Getreidesorten wie beispielsweise Hirse. Mais galt anders als die Kolonialgüter Zucker und Kaffee nicht als Luxusgut. Entsprechend war die Gewinnmarge eher gering. Mais hatte gegenüber den herkömmlich angebauten Getreidesorten den grossen Vorteil, bereits in den Sommermonaten ausgereift zu sein und somit der Bevölkerung früher als Nährstoffquelle zur Verfügung zu stehen. Zudem liess er sich gut lagern und war besonders nahrhaft. Aus diesen Gründen verbreitete sich der Mais, unter anderem durch die europäische Kolonialisierung, auch in Afrika und nahm sogar in manchen Regionen Eingang in religiöse und kulturelle Rituale. Mais wurde in Europa lange nur von der armen Bevölkerungsschicht konsumiert, die sich keinen Weizen leisten konnte. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden die erheblichen Vorteile von Mais gegenüber anderen Getreidesorten erkannt. Die ersten Monokulturen entstanden und mit ihnen begann der weltweite Handel mit Nahrungsmitteln (Kaller-Dietrich, 2015, S. 33-34).
Mais hat sich bis heute als wichtiger Rohstoff und wichtiges Grundnahrungsmittel durchgesetzt. Er ist anpassungsfähig und kann sowohl in Regionen mit tropischem, gemäßigtem, trockenem, regnerischem, kühlem oder warmem Klima angebaut wer- den. Durch diese Anpassungsfähigkeit verfügen wir heute über einen breiten Genpool, auf den zurückgegriffen werden kann, wenn sich die Bedingungen ändern und zukünf- tige Anpassungen notwendig würden (Haspel, 2015).
Mais ist aber nicht nur ein wichtiger Nährstofflieferant für die Weltbevölkerung, son- dern ist ebenfalls eine wichtige Proteinquelle für die Viehzucht und eine bedeutende Quelle für erneuerbare Energien. Beispielsweise besteht ein grosser Teil des in den USA verkauften Benzins aus zehn Prozent Maisethanol. Mais wird auch zu vielen weiteren Produkten wie Süssungsmittel, Öl oder Alkohol verarbeitet (Coleman, 2013).
Die Nachfrage nach Mais steigt von Jahr zu Jahr an. Die Erträge müssen jedoch für die sichere Versorgung einer immer weiter wachsenden Weltbevölkerung verbessert werden. In Zeiten der Klimaerwärmung und abnehmender Verfügbarkeit von Land- flächen gehen viele Studien davon aus, dass ein technologischer Fortschritt notwendig sein wird (Netafim, 2018). Die USA, China und Brasilien produzieren zusammen ca. 62 % der weltweit erzeugten 1,1 Mia. Tonnen Mais (Statista, 2018). Die Exporte der USA machen ca. 60 % des weltweiten Maishandels aus (Geman H., 2015, S. 115).
Mais kann in einem Land dann als Grundnahrungsmittel bezeichnet werden, wenn im Schnitt pro Person über 50 Gramm täglich konsumiert werden. Auf dem Afrikani- schen Kontinent und in weiten Teilen Südamerikas wird Mais täglich als Grundnah- rungsmittel verwendet. Der tägliche Konsum wird in diesen Regionen von der World Health Organization (WHO) auf 52 bis 328 Gramm pro Person und Tag geschätzt. Genaue Zahlen sind aber schwer bestimmbar, da die Ergebnisse je nach Extraktions- rate und verwendeten Maistypen variieren (Ranum, Nieves Gar & Pablo Peña‐Rosas, 2015, S. 109-110).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1:3-Jahres-Durchschnitt (2007-2009) ausgewählter Länder, in denen Mais als Grundnahrungsmittel bezeichnet werden kann.
Eigene Graphik basierend auf Daten von Ranum, Nieves Gar, & Pablo Peña‐Rosas (2015, S. 110)
Aus der Tabelle 1 ist gut ersichtlich, wie wichtig Mais für die Ernährungssicherheit in unterschiedlichen Regionen der Erde ist. Entsprechend kann man sich vorstellen, dass stark steigende Preise zu einer globalen Ernährungskrise führen können.
Reis:
Reis ist mit Mais und Weizen eine der wichtigsten Getreidesorten. Man geht davon aus, dass dieses Nahrungsmittel ca. drei Milliarden Menschen ernährt, von denen al- leine in Asien zwei Milliarden leben (Draxl, 2011). So deckt zum Beispiel die Bevöl- kerung von Süd- und Südostasien ihren Kalorienbedarf zu 50 % mit Reis. Durch die lange Anbautradition, die Anpassung an verschiedene klimatische Bedingungen und den unterschiedlichen Züchtungsmethoden, kann man heute zwischen 100'000 Reiss- orten unterscheiden (Reishunger, 2018). Kürzlich gemachte genetische Untersuchun- gen haben gezeigt, dass alle Reissorten den gleichen Ursprung haben, nämlich im Pearl River Valley Delta in China. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die erste Domestikation dieses Getreides vor mehr als 10’000 Jahren stattgefunden hat (Ricepedia, 2018).
Die Reisproduktion nimmt von Jahr zu Jahr zu, um die immer weiter wachsende Nachfrage zu stillen. Letztes Jahr wurden weltweit nahezu 759.6 Millionen Tonnen Reis produziert. Den aktuellsten Daten ist zu entnehmen, dass dieses Jahr China so- wohl zum grössten Produzenten (210 Mio. t) als auch Konsumenten (143 Mio. t) auf- gestiegen ist (Statista, 2018). Wie aus Abb. 1 ersichtlich ist, folgen auf China die Produzentenländer Indien (158 Mio. t), Indonesien (77 Mio. t), Bangladesch (53 Mio. t) und Vietnam (44 Mio. t) (FAO, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1:Reisproduktion 2016
Eigene Graphik basierend auf Daten von der FAO (2018)
Weizen:
Weizen ist eine der am längsten kultivierten Getreidesorten. Man geht davon aus, dass der Ursprung seiner Kultivierung aus der Region der heutigen Länder Iran, Irak, Syrien und Saudi-Arabien kommt. Er gehört zu den wichtigsten Getreidesorten, die der Mensch domestiziert hat und trägt dementsprechend massgeblich zur weltweiten Ernährungssicherheit bei. Weizen verbreitete sich vor rund 7’000 Jahren vom arabi- schen Raum in den Mittelmeerraum. Schätzungen zufolge konnte er sich aber erst Anfang des 11. Jahrhunderts in Mitteleuropa durchsetzen, als Backwaren (vor allem Weissbrot) für die dortige Bevölkerung wichtig wurden (Pflanzenforschung.de, 2010). Weizen diente aber nicht nur den Menschen als Nahrung, er wurde aufgrund seiner guten Verdaulichkeit und seiner optimalen Energiewerte auch als Kraftfutter für Nutztiere verwendet. Zudem konnte Weizen wegen seiner hohen Alkoholausbeute für die Alkoholgewinnung genutzt werden (Proplanta, 2018).
In der Ernteperiode 2016/17 wurden weltweit ca. 750 Millionen Tonnen Weizen pro- duziert (Statista, 2018). Die grössten Weizenproduzenten waren in dieser Zeitspanne China (132 Mio. t), Indien (94 Mio. t), Russland (73 Mio. t), die USA (63 Mio. t), Kanada (30 Mio. t) und Frankreich (29,5 Mio. t) (FAO, 2018).
2.2. Fundamentalfaktoren – Was beeinflusst die Weltmarktpreise von Grundnahrungsmitteln?
Bevor auf die Spekulation als möglicher Einflussfaktor für die Preisspitzen und die in den letzten Jahrzehnten zunehmende Volatilität der Weltmarktpreise eingegangen wird, soll herausgearbeitet werden, welche Hauptfaktoren die Preise von Grundnah- rungsmitteln bestimmen. Es werden die positiven und negativen Korrelationen der meisten Faktoren mit dem Preis des Grundnahrungsmittels Mais für die Periode von 2005 bis 2012 aufgezeigt. Der Fokus wird auf Mais gelegt, da dieses Grundnahrungs- mittel im Kapitel 5 am Beispiel von Tansania betrachtet wird und es das meist pro- duzierte und gehandelte Getreide der Welt ist.
2.2.1. Angebot und Nachfrage
Die wichtigsten Fundamentalfaktoren, die die Preise von Grundnahrungsmitteln be- stimmen, sind, wie bei allen Rohstoffen, Gütern und Dienstleistungen, Angebot und Nachfrage. Ist das Angebot höher als die Nachfrage, fallen in der Regel die Preise. Wenn die Nachfrage aber das Angebot übersteigt, steigt der Verlauf der Preiskurve. Bei Grundnahrungsmitteln ist das Angebot schwankend, da die Produktion von vie- len, manchmal unvorhersehbaren Faktoren abhängig ist. Die Produktivität, Wetter- bedingungen, Qualität der Ernten, Handelsbeschränkungen etc. können beispielsweise die Quantität der angebotenen Grundnahrungsmittel beeinflussen.
Die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln hingegen unterliegt viel geringeren Schwankungen und steigt erfahrungsgemäss von Jahr zu Jahr an. Mögliche Faktoren, die die Nachfrage beeinflussen, sind u. a. die wachsende Weltbevölkerung, zunehmen- der Wohlstand (gerade auch in Entwicklungs- und Schwellenländern), die Währungs- entwicklung des US-Dollars oder die steigende Produktion von Bioethanol.
Die Nachfrage nach Mais ist seit 2005 ungewöhnlich stark gestiegen, so dass die Weltproduktion als Antwort auf diese erhöhte Nachfrage von 2005 bis 2012 um 25 % zugenommen hat. Mit der steigenden Nachfrage entstanden aber auch neue Liefer- quellen. Argentinien zum Beispiel ist heute der fünftgrößte Maisproduzent und der zweitgrößte Mais-Exporteur der Welt. Aufgrund seiner geographischen Lage südlich des Äquators, kann Argentinien seinen Mais anbauen, nachdem es den Ertrag der Maisproduktion in den USA ermittelt hat, was eine schnelle Alternative für die Ver- sorgung schlechter US-Ernten darstellt und somit ein extremes Unterangebot verhin- dern kann. Die Maisproduktion in China hat seit 2005 ebenfalls drastisch zugenom- men. Mit einem durchschnittlichen Wachstum von 5,6 % pro Jahr nähert sich China schnell dem US-Niveau an (Heisterberg, 2012, S. 31 f.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2:Produktionsanteil von Mais nach Regionen (2005 -2012)
Quelle: (FAO, 2018)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3:Weltweite Maisproduktion in Millionen Tonnen (2005- 2012)
Quelle: (FAO, 2018)
2.2.2. Bevölkerungswachstum und zunehmender Wohlstand
Das exponentielle Bevölkerungswachstum und der zunehmende Wohlstand lässt die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln jedes Jahr weiter ansteigen und beeinflusst somit deren Preise fortlaufend. Jedes Jahr nimmt die Weltbevölkerung um rund 80 Millionen Menschen zu. Geht man davon aus, dass dieses Wachstum ungebremst wei- tergeht, könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts 20 Milliarden Menschen unsere Erde bevölkern (Bayerischer Rundfunk, 2017). Dies übt einen immensen Druck auf die Produzenten und Anbieter von Grundnahrungsmitteln aus. Um diese Nachfrage zu decken, müssen riesige Produktivitätssprünge erzielt werden. Da die Anbauflächen weltweit auch aufgrund des Bevölkerungsdrucks nicht weiter ausgedehnt werden können, müssen ceteris paribus die Erträge pro Hektar gesteigert werden. Das Bevöl- kerungswachstum ist einer der Faktoren, der erklärt, warum die Preise für Agrarroh- stoffe längerfristig immer weiter ansteigen werden und warum gewisse Investoren auf diese setzen. Dies alleine kann aber die ungewöhnlichen Schwankungen der letzten 20 Jahre und die extremen Preisspitzen der Jahre 2007/08 und 2011 nicht erklären, da dieser Faktor über die Jahre eine konstante Entwicklung durchläuft. Auf lange Sicht ist er aber sicherlich ein wichtiger Preistreiber. Robert Malthus machte im Jahre 1798 in seinem „Essayon the Principle of Population, as it Affects the Future Devel- opment of Societies“(Das Bevölkerungsgesetz) darauf aufmerksam, dass das unge- bremste Populationswachstum in Zusammenhang mit der Nahrungsmittelproduktion problematisch werden könnte, da die Bevölkerung exponentiell (geometrisch) wächst, während sich die Menge der produzierten Nahrungsmittel in der Regel nur linear (arithmetisch) steigern lässt (Malthus, 1798, S. 4).
In Schwellenländern wie China, Indonesien und Brasilien konnten in den letzten Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen der Armut entkommen. Mit höheren Ein- kommen und wachsender städtischer Bevölkerung nahm die Nahrungsmittelnachfrage der Konsumenten weiter zu und verlagerte sich in vielen Ländern vermehrt auf Fleisch (Berazneva, Lee, & Ndulo, 2011, S. 4). Für die Viehzucht werden bekanntermassen grosse Mengen an Getreide wie Mais verwendet. Um ein Kilogramm Rind- fleisch zu produzieren, werden bis zu 2.7 Kilogramm Getreide benötigt. In China z. B. hat sich der Fleischkonsum durch den steigenden Wohlstand in den letzten Jahren vervielfacht, was bei einer Bevölkerung von mehr als 1,3 Milliarden Menschen zu ei- ner immer schneller wachsenden Nachfrage nach Getreide führt und somit auch zu einer Verknappung des Angebots (Bachmann, 2012).
2.2.3. US-Dollar
Die Entwicklung des US-Dollars (USD) wird als Fundamentalfaktor gewählt, die den Preis von Grundnahrungsmittel zu einem Teil erklären kann, weil diese Währung beim Handel mit Agrarrohstoffen am meisten benutzt wird. Wenn der Wert des USD im Vergleich zur Währungen eines anderen Landes abnimmt, kommt es in der Theo- rie zu einer Preissenkung für Grundnahrungsmittel. Wenn die Preise einer bestimm- ten Ware auf den Weltmärkten sinken, benötigen die internationalen Käufer weniger USD, um sich diese zu kaufen. Man kann also davon ausgehen, dass die Nachfrage nach diesem Gut steigen wird, was wiederum zu steigenden Preisen führt (Heisterberg, 2012, S. 37).
Es gibt verschiedene Wege, den Wert des USD zu berechnen. Bei der Entwicklung des Maispreises ist der „Trade Weighted U.S. Dollar Index: Broad“ besonders geeig- net. Dieser repräsentiert nämlich den Durchschnitt des Devisenwerts des USD gegen- über den Währungen einer breiten Gruppe von wichtigen US-Handelspartnern. Der Währungsindex umfasst die Eurozone, Kanada, Japan, Mexiko, China, Grossbritan- nien, Taiwan, Korea, Singapur, Hongkong, Malaysia, Brasilien, die Schweiz, Thai- land, die Philippinen, Australien, Indonesien, Indien, Israel, Saudi-Arabien, Russland, Schweden, Argentinien, Venezuela, Chile und Kolumbien (FRED, 2018).
In Abbildung 4 ist gut zu erkennen, wie sich der Maispreis verglichen zum Wert des USD in den verschiedenen Perioden entwickelte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4:Maispreise (pro t) und Wert des Dollars von 2005-2012
Quelle:(Heisterberg, 2012, S. 38)
2.2.4. Rohöl
Rohöl wird gebraucht, um Grundnahrungsmittel zu produzieren. Rohöl bzw. Erdöl wird sowohl für den Anbau, die Ernte, die Verarbeitung, den Transport, den Verkauf und die Aufbewahrung in irgendeiner Form verwendet. Man geht davon aus, dass für eine Kalorie Nahrung in der heutigen Landwirtschaft ca. zehn Kalorien Erdöl ge- braucht werden. Vor der Industrialisierung wurde die Nahrung ausschliesslich, wie heute in einigen Ländern zum Teil immer noch, mit menschlicher und tierischer Kraft produziert. Mit dem Aufkommen des Erdöls und neuen Maschinen wurde in Indust- rieländern mit weniger Anstrengung und weniger Bauern mehr produziert (Produkti- vitätssteigerungen). Heute werden schwere Maschinen eingesetzt, die mit Diesel be- trieben werden.
Um die Produktivität noch weiter zu steigern, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Verfahren entwickelt, um aus Luft Dünger für die Böden herzustellen. Für dieses nach Fritz Haber und dem Industriechemiker Karl Bosch benannten „Haber- Bosch-Verfahren“ werden grosse Mengen an Energie benötigt. Für die Düngung mit einer Tonne Stickstoff werden bis zu zwei Tonnen Erdöl verwendet. Erdöl wird zu- dem für die Herstellung von Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden benutzt, um schädlingsanfällige Monokulturen zu schützen. Die industrialisierte Landwirtschaft ist also hochgradig von fossiler Energie abhängig (Schindler, 2013).
Die Maisproduktion der Vereinigten Staaten macht ca. 60 % der weltweiten Produk- tion aus. Die USA ist aber auch mit 10,1 Mio. importierten Fässern Rohöl pro Tag der grösste Importeur von Erdöl (EIA, 2018). Steigen also die Preise von Erdöl, stei- gen auch die Weltmarktpreise dieses Getreides, da die Weltmarktpreise aufgrund der amerikanischen Dominanz zu einem grossen Teil von den amerikanischen Produkti- onskosten abhängig sind. In Abbildung 5 ist eine Korrelation des Erdölpreises mit dem globalen Maispreis gut zu erkennen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5:Mais- und Rohölpreise von 2005-2012 (pro t und pro Fass)
Eigene Graphik basierend auf Daten von der IndexMundi (2018)
2.2.5. Bioethanol
Bioethanol wird hauptsächlich aus Getreide gewonnen. Es gibt zwei Möglichkeiten Bioethanol herzustellen. Entweder durch Fermentation oder durch synthetische Pro- zesse. In diesem Abschnitt wird nur auf das fermentierte Bioethanol eingegangen, da es 90 % des weltweiten Bioethanols repräsentiert. Bioethanol beeinflusst die Preise von verschiedenen Grundnahrungsmitteln stark. Je nachdem, wo dieses hergestellt wird, wird Mais (USA), Reis (Asien) oder Zuckerrohr (Brasilien) verwendet. Bio- ethanol kann als Substitut für Rohöl verwendet werden, da es zu 10 % oder mehr dem Benzin oder Kerosin beigemischt werden kann. Wenn also der Preis von Erdöl im Verhältnis zum Preis von Bioethanol zunimmt, steigt die Nachfrage nach Bio- ethanol. Dies führt zu einem Anstieg der Preise der für den Fermentierungsprozess benutzten Getreidesorten (Heisterberg, 2012, S. 41 ff.).
Ethanol ist derzeit der wichtigste flüssige Biokraftstoff weltweit. Die globale Ethanol- produktion ist in den letzten Jahren beeindruckend schnell gewachsen und hat sich in den letzten 70 Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2008 belief sich die Ethanol- Produktion auf 65,5 Mrd. Liter (2016: 117 Mrd. Liter (Crop. energies, 2017)). Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit einem Anteil von 52 % die grössten Pro- duzenten von Bioethanol.
Obwohl Ethanol aus einer breiten Palette von Rohstoffen hergestellt werden kann, ist Mais in den USA der wichtigste Rohstoff für dessen Produktion. Durch diese unge- bremste Nachfrage wird die Maisproduktion und -verwendung wesentlich beeinflusst. Während 1990 nur 6 % des Maises in den USA für die Herstellung verwendet wur- den, waren es im Jahre 2008 fast 40 %. Die US-Maiszufuhr stieg alleine von 2006 bis 2008 um 7,6 Mio. Tonnen, dies hauptsächlich, um die Bioethanolproduktion zu ge- währleisten. In der folgenden Abbildung ist der Zusammenhang zwischen der wach- senden Bioethanolproduktion und dem Maispreis ersichtlich (M. Gila, Serra & Zilberman, 2009).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6:Maispreis vs. Mais-Bioethanol von 2005-2012
Quelle:(Heisterberg, 2012, S. 43)
2.2.6. Wetterschocks und Klimaerwärmung
Grundnahrungsmittel brauchen besondere klimatische Bedingungen, um gut gedeihen zu können. Wie in Kapitel 2.1 bereits erwähnt, haben sich die Getreidekulturen über Jahrtausende angepasst. Mit der immer schneller voranschreitenden Klimaerwärmung verändern sich aber die Bedingungen rasch. Es kommt immer häufiger zu Wetterext- remen wie Dürre und Unwetter, die ganze Ackerflächen zerstören können. Dies kann zu erheblichen Ernteeinbussen führen. Auch die Desertifikation wird in vielen Län- dern zum Problem. Pro Jahr gehen 70'000 Quadratkilometer Anbaufläche durch De- sertifikation verloren
Der FAO zufolge sind die Nahrungsverluste bei anhaltender Dürre mit 84 % am höchsten. Bei Stürmen und Überschwemmungen kann man von Nahrungsverlusten von 18 % respektive 15 % ausgehen (Deutscher Bundestag, 2016, S. 5).
Die Klimaerwärmung und die damit verbundenen Wetterextreme drohen die Auswei- tung der Produktion auszubremsen und das Angebot von Grundnahrungsmitteln zu schmälern. Dies wiederum wird sich zwangsläufig auf die Preise niederschlagen. Allei- ne in Afrika rechnet man in den nächsten Jahrzehnten mit grossen Veränderungen. Es wird prognostiziert, dass einige nordafrikanische Regionen mit so hohen Tempera- turanstiegen konfrontiert sein werden, dass diese nicht mehr bewohnbar sind. Die bereits heute regenarmen Regionen südlich der Sahara werden voraussichtlich nicht mehr mit Regen rechnen können und in den äquatorialen Regionen geht heute schon die Ernte von traditionellen Grundnahrungsmitteln und somit auch die Ernährungs- sicherheit messbar zurück (Rathgeber, 2018).
2.2.7. Exportverbote von Grundnahrungsmitteln
In den turbulenten Zeiten von 2007/08 und 2011 entschieden einige grosse Getreide- exporteure, Exportverbote für gewisse Getreidesorten zu verhängen. Diese politisch bedingte Massnahme basierte auf der Idee, die inländische Preisvolatilität zu reduzie- ren und eine starke Erhöhung der Inlandpreise zu vermeiden. Auch wenn dieser Ge- danke aus politischen und gesellschaftlichen Gründen verständlich ist, so erreicht die Massnahme oftmals nicht ihr Ziel. Wie in den nächsten Abschnitten dargelegt wird, können solche Entscheidungen die Preise auf den globalen Märkten und bei Handels- partnern stark beeinflussen (Deuss, 2017, S. 6 ff.).
Die von der FAO durchgeführte Studie über Agrarexportbeschränkungen kam 2017 zum Schluss, dass dieses Vorgehen ineffizient sei. Zudem könnten solche Beschrän- kungen das Angebot im Inland zusätzlich schmälern, weil Bauern dazu tendieren, ihre Produktion auf andere Rohstoffe zu verlagern. Auf globaler Ebene wirken sich die Exportbeschränkungen grosser Exportländer schlagartig auf die Weltmarktpreise der betroffenen Agrarrohstoffe aus. Das globale Angebot nimmt im Falle einer Ex- portbeschränkung ab, was einen grossen Druck auf die globalen Preise ausübt und die Volatilität der Weltmärkte durch neuauftretende Unsicherheiten erhöht. Die FAO schätzt den aggregierten Effekt aller Länder, die Exportbeschränkungen gemacht haben, beim Anstieg des internationalen Reispreises auf 52 %. Beim globalen Preis von Mais und Weizen sind die Exportbeschränkungen für einen Anstieg von 18 % ver- antwortlich. Exportbeschränkungen hätten in dieser Periode zusätzlich den Handel zwischen benachbarten Ländern erheblich gestört, was vor allem in Afrika zu grossen Ernährungsunsicherheiten geführt hat (FAO, 2017, S. 2).
Die folgenden drei Abbildungen (Abb. 7, 8, 9) zeigen vier grosse Getreideexporteure, die Exportverbote für Getreide durchgeführt haben. Der immediate Preisanstieg lässt vermuten, dass hier ein Zusammenhang besteht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7:Exportverbot von Mais in Argentinien
Quelle:(Deuss, 2017, S. 13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8:Exportverbot von Reis in Vietnam und Indien
Quelle:(Deuss, 2017, S. 13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9:Exportverbot von Weizen in Argentinien und Russland
Quelle:(Deuss, 2017, S. 13)
2.2.8. Erkenntnisse
In diesem Kapitel wurde nachgewiesen, dass Fundamentalfaktoren die Schwankungen von Grundnahrungsmittelpreisen beeinflussen. Es ist jedoch sehr schwierig zu be- stimmen, welches Gewicht den jeweiligen Faktoren dabei zuzuschreiben ist, da diese in Kombination wirken und ihre Entwicklung wiederum von anderen Faktoren be- stimmt wird. Die Fundamentalfaktoren beeinflussen ohne Frage die Grundnahrungs- mittelpreise. Diese können aber die extremen Preisausschläge der Perioden 2007/08 und 2011 nicht vollumfänglich erklären. Obwohl die Preise nach den dramatischen Anstiegen wieder absackten, nahmen gewisse Faktoren wie das Bevölkerungswachs- tum, die steigende Nachfrage oder die Produktion von Biotreibstoffen weiter zu (siehe z. B. Abbildung 6) (Mugglin, 2014, S. 10). Somit wäre es interessant in weiterführen- den Untersuchungen mit geeigneten Methoden und qualitativ hochwertige Daten eine Regressionsanalyse zu machen, um den Einfluss der einzelnen Faktoren zu ermitteln.
2.3. Der Rohstoffhandel und seine Börsen
Seit Jahrtausenden wird mit Rohstoffen gehandelt. Die frühesten Hinweise auf Han- del reichen bis zu 140'000 Jahre zurück. Ganze Zeitalter wurden sogar nach gewissen Rohstoffen benannt, wie beispielsweise die Bronzezeit oder die Eisenzeit. In der Urge- schichte des Menschen wurde vor allem mit Gütern wie Klingen, Steinbeilen, mit Rohstoffen wie Kupfer, Zinn, Bronze und Eisen, mit Salz, Bernstein, Pelzen und Tex- tilien gehandelt. Bevor mit Waren des alltäglichen Lebens gehandelt wurde, be- schränkte sich der Austausch auf damalige Luxusgüter. Im römischen Zeitalter hat die Einführung befestigter Strassen den Handel revolutioniert. Durch bepflasterte Strassen wurde der Transport von Waren vereinfacht und um ein Vielfaches be- schleunigt, was das Aufkommen von Warenumschlag- und Handelsplätzen begünstig- te (Strasser, o.D.). Diese Produktivitätssteigerung war sicherlich einer der Grundbau- steine für den globalen Handel, wie wir ihn heute kennen.
Aufgrund zunehmender Unsicherheiten im stetig wachsenden globalen Handel, muss- ten „organisierte Zukunftsmärkte“ geschaffen werden. Diese hatten zum Ziel, die Marktteilnehmer vor Risiken der schwankenden Rohstoffpreise zu schützen. Ende des 17. Jahrhunderts entstand in Japan eine der ersten Terminbörsen („Dojima- Reismarkt“), die es ermöglichte, mit Terminkontrakten zu handeln. An dieser Börse wurde ausschliesslich mit Terminprodukten auf Reis und Seide gehandelt (Menzer, 2013).
Der Ursprung des modernen und standardisierten Rohstoffhandels, wie er heute ver- standen wird, liegt aber in Chicago. Aufgrund der günstigen geographischen Lage der Stadt am Ufer des Michigansees, wurde im Jahre 1848 die erste Terminbörse, das Chicago Board of Trade (CBOT), gegründet. Beim ersten Kontrakt handelte es sich um einen ForwardKontrakt mit Mais. Auch heute noch zählt das CBOT zu den grössten Rohstoffbörsen der Welt (Extra-Magazin, 2009). Auch wenn das CBOT nach 170 Jahren im Bereich des land- und viehwirtschaftlichen Futureshandels (vor
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- Victor Journoud (Author), 2018, Folgen der Grundnahrungsmittelspekulation auf die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern. Historische und empirische Analyse Tansanias, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456484
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