Persönliche-mündliche Befragungen stellen aufgrund ihrer Vorteile hinsichtlich des Coverage und der Datenqualität einen bevorzugten Erhebungsmodus bei großen sozialwissenschaftlichen Umfragen, wie z. B. der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften oder dem European Social Survey, dar. Interviewern kommt bei dieser Art der Befragung zweifellos eine Schlüsselrolle zu. Sie stellen das Bindeglied zwischen Forschern und Befragten dar und die Qualität der erhobenen Daten hängt maßgeblich von ihrer Arbeit ab. Der Einsatz von Interviewern kann einerseits einige Vorteile mit sich bringen. Sie können beispielsweise Befragungspersonen über die jeweilige Studie aufklären, Vertrauen schaffen, zur Teilnahme motivieren und Hilfestellungen geben. Andererseits können sich jedoch auch Nachteile durch den Einsatz von Interviewern ergeben. Neben der sozialen Erwünschtheit betrifft dies noch ein weiteres potentielles Problem, das im Gegensatz dazu nur recht selten erwähnt wird: Es kann vorkommen, dass ein Interviewer Fragebögen komplett/teilweise selbst ausfüllt, und somit Daten fälscht. Interviewerfälschung kann ein sehr gravierendes Problem darstellen. Neben Marktforschungsstudien sind auch Meinungsumfragen und offizielle statistische/wissenschaftliche Erhebungen von dieser Problematik betroffen.
In der vorliegenden Arbeit werden Total- und Teilfälschungen bei Face-to-Face-Befragungen thematisiert. Gängige gründliche Qualitätskontrollen, wie die Durchführung von Re-Interviews sind mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden, weshalb sie sich meist auf eine Stichprobe der erhobenen Interviews begrenzen. Die Kontrolle von zufälligen Stichproben wiederum erweist sich als höchst ineffektiv. Im Fokus der empirischen Arbeit sollen daher statistische Verfahren stehen, die es ermöglichen eine Gruppe von „at risk“-Interviewern, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweisen, Interviews (teilweise) gefälscht zu haben, zuverlässig zu bestimmen. Gründlichere Kontrollen bzw. Re-Interviews können damit effizient und zielgerichtet erfolgen. Hierfür werden Daten von Studienteilnehmern experimentell gefälscht, theoriegeleitete Indikatoren gebildet und diese dann mit uni-, bi- und multivariaten Verfahren analysiert. Zusätzlich wird eine Studie mit einem Datensatz, der etwa 5 Prozent an Fälschungen enthält, repliziert, um zu untersuchen, welche Folgen sich durch einen solchen Anteil an Fälschungen im Hinblick auf Effektgrößen, Signifikanz und Schlussfolgerungen ergeben können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlegende Definition und Abgrenzung des Forschungsinteresses
- Begriffsdefinition
- Arten von Interviewerfälschung
- Fokus dieser Arbeit
- Verortung von Interviewerfälschung im Framework des Total Survey Error
- Forschungsstand
- Ausmaß und Folgen von Fälschungen
- Interviewer-Charakteristika und weitere Faktoren
- Datenquellen und Verfahren zur Aufdeckung von Fälschungen
- Theoretischer Hintergrund
- Warum Fälschen Interviewer?
- Wie unterscheiden sich Fälschungen von echten Interviews?
- Durchführung der Fälschungsstudie
- Forschungsdesign und methodisches Vorgehen
- Datenbasis ALLBUS 2016
- Fragebogen für „Fälscher“
- Ziehung der Fälschungsstichprobe und zur Verfügung gestellte Informationen
- Studienteilnehmer und -Unterlagen
- Pretest und Datenerhebung
- Generierung der Fälschungsindikatoren
- Ergebnisse
- Angewandte statistische Tests auf Gruppenunterschiede
- Deskriptive Analyse und Betrachtung von Gruppenunterschieden
- Hypothesentests (logistische Regression)
- Testung der Modellannahmen und Art der Effektinterpretation
- Ergebnisse der logistischen Regression
- Clusteranalytische Bestimmung der „at risk“-Interviewer
- Durchführung der Clusteranalyse
- Vorstellung der angewandten Verfahren und Prüfung der Voraussetzungen
- Quantifizierung des Verzerrungspotentials (Studienreplikation)
- Zusammenfassung und Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit befasst sich mit dem Phänomen der Interviewerfälschung in sozialwissenschaftlichen Umfragen. Ziel ist es, die Leistungsfähigkeit statistischer Methoden zur Aufdeckung von Fälschungen zu untersuchen und das Verzerrungspotenzial dieser Manipulationen zu quantifizieren.
- Analyse des Ausmaßes und der Folgen von Interviewerfälschungen
- Untersuchung der Faktoren, die Interviewer zum Fälschen motivieren
- Entwicklung und Anwendung statistischer Methoden zur Identifizierung von Fälschungen
- Quantifizierung des Verzerrungspotentials durch Interviewerfälschungen
- Diskussion der Implikationen für die Qualität sozialwissenschaftlicher Daten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Relevanz von Interviewerfälschungen für die Qualität sozialwissenschaftlicher Daten beleuchtet und das Forschungsinteresse einführt. Kapitel 2 befasst sich mit der Begriffsdefinition und Abgrenzung von Interviewerfälschung, indem verschiedene Arten und Formen der Manipulationen vorgestellt werden. Kapitel 3 ordnet Interviewerfälschung im Rahmen des Total Survey Error ein und diskutiert die potentiellen Folgen für die Gültigkeit von Forschungsergebnissen. Kapitel 4 bietet einen Überblick über den Forschungsstand zu Interviewerfälschungen, einschließlich des Ausmaßes und der Folgen von Fälschungen, Interviewer-Charakteristika und weiteren Faktoren sowie Datenquellen und Verfahren zur Aufdeckung von Fälschungen. In Kapitel 5 wird der theoretische Hintergrund des Fälschens erörtert, indem die Motive und Hintergründe für Interviewerfälschungen sowie die Unterscheidung zwischen Fälschungen und echten Interviews analysiert werden.
Kapitel 6 beschreibt die Durchführung einer eigenen Fälschungsstudie. Dabei werden Forschungsdesign, methodisches Vorgehen, die Datenbasis ALLBUS 2016, der Fragebogen für „Fälscher“, die Ziehung der Fälschungsstichprobe, die zur Verfügung gestellten Informationen, die Studienteilnehmer und -Unterlagen sowie der Pretest und die Datenerhebung vorgestellt. Kapitel 7 behandelt die Generierung von Fälschungsindikatoren, die im Folgenden zur Analyse des Fälschungspotentials dienen. Kapitel 8 präsentiert die Ergebnisse der statistischen Analysen, die auf die Unterscheidung zwischen echten Interviews und Fälschungen ausgerichtet sind. Es werden sowohl deskriptive Analysen von Gruppenunterschieden, als auch Hypothesentests mittels logistischer Regression und Clusteranalysen durchgeführt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen Interviewerfälschung, Total Survey Error, Measurement Bias, Datenqualität, statistische Aufdeckungsmethoden, logistische Regression, Clusteranalyse, Verzerrungspotenzial und Studienreplikation im Kontext sozialwissenschaftlicher Umfragen.
- Quote paper
- Thomas Beer (Author), 2018, Interviewerfälschungen in sozialwissenschaftlichen Umfragen. Leistungsfähigkeit statistischer Aufdeckungsmethoden und Verzerrungspotenzial, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456400