Jüngst betitelte die Fachzeitschrift "Raumforschung und Raumplanung" das 21. Jahrhundert mit dem Namen „Zeitalter der Städte“. Als Produzenten von Wissen und Innovation, Vorantreiber des wirtschaftlichen Wachstums und vor allem als Lebens- und Arbeitsort für über Dreiviertel der europäischen Bevölkerung bedingen Städte eine extensiv zunehmende Bautätigkeit im Bereich Wohnraum und Infrastruktur. Gleichzeitig stellen sie nationenübergreifend Kristallisationspunkte für neuartige Problemstellungen dar und fordern die nationale Stadtentwicklungspolitik der EU-Mitgliedstaaten somit zum innovativen Handeln heraus. Zu den vielen gesamteuropäischen Herausforderungen in Städten zählen hierbei insbesondere der Ausgleich sozialer Ungleichheiten, Schaffung von Wohnraum und Qualifizierung lokaler Ökonomien. Dementsprechend scheint der zunehmende Wunsch supranationaler Institutionen naheliegend, Stadtentwicklung als gemeinsame Aufgabe zu betrachten und auf urbane Transformationsprozesse grenzüberschreitend Einfluss zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Beitrag supranationale Systeme zur Steuerung von Handlungen im Bereich der Stadt- und Raumentwicklung tatsächlich leisten können. Unumstritten stellt das Dokument der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt, welches 2007 im Rahmen des informellen Ministertreffens zur Stadtentwicklung und territorialem Zusammenhalt unterzeichnet worden ist, einen Meilenstein für länderübergreifenden Stadtpolitik auf Europäischer Ebene dar. Diese Arbeit nimmt es sich zur Aufgabe die Potenziale dieses Dokuments zu untersuchen und mögliche Grenzen seiner Wirkung zu identifizieren.
Hierfür wird in einem ersten Schritt ein kurzer Überblick über allgemeine Steuerungsmöglichkeiten in Stadt- und Raumentwicklung auf europäischer Ebene gegeben und die Leipzig Charta in der Logik politischen Handels der Europäischen Union verortet. Es erfolgen eine Betrachtung ihrer Entstehungsabsicht, eine inhaltliche Zusammenfassung und eine planungstheoretische Einordnung, welche bereits die elementaren Wirkweisen des Dokuments darstellen werden. In einem zweiten Teil dieser Arbeit werden Chancen und Grenzen europäischer Steuerung durch die Leipzig Charta diskutiert, wobei Erfahrungswerte aus Zeiten ihrer Umsetzung bis 2017 in Betracht gezogen werden. Das abschließende Kapitel zielt darauf ab, die Leipzig Charta als Instrument supranationaler Steuerung anhand vorausgegangener Information zusammenfassend zu bewerten.
Gliederung
1. Leipzig Charta vor dem Hintergrund globaler Transformationsprozesse und supranationaler Problemstellungen
2. Überblick über EU-Steuerungsmittel in der Planung und Einordnung der Leipzig Charta
3. Analyse der Leipzig Charta
3.1. Vorgeschichte, Hintergrund und Absicht ihrer Entstehung
3.2. Aufbau, Inhalt und formelle Wirkung der Leipzig Charta
3.3. Planungstheoretische Einordnung der Leipzig Charta als Instrument des Leitbilds im Sinne der strategischen Planung
4. Untersuchung der Leipzig Charta auf ihre Chancen und Grenzen als Instrument der Planungssteuerung
4.1. Chance: Leipzig Charta als Orientierungshilfe in Zeiten urbaner Transformationsprozesse?
4.2. Grenze: schwacher rechtlicher Status der Leipzig Charta als Hindernis für die Implementierung ihrer
Inhalte?
4.3. Grenze: verschiedene Ausgangsvoraussetzungen der Länder als weiteres Hindernis ihrer
Implementierung?
4.4. Chance: Leipzig Charta als Katalysator eines Paradigmenwechsels in der supranationalen Stadtentwicklungspolitik?
5. Stadterneuerungspolitik durch Stadtpolitikerneuerung - eine abschließende Bewertung der Leipzig Charta und ein Blick in die Zukunft der europäischen Stadtentwicklungspolitik
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