Die Untersuchung hat zunächst das Ziel, eine angemessene Definition für Social Business in Abgrenzung zu anderen Unternehmensformen und Herangehensweisen der gesellschaftlichen Problemlösung in Deutschland zu erarbeiten. Die Abgrenzung und Einordnung erfolgt im zweiten Kapitel.
Im darauffolgenden dritten Kapitel soll identifiziert werden, ob mit Hilfe von Social Businesses gesellschaftliche Probleme in Deutschland gelöst werden können. Dabei wird einerseits auf förderliche institutionelle Rahmenbedingungen des Sozialstaats und andererseits auf die generellen Stärken und Vorteile von Social Businesses eingegangen.
Im vierten Kapitel folgt die Identifizierung der Hürden, der sie sich hierzulande stellen müssen. Auch hier werden sowohl die Rahmenbedingungen des Umfelds, indem sie sich bewegen, als auch spezielle unternehmerische Herausforderungen aufgezeigt.
Zusammenfassend soll bewertet werden, ob Social Business ein funktionierendes Konzept im Sozialstaat sein kann.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkiirzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Heterogenitat des Begriffsverstandnisses
2.2 Entwicklung der Arbeitsdefinition
2.3 Mogliche Geschaftsmodelle
2.4 Umfeld und Rahinenbedingungen
2.4.1 Sektor Staat
2.4.2 Sektor Markt
2.4.3 Dritter Sektor
2.4.4 Social Business als Hybrid
3 Chancen fiir Social Business in Deutschland
3.1 Fordernde Rahmenbedingungen
3.1.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
3.1.2 Institutionelle Rahmenbedingungen
3.2 Wettbewerbsvorteile
3.2.1 Innovationskraft
3.2.2 Finanzielle Tragfahigkeit
3.3 Transformationspotenzial
3.3.1 Institutionelle Transformation
3.3.2 Transformation des Wirtschaftssystems
4 Hiirden fiir Social Business in Deutschland
4.1 Zielkonflikt
4.2 Steuer- und zivilrechtliche Rahmenbedingungen
4.2.1 Steuerrechtliche Rahmenbedingungen - Gemeinnutzigkeit
4.2.2 Zivilrechtliche Rahmenbedingungen - Rechtsform
4.3 Institutionelle Rahmenbedingungen
4.4 Finanzierung
4.4.1 Innenfinanzierung
4.4.2 AuBenfinanzierung
4.5 Wirkungsmessung
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagenverzeichnis
Anlagen
Abbildungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Social Business als Teilmenge des Social Entrepreneurships
Abbildung 2: Komponenten eines Social Business Geschaftsmodells
Abbildung 3: Social Business als Hybrid im Drei Sektoren Modell
Abbildung 4: Anteile der Einnahmearten von Dritt Sektor Organisationen
Abbildung 5: Anteile der Einnahmearten von gGmbHs
Abbildung 6: Klassifizierung der Finanzierungsstruktur
Abbildung 7: Sozialrechtliches Dreiecksverhaltnis
Abbildung 8: Durchschnittliche jahrliche Renditeerwartungen
Tabellenverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabclle 1: Mogliche Geschaftsmodelle nach Wertschopfungsbeitrag
Tabelle 2: Mogliche Geschaftsmodelle nach Einnahmestrategie
Tabelle 3: Treiber fur soziales Unternehmertum
Tabelle 4: Finanzierungsquellen and Realisierbarkeit im Uberblick
Tabelle 5: Kausale Wirkungskette
Tabelle 6: Realisierbarkeit von Social Business in Deutschland
Abkiirzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Dass sich Menschen fur Andere engagieren and dabei nicht von einer Profitmaxi- mierung angetrieben werden, ist nicht neu. Friedrich Wilhelm Raiffeisen ging als Er- finder der Mikrokredite in die Geschichte ein nnd Maria Montessori griindete Horte und Schnlen fur behinderte Kinder. Mit Muhammad Yunus startete eine nene Ara der sozialen Verantwortlichkeit. Der Bengale, der im Jahr 2006 zusammen mit der Grameen Bank den Friedensnobelpreis erhielt1, ist Vorreiter einer neuen Denkweise der Wirtschaft. Mit seinem Credo ,,Jedes menschliche Wesen wird mit der Fahigkeit geboren, fiir sich selbst zu sorgen nnd auBerdem auch noch zum Wohlergehen der ganzen Welt beizutragen“ (Yunus 2010, S. 8) tragt er das Konzept des Social Business in die Welt. Unternehmen, die nacli Yunus‘ Grundsatzen agieren, sind bisher beispiels- weise in Bangladesch - seinem Heimatland - und Landern ohne ausdifferenziertem Sozialstaat zu finden. Er ist davon iiberzeugt, dass das Phanomen der Armut bald ins Museum verbannt werden kann (vgl. Kickul, Terjesen, Bacq et al. 2012, S. 461). Ak- tuelle Zalilen zu Unternehmen, die im weiteren Sinne als Sozialunternehinen agieren, sind nur schwer zu erheben, da es keine einheitliche Definition gibt. Laut Spiegel diirfte die Zahl der Social Businesses im engeren Yunus‘schen Sinne in Deutschland jedoch kaum groBer als einhundert sein (vgl. Spiegel 2011b, S. 134). Das konnte darauf hin- deuten, dass diese besondere Form des Social Entrepreneurships in einem entwickelten Sozialstaat, wie Deutschland es ist, moglicherweise nicht funktionieren kann. Yunus selbst ist Mitgrunder von „Yunus Social Business" (YSB), einem non-profit venture fund, der von Deutschland aus vielversprechende Social Businesses mit geduldigem Kapital ausstattet und langfristige Unterstutzung anbietet: „[...] our mission is to promote social business as a sustainable alternative to long-term aid, bridging the gap between business and philanthropy" (Yunus Social Business 2017, S. 1). Der alleinige Fokus liegt jedoch auf Social Businesses in Schwellen- und Entwickhmgslandern. Doch auch in Deutschland gibt es viele soziale Probleme, wenngleich Armut in der lebens- bedrohlichen Form, wie sie in Bangladesch herrscht, nicht dazu gehort. Dennoch wird die Schere zwischen Arm und Reich innner groBer, der Sozialstaat stoBt teilweise an seine Grenzen und es gibt viele neue Ideen, vorhandene soziale Probleme zu losen. An Attraktivitat gewinnt Sozialunternehmertum unter anderem durch den zunehinenden Wohlstand in unserer Gesellschaft. Je hoher das materielle Einkomrnen ist, desto mehr gewinnen Ziele wie Sinn oder Selbstentfaltung an Bedeutung, da der individuelle Grenznutzen des Geldes fur den Einzelnen sinkt (vgl. Beckmann 2011, S. 71). Das Ziel von Social Businesses soli es sein, mit einer wirtschaft lichen Herangehensweise nicht nur den Wohlstand Einzelner zu steigern, sondern existierende Probleme zu losen und somit einen Mehrwert fur die ganze Gesellschaft zu leisten. Doch ob Ideen, wie die von Yunus in Deutschland tatsachlich umgesetzt werden konnen, hangt zu einem gro- fien Teil vom System des ausdifferenzierten Sozialstaats ab.
Die Untersuchung hat zunachst das Ziel, eine angemessene Definition fiir Social Business in Abgrenzung zu anderen Unternehmensformen und Herangehensweisen der gesellschaft lichen Problemlosung in Deutschland zu erarbeiten. Die Abgrenzung und Einordnung erfolgt ini zweiten Kapitel. Im darauffolgenden dritten Kapitel soli iden- tifiziert werden, ob mit Hilfe von Social Businesses gesellschaftliche Probleme in Deutschland gelost werden konnen. Dabei wird einerseits auf forderliche institutionelle Rahmenbedingungen des Sozialstaats und andererseits auf die generellen Starken und Vorteile von Social Businesses eingegangen. Im vierten Kapitel folgt die Identifizierung der Harden, der sie sich hierzulande stellen mtissen. Audi liier werden sowolil die Rahmenbedingungen des Umfelds, indem sie sich bewegen, als auch spezielle unter- nehmerische Herausforderungen aufgezeigt. Zusammenfassend soil bewertet werden, ob Social Business ein funktionierendes Konzept im Sozialstaat sein kann.
Der Mangel an empirischen Daten stellt eine besondere Herausforderung dar. Aus diesem Grund basieren die vorgestellten Ergebnisse auf einem Methodenmix. Zum einen wird auf vorhandene akademische Literatur zuriickgegriffen, die sich thematisch eng verwandt sowohl mit den Akteuren des Sozialstaats Deutschland, als auch mit Social Entrepreneurship im Allgemeinen befasst. Durch die Neuheit des Phanomens, ist die Fiille an wissenschaftlicher Literatur. insbesondere in Bezug auf deutsche Rah- menbedingungen, begrenzt. Aus diesem Grund werden die Ergebnisse der Literatur- recherche mit Hilfe von aktuellen Onlinebeitragen zum Thema validiert. Hierzu zahlen Interviews, Blogbeitrage, Diskussionsforen und weitere informelle Quellen, die fiir eine Einordnung genutzt werden. Innerhalb der Untersuchung wird auf konkrete unterneh- merische Beispiele eingegangen. I111 Bereich der sozialen Dienstleistungen wird haupt- sachlich „Specialisterne Deutschland" betrachtet. Das Unternehmen hat zu Beginn des Jahres seinen Betrieb eingestellt. Das personliche Interview bietet deshalb sehr inte- ressante und hilfreiche Einsichten zuin Thema Sozialunternehmertum in Deutschland. Im Bereich der marktlichen Geschaftsmodelle dienen vor allem „Quartiermeister“ und „Coffee Circle" als Beispiele. Die jeweiligen Mitgrunder David Griedelbach und Martin Elwert haben gemeinsam, dass sie anfangs „keine Ahnung" von Bier bzw. Kaffee und E-Commerce hatten. Dafiir hatten sie aber den unbedingten Willen, korrekten Kon- sum zu ermoglichen und weitere Schritte der Nachhaltigkeit zu gehen, indem das Ge- meinwohl im absoluten Fokus des Unternehmerseins steht (vgl. Griedelbach 2017, S. 1). Die Unternehmensprofile, sind in der Anlage zu finden. Eine standardisierte Her- angehensweise und die quantitative Erhebung von Daten ist nicht zielfiihrend. Die Heterogenitat der Geschaftsmodelle macht eine direkte Vergleichbarkeit der Unternehmen und Unternehmer unmoglich. AuBerdem unterscheidet sich die Auffassung und konkrete Umsetzung von Social Entrepreneurship, Sozialunternehmertum und Social Business noch sehr. Deshalb wurden, neben der Auswertung akademischer Li- teratur, personliche Erfahrungen und Meimmgen untersucht, die auf konkrete Chan- cen oder Hiirden fiir Social Business im Simie dieser Untersuchung schliefien lassen konnten.
2 Tlieoretische Grundlagen
Der Begriff ,,Social Business*lasst viele Fragen offen. Derzeit existiert weder in der akademischen Literatur, nocli in der offentlichen Darstellung von Organisationen, Regierungen o. A. ein einheitliches Begriffsverstandnis. Begriffe wie Social Entrepreneurship, Sozialunternehmertum, Social Enterprises und viele mehr, werden auf jeweils eigene Weise verwendet. Deshalb ist es fur diese Untersuchung von groBer Bedeutung, eine angemessene Definition fur Social Business im Kontext des deutschen Sozialstaa- tes zu entwickeln. Uni dies zu erreichen, wird zuerst ein Blick auf die Termini und Abgrenzungen unterschiedlicher Autoren und Akteure geworfen. Darauf basierend wird die Arbeitsdefinition entwickelt. Im darauffolgenden Abschnitt werden verschie- dene Geschaftsmodelle und Charakteristika herausgearbeitet, die die Umsetzung ver- deutlichen. Als Abschluss dieses Kapitels wird Social Business in den Kontext des Drei Sektoren Modells gestellt, um die verschiedenen vorherrschenden Rahmenbedingun- gen, innerhalb dessen sich Social Businesses in Deutschland bewegen, zu verdeutlichen.
2.1 Heterogenitat des Begriffsverstandnisses
Urn der Heterogenitat der Begriffe im Bereich des Social Business gerecht zu werden, wird in diesem Abschnitt auf die verschiedenen Sichtweisen auf soziales Unter- nehmertum eingegangen. Begonnen wird mit einer Darstellung der Termini seitens der akademischen Literatur. Im Anschluss werden die Vorstellungen politischer Akteure dargestellt und abschlieBend die Ideen Yunus1 erlautert. Die akademische Literatur und Experten fur Social Entrepreneurship haben teilweise fundamental unterschiedli- che Ansichten dariiber, was ein Social Business ist (vgl. Maukseh, Engelke. Darkow et al. 2011, S. 29). So schreibt beispielsweise Jansen, class Sozialunternehmen sowohl Grundungsorganisationen, als auch Neuausrichtungen bestehender Sozialorganisatio- nen (Social Intrapreneurship2 ) sein konnen. Sie arbeiten an der unternehmerischen Entwicklung von innovativen und skalierbaren Blueprints zur Losung selbst definierter sozialer Problerne (vgl. Jansen 2013, S. 75). Das Unternehmerische an Sozialunterneh- men sei „[...] die vorrangig operativ-produktive Rekombination von Ressoureen [...]“ (Jansen 2013, S. 74). Klare Abgrenzungen beziiglich Rechtsformen, Organisations- strnktnren oder Governance gibt es nicht. „[...] Social entrepreneurship is not defined by legal form [...]” (Austin, Stevenson & Wei-Skillern 2006, S. 2). Deshalb bieten sich primar zwei Herangehensweisen an, das breite Feld abzustecken. Zum einen ist es die „intentionsorientierte Definition" des Sozialunternehmertums. Diese konzentriert sich auf die Zielstellung des Unternehmens und wird von den meisten Autoren als Aus- gangsbasis verwendet. Sie stellt heraus, dass die unternehmerische Tatigkeit von Social Businesses bzw. Social Entrepreneurs zum Ziel hat, direkt zur gesellschaftlichen Prol> lemlosung beizutragen, ohne bzw. mit geringer Bedeutung einer Gewinnerzielungsab- sicht (vgl. Beckmann 2011, S. 69; vgl. Dees 2001, S. 1). Damit wird gleichzeitig jegliche Corporate Social Responsibility (GSR)3 Aktivitat profitorientierter Unternehmen vorn Begriff des Social Business ausgeschlossen, denn bei der herkommlichen unternehme- rischen Tatigkeit steht die Gewinnmaximierung weiterhin ini Vordergrund und die sozialen Ziele sind eher als Mittel zum Zweck zu verstehen. „The social responsibility of business is to increase its profits” (Friedmann 1970, S. 122). Eine weitere Moglich- keit der Abgrenzung ist die funktionale Definition des Sozialunternehmertums. Hier liegt der Fokus in der Wirkung des Akteurs in seinern Urnfeld. Die Funktion des Ak- teurs - des Social Entrepreneurs - ist es, eine innovative Losung fur ein ungelostes gesellschaft lie hes Problem zu generieren (vgl. Beckmann 2011, S. 80). Er nimmt die Rolle des Schrittmac hers walir, indem er mit seinern Wirken auf die Anderung der Strukturen zielt (vgl. Stein 2011, S. 38). Die Akteurszentrierung, die oftmals eine be- deutende Rolle in der Diskussion liber das Sozialunternehmertum spielt, ist begriindet durcli die ungewohnliche Stellung einer Einzelperson, die ilire Motivation in deni Wil- len findet, ein drangendes gesellschaft lie hes Problem zu losen (vgl. Heinze, Schneiders & Grohs 2011, S. 90 - 91). Auf Basis des allgemeineren Begriffs des Entrepreneurs'4 1 hat Dees Aussagen von Schumpeter, Say, Drucker und Stevenson in eine Charakteri- sierung von Social Entrepreneurs iiberfuhrt, die in der Literatur haufig Anwendnng findet. In seinen Augen spielen sie im sozialen Sektor eine Rolle als „change agent11. Sie haben die Mission, einen sozialen Mehrwert nachhaltig zu generieren; erkennen und nutzen neue Moglichkeiten, diese Mission zu verfolgen, indern sie sich in einem standigen Prozess der Innovation, Adaption und des Lernens befinden; agieren mutig, ohne sich von derzeitigen Ressourcen einschranken zu lassen und iibernehmen eine grofie Verantwortung fur ihre Zielgruppe und ihr Tun (vgl. Dees 2001, S. 4). Neben der akademischen Literatur sind auch die Definitionen der politischen Akteure relevant. Das Bundesministerium fur Wirtschaft und Energie (BMWi) versteht es als Ziel von Sozialunternehmen, „mit iliren Produkten und Dienstleistungen einen Beitrag zum gesellschaftlichen Fortschritt zu leisten“ (Bundesministerium fiir Wirtschaft und Energie 2017, S. 2). Ihre Leistungserstellung orientiere sich dabei nicht ausschlieBlich am Markt, sondern vor allem an der Bediirftigkeit der Gesellschaft. Das BMWi definiert jedoch keine weiteren Kriterien, die soziale Unternehmen erfiillen mussen. So gibt es weder Erlauterungen zur Organisationsstruktur, noch zur Wirtschaft liehkeit oder Ge- winnverwendnng. Die Definition der Europaischen Union ist etwas deutlicher. Diese versteht unter „Sozialnnternehmen“ Unternehmen, „fiir die das soziale oder gesellschaft lie he gemeinnutzige Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschaftstatigkeit darstellt, was sich oft in einem hohen Mafie an sozialer Innovation aufiert; deren Gewinne groBten- teils wieder investiert werden, urn dieses soziale Ziel zu erreichen und deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhaltnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzi- jrien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerech- tigkeit ausgerichtet sind“ (Europaische Kommission 2011, S. 2 - 3). Hier liegt der Fokus deutlich auf der intentionsorientierten Abgrenzung. Schlussendlich mussen ganz besonders die Ansichten von Yunus im Zusammenhang dieser Arbeit untersucht werden. Er ist der Namensgeber des Social Business Konzepts und hat spezielle Auffas- sungen zum sozialen Unternehmertum, die im Vergleich zu anderen Autoren und In- stitutionen sehr konkret sind. In seinen vielzaliligen Biichern geht Yunus unter ande- rem auf die Anfange der Grameen Bank ein, beschreibt die Hohen und Tiefen der Grameen Veolia Water und zeigt sich als Visionar und Vorreiter fur eine neue Welt.5 Er beschreibt damit die ersten konkreten Umsetzungsmoglichkeiten seiner Ideen. Um seine Vorstellungen, was genan ein Social Business ist und wie es arbeiten soil zu deklarieren, hat Yunus „sieben Grundsatze“ formuliert, auf die im Folgenden naher eingegangen wird.6 Entgegen der bisherigen Vorstellungen des Kapitalismus, den Profit des Unternehmens zu maximieren, soil das Ziel eines jeden Social Business die „Uberwindung der Armut oder eines oder mehrerer Probleme [...], die die Menschen und die Gesellschaft bedrohen [...]“ sein7 (vgl. Yunus 2010, S. 27). Ein wichtiger Pfeiler in seinem Konzept ist, class das Social Business finanziell. wirtschaftlich naclilialtig und umweltbewusst arbeitet. Yunus steht vollstandig hinter der Auffassung, class ein Social Business ein „echtes Unternehmen“ sei. Dieses arbeitet kostendeckend und er- zielt geniigend Einkiinfte, um die eigenen Betriebskosten decken zu konnen. Deslialb nennt er es „nicht defizitares, keine Dividencle abwerfendes Unternehmen" (,.non-loss, non-dividend“), das sich ausschliefilich einem sozialen Ziel verschrieben hat (vgl. Yunus 2010, S. 13). Yunus sieht es als legitim an, wenn ein Social Business anfangs Spenden annimmt, solange es „unbeirrt an deni Ziel festhalt, innerhalb eines angemes- senen Zeitraums wirtschaftlich rentabel zu arbeiten11 (Yunus 2010, S. 159 - 160). Das bedeutet, class Spenden keine langfristige Finanzierungsform darstellen durfen. Trotz des finanziellen Selbsterhaltungsdrucks sollen Mitarbeiter in einem Social Business marktubliche Lohne und Gehalter erhalten und dabei von uberdurchschnittlich guten Arbeitsbedingungen profitieren. Bezuglich der Finanzierung hat Yunus, neben der Selbsterhaltungspramisse, sehr klare Vorstellungen. Die Grundsatze besagen, dass In- vestoren imr die Riickzahlung des nominalen Betrages der Investition erhalten. Das lieiBt weder die Hbhe der Inflation, noch andere Parameter beeinflussen die Holie der Riickzahlung. Es darf keine Dividende gezalilt werden, die iiber den ursprunglich an- gelegten Betrag hinausgeht. Sobald die Investitionssumme zuriickgezahlt sei, werden die erzielten Gewinne fur die Erweiterung und Verbesserung des Unternehmens ver- wendet (vgl. Yunus 2010, S. 27). Yunus teilt damit das Vorgehen einer iiblichen nonprofit Organisation, die nacli Hansmann jegliche Gewinne ausschliefilich fiir den Zweck verwendet, das urspriingliche soziale Unternehmensgriindungsziel zu verfolgen, anstatt sie als Dividenden auszuzahlen (vgl. Hansmann 1980, S. 838). Die Finanzierung ist ein sensibles Thema, was zu vielen Diskussionen unter Kritikern gefuhrt hat und im wei- teren Verlauf der Arbeit noch naher untersucht wird. Yunus ist sicli seiner Sadie jedoch kompromisslos sicher: „Social Business steht fiir ein vollstandiges Abkoppeln von den alten Rahmenbedingungen des Wirtschaftslebens - und nicht fiir das Anpas- sen neuer Ziele an den bestehenden Rahmen“ (Yunus 2010, S. 44). Schlussendlich legt er Wert darauf, die Arbeit „mit Freuden“ zu tun (vgl. Yunus 2010, S. 27). Fasst man seine Ideen zusammen, lasst sich festhalten, dass seiner Ansicht nach Social Businesses wie „normale“ Unternehinen funktionieren sollen, also finanziell selbsttragend sind und innovative Problemlosungsansatze verfolgen, jedoch die soziale Nutzenmaximie- rung das einzige Ziel ist.
2.2 Entwickliing der Arbeitsdefinition
Die Abgrenzung der verschiedenen Begriffe, die oben beschrieben worden sind, ist nicht trivial. Es kann jedoch festgehalten werden, dass Social Entrepreneurship, oder aucli soziales Unternehmertum eine Art Oberbegriff darstellt, in dem die konkrete Unternehmensform des Social Business eine Teilmenge ist, die bestimmten Restrikti- onen unterliegt.
Abbildung 1: Social Business als teilmenge des Social enterpreneurships
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Auf Basis der oben diskutierten Termini soli eine fur diese Untersuchung geltende Definition fiir Social Business erarbeitet werden. Dafiir werden die Kriterien Ziel, Gel- tungsbereich, Herangehensweise und Restriktionen determiniert. Das Ziel eines jeden Social Business muss es sein, ein soziales bzw. gesellschaftliches Problem zu losen. Das heifit ein Social Business strebt nach der Maximierung des Social Impacts8, nicht je- doch nach der Profitmaximierung. Welche Ziele das konkret sein konnen, hangt von der Auffassung des Wortes „social“ ab. Der philosophische Streit um die Bedeutung geht zuriick bis in die Zeit der Romer und beschaftigt die Wissenscbaffler noch heute. Schon 1904 wurde von fiihrenden Soziologen spezifiziert, dass das Wort „sozial“ so vage formuliert sei, dass es nicht geeignet sei fiir die konstituierende wissenschaftliche Verwendung (vgl. Ritter <k Griinder 1995, S. 1119). Die normative Bedeutung des Begriffes „sozial“ erschwert eine eindeutige Zuordnung der konkreten Probleme, die von einem Social Business gelost werden sollen oder konnen. Wahrend Politiker oft mit der Einstellung „Sozial ist, was Arbeit schafft“ (vgl. Politische Unklarheiten 2017, S. 1) propagieren, wird im Allgemeinen „sozial sein“ eher auf fursorgliches, altruisti- sches Handeln aus Nachstenliebe zuriickgefuhrt. Das Soziale kann deshalb auch als Referenzierung fiir Probleme innerhalb der Beziehung Einzelner in der Gesellsehaft, z.B. in der Ungleicliheit der Behandlung bzw. der Chancen verstanden werden (vgl. Jansen 2013, S. 72). Ein Sozialunternehmen ware dann sozial, wenn das Unterneh- mensziel die Identifikation, Produktion und der Vertrieb von Leistungen ist, die fiir die Aufhebung der Ungleichheit und der Steigerung der Fiirsorge, sowie der sozialen Mobilitat wirken sollen (vgl. Jansen 2013, S. 73). Die wortliche Ubersetzung von „social“ mit „sozial“ kann irrefuhrend sein, weshalb anf die Formulierung „gesellschaft- lich“ bzw. „auf die Gesellschaft bezogen“ zurvickgegriffen werden sollte. Gesellschaft- licli heifit, dass das Gemeinwohl, nicht jedoch die Bereicherung Einzelner, im absoluten Fokus steht. ..Die Gemeinwohlorientierung aufiert sich in den realisierten Effekten und ist konst it utives Element der jeweiligen Unternehmenskultur“ (Heinze, Schneiders &: Grohs 2011, S. 91). Die jeweilige Bedeutung dessen alterniert sowohl im nationalen, als auch im personlichen Kontext. Auch Yunus ist sich dessen bewnsst und erklart in einem Interview mit Kickul, dass die Auswahl eines sozialen Problems durchaus von Land zu Land unterschiedlich sei (vgl. Kickul, Terjesen, Bacq et al. 2012, S. 458). Im Rahmen dieser Untersuchung wire! davon ausgegangen, dass ein Social Business bzw. der Social Entrepreneur selbst seinen Geltungsbereich definiert und somit individuell und unabhangig fur sich bestimmt, was genau das soziale oder gesellschaft lie he Problem ist, das er losen mochte. Dabei sind im Kontext von Deutschland insbesondere die Aspekte relevant, die im Sozialgesetzbuch (SGB) erfasst werden (vertiefend in Al> schnitt 2.4.1). Es konnen aber auch Probleme angegangen werden, die nur einen klei- nen Kreis von Betroffenen haben, oder nur auf lokaler Ebene auftreten. Des Weiteren fallen Schwierigkeiten, die nur in anderen Landern, auf anderen Kontinenten oder aber auch weltweit existieren - wie der Klimawandel -, in den Bereich dieser Untersuchung, solange das Social Business von Deutschland aus agiert. Social Businesses konnen samtliche Probleme, wie beispielsweise Klimaschntz, Fliichtlingshilfe, Inklusion usw. losen (vgl. Scheuerle, Glanzel, Knust et al. 2013, S. 14). Die United Nations (UN) bieten einen Uberblick, welehe sozialen und gesellschaft lichen Probleme welt weit existieren und einer dringenden Problemlosung bediirfen. Die „Sustainability Goals“ die- nen als Orientierungshilfe fiir Social Entrepreneurs und bieten gleichzeitig einen legi- timen Rahmen, in dem Social Businesses agieren konnen. Eine Auflistung ist in Anlage 6 zu finden. Die mogliehen Ziele und der Geltungsbereich von Social Business sind somit deutlich gemacht worden. Wie diese erreicht werden konnen, erklart das Wort „business“ in der Begriffsbezeiclmung. Es lasst auf einen unternehmerischen Charakter der Herangehensweise schlieBen. „Social Entrepreneurship ist die Verbindung von un- ternehmerischem Denken und Handeln mit sozialen Zielen [...]“ (Miiller, Fueglistaller, Muller et al. 2016, S. 360). „Unternehmerisch“ wird im organisationssoziologischen Sinne als „innovationsorientiertes, strategisches und seine Risiken selbst verantwor- tendes Handeln von Organisationen“ (Heinze, Schneiders Sc Grohs 2011, S. 91) ver- standen. Schon Schumpeters Bild des Unternehmers als „schopferischer Zerstorer“ (Schumpeter 1976, S. 132) geht von unternehmerischer Innovationskraft aus. Wie aber Drucker feststellte: “[...] not every new small business is entrepreneurial or represents entrepreneurship” (Drucker 2002, S. 21). Er unterstreicht, dass Entrepreneurs etwas Neues, etwas Andersartiges kreieren; sie verandern oder verwandeln Werte (vgl. Drucker 2002, S. 22). Deshalb ist insbesondere die Innovationsorientierung von Bedeutung, denn Social Businesses losen gesellschaftliche Probleme innovativ, daruber sind sich die Autoren einig. Wesentliche Merkmale sozialer Innovationen sind ihre Andersartig- keit gegentiber vorherigen Praktiken; ihre Verbreitung und Stabilisierung, die auch Nachbesserungen und Anpassungen im Urnfeld miteinschliefien; ihre Dauerhaftigkeit jenseits vorubergehender Modeerscheinungen und ihre gesellschaftlichen Auswirkun- gen (vgl. Gillwald 2000, S. 41). Wie oben diskutiert, ist Yunus der bisher Einzige, der einem Social Business Vorschriften in finanzieller Hinsicht macht. Sein Konzept des „non-loss, non-dividend“ Unternehmens und die Tatsache, dass Spenden keinesfalls langfristig als Finanzierungsinstrument genutzt werden diirfen, da das Unternehmen selbsttragend wirtschaften soil, sind deutliche Restriktion. Diese sollen in der Definition von „Social Business11, die dieser Untersuchung zu Grunde liegen wird, mit ein- bezogen werden, denn es ist eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zu ande- ren Formen des sozialen Wirtschaftens. Aber auch die Erkenntnisse der akademischen Autoren und Institutionen fliefien in die Arbeitsdefinition mit ein. Es ergeben sich zwei Definitionen fur Social Business. Zuni einen ,,Social Business im engeren Sinne“ (Social Business i. e. S.) und zum anderen „Social Business im weiteren Sinne“ (Social Business i. w. S.). Dies hat den Vorteil, dass die Analyse vielmehr auf die eigentliche Fragestellung, welche Hiirden zu iiberwinden sind, wenn man gesellschaftliche Probleme unternehmerisch losen mochte, eingehen kann und sich nicht ausschliefilich auf die finanziellen Restriktionen beschranken muss. So konnen letztendlich die Chancen und Hiirden fur die heterogenen Geschaftsmodelle von Social Business differenzierter betrachtet werden.
Auf Basis der folgenden beiden Definitionen wird die Untersuchung durchgefiihrt.
Social Business im engeren Sinne
Ein Social Business i. e. S. ist ein Unternehmen, das selbst determinierte soziale bzw. gesellschaftliche Probleme iimovativ und unternehmerisch lost. Es obliegt keiner be- stimmten Rechtsform. Das Ziel eines Social Business i. e. S. ist es, den Social Impact zu maximieren, nicht jedoch den Profit. Ein Social Business i. e. S. ist finanziell selbst- tragend und nimmt weder Spenden an, noch zahlt es Dividenden an seine Investoren aus. .leglicher erwirtschaftete Gewinn darf einzig und allein dem Zwecke des Unter- nelnnens dienen.
Aufgeweicht wird die „non-dividend“ Vorgabe in der nachfolgenden Definition. Dies ermoglicht es, das Phanomen des sozialen Wirtschaftens in seiner Vielschichtig- keit zu verstehen. Konkret heiht das: solange nicht die Profitmaximierung, sondern weiterhin die Maximierung des Social Impacts im Vordergrnnd stelit, dtirfen Dividenden in einer vorher klar festgelegten Hohe ausgeschiittet bzw. mindestens der Barwert der Investition zuruckgezahlt werden. Denkbar ist bier eine Grofienordnung von 1-4 %, um sowohl die Inflation auszugleichen, als auch einen minimalen finanziellen Anreiz fiir Investoren zu schaffen. Spiegel macht deutlich: „Nur mit klar definierten und be- grenzten Kapitalverzinsungen kann der Leitgedanke des sozialen Nutzens vor Sliare- holder-Interessen geschiitzt werden“ (Spiegel 2011a, S. 58). Somit ergibt sich die Definition fiir Social Business im weiteren Sinne:
Social Business im weiteren Sinne
Ein Social Business i. w. S. ist ein Unternehmen, das selbst determinierte soziale bzw. gesellschaftliche Probleme iimovativ und unternehmerisch lost. Es obliegt keiner be- stimmten Rechtsform. Das Ziel eines Social Business i. w. S. ist es, den Social Impact zu maximieren, nicht jedoch den Profit. Ein Social Business i. w. S. ist finanziell selbsttragend und nimmt keine Spenden an. Es kann Dividenden an seine Investoren auszahlen, jedoch sind diese auf ein Minimum zu beschranken.
2.3 Mogliche Geschaftsmodelle
Mit welchem Ziel, in welchem Geltungsbereich und miter welchen Restriktionen Social Businesses im engeren und weiteren Sinne agieren, ist klar herausgestellt worden. Die konkrete Umsetzung und Herangehensweise dessen, das heiBt die Geschaftsmodelle hinter der „innovativen gesellschaft lichen Problemlosung", werden in diesem Abschnitt beleuchtet. Die unternehmerischen Moglichkeiten sind endlos. Social Businesses denken Geschaftsmodelle komplett neu oder designen altbekannte Geschaftsmodelle und Wertschopfungsketten radikal im Sinne des gesellschaft lichen Problems um (vgl. Wilson & Post 2013, S. 727). Das Ziel ist es, wie in jedem Unternehmen, die Bediirfnisse einer ausgewahlten Zielgruppe abzudecken. Das kann verschiedene Her- angehensweisen implizieren, die sich kaum von den Mechanismen der Geschaftsmodelle profitorientierter Start Ups unterscheiden. Wie schon Oldenburg feststellt, ist es der „Methodentransfer aus der Wirtschaft in den Sozialsektor“ (Oldenburg 2011, S. 122), der Social Businesses auszeichnet. Austin et al. betonen: „The distinction between social and commercial entrepreneurship is not dichotomous” (Austin, Stevenson & Wei-Skillern 2006, S. 3). Es kann davon ausgegangen werden, class fur die Entwick- lung eines Geschaftsmodells fiir ein Social Business analog ahnliche Erfolgsfaktoren giiltig sind, wie fiir kommerzielle Start Ups. Sahlman beschreibt zum Beispiel vier Schlusselelemente, die kritisch fiir die Geschaftsmodelle von kommerziellen Entrepreneurship sind: People, Context, Deal und Opportunity (vgl. Sahlman 1996, S. 2). Audi Morris et al. diskutieren mit Blick auf andere Autoren verschiedene Aspekte, die be- ziiglich erfolgreicher Geschaftsmodelle beachtet werden sollten (vgl. Morris, Scliin- dehutteb & Allen 2005, S. 726 - 734). Vorrangig liegt die sogenannte „value proposition" - eine Art Nutzenversprechen - im Fokus. Nach Schumpeter entsteht dann ein Nutzen, wenn eine einzigartige Kombination von Ressourcen Innovationen produziert (vgl. Schumpeter 1934, S. 131). Yunus et al. haben basierend auf den Erfahrungen, die sie aus den Grameen Unternehmen sammeln durften, vier Komponenten identifi- ziert, die ein Social Business Geschaftsmodell aus mac hen: social profit equation, value constellation, economic profit equation und value proposition (Yunus, Moingeon & Lehmann-Ortega 2010, S. 319). Audi liier nimmt die value proposition eine wichtige Rolle ein. Der Kernunterschied zu regularen Unternehmen ist, dass sowohl das Nut- zenversprechen, als auch die gesamte Wertschopfungskette bzw. das Netzwerk daliin- ter nicht ausschliefilich auf den Kunden konzentriert sind, sondern auch andere Stakeholder, wie Mitarbeiter oder Lieferanten, rriit einbezieht (vgl. Yunus, Moingeon & Lehmann-Ortega 2010, S. 318). Des Weiteren ist das okonomische Gleichgewicht nur auf die vollstandige Kostenwiedergewinnung, nicht jedoch auf die Profitmaximierung ausgelegt (vgl. Yunus, Moingeon & Lehmann-Ortega 2010, S. 318).
Abbildung 2: Komponenten eines Social Business Geschaftsmodells
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Yunus, Moingeon <k Lehmann-Ortega (2010), S. 319
Kombiniert man die genannten Komponenten. erhalt man eine unendliche Anzahl an moglichen Geschaftsmodellen, auf dessen Basis ein Social Business funktionieren kann. Der Darstellung Yunus‘ fehlt es jedoch an konkreten Beispielen, welche Mecha- nismen die Ideen umsetzen konnen. Urn einen feineren Einblick in die Moglichkeiten zu werfen. miissen die einzelnen Komponenten detaillierter erfasst werden.9 Sommer- rock bietet eine Moglichkeit, die Art der sozialen Wertschopfung zu unterscheiden: mit der Zielgruppe, fiir die Zielgruppe und eine hybride soziale Wertschopfung (vgl. Sommerrock 2011, S. 164 - 167). Erfolgreiche Social Businesses integrieren ihre Ziel- gruppe schon friih in die soziale Wertschopfungskette, da davon ausgegangen werden kann, dass sie im gesamten Wertschopfungsprozess eine wesentliche Rolle spielt und gleichermaßen in der Lage ist, einen signifikanten Nutzen daraus zu ziehen (vgl. Mair & Schoen 2007, S. 66). Kernpunkte der verschiedenen Wertschopfungsbeitrage der Zielgruppe werden in der folgenden Tabelle deutlich.
Die folgenden Kategorisierungen stammen teilweise aus der Literatur iiber Social Entrepreneurship (weiter gefasste Auslegung als Social Business). Sie sind jedoch analog verwendbar, weil sich die Geschaftsmodelle und Wirkungsmechanismen im Grunde nicht auBerordentlich unterscheiden.
Tabelle 1: Mogliche Geschaftsmodelle nach Wertschopfungsbeitrag
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sommerrock (2011),S. 164-167
Oldenburg sieht es als charakteristisch an, dass die „Einnahmestrategien direkt mit der sozial transformativen Idee verbunden sind“ (Oldenburg 2011, S. 123). Er hat eine Kategorisierung hinsichtlich der Einnahmestrategien vorgenommen, die in der folgenden Tabelle aufgefuhrt wird. Hier findet sicli aucli die Differenzierung von Yunus ‘ economic profit equation und value proposition wieder.
Tabelle 2: Mogliche Geschaftsmodelle nach Einnahmestrategie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Verkiirzte Darstellung in Anlehnung an Oldenburg (2011), S. 123
Alter bring! schlussendlich die Komponenten zusammen und definiert drei arche- typische Kategorien. Es kann hinsichtlich der Art der Verflechtung von sozialen Aktivitaten und Geschaftsaktivitaten unterschieden werden: eingebettet, integriert und extern (vgl. Alter 2006, S. 211). In eingebetteten Social Businesses verstehen sich die sozialen Aktivitaten als Synonym zu den Geschaftsaktivitäten.10 Die ubergreifende Be- zielmng beider Aktivitaten lasst den finanziellen und sozialen Nutzen simultan errei- chen (vgl. Alter 2006, S. 212). In integrierten Social Businesses iiberlappen sich die geschaftlichen und die sozialen Aktivitaten, indem sie beispielsweise Kosten, Vermo- genswerte, Expertise oder die Marke teilen.11 Die Beziehung zwischen den sozialen und den geschaftlichen Aktivitaten ist synergetisch und vennehrt gegenseitig den finanzi- ellen bzw. sozialen Nutzen (vgl. Alter 2006, S. 212). In externen Social Businesses sind die beiden Aktivitaten voneinander getrennt.12 - Die Zielgruppe der sozialen Aktivitaten ist bier indirekt begiinstigt durch die geschaftlichen Einnahmen und in der Regel nicht innerhalb der geschaftlichen Aktivitaten involviert. Die Beziehung zwischen den geschaftlichen und sozialen Aktivitaten ist untersthtzend und fiihrt zu einer uneinge- schrankten Mittelbeschaffung fiir die sozialen Aktivitaten (vgl. Alter 2006, S. 213). Die Autorin stellt clamit abermals die Unendlichkeit der Moglichkeiten von Geschafts- modellen dar. Sie zeigt, dass selbst altbekannte, „regulare“ Mechanismen von Unter- nehmen Teil von Social Businesses sein konnen. Es werden Mechanismen aus den unterschiedlichsten Bereichen genutzt und die eigentliche Zielgruppe kann sowolil di- rekt,, als auch indirekt angesprochen werden. Deshalb muss auf die verschiedensten Rechtsformen und hybride Organisationsformen zuruckgegriffen werden. Es ist festzu- stellen, dass die Vielzahl an denkbaren Geschaftsmodellen die Komplexitat dieser Un- tersuchung nicht verringert.
2.4 Umfeld und Ralimenbediiigungen
Wie in den vorherigen Abschnitten beschrieben, gibt es eine Vielzahl an Moglichkeiten, welches gesellschaft lie lies Ziel Social Businesses verfolgen und wie sie dies er- reichen wollen. Abhangig von der Ausgestaltung des Geschaftsmodells, bewegen sie sich in verschiedenen Umfeldern. Es ergeben sich unterschiedliche Rahmenbedingun- gen und Konkurrenzsituationen, je nachdem, ob ein marktahnliches Produkt bzw. eine marktahnliche Dienstleistung angeboten oder konkret mit oder „an“ der Zielgruppe gearbeitet wird. Um ein besseres Verstandnis iiber das heterogene Umfeld zu erlangen, dient die Unterscheidung im Zuge des Drei Sektoren Modells. Das Modell besteht aus den Sektoren Staat, Markt und Dritter Sektor und bietet eine solide theoretische Grundlage, das vorhandene System zu analysieren und die Rolle von Social Businesses darin zu beschreiben. Organisationen weisen meist Wurzeln - also Prinzipien und das Folgen von Spielregeln - in genau einem der Sektoren anf (vgl. Billis 2010, S. 3). „Despite blurring and the apparent diminution of boundaries, sector identity remains powerful and important" (Billis 2010, S. 8). Ganz besonders fiir Social Businesses, die eine soziale Dienstleistung ini Rahmen der Sozialgesetzbiicher erstellen, spielen der Staat und seine Sozialpolitik eine bedeutende Rolle. Deutschland ist ein ausdifferen- zierter Sozialstaat, der gewisse Spielregeln und Verantwortungsbereiche hinsichtlich der Losung sozialer Probleme vorgibt. Die „Institutionalisierung des Systems der so- zialen Dienste" (Grohs, Schneiders, Heinze et al. 2014, S. 47) ist ein wichtiger Faktor, der im Rahmen einer Umfelduntersuchung nicht auBer Acht gelassen werden darf. Die Akteure des Dritten Sektors ubernehmen einen GroBteil der direkt vom Staat iiber- tragenen Aufgaben, die aus der Sozialpolitik entstehen. Social Businesses konnen sicli im Rahmen aller drei Sektoren bewegen: Staat, Markt und Dritter Sektor.
2.4.1 Sektor Staat
Der Artikel 20 des Grundgesetzes (GG) besagt „Die Bimdesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat".13 Der Fokus der Untersuchung liegt auf der Rolle des Staates als Sozialstaat. Seine grundsatzlichen Strukturen werden beleuchtet, um anschlieBend die konkreten Einfliisse staatlicher Ralnnenbedingungen auf Social Businesses genauer untersuchen zu konnen. Der Staat bestimmt den insti- tutionellen Ralnnen der Sozialpolitik Deutschlands. Diese soil in ihren Grundzugen erlautert werden, indem kurz und pragnant auf die Aufgaben, die Struktur- und Ge- staltungsprinzipien, die Handhmgsfelder, die Akteure, die Zielgruppen und Leistungen und dessen Trager eingegangen wird. Im Sozialgesetzbuch (SGB) werden unter § 8 SGB XII folgende Leistungen aufgefiihrt, die in den Bereich der deutschen Sozialhilfe fallen: Hilfe zuni Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde- rung, Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe fur behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Uberwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Hilfe in anderen Lebenslagen sowie die jeweils gebotene Beratung und Unterstiitzung. Das sind die Bereiche, in denen sich Social Businesses ganz besonders mit den sozialpolitischen Rahmenbedingungen auseinandersetzen miissen, da sie (gewollt oder ungewollt) mit diesen in Kontakt konnnen werden, wenn sie eine soziale Dienstleistung erstellen. Die Grundprinzipien bzw. Grundnormen der Sozialpolitik im sonst eher heterogenen deutschen Sozialsystem gelten in alien Bundeslandern gleichermafien: Eigenverantwortung, Solidaritat und Subsidiaritat (vgl. Boeckh, Huster & Benz 2011, S. 135). Die Eigen- verantwortlichkeit ist cliarakterisiert (lurch das Ziel der Sicherung der individuellen Freiheitsrechte und des privaten Eigentums und wird (lurch das Rechtsstaats-, Leis- tungs-, Versicherlings- und Aquivalenzprinzip umgesetzt (vgl. Boeckh. Huster & Benz 2011, S. 140 - 141). Das Solidaritatsprinzip bildet das Leitmotiv fiir die deutsche Sozialpolitik, indem ein sozialer Ausgleich zwischen Besser- und Schlechtergestellten stattfindet (vgl. Butterwegge 2012, S. 33 - 34). Hier sind beispielhaft die Pflichtversi- cherungen als ein wichtiges Instrument zu nennen. Das Subsidiaritatsprinzip bedeutet, (lass gesellschaftliche bzw. staatliche Hilfe nur dann unterstiitzend oder ersatzweise gewahrt werden soil, wenn der Einzelne das Problem nieht mehr stemmen kann. Dabei hat die Hilfe zur Selbstliilfe Vorrang. Die offentlichen Aufgaben, die sich aus der Sozialpolitik ergeben, werden basierend auf dem Subsidiaritatsprinzip weitestgehend von nichtstaatlichen Organen wahrgenommen (vgl. Schuppert 1981, S. 41). Das heifit sie werden an nichtstaatliche Trager delegiert. Der Staat bindet Dritt Sektor Organisati- onen (siehe Abschnitt 2.4.3) (lurch das Subsidiaritatsprinzip in die Umsetzung der Sozialpolitik ein. Diese „[...] sollen demnach unter dem Gesichtspunkt von Selbstver- antwortung und Selbstorganisation verstarkt die Bereitstellung von Leistungen ermog- lichen und die Herstellung offentlicher Giiter gewahrleisten, zu denen sich der Sozial- staat nicht mehr in der Lage sieht“ (Zimmer & Priller 2007, S. 24). Weite Bereiche der Sozialordnung, wie beispielsweise die Sozialversicherungen, sind gepragt vom Selbstverwaltungsprinzip (vgl. Kaufmann 2003, S. 257). Jedoch ist der Sozialstaat Deutschland grundsatzlich auf folgenden Organisationsprinzipien konstruiert: Fiir- sorge, Versicherung und Versorgung14 " (vgl. Butterwegge 2012, S. 28 - 29). Die wich- tigsten Instrumente der Sozialpolitik sind Anrechte, Geld und Beteiligung15 (vgl. Dietz, Frevel Sc Toens 2015, S. 65 - 77). Die Ausgestaltung der Sozialleistungen ist sehr heterogen. Die lange Geschichte der Ausdifferenzierung des Sozialstaates, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Verantwortungsbereiche des Bundes und der Lander, hat eine Fiille an Anspruchs- und Leistungsdifferenzierungen hervorgebracht (vgl. Dietz, Frevel Sc Toens 2015, S. 76). Ein Uberblick liber die verschiedenen sozialpoliti- schen Ebenen innerhalb Deutschlands ist in Anlage 5 zu finden. Hiermit wird der Foderalismus Deutschlands, der sicli auch in der Sozialpolitik wiederfindet, verdeut- licht (vgl. Bnndeszentrale fur politische Bildung 2015, S. 1). Die Trager der Sozialpolitik sind zum einen staatliche und zum anderen nichtstaatliche Einrichtungen und Or- ganisationen. Hinzn konnnen die parastaatliche Handlungsebene der Sozialversiche- rungen und Selbsthilfeinitiativen, gemeinniitzige Vereine, Stiftungen und private Handlungstrager. Diese sind oft in einem der Wohlfahrtsverbande organisiert (vgl. Boeckh, Huster Sc Benz 2011, S. 167 - 168). Die Kompetenz - das heifit beispielsweise die rechtliche Normierung - bei den groBen Leistungssystemen liegt beim Bund, der finanziell an Sozialleistungen beteiligt ist. Er ubertragt die Verwaltung und Umset- zung der Entscheidungen den Bundeslandern (vgl. Boeckh, Huster Sc Benz 2011, S. 169). „Der Pluralismus und die institutionelle Fragment ierimg der Dienste auf der ortlichen Ebene ist zwar ein typischer Ausdruck der korporatistischen Ordnungsmus- ter in Deutschland, erschwert jedoch deren Koordination auf der ortlichen Ebene nachhaltig“ (Kaufmann 2003, S. 302). Hier wird schon angedeutet, welcher sozialpoli- tischen Herausforderungen sich Social Businesses stellen müssen.
Znsammenfassend lasst sich sagen, class die Rolle des Staates insofern besonders relevant ist, als class dieser in Deutschland weitestgehend die Verantwortung fiir die Losung sozialer Probleme tragt. Die konkrete Umsetzung der Sozialpolitik hingegen iibernehmen andere Akteure, entweder des freien Marktes oder aber Drift Sektor Or- ganisationen. Anf diese wire! im Folgenden eingegangen. Sobald Social Businesses Probleme angehen wollen, die in irgendeiner Form in den Verantwortungsbereich des Staates fallen, miissen sie die Rahmenbedingungen, die dort gegeben sind, beachten.
2.4.2 Sektor Markt
Der Sektor Markt ist in zweierlei Hinsicht relevant fiir diese Untersuchung. Einer- seits, wenn Social Businesses marktahnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten und deshalb mit anderen Unternehmen der freien Marktwirtschaft vergleichbar sind. Die freie Marktwirtschaft ist gekennzeichnet von der allgemeinen Annahme, class ein Marktgleichgewicht aus clem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entsteht. Die Theorien, die dem Kapitalismus zu Grunde liegen sind allseits bekannt. Der „Ur- vater der Okonomie", Adam Smith, erklarte schon 1776 die „unsichtbare Hand des Marktes“. Anf dem Markt agieren Unternehmen, deren Ziel die Profitlnaximierung darstellt. Diese konnen in vielen Fallen als Konkurrenz von Social Businesses gesehen werden. Andererseits besteht Relevanz, wenn Social Businesses wie privat-gewerbliche Trager im Rahmen der Sozialliilfe agieren. Diese unterschieden sich gegeniiber anderen sozialen Tragern primar durch ihr vorhandenes Gewinninteresse. Sie haben eine ge- wisse unternehmerische Dispositionsfreiheit und handeln anf eigenes Risiko mit eige- nem Kapital (vgl. Grohs, Schneiders, Heinze et al. 2014, S. 46). Insbesondere im Be- reich der Pflegedienste finden sich viele privat-gewerbliche Anbieter, initiiert durch die Gesetzgebung zur Pflegeversicherung (vgl. Grohs, Schneiders, Heinze et al. 2014, S. 46). Auf eine detailliertere Beschreibung des Sektor Markt wire! verzichtet, da einem Unternehmer die Charakteristika bekannt sind. Im nachsten Abschnitt wire! naher auf die Struktur und Rolle des Dritten Sektors eingegangen.
2.4.3 Dritter Sektor
Wie bereits in Abschnitt 2.4.1 erlautert, ubertragt der Staat sozialpolitische Auf- gaben basierend auf dem Subsidiaritatsprinzip auf andere Organisationen bzw. Trager. Vide davon finden sich im Dritten Sektor wieder. Der Bereieh des Dritten Sektors bewegt sich in der Spliare zwischen Markt, Staat und Zivilgesellschaft (vgl. Bode 2000, S. 49). Er wird auch als Non Profit Sektor bezeichnet. Nach Salamon sind Non Profit Organisationen (NPOs) private, nicht-gewinnausschuttende, forniale Organisationen mit einem Mindestmafi an Freiwilligkeit (vgl. Salamon, Anheier & List 1992, S. 1). Organisationen, deren Handlungslogiken weder mit denen des Marktes noeh des Staa- tes hbereinstimmen, finden sich liier wieder.16 " Die Drift Sektor Organisationen sind wenig amtlich (im Gegensatz znm Staat), streben nicht nach Gewinnmaximiernng, sondern unterliegen dem non-distribution constraint (vgl. Hansmann 1980, S. 838) und unterschieden sich zusatzlich dazu von gemeinschaft lichen Gebilden, da sie auf Freiwilligkeit beruhen (vgl. Zimmer & Priller 2007, S. 16). Die Gruppe der Akteure des Dritten Sektors in Deutschland ist durch ein breites Spektrum an Organisationen gekennzeichnet. Hierzu zahlen auch beispielsweise Sport- und Kulturvereine, an Wohl- fahrtsverbanden17 angeschlossene karitative Einrichtungen oder Initiativen im Bereieh Okologie, Kultur oder Selbsthilfe (vgl. Zimmer & Priller 2007, S. 17). Die Aufgaben- bereiche sind multifunktional. Die Haupttatigkeitsbereiche warden in einer Studie er- fasst. Zu ilmen gehoren miter anderem soziale Dienste und Hilfen: Bildung, Erziehung und Kinderbetreuung; Sport und Bewegung; Kunst und Medien und das Gesundheits- wesen (vgl. Priller, Alscher, Drofi et al. 2012, S. 13). Traditionelle Wohlfahrtsunter- nehmen fokussieren sich hauptsachlich auf den klassischen Sozialsektor, liier stehen die Kranken- und Altenpflege im Vordergrund. NPOs konnen sowolil fiir die Dienst- leistungserstellung und fiir die Sozialintegration zustandig sein, als auch als Interes- senvertreter und Lobbyisten agieren (vgl. Zimmer & Priller 2007, S. 20 - 21). Da heifit der Dritte Sektor bewegt sich innerhalb verschiedener Kontexte: Wohlfahrtsproduk- tion (neben Staat und Familie), Sozialpolitik, Deinokratie, Zivilgesellschaft, soziale Integration und Zukunft der Arbeit (vgl. Zimmer & Priller 2007, S. 22). Die Multi- funktionalitat fiihrt miter anderem dazu, dass der Dritte Sektor eine zivilgesellschaft- liche Infrastruktur und einen sehr beschaftigungsintensiven Bereich in Deutschland darstellt (vgl. Zimmer & Priller 2007, S. 23). Er spielt in der deutschen Sozialpolitik und als Umfeld und Konkurrenz fur Social Businesses eine bedeutende Rolle.
2.4.4 Social Business als Hybrid
Der Versuch einer Einordnung von Social Business in einen der drei Sektoren ist vergeblich. Vielmehr ist es als Querschnitt zu sehen, da es mit den einzelnen Sektoren viele Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufweist und sich innerhalb aller Sektoren bewegen kann. Die Kombination und Verwendung von Mitteln kann als Hybriditat verstanden werden, das heifit Mittel von verschiedenen Sektoren werden in den Kern- aktivitaten der Organisation kombiniert. Dies kbnnen beispielsweise folgende sein: or- ganisationale Struktur, Entscheidungsfindung, Rechenschaftssysteme, Mitgliederty- pen, Motivationsmodi und Mitteleinsatzformen (vgl. Anheier 2005, S. 184). Des Wei- teren ist die Kombination von Zielen als Hybriditat definierbar, also Eigeninteresse und Gemeinwohlinteresse. Sozialunternehmern wird die Kombination von Ressourcen aus den verschiedenen Sektoren ermoglicht (vgl. Straucli, Schroer & Schmitz 2012, S. 221). Die Rekombination von unterschiedlichen Zielfunktionen, Outputs und Ergeb- nissen, Verteilungskriterien, externen Orientierungen und Zielcharakteristika zeichnet die Hybriditat aus (vgl. Anheier 2005, S. 184). Social Businesses befinden sich in der Sphare zwischen den Sektoren, was die folgende Abbildung verdeutlicht.
Abbildung 3: Social Business als Hybrid im Drei Sektoren Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Dies begriindet auch die Relevanz der gegebenen Rahmenbedingungen aller Sektoren. Teile der Aufgaben, die sich aus der Sozialpolitik ergeben, konnten Social Businesses zum Beispiel neben den Organisationen des Dritten Sektors iibernehmen. Laut Beckmann betreiben Organisationen der freien Wohlfahrtspflege seit Generationen eine Art Social Business, indem sie ein soziales Ziel als „non-loss, non-dividend“ Un- ternehmen verfolgen (vgl. Beckmann 2011, S. 70). Jedoch sind sie and andere NPOs auf Spenden angewiesen und erwirtschaften kein ausreichend hohes eigenes Einkom- men. Dies ist der mafigebliche Unterschied zum Social Business, Dritt Sektor Organisationen sind nicht finanziell selbsttragend. Gleichzeitig miissen Social Businesses auch von regularen Unternehmen abgegrenzt werden, denn sie konnen auch innerhalb des Sektors Markt agieren. Anhand von organisatorischen oder strukturellen Aspekten ist dies kaum moglich. Social Business ist noch keine anerkannte Unternehmenskategorie, an der man soldi eine Abgrenzung festmachen konnte. Es gibt keine speziellen Regel- systeme zur Organisationsstruktur, Fiihrung der Geschafte, Entscheidungsfindung, Besteuerung, Informationspolitik und Transparenz; ganz im Gegensatz zu an Gewinn- maximierung orientierten Unternehmen und traditionellen gemeinniitzigen Organisationen (vgl. Yunus 2010, S. 160 - 161). Die zentrale Motivation und das Hauptziel des Unternehiners ist liier der maBgebliche abgrenzende Unterschied. Ein soziales oder gesellschaftliches Problem soil gelost werden, dafur ist jeder entstehende Gewinn nur die Bedingung, nicht aber das Ziel (vgl. Yunus 2010, S. 91 - 92). Der Unternehmergeist selbst hingegen hebt sich nicht von deni eines profitorientierten Start Ups ab. Jeder Entrepreneur ist anf seine Art ehrgeizig, tatkraftig und kreativ (vgl. Dees 2001, S. 1).
Fasst man die Erkenntnisse aus den letzten Abschnitten zusammen, lasst sich fest- stellen, dass das Umfeld, in deni sich Social Businesses wiederfinden, kaum zu begren- zen ist. Die relativ weite Definition des Begriffs und die vielen moglichen Geschafts- modelle lassen auf eine Vielzahl von Einfliissen, Gesetzen, Konkurrenten und daraus resultierenden Chancen und Harden schliehen. Da das konkrete Ziel eines jeden Social Business selbstdefiniert und damit immer individuell ist, konnen im Folgenden nur punktuell Erkenntnisse gezogen werden. Eine absolute Vollstandigkeit tier moglichen Chancen und Hiirden fiir Social Businesses in Deutschland kann auf Grund der Hete- rogenitat nicht gewahrleistet werden. Dennoch wird auf grundlegende Aspekte einge- gangen.
3 Chancen fur Social Business in Deutschland
In Deutschland gibt es trotz eines funktionierenden Sozialstaats viele ungeloste gesellschaftliche Probleme. Darunter fallen ziini einen die, die mit Hilfe der vorhande- nen deutschen Sicherungssysteme gelost oder zumindest angegangen werden sollten und zum anderen solche, die die ganze Weltgesellschaft betreffen.18 Fiir Deutschland sind unter anderem fi'inf dringende Herausforderungen zu nennen, in denen Innovati- onen notig sind: Bildungsgerechtigkeit, Fachkraftemangel, Langzeitarbeitslosigkeit, Ressourcenverbrauch und Zivilisationskrankheiten (vgl. Muller, Lurtz, Riiede et al. 2013, S. 10). Dies geht auch einher mit dem aktuellen Sozialbericht der Bundesregie- rung. Dieser sieht als zentrale Herausforderungen der Arbeitsmarktpolitik in den kom- menden Jahren, neben der Sicherung des Fachkraftebedarfs, die Verbesserung der Ar- beitsmarktchancen und die Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit, u.a. auch durch die Offnung von Perspektiven der sozialen Teilhabe (vgl. Bundesministerium fiir Arbeit und Soziales 2017, S. 12). Auch die Arbeitsmarktintegration von Migrantlnnen wird als gesamtgesellschaftliche Herausforderung genannt (vgl. Bundesministerium fiir Arbeit und Soziales 2017, S. 34). Es gibt entsprechend viel Potenzial fiir Unternehmen, deren Ziel es ist, gesellschaftliche Probleme zu losen, sei es in Deutschland oder international. Im folgenden Kapitel wird untersucht, was die Vorteile von Social Businesses gegeniiber anderen Unternehmen auf dem freien Markt und Organisationen im Dritten Sektor sind und warum es das richtige Konzept sein konnte, soziale Probleme anzuge- hen. Am Ende des Kapitels wird aufgezeigt, welches Transformationspotenzial sie hier- zulande nutzen kbnnen.
3.1 Fordernde Rahmenbedingungen
Damit sich realistische Chancen fiir die Etablierung von Social Businesses in Deutschland ergeben, miissen allgemein fordernde Rahmenbedingungen vorherrschen. In den naclisten Abschnitten werden sowohl gesamtgesellschaftliche, als auch sich po- sitiv auswirkende institutionelle Voraussetzungen erlautert.
3.1.1 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Ein wichtiger Aspekt in tier Betrachtung der Chancen sind die gesamtgesellschaft- lichen und -wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland. Gewisse Umstande erhohen die Wahrscheinlichkeit, dass sich Social Businesses entwickeln. Die Treiber fur soziales Unternehmertum sind vielfaltig. Nacli Nichols lassen sie sich in Angebots- und Bedarfsseite unterscheiden (vgl. Nicholls 2006, S. 2). Die folgende Tabelle geht genauer darauf ein.
Tabelle 3: Treiber fiir soziales Unternehmertum
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Ubersetzung nach der Ubersicht von Nicholls (2006), S. 2
Auf der einen Seite existieren Rahmenbedingungen, die die Entwicklung von Social Businesses aktiv bzw. direkt unterstutzen, weil beispielsweise ein steigendes Pro-Kopf- Einkommen zn hoherer Risikobereitschaft unter Grundern fiihren kann oder die ver- besserten Kommunikationsmoglichkeiten zur Verbreitung von neuen Ideen fiihrt. Auf der anderen Seite wird die Rolle bedarfsseitiger Treiber klar, wie beispielsweise der Wunsch nach Gerechtigkeit. Selbst in entwickelten Landern wie Deutschland, die in einer wirtschaftlich guten Lage sind, sind gesellschaftliche Probleme, wie Kinderarmut und Jugendarbeitslosigkeit keine Seltenheit. Das Verlangen nacli der Befriedigung so- zialer Bedurfnisse und die Existenz diverser Probleme inmitten einer wirtschaftlich intakten Gesellschaft, birgt ideale Bedingungen fur die Implementierung von Social Businesses (vgl. Jimenez Jimenez 2014, S. 117). Audi andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen wirken fordernd. Wenngleich diese (noch) nicht institutionell veran- kert sind, sind die vielen sich langsam etablierenden Interessengruppen zu nennen, die
[...]
1 „For their efforts to create economic and social development from below” (Nobelstiftung 2006, S. 1).
2 Der Begriff ..Social Intrapreneurship” wurde von anderen Autoren gepragt (vgl. Mair & Marti 2006. S. 37).
3 Unter CSR versteht man „The social responsibility of business encompasses the economic, legal, ethical and discriminatory expectations that society has of organizations at a given point in time“ (Carroll fc Shabana 2010, S. 89).
4 „We have seen that the function of entrepreneurs is to reform or revolutionize the pattern of production by exploiting an invention [...], by opening up a new source of supply of materials or a new outlet for products, by reorganizing an industry and so on” (Schumpeter 1976, S. 132).
5 Die Grameen Bank versucht mit Hilfe von Mikrokrediten oline Sicherlieiten Frauen die Chance zugeben, zum Familieneinkommen beizutragen und somit gegen Armut anzukampfen (vgl. Grameen Bank 2015, S. 1). Wahrend sich Grameen Danone der Mangelernahrung verschrieben hat und dieses Problem mit einem mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherten Joghurt namens „Shokti Doi“ (vgl. Grameen Danone Foods 2006. S. 1) losen mochte, setzt sich Grameen Veolia Water fiir den Zugang zu sauberem Trinkwasser ein, um damit langfristig Erkrankungen entgegen zu wirken (vgl. Yunus 2010, S. 181-183).
6 Die Ausfiihrungen zu Yunus begrenzen sich in dieser Untersuchung auf ,,Type 1“ Social Businesses. Ein „Type 2“ Social Businesses generiert den sozialen Mehrwert in seiner Eigentumerstruktur (vgl. Humberg 2011, S. 22 - 23).
7 Yunus definiert damit neben der Zielstellung, die mit den Vorstellungen anderer Autoren einhergeht, auch sein personliches Verstandnis von „social“. Er ist sehr stark auf die Uberwindung von Armut konzentriert, was sich auf sein Herkunftsland zuriickfiihren lasst.
8 Unter Social Impact versteht man eine positive gesellschaftliche oder okologische Wirkung.
9 Die folgenden Kategorisierungen stammen teilweise aus der Literatur über Social Enterpreneurship (weiter gefasste Auslegung als Social Business). Sie sind jedoch analog verwendbar, weil sich die Geschäftsmodelle und Wirkungsmechanismen im Grunde nicht außerordentlich unterscheiden.
10 Die Zielgruppe des Unternehmens ist gleichzeitig der Empfanger bzw. Abnehmer der Leistung, ent- weder als direkt Begiinstigter, als Eigentiimer oder als Mitarbeiter.
11 Es konnen z. B. soziale Dienstleistungen kommerzialisiert werden, indem sie neuen, zahlenden Mark- ten angeboten werden oder indem neue Leistungen existierenden Kunden angeboten werden.
12 Geschaftliche Aktivitaten des Unternehmens werden genutzt, um die Finanzierung der sozialen Ak tivitaten sicherzustellen. Das Ziel des geschaftlichen Betriebs muss nicht zwingendermaBen mit dem sozialen Ziel der Organisation einhergehen.
13 Das GG verankert nur wenige soziale Grundrechte direkt, z. B. die Garantie, dass Müttern Cshutz und Fürsorge der Gemeinschaft gewährt wird (nach Art. 6 Abs. 4 GG). Aus anderen Artikeln lassen sich eher Aufforderungen zum staatlichen Handeln ablesen, wie die Garantie der Menschenwürde ableiten, durch eine aktive Rolle in der Steuerung wirtschaftlicher Abläufe den menschen in Deutschland Chancengleichhit und ein Existenzminimum zuzusichern (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2013, S. 1). Laut Ritter sei das Ziel des Sozialstaates, durch soziale Sicherheit, vermehrte Gleichheit und politisch-soziale Mitbestimmung die Bevölkerung zu integrieren (vgl.Ritter 2012, S. 19-20).
14 Fiirsorge ist eine Leistungsart, die aus Steuermitteln finanziert wird und demjenigen gewahrt wird, der Bediirftigkeit nachweist. Versicherung setzt Beitragszahlungen voraus und bindet die Sozial- leistung an den Eintritt des Versicherungsfalles. Versorgung leistet. der Staat aus allgemeinen Steuermitteln, wenn die Empfangerlnnen sicli um ihn verdient gemacht haben (z.B. Kriegsopfer).
15 Anrechte dienen dazu. die Willkurlichkeit der Leistungen in vielen Sicherungsbereichen zu beschran- ken. Jeder Burger hat das Anrecht des individuell einklagbaren Leistungsanspruchs (Geldleistungen und Sach- und Dienstleistungen). Geld (Geldleistungen oder geldwerte Leistungen) ist die Realisie- rung der Anrechte. Beteiligung ist zum einen die Moglichkeit der Teilnahme an der Sozialwahl und zum anderen die Mitwirkung an den Sozialverwaltungen.
16 Einige Autoren grenzen zusatzlich Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ab. „NGOs [sind] nicht staatlich. nicht gewinnorientiert, nicht uninational" (Lador-Lederer 1963, S. 60). Da der Begriff NGO alrer Verwendung als Sammelliegriff fiir samtliche nicht staatlicheOrganisationen (vgl. Frantz &: Martens 2006. S. 23) findet, ist eine konkrete Unterscheidung kaum moglich.
17 Die wichtigsten Wohlfahrtsverbande sind: Arbeiterwohlfahrt, Deutsche Caritas Verband. Diakoni- sches Werk, Deutscher Paritatischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Zentralstelle der Juden (vgl. Jansen 2013, S. 66).
18 Bomstein sieht als groBte gesellschaftliche Herausforderungen heutzutage Klimawandel und Umwelt- zerstorung; Ungleichheit und Armut; Zugang zum Gesundheitswesen; sauberes Wasser und Energie; Massenmigration und internationaler Terrorismus (vgl. Bornstein 2004. S. 184).
- Quote paper
- Vivien Eichler (Author), 2018, Social Business. Untersuchung der Chancen und Hürden in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/455195
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