„Die Entwicklungspsychologie befaßt sich mit den Veränderungen des Verhaltens und Erlebens während der Ontogenese.“ (Trautner, 1992, S. 23). Entwicklung hat demnach immer mit Veränderungen zu tun. Diese können sich auf Beobachtbares und nur Erschließbares ebenso beziehen wie auf unterschiedliche Teilgebiete der menschlichen Individualentwicklung. Das Erkenntnisinteresse der Entwicklungspsychologie ist somit breit gefächert, es erstreckt sich von der motorischen Entwicklung über den Erwerb sprachlicher und sozialer Fähigkeiten, über Geschlechtsrollentypisierung und Entwicklung der Intelligenz bis zur Ausbildung moralischer Urteils- und Handlungskompetenz.
Auch die Frage, was Entwicklung ist, hat vielfältige Antworten gefunden. Während endogenistische Perspektiven Entwicklung als einen Prozess von innen heraus betrachten, Entwicklung also als Reifung und Entfaltung bereits vorhandener phylo- und ontogenetischer Anlagen ansehen, wird aus exogenetischer Sicht der Mensch als tabula rasa begriffen, der seine Entwicklung nicht aktiv betreibt, sondern vielmehr durch äußere (Umwelt-) Einflüsse gleichsam geformt wird. Eine Verschränkung aus aktiver Eigenbeteiligung und Beeinflussung durch die Umweltbedingungen findet die Entwicklungspsychologie in interaktionistischen Ansätzen, die eine wechselseitige Beeinflussung von Individuum und Umwelt postulieren; sowohl die Umwelt als auch der Mensch sind aktiv an der Entwicklung des Letzteren beteiligt. Einen starken Fokus auf das Individuum als eigentätigen und eigenverantwortlichen Gestalter seiner Entwicklung legen konstruktivistische Standpunkte in der Entwicklungspsychologie.
Inhaltsübersicht
Einleitung
Hauptteil
I.) Entwicklungsmodell
I.1.) Kognitivismus
I.2.) Konstruktivismus
I.3.) Strukturgenese
II.) Was ist Entwicklung?
II.1.) Äquilibration
II.2.) Organisation
II.3.) Adaptation
II.3.1.) Assimilation
II.3.2.) Akkomodation
III.) Wie verläuft Entwicklung?
III.1.) Stufenmodell der Entwicklung
III.2.) Kennzeichen der Stufenmodells
IV.) Stufen der kognitiven Entwicklung
IV.1.) Sensomotorisches Stadium
IV.1.1.) Betätigung und Übung der Reflexe
IV.1.2.) Primäre Zirkulärreaktionen
IV.1.3.) Sekundäre Zirkulärreaktionen
IV.1.4.) Koordination erworbener Handlungsschemata
IV.1.5.) Tertiäre Zirkulärreaktionen
IV.1.6.) Vom sensumotorischen Intelligenzakt zur gedanklichen Problemlösung
IV.2.) Präoperationales Stadium
IV.2.1.) Allgemeine Kennzeichen
IV.2.2.) Besonderheiten der kognitiven Aktivität
IV.3.) Konkret-operationales Stadium
IV.3.1.) Allgemeine Kennzeichen
IV.3.2.) Besonderheiten der kognitiven Aktivität
IV.4.) Formal-operationales Stadium
IV.4.1.) Allgemeine Kennzeichen
IV.4.2.) Besonderheiten der kognitiven Aktivität
Schluss: Diskussion der Piaget´schen Entwicklungstheorie
Literaturverzeichnis
Einleitung:
„Die Entwicklungspsychologie befaßt sich mit den Veränderungen des Verhaltens und Erlebens während der Ontogenese.“ (Trautner, 1992, S. 23). Entwicklung hat demnach immer mit Veränderungen zu tun. Diese können sich auf Beobachtbares und nur Erschließbares ebenso beziehen wie auf unterschiedliche Teilgebiete der menschlichen Individualentwicklung. Das Erkenntnisinteresse der Entwicklungspsychologie ist somit breit gefächert, es erstreckt sich von der motorischen Entwicklung über den Erwerb sprachlicher und sozialer Fähigkeiten, über Geschlechtsrollentypisierung und Entwicklung der Intelligenz bis zur Ausbildung moralischer Urteils- und Handlungskompetenz.
Auch die Frage, was Entwicklung ist, hat vielfältige Antworten gefunden. Während endogenistische Perspektiven Entwicklung als einen Prozess von innen heraus betrachten, Entwicklung also als Reifung und Entfaltung bereits vorhandener phylo- und ontogenetischer Anlagen ansehen, wird aus exogenetischer Sicht der Mensch als tabula rasa begriffen, der seine Entwicklung nicht aktiv betreibt, sondern vielmehr durch äußere (Umwelt-) Einflüsse gleichsam geformt wird. Eine Verschränkung aus aktiver Eigenbeteiligung und Beeinflussung durch die Umweltbedingungen findet die Entwicklungspsychologie in interaktionistischen Ansätzen, die eine wechselseitige Beeinflussung von Individuum und Umwelt postulieren; sowohl die Umwelt als auch der Mensch sind aktiv an der Entwicklung des Letzteren beteiligt. Einen starken Fokus auf das Individuum als eigentätigen und eigenverantwortlichen Gestalter seiner Entwicklung legen konstruktivistische Standpunkte in der Entwicklungspsychologie.
Ein bedeutender Vertreter dieser Sichtweise ist der Schweizer Psychologe Jean Piaget (1896 -1980), dessen entwicklungspsychologischer Ansatz in der vorliegenden Arbeit dargelegt werden soll. Von der Biologie herkommend interessierte sich Piaget bereits während seines Studiums mit erkenntnistheoretischen Problemen, woraus sich im Verlauf seiner Tätigkeit an der Sorbonne und am Jean-Jacques-Rousseau-Institut ein lebhaftes Interesse an der Entwicklung menschlicher Kognitionen entwickelte. Professor für experimentelle Psychologie in Genf und für Entwicklungspsychologie in Paris, schuf er ein vielfältiges Werk über die Entwicklung der Intelligenz vom Säugling bis zum Heranwachsenden (vgl. Trautner, 1991, S. 157ff.). Mit Hilfe zahlreicher einfallsreicher Untersuchungen und Beobachtungen – unter anderem an seinen eigenen drei Kindern – gelang es Jean Piaget unterschiedliche Stufen der kognitiven Entwicklung zu identifizieren und eine Theorie der Entwicklung aufzustellen, die bis heute große Beachtung findet.
Im Folgenden soll nun das Piaget´sche Entwicklungsmodell, seine Stufentheorie und die von ihm aufgedeckten Entwicklungssequenzen erörtert werden. Im Schlussteil der Arbeit wird auf die Fruchtbarkeit dieser Entwicklungstheorie, sowie auf einige der zahlreichen Kritikpunkte eingegangen werden.
Hauptteil:
Jean Piaget versucht aufzudecken, wie sich die kognitiven Fähigkeiten des heranwachsenden Menschen im Laufe seiner Entwicklung verändern und zu immer leistungsfähigeren Denkstrukturen heranreifen. Sein Hauptinteresse gilt hierbei der Analyse allgemeiner Denkstrukturen oder Schemata, die sich sowohl stammesgeschichtlich als auch in der Individualentwicklung gleichförmig herausbilden (vgl. Oerter / Montada, 2002, S. 418f.).
Er fragt also nach der Entstehung kognitiver Strukturen, an deren Entwicklung seiner Argumentation folgend, das Individuum aktiv beteiligt ist. Es erscheint daher angebracht, sein entwicklungspsychologisches Vorgehen mit Weber (1996) als einen konstruktivistisch-kognitivistischen, strukturgenetischen Ansatz zu bezeichnen. Bevor nun auf das Entwicklungsgeschehen eingegangen werden soll, ist es notwendig, dieses Entwicklungsmodell näher zu betrachten.
I.) Entwicklungsmodell
Das Piaget´sche entwicklungspsychologische Modell sieht Entwicklung unter dem Aspekt der Herausbildung von Kognitionen. Es geht hierbei nicht darum, wie viel oder welches Wissen Heranwachsende in einem bestimmten Alter haben, sondern primär darum, wie sie denken; auf welche Weise sich das Denken im Entwicklungsverlauf qualitativ ändert (vgl. Zimbardo / Gerrig1999, S. 462).
I.1.) Kognitivismus
Diese Fokussierung auf einen Aspekt des Entwicklungsgeschehens wird als Kognitivismus bezeichnet. Kognitive Entwicklungstheorien interessieren sich für die geistige Entwicklung des Kindes, also für die Veränderungen der Kognitionen; Fähigkeiten des Wahrnehmens, Problemlösens, Schlussfolgerns, Urteilens, Entscheidens, etc..
Handeln und Verhalten der Menschen betrachtet der Kognitivismus immer als Ergebnis eigener Denkprozesse, und nicht von situativen Umständen (vgl. Trautner, 1991, S. 155), wie dies beispielsweise Vertreter der Reiz-Reaktionstheorien annehmen. Äußere Reize bedingen das Handeln nur in so weit, als der Mensch in seinen Kognitionen bereits fähig ist, diese zu verarbeiten. Die Kognitionen verändern sich im Entwicklungsprozess, aus einfachen Strukturen des Erkennens, werden differenziertere (vgl. Oerter / Montada, 2002, S. 436).Diese Ausdifferenzierung und Höherqualifizierung der Kognitionen geschieht jedoch nicht durch äußere Anreize, sondern ist Produkt der aktiven Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt.
I.2.) Konstruktivismus
Im Gegensatz zur vorherrschenden Lehrmeinung der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts, die in der Tradition der Behavioristen, die Entwicklung des Menschen als von äußeren Einflüssen gänzlich determiniert, propagiert, betont Piaget die Eigenbeteiligung des Individuums.
Der Mensch ist für ihn nicht lediglich Spielball seiner dinglichen und sozialen Umwelt, sondern vielmehr Akteur; er ist der ihn umgebenden Welt nicht passiv ausgeliefert, sondern gestaltet sie selbst aktiv mit (vgl. Buggle, 1985, S. 42f.). Diese Auffassung wird als Konstruktivismus bezeichnet. Entwicklung wird vor diesem Hintergrund als vom Individuum selbst mitgesteuerter Prozess angesehen. Der Mensch setzt sich handelt mit seiner Umwelt und ihren auf ihn einwirkenden Reizen auseinander, konstruiert sich dadurch seine eigene Realität, und entwickelt sich, indem er diese immer differenzierter wahrnimmt.
I.3.) Strukturgenese
Jean Piaget interessiert sich in seinen entwicklungspsychologischen Ansatz dafür, wie sich die Kognitionen im Entwicklungsverlauf verändern. Er geht hierbei davon aus, dass jedes von außen wahrnehmbare Handeln und Verhalten das Produkt kognitiver Strukturen ist.
Unter Struktur versteht Piaget „die interne und organisierte allgemeine Form einer spezifischen Erkenntnistätigkeit, der generalisierbare Aspekt einer Klasse von gleichartigen Handlungssequenzen, die auf analoge Situationen angewandt werden können.“ (Piaget, 1970, zitiert nach Trautner, 1991).
Eine Struktur kann somit als allgemeines Handlungsmuster gelten, das für verschiedene, jedoch ähnliche Handlungsweisen zur Verfügung steht. Als Beispiel hierfür kann die Struktur des Saugens angesehen werden. Das Kleinkind verfügt quasi reflexartig über die Fähigkeit, an der Mutterbrust zu saugen. Im Verlauf seiner Entwicklung wendet es diese auf andere Gegenstände an; es kann an seinem Daumen ebenso saugen, wie an einem Schnuller. Die Tätigkeit des Saugens variiert in allen drei Fällen, sie ist jedoch gleichartig, so dass die zu Grunde liegende universale Struktur des Saugens mit kleinen Abweichungen weiterhin zum Einsatz kommen kann.
Mit dem Begriff Struktur verwandt ist der Begriff des Schemas. Piaget selbst verwendet diese Begriffe nicht einheitlich. Nach Buggle (1985) ist ein Schema „eine kognitive Struktur, die sich auf eine Klasse gleichartiger Handlungssequenzen bezieht.“ (S. 30), womit der Schemabegriff gleichbedeutend mit dem der Struktur wäre. In anderen Fällen wird das Schema als der Struktur untergeordnet angesehen; die Struktur wäre dann eine Kombination einzelner Schemata (vgl. Trautner, 1991, S. 163). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe mit der gleichen Bedeutung verwendet. Die Strukturen des Denkens und Handelns verändern sich im Laufe der Entwicklung, aus einfacheren Strukturen werden komplexere, und der Anwendungsbereich bereits vorhandener Schemata erweitert sich. Hieraus ergibt sich, dass weniger leistungsfähige Strukturen nicht einfach durch bessere ersetzt werden, sondern, dass sich Strukturen aus sich selbst heraus weiterentwickeln (vgl. Oerter / Montada, 2002; S. 418ff.). Dies geschieht nach Piaget durch Assimilation und Akkomodation (siehe Punkt II.2.1. u. II.2.2.).
Kognitive Strukturen durchlaufen demnach eine Entwicklung von einfachen zu qualitativ höherwertigen; jede Struktur hat also eine Genese.
II.) Was ist Entwicklung?
Piagets Modell der Entwicklung macht deutlich, dass er diese als vom Individuum selbst verantworteten und vorangetriebenen Prozess betrachtet, in dessen Verlauf sich kognitive Strukturen und herausbilden, die mit zunehmendem Alter immer bessere Strategien des Denkens und Handelns ermöglichen. Die Entwicklung des Heranwachsenden kommt also aus diesem selbst heraus. Doch welcher Art ist die dahinterliegende Motivation, was ist der „Motor“, der die kognitive Entwicklung antreibt?
II.1.) Äquilibration
Sowohl Prozess als auch Ziel der Entwicklung sind dem Prinzip der Äquilibration verpflichtet. Unter Äquilibration versteht Piaget, das Streben des Individuums nach einem Gleichgewichtszustand (vgl. Buggle, 1985, S. 36ff.).
Das Konzept der Äquilibration offenbart die biologische Fundierung seiner Entwicklungspsychologie. Der Mensch als offener Organismus, der mit seiner Umwelt durch Austauschprozesse verbunden ist, versucht, Störungen auszugleichen, um weiterhin Anpassung zu gewährleisten (vgl. Trautner, 1991, S. 171f.). Als Beispiel hierfür mag der Ausgleich der Körpertemperatur durch Schwitzen gelten. Erhitzt sich der Körper beispielsweise durch körperliche Anstrengungen, wird dies von ihm als Störung des Gleichgewichtes erkannt, und die Körpertemperatur durch das Schwitzen wieder in den Normalbereich gebracht. Nach Piaget sind nun auch Kognitionen, ähnlich der physischen Ausgleichreaktionen, als Äquilibrationsversuche zu betrachten. Auch im geistigen Bereich strebt das Individuum nach Gleichgewichtszuständen, um in immer komplexerer und differenzierter Weise auf seine Umwelt reagieren kann (vgl. Buggle, 1985, S. 37f.).
Gleichgewicht im Piaget´schen Sinne darf aber nicht missverstanden werden als starrer Zustand; es handelt sich vielmehr um ein dynamisches Gleichgewicht. „Ständig findet ein Wechsel zwischen Gleichgewicht, Ungleichgewicht, Bestrebungen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, Gleichgewicht und so fort statt. (Trautner, 1991, S. 171). Diese Dynamik scheint direkt einzuleuchten. In dem Falle, in dem das Individuum ein Gleichgewicht zwischen sich und der Umwelt anstrebt, zeigt sich, dass sich diese beständig wandelt, und immer neue situative Reize bietet, so dass jeder erreichte Gleichgewichtszustand nur ein vorübergehender sein kann.
Die ständig neue Suche nach dem Äquilibrium ist somit treibende Kraft der Entwicklung. Nur dort, wo das Individuum immer wieder von neuem aufgefordert ist, sich mit Widersprüchen auseinanderzusetzen, kommt es zur Entwicklung komplexerer kognitiver Strukturen.
Die kognitiven Entwicklungsschritte ereignen sich also dort, wo ein bereits erreichtes Gleichgewicht gestört wird, und das Individuum als selbstregulatorisches System bemüht ist, dieses wiederherzustellen, respektive, ein höheres, stabileres Gleichgewicht zu erreichen (vgl. Buggle, 1985, S. 38ff.).
Ein Ungleichgewicht kann durch verschieden Faktoren hervorgerufen werden. Zum einen nennt Piaget hierzu fehlschlagende Assimilationsversuche, das heißt also die Unfähigkeit, neue Reize oder Handlungen durch bereits vorhandene Denkstrukturen bewältigen zu können. Weiterhin entwicklungsfördernd, im Sinne einer Störung des Äquilibriums sind empirische Erkenntnisse, beispielsweise, wenn ein Kind erkennt, dass, entgegen seiner Überzeugung, nur kleine Dinge seien schwimmfähig, ein großes Holzstück ebenfalls schwimmt (vgl. Oerter / Montada, 2002, S. 439). Kognitive Entwicklung findet also statt, wenn das Individuum durch Konflikte veranlasst wird, bisherige Denk- und Handlungsschemata neu zu organisieren und zu transformieren, um kognitive Widersprüche aufzulösen.
Entwicklung nach Piaget verläuft also wesentlich als immer neue Äquilibrationsversuche, an deren Ende immer stabilere qualitativ höherwertige Strukturen stehen, die es dem Menschen in immer bessere Weise ermöglichen, sein Umfeld kognitiv zu verarbeiten und angemessen auf seine Umwelt zu reagieren. Am Ende der Entwicklung steht somit das Äquilibrium. Folgt man jedoch den vorangegangenen Ausführungen, kommt man wie Trautner (1991) zu dem Schluss, dass die kognitive Entwicklung nie abgeschlossen sein kann, da der Mensch sich auch immer späteren Lebensalter immer neuen kognitiven Dissonanzen gegenübersieht, die es zu bewältigen gilt, Piaget hingegen sieht die wesentliche Entwicklung mit dem Jugendalter abgeschlossen.
Sämtliche Funktionen wie Adaptation oder Organisation sind dem Prinzip der Äquilibration untergeordnet. Da sie jedoch darstellen, wie sich das Erreichen höherer Denkstrukturen im Einzelnen gestaltet, sollen sie im Folgenden ebenfalls dargestellt werden.
II.2.) Organisation
Zu den invarianten Funktionen des Entwicklungsgeschehens, den Funktionen also, die sowohl phylo- als auch ontogenetisch im Entwicklungsverlauf gleich bleiben (vgl. Buggle, 1985, S. 24) zählt Piaget die Organisation. Unter Organisation ist in diesem Zusammenhang die Tendenz des Individuums zu verstehen, Verhaltens- und Denkstrukturen zu ordnen und aufeinander abzustimmen. So entstehen aus einfachen Strukturen oder Schemata komplexe, wechselseitig koordinierte Systeme, die sowohl einen weiteren Anwendungsbereich einzelner Strukturen als auch eine zunehmende Differenzierung des Handelns und Denkens möglich machen (vgl. Trautner, 1991, S. 164). Organisation von Strukturen stellt somit den inneren Aspekt des Entwicklungsprozesses dar.
II.3.) Adaptation
Den äußeren Aspekt des Entwicklungsverlaufes, der sich direkt auf die Auseinandersetzung und Gestaltung der Umwelt bezieht, bezeichnet Jean Piaget mit dem Begriff Adaptation. Adaptation in der Piaget´schen Terminologie meint jedoch nicht lediglich Anpassung des Individuums an seine Umwelt, sondern ist vor dem Hintergrund, den Menschen als aktiven Ko-Konstrukteur seiner Entwicklung anzuerkennen, als Eigenleistung des Heranwachsenden zu betrachten. Auch bei der Erklärung dieses Phänomens greift Piaget auf biologische Grundlagen zurück. Der Mensch ist hier zu verstehen als offener Organismus, der, um sein Funktionieren gewährleisten zu können „bestimmte innere Sollwerte . . . realisieren und aufrechterhalten muss . . .“ (Buggle, 1985, S. 25). Im physischen Bereich zählen hierzu zum Beispiel die Aufnahme von Sauerstoff oder die Nahrungszufuhr. Für den psychisch-kognitiven Bereich beschreibt Piaget diese Funktion analog. Auch hier beschreibt Adaptation den Interaktionsprozess zwischen Individuum und Umwelt, durch den ein optimales Gleichgewicht der Kognitionen und des Umfeldes erreicht wird (vgl. Buggle, 1985, S24f.). Die Adaptation ist –wie die Organisation der Strukturen – als Funktion des Äquilibrationsprozesses zu verstehen; sie vollzieht sich immer auf zwei sich gegenseitig ergänzenden und bedingenden Dimensionen, die durch Assimilations- und Akkomodationsprozesse repräsentiert werden.
II.3.1.) Assimilation
Assimilation (lat.: assimilare = ähnlich machen) bedeutet das Bemühen des Organismus, Objekte oder situative Reize der umgebenden Umwelt mit den bereits vorhandenen kognitiven Strukturen zu verarbeiten und sie geistig so zu transformieren, dass sie mit vertrauten Strukturen zu bewältigen sind (vgl. Zimbardo / Gerrig, 1999, S. 462f.).
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- Arbeit zitieren
- Katja Kuhn (Autor:in), 2004, Jean Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45383
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