Lehrer sind faul, haben viel mehr Freizeit als „normale“ Berufstätige und sind nicht in der Lage, ihre eigenen Kinder zu erziehen.
Schüler sind desinteressiert, versuchen sich vor verantwortungsvollen Aufgaben zu drücken und haben zu wenig Erfahrung, um bei den Erwachsenen mitreden zu können.
Die Schule ist nicht in der Lage, aus den Kindern verantwortungsvolle, selbständig denkende Erwachsene zu machen; das Leistungsniveau wird immer schlechter.
Was für Aussichten! Selbst, wenn diese Ansichten über Schule und über die daran beteiligten Personen überspitzt formuliert sind, so geben sie doch zumindest teilweise das typische Bild von Schule wieder, welchem man - in den Medien oder auch in privaten Gesprächen - immer wieder begegnet. Wie kommt es, dass gerade in solchen Bereichen wie Schul- und Ausbildungsstätten, die quasi ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen, da sie wie kaum ein anderer Bereich auch immer die gerade vorherrschenden Trends und Moden aufnehmen und sich die gesellschaftlichen Veränderungen immer zuerst hier herauskristallisieren, Vorurteile und stereotype Vorstellungen eine so große Rolle spielen? Wenn schon das schulische Leben als Spiegelbild des gesellschaftlichen Lebens so vorurteilsbestimmt ist, wie sollen Schüler dann zu vorurteilsfreiem Denken erzogen werden? Ist das überhaupt möglich?
Die vorliegende Arbeit befasst sich nicht mit den angedeuteten Vorurteilen, die über Schule, Lehrer oder Schüler bestehen. Sie soll vielmehr das Phänomen des Vorurteils aus verschiedenen Richtungen beleuchten. Als Lehramtsstudent in den Fächern Englisch, Französisch und Psychologie interessierte mich zum einen der psychologische Aspekt von Vorurteilen, deren Entstehung und Funktionen, und zum anderen, da ich als zukünftiger Fremdsprachenlehrer auch für die Vermittlung von kulturspezifischen Aspekten von Sprachen zuständig bin, der Bereich der ethnischen Vorurteile bzw. die Funktion und Gefahr nationaler Stereotypen und deren Behandlung im Unterricht. Die Arbeit soll also zunächst einen Einblick verschaffen, in die psychologischen Grundlagen des Vorurteils. Anschließend soll die besondere Stellung des Vorurteils im Fremdsprachenunterricht erläutert werden, bevor dann Möglichkeiten aufgezeigt werden, durch Fremdsprachenunterricht die Entstehung von nationalen Stereotypen zu verhindern, bzw. eben diese Stereotype abzubauen.
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Vorurteil aus psychologischer Sicht
2.1. Einstellung, Stereotyp und Vorurteil: Definition und Abgrenzung
2.1.1. Einstellung
2.1.2. Stereotyp
2.1.3. Vorurteil
2.2. Wodurch entstehen Vorurteile?
2.2.1. Theorien zur Erklärung von Vorurteilen
2.2.2. Kognitive Erklärungsansätze
3. Ethnische Stereotypen und Vorurteile
3.1 Die Thematisierung von ethnischen Stereotypen und Vorurteilen in der Schule
3.2. Die Rolle des Fremdsprachenunterrichts bei der Bekämpfung von nationalen Vorurteilen
3.2.1. Die Rolle der Fremdsprache
3.2.2. Gründliche Informationen als Basis für vorurteilsfreies Sprachenlernen
3.2.3. Die Gefahr des Problemunterrichts
3.2.4. Offene Texte zur Schulung der Kritikfähigkeit
3.2.5. Das Rollenspiel zur Förderung der Empathiefähigkeit
3.2.6. Interkulturelle Begegnungen
3.2.7. Zusätzliche Sprachangebote
4. Fazit
5. Literaturangaben
1. Einleitung
Lehrer sind faul, haben viel mehr Freizeit als „normale“ Berufstätige und sind nicht in der Lage, ihre eigenen Kinder zu erziehen.
Schüler sind desinteressiert, versuchen sich vor verantwortungsvollen Aufgaben zu drücken und haben zu wenig Erfahrung, um bei den Erwachsenen mitreden zu können.
Die Schule ist nicht in der Lage, aus den Kindern verantwortungsvolle, selbständig denkende Erwachsene zu machen; das Leistungsniveau wird immer schlechter.
Was für Aussichten! Selbst, wenn diese Ansichten über Schule und über die daran beteiligten Personen überspitzt formuliert sind, so geben sie doch zumindest teilweise das typische Bild von Schule wieder, welchem man - in den Medien oder auch in privaten Gesprächen - immer wieder begegnet. Wie kommt es, dass gerade in solchen Bereichen wie Schul- und Ausbildungsstätten, die quasi ein Spiegelbild unserer Gesellschaft darstellen, da sie wie kaum ein anderer Bereich auch immer die gerade vorherrschenden Trends und Moden aufnehmen und sich die gesellschaftlichen Veränderungen immer zuerst hier herauskristallisieren, Vorurteile und stereotype Vorstellungen eine so große Rolle spielen? Wenn schon das schulische Leben als Spiegelbild des gesellschaftlichen Lebens so vorurteilsbestimmt ist, wie sollen Schüler dann zu vorurteilsfreiem Denken erzogen werden? Ist das überhaupt möglich?
Die vorliegende Arbeit befasst sich nicht mit den angedeuteten Vorurteilen, die über Schule, Lehrer oder Schüler bestehen. Sie soll vielmehr das Phänomen des Vorurteils aus verschiedenen Richtungen beleuchten. Als Lehramtsstudent in den Fächern Englisch, Französisch und Psychologie interessierte mich zum einen der psychologische Aspekt von Vorurteilen, deren Entstehung und Funktionen, und zum anderen, da ich als zukünftiger Fremdsprachenlehrer auch für die Vermittlung von kulturspezifischen Aspekten von Sprachen zuständig bin, der Bereich der ethnischen Vorurteile bzw. die Funktion und Gefahr nationaler Stereotypen und deren Behandlung im Unterricht. Die Arbeit soll also zunächst einen Einblick verschaffen, in die psychologischen Grundlagen des Vorurteils. Anschließend soll die besondere Stellung des Vorurteils im Fremdsprachenunterricht erläutert werden, bevor dann Möglichkeiten aufgezeigt werden, durch Fremdsprachenunterricht die Entstehung von nationalen Stereotypen zu verhindern, bzw. eben diese Stereotype abzubauen.
2. Das Vorurteil aus psychologischer Sicht
Die Psychologie beschäftigt sich in etwa seit der Zeit des Zweiten Weltkrieges bzw. den Jahren danach mit dem Vorurteil. Hierbei standen zunächst vor allem Vorurteile gegenüber ethnischen Gruppen im Mittelpunkt des Interesses. Da es sich bei Vorurteilen immer um „Bewertungsmuster“ handelt, die sich „auf sämtliche soziale Sachverhalte beziehen lassen“ (vgl. Six, 1999, S. 828), fällt die Vorurteilsforschung in das Gebiet der Sozialpsychologie bzw. der Soziologie. Die Sozialpsychologie „(...) untersucht zwischenmenschliche Beziehungen in einem sozialen Kontext, wie sie die beteiligten Personen und die Beziehungen zwischen Gruppen beeinflussen (...)“ (Deutsch und Krauss, 1976, S. 5 zit. nach Heinz, 1999, S. 708) Sie beschäftigt sich somit „(...) mit dem Zusammenspiel zwischen Persönlichkeit, Gesellschaftssystem und Kultur (...)“. (Secord und Backmann, 1974, S. 13, zit. nach Heinz, ebd)
2.1. Einstellung, Stereotyp und Vorurteil: Definition und Abgrenzung
Aufgrund der engen Verbindungen zwischen Vorurteilsforschung, Stereotypenforschung und Einstellungsmessung scheint es zunächst angebracht, den Begriff „Vorurteil“ zu definieren (bzw. einen Definitionsversuch zu unternehmen, was sich angesichts der unterschiedlichen Darstellungen in der Literatur als nicht sehr einfach erweisen wird), und den Begriff des Vorurteils von den Begriffen „Stereotyp“ und „Einstellung“ abzugrenzen.
2.1.1. Einstellung
Der Begriff „Einstellung“ lässt sich grob definieren als „eine Prädisposition für eine Reaktion“, die durch die „(...) Konsistenz der Reaktionen bei Individuen gegenüber sozialen Situationen gekennzeichnet (...)“ ist (Triandis, 1975, S. 9). Einstellungen zeichnen sich also dadurch aus, dass sie die jeweilige Person dazu bringen, in sozialen Situationen in einer konsistenten, ähnlichen Art und Weise zu reagieren, bzw. dass sie abweichende Reaktionen verhindern. Sie bezeichnen die „beständige Orientierung und Handlungsbereitschaft eines Individuums in bezug auf ein soziales Objekt“ (Thomas und Znaniecki, 1918, S. 20ff. zit. nach Meinefeld, 1999, S. 121)
Innerhalb der Einstellungen lassen sich „Sets“ von „Attitüden“ unterscheiden. Letztgenannte bezeichnen in etwa die bereits oben erwähnte Konzeption von Einstellungen als „(...) Langzeithandlungen (...), die kognitiv abgesichert sind (...)“ (Hermann-Brennecke, 1991, S. 66), während es sich bei „sets“ um „(...) momentan wirksame, vorübergehende Einstellungen (...)“ handelt. (ebd.):
„Some predispositions are momentary, in which case they are not called attitudes. While such concepts as ‘set’ or Einstellung are typically employed in referring to a momentary predisposition, the concept of attitudes is typically reserved for more enduring, persistent organizations of predispositions.” (Rokeach, 1976, S.112 zit. nach Hermann-Brennecke, ebd.)
2.1.2. Stereotyp
Der Begriff “Stereotyp” wurde von Walter Lippmann (Public Opinion,1922) zunächst „(...) völlig wertneutral eingeführt und definiert (...)“ (Husemann, 1990, S. 89):
„Lippmann betonte, dass die psychologische und physiologische Beschaffenheit des Menschen ihn von Natur aus dazu veranlage, Wahrnehmungen und Vorstellungen in standardisierte Raster einzuordnen, ohne die eine Orientierung für ihn unmöglich wäre.“ (ebd.)
Lippmann erklärt, dass wir zuallererst einordnen, definieren und dann erst sehen, wahrnehmen:
“(…) For the most part we do not first see and then define, we define and then see. (...) we pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture.(…) There is neither time nor opportunity for intimate acquaintance. Instead we notice a trait which marks a well known type, and fill in the rest of the picture by means of the stereotypes we carry about in our heads. (...)“ (Lippmann, 1922, S. 54 ff. zit. nach Husemann, ebd.)
Es ist uns offensichtlich unmöglich, die Sachverhalte, die unsere Realität bestimmen, immer neu und detailliert wahrzunehmen. Stattdessen suchen wir nach bekannten Zügen oder Mustern und vervollständigen das Bild mit den bereits existierenden stereotypen Vorstellungen. Stereotypen sind nach Lippmann Verallgemeinerungen, die zu einer Kategorisierung führen, welche „(...) die Fülle und Komplexität aufgenommener Informationen (...) vereinfachen und (...) systematisieren (...)“ soll. (Husemann, 1990, S. 90)
Mittlerweile werden in Bezug auf den Begriff des Stereotyps vor allem auch seine sozialen Funktionen in den Mittelpunkt gerückt. Ein Stereotyp wird demnach in der Regel von einer großen Zahl von Menschen geteilt, Stereotypen sind zumeist innerhalb von Gruppen oder Nationen verbreitet. (vgl. ebd.). Bezogen auf soziale Aspekte bezeichnet der Begriff „Stereotyp“ also „(...) ein Gefüge von Meinungen und Zweifeln über eine beliebige soziale Gruppe.“ (Ehrlich, 1979, S.31)
Stereotypen sind grobe kognitive Schemata, die eine vereinfachte Wahrnehmung sozialer Realität ermöglichen und die Orientierung erleichtern. Die Verallgemeinerung, die bei der Bildung und Aufgabe von Stereotypen stattfindet, spielt bei allen Kognitionsprozessen eine wichtige Rolle. Sie spiegeln somit die „menschliche Begrenztheit“ (vgl. Husemann, 1990, S. 95) wider und sind daher als praktische Orientierungshilfe zu akzeptieren. Das Zusammentreffen mehrerer stereotyper Vorstellungen, ihre Anhäufung zu einem „Konglomerat von Stereotypen“ (vgl. Hermann-Brennecke, 1991, S.70), führt dann allerdings zur Bildung von Vorurteilen.
2.1.3. Vorurteil
Wie bereits erwähnt erweist sich eine eindeutige, allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Vorurteil“ als sehr schwierig. Daher sollen an dieser Stelle zunächst verschiedene Definitionen und Darstellungen des Vorurteils genannt werden, um einen Überblick zu gewährleisten über die unterschiedlichen Sichtweisen, die in der Sozialpsychologie bezüglich dieses Themenbereichs vorherrschen.
Im Dictionary of the Social Sciences (1964) und im Handbook of Social Psychology (1954) findet sich die Definition des Vorurteils als einer „negativen ethnischen Einstellung“ (vgl. Ehrlich, 1979, S. 11). Diese Definition entstammt sicherlich dem ursprünglichen Forschungsinteresse, welches, wie bereits erwähnt, auf die Erforschung von (negativen) Einstellungen gegenüber ethnischen Gruppen gerichtet war.
Andere Definitionen des Vorurteils beziehen sich eher auf die Komponenten von Vorurteilen, indem sie versuchen das komplexe Geflecht zwischen Kognition und Emotion zu berücksichtigen:
„Vorurteile beinhalten immer Gefühle und ein System mehr oder weniger deutlicher stereotyper Überzeugungen.“ (Saenger, 1953, S. 3 zit. nach Six, 1999, S. 828)
„Eine negative Einstellung gegenüber einem Objekt, die zu Stereotypisierungen führt, emotional geladen ist und die sich auch durch entgegengesetzte Informationen nur schwer ändern lässt.“ (Krech, Crutchfield und Ballachey, 1962, zit. nach Ehrlich, 1979, S. 11)
Wichtig scheint in der letztgenannten Definition vor allem der Bezug zur Möglichkeit der Änderung von Vorurteilen. Während Stereotype also die kognitive Komponente des Vorurteils bilden, erhalten diese ihre besondere Brisanz durch die zusätzliche affektive Komponente. Die Gefühle, die bei Vorurteilen immer eine Rolle spielen, machen sie so resistent gegenüber Änderungen.
Dies wird auch in der folgenden Definition des Vorurteils von Secord und Bachmann (1964, zit. nach Ehrlich, 1979, S. 12) deutlich. Ein Vorurteil ist demnach
„Eine Einstellung, die eine Person dazu prädisponiert, gegenüber einer Gruppe oder ihren Mitgliedern in positiver oder negativer Weise zu denken, wahrzunehmen, zu empfinden und zu handeln.“
Der Träger von Vorurteilen nimmt also selektiv nur die Gegebenheiten und Sachverhalte wahr, die in sein Bild, welches er von der jeweiligen Person, der Gruppe oder dem sozialen Sachverhalt hat, hineinpassen. Er empfindet folglich auch nur das, was mit seinem vorurteilsbehafteten Gefühl gegenüber dem jeweiligen Objekt in Einklang zu bringen ist. So bestimmt das Vorurteil das Denken und Handeln des Vorurteilsträgers und erschwert somit auch den Abbau bzw. die Relativierung eines Vorurteils.
In der Definition von Secord und Bachmann fällt außerdem auf, dass das Vorurteil nicht nur als Grundlage von falsch negativem Denken und Handeln gesehen wird. Vielmehr können auch falsch positive Denk- und Verhaltensweisen durch ein Vorurteil verursacht werden. Das Vorurteil kann also auch dazu führen, dass ein bestimmter Sachverhalt oder eine Person oder Gruppe lediglich positiv bewertet wird. Informationen, die diesem positiven Bild bzw. dem positiven Gefühl widersprechen, werden „herausgefiltert“ oder zumindest nur in abgeschwächter Form wahrgenommen. Ein Beispiel für diese Art der falsch positiven Bewertung, wenn auch ein zynisches, findet sich in dem Ausspruch „Liebe macht blind.“
Ein weiterer Aspekt wird in der folgenden Definition von Westie (1964, zit. nach Ehrlich, ebd.) erkennbar:
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- Quote paper
- Philipp Rott (Author), 2001, Vorurteile und Stereotypen im Fremdsprachenunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45356
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