In dieser Arbeit soll geklärt werden, inwiefern die Höhentod-Versuche, die Kältetod-Versuche und die Meerwasserversuche der NS-Zeit durchgeführt wurden und ob die Resultate brauchbar für die Wehrmacht waren.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Einleitung
3. Hintergründe
3.1 Wehrmacht
3.1.1 Geschichte
3.1.2 Organisation und Führung
3.1.3 Sanitätsdienst
3.2 Medizin im Dritten Reich
3.2.1 NS-Ärzte
3.2.2 NS-Krankenpflege
3.2.3 Medizin im Konzentrationslager
4. Humanexperimente
4.1 Höhentod-Versuche/ Unterdruck-Versuche
4.1.1 Projekt: Fliegen
4.1.2 Entstehung der Versuche zur Rettung aus großen Höhen
4.1.3 Durchführung und Verlauf
4.1.4 Berichte und Ergebnis
4.2 Kältetod-Versuche/ Unterkühlungs-Versuche
4.2.1 Seenotfrage
4.2.2 Durchführung und Verlauf
4.2.3 Ergebnis und Schlussfolgerung
4.3 Meerwasser-Versuche
4.3.1 Anlass der Versuchsreihe
4.3.2 Versuchsablauf
4.3.3 Folgen
5. Fazit
6. Appendix
6.1 Abkürzungen
6.2 Literaturverzeichnis
1. Vorwort
„Meine Verordnung werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach meinem besten Urteil, sie schützen vor allem, was ihnen Schaden und Unrecht zufügen könnte“ 1, so heißt es im Eid des Hippokrates. Diese Aussage sollte eigentlich selbstverständlich sein, dennoch war es während der nationalsozialistischen Diktatur anders, der NS-Staat kannte eine Medizin ohne Menschlichkeit. Das Grauen, das Ärzte in der Zeit über ihre Opfer gebracht haben ist immer noch schwer vorstellbar. Deshalb stellt sich wahrscheinlich jedem, der sich entweder mit der Geschichte Deutschlands oder mit zu dieser Zeit verwendeten Medizin befasst die Frage, „Wie konnten Ärzte so etwas tun?“.
Ich wählte das Thema, weil die Aspekte Medizin und Militär ein besonderes Interesse bei mir wecken, da es mein berufliches Ziel ist, bei der Bundeswehr Medizin zu studieren. Deshalb stellt sich mir besonders die Frage, welche wissenschaftlichen und militärischen Motive die experimentierenden Ärzte dazu brachte, jegliche Moral zu vernachlässigen, welche Ziele sie hatten und welche erreicht wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2. Einleitung
Die Hauptkriegsverbrecher des 2. Weltkrieges wurden im Nürnberger Prozess verurteilt, für andere Täter des NS-Regimes fanden weitere Nachfolgerprozesse statt. Den Anfang machte der Nürnberger Ärzteprozess vom 9. Dezember 1946 bis zum 19. Juli 1947, welcher durch den I. Amerikanischen Militärsgerichtshof verhandelt wurde. Die 22 Angeklagten waren 19 Ärzte, darunter eine Frau, ein Jurist und zwei Verwaltungsfachleute. Im Einzelnen handelte es sich um:
Dr. med. Hermann Becker-Freyseng (Stabsarzt, Referent für Luftwaffenmedizin im Amt des Sanitätsinspekteurs der Luftwaffe);
Dr. med. Wilhelm Beiglböck (Stabsarzt, Oberarzt an der I. medizinischen Universitätsklinik Wien);
Prof. Dr. med. Kurt Blome (Stellvertreter des Reichsgesundheitsführers, stellvertretender Leiter der Reichsärztekammer);
Viktor Brack (SS-Oberführer, Oberdienstleiter in der Kanzlei des Führers);
Prof. Dr. med. Karl Brandt (Generalleutnant der Waffen-SS, Reichskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen);
Dr. iur. Rudolf Brandt (SS-Standartenführer, persönlicher Referent des Reichsführers SS);
Dr. med. Fritz Fischer (SS-Sturmbannführer, Assistenzarzt in der Heilanstalt Hohenlychen);
Prof. Dr. med. Karl Gebhardt (Chefarzt der Heilanstalt Hohenlychen, Oberster Kliniker beim Reichsarzt SS, Leibarzt Himmlers, Präsident des Deutschen Roten Kreuzes);
Dr. med. Siegfried Handloser (Gerneraloberstabsarzt, Chef des Wehrmachts-Sanitätswesen und Heeres-Sanitäts-Inspektor);
Dr. med. Waldemar Hoven (SS-Hauptsturmführer, Lagerarzt im KZ Buchenwald);
Prof. Dr. med. Joachim Mrugowsky (SS-Oberführer, Chef des Hygiene-Institutes der Waffen-SS);
Dr. med. Herta Oberheuser (Assistenzsärztin in der Heilanstalt Hohenlychen, Lagerärztin im KZ Ravensbrück);
Dr. med. Adolf Pokorny (Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten);
Dr. med. Helmut Poppendick (SS-Oberführer, Leitender Arzt im SS-Rasse- und Siedlungs-Hauptamt, Chef des persönlichen Büros im Stabe des Reichsarztes SS);
Dr. med. Hans Wolfgang Romberg (Abteilungsleiter an der deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt);
Prof. Dr. med. Gerhard Rose (Generalarzt der Reserve, Chef der Abteilung für tropische Medizin am Robert-Koch-Institut, Beratender Hygieniker und Tropenmediziner beim Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe);
Prof. Dr. med. Paul Rostock (Generalarzt der Reserve, Direktor der chirurgischen Universitätsklinik Berlin, Beratender Arzt der Armee, Amtschef der Dienststelle Medizinische Wissenschaft und Forschung);
Dr. med. Siegfried Ruff (Direktor des Fliegermedizinischen Institutes der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e.V. Berlin);
Dr. med. Konrad Schäfer (Unterarzt im Stab des Forschungs-Institutes für Luftfahrtmedizin Berlin, Assistent am Chemotherapeutischen Laboratorium der Schering AG);
Prof. Dr. med. Oskar Schröder (Generaloberstabsarzt, Chef des Sanitätswesens der Luftwaffe, Inspekteur des Luftwaffen-Sanitätsdiensts);
Wolfram Sievers (General-Sekretär der Gesellschaft „Ahnenerbe“);
Prof. Dr. med. Georg Weltz (Oberfeldarzt, Chef des Institutes für Luftfahrtmedizin München)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2 Angeklagte im Nürnberger Ärzteprozess 1946/47 (Foto: Repro)
Neben diesen Angeklagten gab es jedoch noch weitere Schuldige. Manche waren bereits im Hauptprozess oder bei den Dachauer Prozessen verurteilt worden, andere waren zuvor verstorben oder begangen Suizid um ihrer Verantwortung zu entfliehen. Genauso blieben einige Verbrecher unbekannt, da das benötigte Beweismaterial nicht verfügbar war, beziehungsweise fehlte.
Der endgültigen Auswahl wurde am 5. November 1946 eine deutschsprachige Kopie der Klageschrift, welche am 25. Oktober 1946 entstand, zugestellt. Die Basis der Anklage bildete das „Kontrollratsgesetz Nr.10“ welches die Rechtszuständigkeit für diesen Prozess dem Militärgerichtshof Nr. 1 zuwies (Anordnung Nr. 7 der Militärregierung) und aus welchem die folgenden vier Klagepunkten abgeleitet wurden:
I. Verschwörung zur Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
II. Kriegsverbrechen
III. Verbrechen gegen die Menschlichkeit
IV. Mitgliedschaft in verbrecherischen Organisationen
Auf Antrag der Verteidigung und nach darauffolgender Prüfung der Rechtsgrundlage fasste das Gericht den Beschluss, mit dem I. Anklagepunkt eigenständig nicht zu verurteilen.
Noch vor Prozessbeginn plädierten die Beschuldigten während einer gerichtlichen Anhörung sämtlich mit „nicht schuldig“.
Nach 133 Prozesstagen mit einerseits 32 Zeugen und 570 Dokumenten auf der Seite der Anklage und andererseits 53 Zeugen und 901 Dokumenten der Verteidigung wurden am 20. August 1947 die nicht revisionsfähigen Urteilssprüche verkündet.
Brack, K. Brandt, R. Brandt, Gebhardt, Mrugowsky, Hoven und Sievers wurden zum Tode verurteilt;
Fischer, Handloser, Rose und Schröder erhielten eine lebenslange Haftstrafe.
Becker-Freyseng und Oberheuser wurden jeweils zu 20 Jahren, Beiglböck zu 15 Jahren und Poppendick zu 10 Jahren Haft verurteilt.
Für Blome, Pokorny, Romberg, Rostock, Ruff, Schäfer und Weltz endete der Prozess mit Freispruch.2 3
Unter den Beschuldigten befanden sich auch einige Ärzte aus den Reihen der Wehrmacht, welche Experimente an Lagerhäftlingen im Auftrag bestimmter Teilstreitkräfte durchführten. Manche unter ihnen rechtfertigten diese Experimente, indem sie behaupteten, dass sie nötig seien um „kriegswichtige“ Fragen zu klären.4 5
In dieser Arbeit soll geklärt werden, welche Versuche für diese Zwecke durchgeführt wurden, ob die Versuche befriedigend waren und inwiefern die Ergebnisse brauchbar und nötig für die Wehrmacht waren.
3. Hintergründe
3.1 Wehrmacht
Als Wehrmacht bezeichnet man die Gesamtheit der Streitkräfte im nationalsozialistischem Deutschland. Sie gliederte sich in Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine.
3.1.1 Geschichte
Die Siegermächte des 1. Weltkrieges beschränkten die zulässige Truppenstärke des deutschen Reichsheers im Versailler Vertrag auf 100 000 Mann und 15 000 Mann in der Marine, außerdem wurden schwere Artillerien, Panzer und eine Luftstreitkraft verboten. Zudem wurde ein Verbot zur weiteren Erforschung von Chemiewaffen verhängt. Unter diesen Regelungen wurde am 23. März 1921 die Reichswehr gegründet.
1933 begann der nationalsozialistische Staat bereits mit einem geheimen Aufrüstungsprogramm, welches eine Kriegsstärke von 3 Millionen Mann aufbauen sollte.
Ab 1935, dann unter offenem Bruch des Versailler Vertrags und ab dem 16. März 1935 wurde durch das Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht aus der Reichswehr die Wehrmacht und die Allgemeine Wehrpflicht wurde wieder eingeführt. Dennoch wurden durch die NS-Ideologie „Nichtarier“ vom Wehrdienst ausgeschlossen.
Bis zum Kriegsbeginn dienten in der Wehrmacht circa 4,5 Millionen Soldaten. Knapp neun von zehn Soldaten im Heer, jeder zehnte in der neuen Luftwaffe und ungefähr jeder 90te in der Kriegsmarine. Nach Kriegsbeginn fast nochmal genauso viele.
Nachdem Deutschland den 2. Weltkrieg verloren hat, wurde die Wehrmacht am 20. August 1946 durch die Alliierten mithilfe des Kontrollratsgesetz Nr. 34 offiziell aufgelöst.6
3.1.2 Organisation und Führung
In der Reichswehr wurde zwischen Befehlsgewalt und Kommandogewalt unterschieden, da man davon ausging, dass keine einzige Person die Kompetenz zu beidem hätte. Deshalb wurde die Führung unter den Reichspräsidenten als Oberbefehlshaber und den Leitungen des Heers und der Marine als Oberkommandierende geteilt.
Doch in der Wehrmacht wurde diese Trennung immer mehr ignoriert. Zu Beginn wurde sie vom Reichswehrminister und dann vom Reichskriegsminister verwaltet.
Durch ein staatrechtliches Konzept wurde dann die Heeresleitung zum Oberkommando des Heeres (OKH), die Marineleitung zum Oberkommando der Marine (OKM). Zudem wurde ein Oberkommando der Luftwaffe (OKL) eingeführt. Das Amt nannte man bis zur Blomberg-Fritsch-Krise 1937 Wehrmachtsamt, danach übernahm Hitler die Tätigkeit des Reichskriegsministers und das Wehrmachtsamt wurde zum Oberkommando der Wehrmacht (OKW). Dadurch fiel die Teilung weg.7
3.1.3 Sanitätsdienst
Alle Streitkräfte hatten ihre eigenen Sanitätsdienste, welche von den jeweiligen Sanitätsinspekteuren geleitet wurden. Der Heeres-Sanitätsinspekteur war personell zugleich der Wehrmachts-Sanitätsinspekteur, der ranghöchste Inspekteur des militärischen Gesundheitswesens. Zwischen 1932 und 1941 war dies der Generaloberstabsarzt Prof. Dr. Anton Waldmann. Nach dessen Tod übernahm Prof. Dr. Sigmund Handloser seine Position. Neben den Tätigkeiten der drei Wehrmachtsteilen, koordinierte und überwachte er auch die der Waffen-SS. Am 28. Juli 1942 erhielt Handloser von Hitler den neuen Titel Chef des Wehrmachts-Sanitätswesen (Chef WSan).
Das Sanitätswesen beinhaltete die Militärärztliche Akademie (MA), zu dem elf Institute gehörten.8
3.2 Medizin im Dritten Reich
Die nationalsozialistische Diktatur setzte auf eine neue Ideologie. Wichtige Punkte waren das Führerprinzip, die territoriale Erweiterung im Osten und die Volksgemeinschaft. Doch im Mittelpunkt standen der Sozialdarwinismus und der Antisemitismus, denn ein Hauptziel war es, die arische Rasse aufzuwerten, in dem man minderwertige Menschen ausgrenzte. Deshalb war Selektion als Grundsatz ihrer Gesundheitspolitik. Der Staat setzte einen Anspruch auf die Lebensweise und die Gesundheit jedes Individuums, denn es galt als Pflicht gesund zu sein. Der Gedanke war, dass man in einem Kampf eine Rasse, die „bei möglichst geringer Pflege am leistungsfähigsten und widerstandsfähigsten ist“ bereit hat. Laut dem völkischen Pathologen Staemmler hieß es, „Kampf erfordert Gesundheit. Rasse haben heißt, gesund zu sein“. NS-Medizin bedeutete also „ zielbewusste Gesundheitsführung eines ganzen Volkes “.9
Den institutionellen Part der Gesundheitsführung übernahm die Gesundheitsabteilung des Reichsinnenministerium (RMdI). Der Zuständigkeitsbereich beinhaltete den öffentlichen Gesundheitsdienst, die Bekämpfung ansteckender Krankheiten, die Aufsicht über das Personal und die Einrichtung des Gesundheitswesens sowie für den seit 1933 expandierenden Bereich der Erb- und Rassenpflege.10
3.2.1 NS-Ärzte
Bereits 1929 wurde der Nationalsozialistische Deutsche Ärztebund (NSDÄB) gegründet, bei diesem handelte es sich aber nicht um eine Ärztevertretung, sondern vielmehr um einen Kampfbund. Wie viele andere Berufsgruppen wollte sich die Ärzteschaft 1933 so schnell wie möglich gleichschalten, das heißt im Sinne des Regimes zu arbeiten und sich kontrollieren zu lassen. Alle Organisationen, die sich widersetzt haben wurden ausgeschalten. Schon bevor es gefordert wurde, grenzte der Verband jüdische Mitglieder aus. Über 45% der deutschen Ärzte, die zwischen 1933 und 1945 praktizierten, waren NSDAP-Mitglieder. Kein anderer akademischer Beruf hatte so einen hohen Prozentsatz, wie der der Mediziner. Außerdem waren mehr als 7% unter anderem auch Mitglied der SS und 26% bei der SA.11
[...]
1 Schöni 2014, S. 60.
2 Bastian 1996.
3 Klee 2007.
4 Ley 2006, S. 75.
5 Baumann 2009, S. 31–35.
6 Fesenmeier 2017.
7 Dr. Thomas Vogel 2015.
8 Klee 1997, S. 193–205.
9 Klee 2001, S. 46–47.
10 Jütte et al. 2012, S. 39.
11 Jütte et al. 2012, S. 58–59.
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