Die Umdeutung eines Problems in einen lösungsorientierten Kontext und die damit verbundene Sicht auf das ganze System kann sich entlastend auf den ganzen pädagogischen Alltag und alle betroffenen Beteiligten auswirken.
Wird nun der Blick auf den Religionsunterricht gelenkt, gelten diese Überlegungen in einem besonderen Kontext. Mit in der Regel zwei Wochenstunden kann diese Zeit in der Schule für die Schüler zu einer Oase der Kraft und Ruhe, der Entlastung von Leistungsdruck und einem geschützten Raum werden, in dem sie nicht nur als Lernende betrachtet werden, sondern in ihrer ganzheitlichen Subjekt-Werdung unterstützt und ermutigt werden. Die religiöse Prägungsgeschichte und der allgemeine und religiöse Entwicklungsstand der Einzelnen sind in diesem Zusammenhang entscheidend für die unterrichtliche Praxis.
Aber darüber hinaus kann der Religionsunterricht zum konstruktiven Diskurs anregen und Haltungen prägen. Es spielen persönliche Gedanken und Gefühle eine Rolle, aber auch gesellschaftliche Einflussfaktoren wie zum Beispiel Medien, die eine nicht zu verachtende Position im Leben Heranwachsender einnehmen. Eine gewisse Sensibilität des Religionslehrers ist dabei entscheidend. Christliche Werte und Überzeugungen, mögen sie noch so wertvoll sein, lassen sich nicht plump auswendig lernen wie die Mitternachtsformel im Kontext der Mathematik. Vielmehr gilt es, sein Gegenüber genau wahrzunehmen, mit all seinen Rahmenfaktoren, seiner bisherigen religiösen Sozialisation und seinen daraus resultierenden Haltungen, diesen zunächst wertschätzend zu begegnen und eine Lernatmosphäre zu schaffen, in der ein Schüler sich öffnet, um andere Perspektiven einzunehmen. Das kann nur dann gelingen, wenn auch der Lehrer zu einem solchen Blickwechsel bereit ist.
Die systemischen Sichtweisen in die Institution Schule und in das besondere Fach des Religionsunterrichts zu integrieren, erscheint somit eine gewinnbringende Überlegung zu sein. Dabei stellt sich die für diese Arbeit entscheidende Frage: Braucht Lehrerbildung im Allgemeinem und im Besonderen systemische Zugangsweisen, Perspektiven und Handlungskompetenzen, und inwieweit wurden theoretische und praktische Elemente des systemischen Ansatzes bereits in die universitäre Ausbildung für Lehramtsanwärter aufgenommen?
Inhaltsverzeichnis
- 0. Einleitung
- 1. Der Systemische Ansatz in Schule und Unterricht
- 1.1 Grundlagen des Systemischen Denkens
- 1.1.1 Was ist ein System?
- 1.1.2 Autopoiesis
- 1.1.3 Synergetik
- 1.1.4 Kybernetik erster Ordnung
- 1.1.5 Triviale und nichttriviale Maschinen (= Systeme)
- 1.1.6 Konstruktivismus
- 1.1.7 Die Kybernetik der Kybernetik oder die Kybernetik zweiter Ordnung
- 1.1.8 Soziale Systeme
- 1.2 Umsetzung in der Schule
- 1.2.1 Schule - ein soziales System
- 1.2.2 Ressourcenorientierung in der Schule
- 1.2.3 Systemische Lösungsorientierung in der Schule
- 1.2.4 Beziehungsgestaltung
- 1.2.5 Refraiming
- 1.2.6 Kommunikationsstile
- 1.2.7 Zirkuläre Fragen
- 1.2.8 Lernen
- 2. Systemtheorie und Religionspädagogik
- 2.1 Niklas Luhmanns Religionsbegriff und sein Einfluss auf die Theologie und Religionspädagogik
- 2.2 Religionspädagogik aus systemischer Perspektive
- 2.2.1 Definition, systemische Religionspädagogik‘
- 2.2.2 Religionsdidaktik aus systemischer Perspektive
- 2.2.3 Lernen im RU
- 2.2.4 Begriffsentwicklung
- 2.2.5 Praktische Umsetzung
- 2.3 Chancen und Grenzen einer systemischen Religionspädagogik
- 2.4 Forschungsperspektiven
- 3. Lehrerkompetenzen aus einer systemischen Perspektive
- 3.1 Lehrerkompetenzen im Sinne der Kultusministerkonferenz
- 3.2 Kompetenzen und Standards für den Evangelischen Religionsunterricht formuliert durch die EKD und die Diagnostische Wahrnehmungskompetenzen im Religionsunterricht
- 3.3 Systemischer Ansatz als eine Handlungsalternative
- 4. Umfrage: Systemisches Handeln in der Schule
- 5. Inhaltliche und methodische Bereicherungen für die Lehrerbildung durch systemische Perspektiven
- Die Grundlagen des systemischen Denkens und seine Anwendung in Schule und Unterricht
- Die Integration des systemischen Ansatzes in die Religionspädagogik
- Die Bedeutung von Lehrerkompetenzen aus systemischer Perspektive
- Die Rolle der systemischen Perspektive in der Lehrerbildung
- Praxisbeispiele und empirische Forschungsergebnisse
- Kapitel 0: Einleitung
Dieses Kapitel beleuchtet die Herausforderungen des Lehrerberufs und stellt die systemische Sichtweise als eine vielversprechende Perspektive vor. Es werden zwei konkrete Beispiele aus der Biografie der Autorin als Erzieherin in einer therapeutischen Wohngruppe vorgestellt, um die Komplexität von Schülerverhalten und die Notwendigkeit eines systemischen Denkens zu verdeutlichen. - Kapitel 1: Der Systemische Ansatz in Schule und Unterricht
Dieses Kapitel widmet sich den Grundlagen des systemischen Denkens, darunter die Konzepte der Autopoiesis, Synergetik, Kybernetik, Konstruktivismus und die Bedeutung sozialer Systeme. Es zeigt auf, wie diese Konzepte in der Praxis umgesetzt werden können, um Ressourcenorientierung, Lösungsorientierung und eine positive Beziehungsgestaltung in der Schule zu fördern. - Kapitel 2: Systemtheorie und Religionspädagogik
In diesem Kapitel wird der Religionsbegriff von Niklas Luhmann im Kontext der Theologie und Religionspädagogik betrachtet. Es wird dargelegt, wie sich die Religionspädagogik aus systemischer Perspektive definieren lässt und wie die Religionspädagogik und Religionsdidaktik durch diesen Ansatz bereichert werden können. - Kapitel 3: Lehrerkompetenzen aus einer systemischen Perspektive
Dieses Kapitel untersucht die Lehrerkompetenzen, die im Sinne der Kultusministerkonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie in Bezug auf die Diagnostische Wahrnehmungskompetenz im Religionsunterricht relevant sind. Es wird argumentiert, dass der systemische Ansatz eine Handlungsalternative bietet, die zur Entwicklung von pädagogischen Kompetenzen beiträgt. - Kapitel 4: Umfrage: Systemisches Handeln in der Schule
Das Kapitel präsentiert die Ergebnisse einer Umfrage zu systemischem Handeln in der Schule und zeigt auf, wie sich die Erkenntnisse aus der Forschung in die Praxis übertragen lassen. - Kapitel 5: Inhaltliche und methodische Bereicherungen für die Lehrerbildung durch systemische Perspektiven
Dieses Kapitel erörtert, wie systemische Perspektiven die Lehrerbildung bereichern können und welche inhaltlichen und methodischen Veränderungen sich aus dem systemischen Ansatz ergeben.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Zulassungsarbeit befasst sich mit der systemischen Sichtweise auf die (Religions-)Lehrerbildung und analysiert die Einflussfaktoren, die diese Sichtweise prägen. Der Fokus liegt dabei auf der Interdependenz zwischen allen relevanten Faktoren und dem wertschätzenden Umgang mit ihnen.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Begriffe und Themengebiete dieser Arbeit sind Systemtheorie, Systemisches Denken, Lehrerbildung, Religionspädagogik, Religionsdidaktik, Lehrerkompetenzen, Interdependenz, Ressourcenorientierung, Lösungsorientierung, Beziehungsgestaltung, Kommunikationsstile, Zirkuläre Fragen, Refraiming und Praxisbeispiele.
- Quote paper
- Ines Rottammer (Author), 2017, Systemische Perspektiven auf Lehrerbildung und insbesondere Religionslehrer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/453061